Luther, Martin - Vorrede zum Neuen Testament

Luther, Martin - Vorrede zum Neuen Testament

Gleichwie das Alte Testament ist ein Buch, darinnen Gottes Gesetz und Gebot, daneben denn die Geschichte, beide Derer, die dieselben gehalten und nicht gehalten haben, geschrieben sind; also ist das Neue Testament ein Buch, darinnen das Evangelium und Gottes Verheißung, daneben auch Geschichte, beide Derer, die daran gläuben, und nicht gläuben, geschrieben sind.

Denn Evangelium ist ein griechisch Wort, und heisset auf deutsch: gute Botschaft, gute Mähre, gute neue Zeitung, gut Geschrei, davon man singet, saget und fröhlich ist. Als da David den großen Goliath überwand, kam ein gut Geschrei und tröstliche neue Zeitung unter das jüdische Volk, daß ihr greulichster Feind erschlagen und sie erlöset, zu Freude und Friede gestellt wären; davon sie sungen und sprungen und fröhlich waren. Also ist das Evangelium Gottes und Neue Testament eine gute Mähre und Geschrei, in alle Welt erschollen, durch die Apostel, von einem rechten David, der mit der Sünde, Tod und Teufel gestritten, und überwunden habe; und damit alle Die, so in Sünden gefangen, mit dem Tode geplaget, vom Teufel überwältiget gewesen, ohne ihr Verdienst erlöset, gerecht, lebendig und selig gemacht hat, und damit zu Frieden gestellet und Gott wieder heim bracht; davon sie singen, danken, Gott loben und fröhlich sind ewiglich, so sie Das anders feste glauben, und im Glauben beständig bleiben.

Solch Geschrei und tröstliche Mähre, oder Evangelische göttliche neue Zeitung, heisset auch ein Neu Testament, darum, daß, gleichwie ein Testament ist, wenn ein sterbender Mann sein Gut bescheidet, ach seinem Tode den benannten Erben auszutheilen: also hat auch Christus vor seinem Sterben befohlen und beschieden, solches Evangelium nach seinem Tode auszurufen in alle Welt; und damit allen, die da gläuben, zu eigen gegeben alles sein Gut, das ist, sein Leben, damit er den Tod verschlungen, seine Gerechtigkeit, damit er die Sünde vertilget, und seine Seligkeit, damit er die ewige Verdammniß überwunden hat. Nun kann je der arme Mensch in Sünden todt und zur Hölle verstricket, nichts Köstlicheres hören, denn solche theure liebliche Botschaft von Christo, und muß sein Herz von Grund lachen und fröhlich drüber werden, wo ers gläubet, daß es wahr sei.

Nun hat Gott, solchen Glauben zu stärken, dieses sein Evangelium und Testament vielfältig im Alten Testament durch die Propheten verheißen, wie St. Paulus Röm. 1,1 saget: „Ich bin ausgesondert zu predigen das Evangelium Gottes, welches er zuvor verheissen hat durch seine Propheten, in der heiligen Schrift, von seinem Sohn, der ihm geboren ist von dem Samen David. etc.

Und daß wir deren etliche anzeigen, hat ers am ersten verheisse, da er saget zu der Schlange, Genes. 3,15: „Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, und zwischen deinem Saamen und ihrem Saamen; derselbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Fersen stechen.“ Christus ist der Saame dieses Weibes, der dem Teufel seinen Kopf, das ist, Sünde, Tod, Hölle und all seine Kraft zertreten hat. Denn ohne diesen Saamen kann kein Mensch der Sünde, dem Tod, noch der Hölle entrinnen.

Item, Gen. 22,18, verhieß ers Abraham: „Durch deinen Saamen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden“. Christus ist der Saame Abrahä, spricht St. Paulus Gal. 3,16. Der hat alle Welt gesegnet durchs Evangelium. Denn wo Christus nicht ist, da ist noch der Fluch, der über Adam und seine Kinder fiel, da er gesündiget hatte, daß sie allzumal der Sünde, des Todes und der Hölle schuldig und eigen sein müssen. Wider den Fluch segnet nun das Evangelium alle Welt damit, daß es rufet öffentlich: wer an diesen Saamen Abrahä glaubet, soll gesegnet, das ist, von Sünde, Tod und Hölle los sein, und gerecht, lebendig und selig bleiben ewiglich; wie Christus selbