Luther, Martin - Vom Bruder Heinrich, in Dithmar verbrannt

Luther, Martin - Vom Bruder Heinrich, in Dithmar verbrannt

1524

… Da nun Gott der Allmächtige die Zeit ersahe, daß der gute Henricus mit seinem Blute die Wahrheit, von ihm gepredigt, bezeugen sollte, sandte er ihn unter die Mörder, die er darzu bereitet hatte. Denn es begab sich im vier und zwanzigsten Jahr kleiner Zahl nach Christi Geburt, daß er gerufen ward von Nicolao Boye, Pfarrer, und andern frommen Christen derselbigen Pfarre zu Meldorf in Dithmar, ihnen das Wort Gottes zu verkündigen, und sie aus des Antichrists Rachen zu bringen, denn er gewaltig daselbst regiert; welche Berufung er als von Gott annahm, und derhalben ihnen zusagte, da er zu ihnen kommen wollte.

Darnach auf Montag der ersten Woche im Advent zog Henricus mitten durch das Stift von Bremen in Dithmar, und kam gen Meldorf, da er denn hin berufen war, da er auch mit großen Freuden von dem Pfarrer, sammt andern frommen Christen, empfangen ward. Alsbald er darkommen war, wiewohl er noch keine Predigt gethan hatte, ward der Teufel zornig mit seinen Gliedmaßen, und insonderheit erregte er Augustinum Torneborch, Prior des schwarzen Klosters, die man nennet Jacobiter oder Prediger, welcher von Stund an lief zu seinem Mitgesellen M. Johann Snicken, des Officials von Hamburg Vicarien oder Commissarien, und hielt Rat, was zu thun stünde, damit ihr Reich nicht unterginge.

Endlich beschlossen sie, daß sie vor allen Dingen zuvorkommen müßten, daß er nicht predigte; denn wo er würde predigen, daß ihn der gemeine Mann hörete, so würde ihre Schalkheit an Tag kommen, und würden darnach nichts ausrichten können; denn sie wußten wohl, wie es zu Bremen zugegangen war. Auf diesen Beschluß machte sich der Prior Predigerordens des Morgens früh auf, denn er vor großer Sorge die Nacht nicht viel schlief, und kam gen der Heide auf Sonnabend vor dem andern Sonntag des Advents, vor die acht und vierzig Regenten des ganzen Landes, und beklagte sich höchlich und zeigte an, wie der Mönch von Bremen gekommen wäre, das ganze Land Dithmar zu verkehren, wie er denen von Bremen gethan hätte; hatte auch zu Hülfe M. Günter, des Landes gemeinen Kanzler, und Peter Hannen, beide große Feinde des Wortes Gottes. Diese zween halfen dem Prior mit allem Fleiß, und hielten den andern sechs und vierzig Ungelehrten, Einfältigen vor, wie ein groß Lob in ganzem Niederland, und wie großen Dank sie insonderheit bei dem Bischof von Bremen verdienen würden, wo sie diesen ketzerischen Mönch zum Tode bringen würden. Da sie das hörten, die armen ungelehrten Leute, schrieben sie bald, und beschloßen ihn zu tödten, den sie doch nicht gesehen, vielweniger gehöret noch überwunden hatten. …

In mittlerer Zeit ruhete der Prior sammt M. Johann Snicken nicht. Denn da der Prior sah, daß seine Bosheit nicht konnte fort gehen, zog er mit Doctor Wilhelmo, Prediger-Ordens zu Lunden, zu den grauen Mönchen, die man Barfüßer nennet oder Minores, da Hülfe und Rath zu suchen, wie er seinen Willen vollenden möchte; denn dieselbigen Mönche fast geschickt sind, mit ihrer Gleisnerei die armen Elenden zu verführen.

Alsbald schickten die grauen Mönche nach etlichen von den Regenten, als mit Namen Peter Nannen, Peter Swin und Claus Roden, und zeigte ihnen mit großen Klagen, wie denn ihre Gewohnheit ist, wie der Ketzer predige und das Volk verführe, welches ihm zum Theil anhängig wäre; wo sie nicht da zusehen würden und den Ketzer umbrächten, würde Mariä Lob sammt den zwei heiligen Klöstern zu Boden gehen. Das war die Schrift, da sie den Ketzer gedachten mit umzubringen; als denn geschah. Als die armen unverständigen Leute das höreten, wurden sie zornig und antwortete darauf Peter Swin: Man hätte dem Pfarrer sammt Henrico geschrieben, weß sie sich halten sollen; wärs vonnöthen, sie wollten noch einmal schreiben.

Antwortete der Prior: Nein, denn ihr müßt den Sachen anders beikommen. Denn, beginnet ihr dem Ketzer zu schreiben, wird er euch antworten, und würdet ohne Zweifel auch mit ihm in die Ketzerei kommen, ehe ihrs gewahr würdet; denn würde er zu Wort kommen, möchte man ihm nichts anhaben. Da beschloßen sie einen Rath, daß man ihn in der Nacht heimlich müßte fangen, und alsbald verbrennen, ehe es das Land inne würde, und er zu Wort käme. Solcher Rath gefiel ihnen allen wohl, und sonderlich den grauen Mönchen. Auf solchen Rath wollte Peter Nannen, als ein sonderlicher Freund des Priors, den Dank verdienen, und zog zu sich etliche Ammeral (Hauptleute) aus andern Dörfern, mit Hülfe und Rath M. Günters.

Man sollte hie billig der Namen schonen; nachdem sie aber Ehre gesucht haben zu erlangen, muß man sie ihrer Ehre nicht berauben. Das sind die Namen der Hauptleute: Peter Nannen, Peter Swins Sohn, Henick zu Lunden, Johann Holm, Lorenz Hannemann, Ludwig Hannemann, Bastel Johann Bren, Claus von Weslingburen, Brosi Johann zu Wockenhausen, Marquard Krämer zu Henstede, Ludecke Johann zu Wessing, Peter Großvogt zu Hemmingstedt. Diese Hauptleute sammt den andern, die sie bei sich hatten, wurden gefordert auf die Pfarre zu der Neuenkirchen, und kamen in M. Günters des Schreibers Haus zusammen, und hielten Rath, wie sie ihn fiengen und nicht zu Wort kommen ließen; denn das Urtheil schon geschloßen war, daß sie den guten Henricum verbrennen wollten.

Beschieden sie sich zusammen auf den andern Tag nach Conceptionis gen Hemmingstedt, eine halbe Meile von Meldorf, und belegten mit Fleiß die Straßen zu Meldorf, auf daß sie niemand warnete. Ward auch verordnet, daß auf allen Dörfern, als die Nacht kam, und man Ave Maria läutet, sie zusammen kämen. Und kamen zusammen bei die fünfhundert Bauern. Als sie nun zusammen gekommen waren, ward öffentlich angezeigt, aus was Ursache sie gerufen wären. Denn niemand, ohne die Hauptleute, wußten die Ursache und was sie thun sollten. Als der gemeine Mann das hörete, wollten sie zurückziehen und solche böse That nicht begehen. Aber die Hauptleute geboten ihnen, bei Leib und Gut nicht fortzuziehen. Hatten auch gesoffen daselbst drei Tonnen Hamburger Bier, daß sie desto muthiger wären. Und kamen in der Mitternacht um zwölf Schläge mit gewappneter Hand gen Meldorf.

Die Jacobiter oder Predigermönche gaben ihnen Licht und Fackeln, daß sie ja sehen könnten, und der gute Henricus nicht entlaufen könnte. Hatten auch einen Verräter bei sich, mit Namen Hennicks Hanß, welcher alle Dinge verrathen hatte; fielen mit Gewalt in die Pfarrei, zerschlugen alles, was da war, wie der vollen unsinnigen Bauern Gewohnheit ist, Kannen, Kessel, Kleider, Becher; was sie aber fanden von Silber und Gold, nahmen sie mit. Fielen auch zu dem Pfarrer ein mit Gewalt, hieben und stachen und schrieen: schlag todt! schlag todt! Einestheils stießen ihn auf die Straße nackend in den Dreck, und nahmen ihn gefangen, er sollte mit ihnen gehen. Das andere Theil schrie, man sollte ihn gehen laßen, denn sie hätten keinen Befehl, ihn zu fangen. Darnach, als sie ihren Muthwillen mit dem Pfarrer geübet hatten, fielen sie zu dem guten Bruder Heinrich ein, und nahmen ihn nackend aus dem Bette, schlugen, stachen, wie die unsinnigen vollen Bauern, und banden seine Hände fast hart auf den Rücken, zogen und stießen ihn also lang, daß auch Peter Nannen mit Barmherzigkeit bewegt wurde, der sonst ein giftiger Feind des Wortes Gottes war, und sagte, daß man ihn gehen ließe, er würde wohl folgen; befahl ihn Balke Johann zu leiten, der ihn mehr schleifte denn führte. Als sie ihn gen Hemmingstedt brachten, fragten sie ihn: wie er ins Land gekommen wäre, und was er da suchte? Antwortete er ihnen freundlich mit der Wahrheit, da sie auch bewegt wurden, und riefen: Nur weg mit ihm, wo wir lang ihn höreten, würden wir mit ihm Ketzer werden! Da begehrte er, daß man ihn auf ein Pferd setzen wollte, denn er sehr müde und matt war, und seine Füße ihm ganz wund waren; denn er in dem Kalten und Eise die Nacht nackend und barfuß gegangen und geführet war.

Als sie das höreten, spotteten sie und verlachten ihn, und sprachen: Ob man dem Ketzer Pferde halten solle, er müßte wohl laufen; schleppten ihn also die Nacht bis zu der Heide. Da brachten sie ihn in eines Mannes Haus, mit Namen Raldenes, und wollten ihm einen Stock mit eisernen Ketten angehängt haben. Aber der Hausvater hatte Mitleiden, und wollte solches nicht leiden. Da er ihren Muthwillen nicht wollte gestatten, brachten sie den guten Heinrich in eines Pfaffen Haus, mit Namen Herr Reimer Hotzecken, ein Diener des Officials von Hamburg, gaben ihn den vollen Bauern zu verwahren, die ihn fortan die ganze Nacht verspotteten und verhöhneten. Unter andern kam zu ihm Herr Simon, Pfarrer von Altenvorden, und Herr Christian, Pfarrer von der neuen Kirchen, beide fast ungelehrte Verfolger des Wortes Gottes; fragten ihn, aus was Ursache er das heilige Kleid abgelegt hätte? Welchen er freundlich aus der Schrift antwortete; aber sie verstandens nicht, was er sagte.

Kam auch zu ihm M. Günter, fragte ihn, ob er wolle lieber an den Bischof von Bremen geschickt sein, oder lieber in Dithmar seinen Lohn empfahen? Antwortete Henricus: Habe ich etwas Unchristliches gelehret oder gehandelt, könnten sie mich wohl darum strafen; der Wille Gottes geschehe. Antwortete M. Günther: Hört, lieben Freunde, er will in Dithmar sterben. Aber das Volk insgemein wartete die ganze Nacht ihres Saufens. Des Morgens um achte giengen sie auf dem Markt zu Rathe, was ihnen zu thun stände. Da riefen die vollen Bauern: Immer verbrannt! zum Feuer zu! so werden wir heute von Gott und von den Leuten Ehre gewinnen; denn je länger wir ihn leben laßen, je mehr er mit seiner Ketzerei verkehrt. Was hilft viel langes Bedenken? Er muß doch sterben. Also ward der gute Heinrich unverhöret zum Feuer verdammt.

Darnach ward ausgerufen: Alle, die ihn hätten helfen fangen, sollten mit ihrer Wehre mit zum Feuer hinaus ziehen. Da waren auch die grauen Mönche oder Barfüßer, stärkten die armen Leute und sprachen: Jetzund gehet ihr der Sachen recht nach; und hetzten das arme elende trunkene Volk. Da nahmen sie ihn und banden ihn an Hals, Füßen und Händen, führten ihn mit großem Geschrei zu dem Feuer. Als dieß geschah, stund eine Frau in ihrer Hausthüre, und sah dieses Elend und Jammer, und begann bitterlich zu weinen; sagte der gute Heinrich zu ihr: Liebe Frau, weinet nicht über mich. Als er an die Stätte kam, da das Feuer bereitet war, saß er nieder vor großer Schwachheit. Da kam der Vogt, Schöffer Maes, durch Geld dazu erkauft, wie man gläublich saget, verdammt den guten Bruder Heinrich mit dieser Sentenz oder Urtheil zum Feuer: Dieser Bösewicht hat geprediget wider die Mutter Gottes und wider den Christenglauben, aus welcher Ursache ich ihn verurtheile, von wegen meines gnädigen Herrn, Bischofen von Bremen, zum Feuer. Antwortete der gute Bruder Heinrich: Das habe ich nicht gethan; doch, Herr, dein Wille geschehe; warf auf seine Augen in den Himmel, und sprach: Herr, vergib ihnen, denn sie wißen nicht, was sie thun; dein Name ist allein heilig, himmlischer Vater!

Da gieng hinzu eine gute christliche Frau, Clauß Jungen Frau mit Weibs-Namen, eine Schwester Peter Nannens, wohnhaftig zu Meldorf, vor das Feuer, und erbot sich, man sollte sie zur Staupen schlagen, auf daß ihr Zorn gebüßet würde; dazu wolle sie tausend Gulden geben, man solle den Mann nur wieder einsetzen bis auf den nächsten Montag, daß er von dem ganzen Lande verhöret würde, und dann verbrannt. Da sie das hörten, wurden sie rasend und unsinnig, und schlugen die Frau zu der Erde, traten sie mit Füßen, schlugen mit aller Gewalt den guten Märtyrer Christi. Einer schlug ihn mit einem Stoßdegen in den Hirnschädel. Aber Johann Holm von der neuen Kirche schlug ihn mit einem Fausthammer; die andern stachen ihn in seine Seite, in den Rücken, in die Arme, wo sie ihn nur erreichen konnten; und nicht einmal, sondern so oft er begann zu reden.

Da ermahnte und hetzte das Volk M. Günter, und rief sie an und sprach: Frei zu, lieben Gesellen, hier wohnet Gott bei! Darnach brachte derselbige M. Günter einen ungelehrten grauen Mönch zu ihn, daß er beichten sollte; sprach aber zu ihm der Märtyrer Christi: Bruder, habe ich dir auch etwas zu leide gethan oder je erzürnet? Antwortete der Mönch: Nein. Sprach zu ihm der gute Bruder Heinrich: Was soll ich dir denn beichten, das du mir vergeben solltest? Da schämte sich der graue Mönch und trat zurück. Das Feuer aber wollte nicht brennen, wie oft sie es anzündeten. Nichts destoweniger übten sie ihren Muthwillen an ihm, und schlugen ihn mit Helleparten und Spießen. Das verzog sich wohl zwei Stundenlang, in welcher Zeit er in seinem Hemd nackend vor den Bauern stund mit aufgehobenen Augen in den Himmel. Zuletzt kriegten sie eine große Leiter, auf welche sie ihn fast hart banden, auf daß sie ihn in das Feuer würfen. Da hob der gute Märtyrer Christi an, seinen Glauben zu sprechen; schlug aber einer her mit einer Faust in sein Maul, und sprach zu ihm: Er sollte erst brennen, darnach möchte er lesen was er wollte. Da trat einer mit einem Fuß auf seine Brust, und band ihn also hart an einer Sprosse an seinen Hals, daß ihm Maul und Nase blutete, auf daß er ersticken sollte, denn er sah, daß er von so viel Wunden nicht sterben könnte.

Darnach richteten sie ihn auf mit der Leiter. Da setzte einer die Helleparte an die Leiter, dieselbige helfen aufzurichten; denn das Land keinen Scharfrichter hat. Da glitt die Helleparte von der Leiter ab, und durchstach den heiligen Märtyrer Christi mitten durch. Warfen also den guten Mann mit der Leiter auf das Holz. Aber die Leiter sprang zu der Seite ab. Da lief zu Johann Holm, und nahm den Fausthammer, und schlug ihn auf seine Brust, also lang, daß er starb, daß er sich darnach nicht regete. Brieten ihn also auf den Kohlen; denn das Holz wollte nicht brennen.

Das ist kürzlich die wahre Historie von dem Leiden des heiligen Märtyrers Henrici von Zutphen.

Quelle: Klein, Tim - Luther Deutsche Briefe - Schriften - Lieder - Tischreden

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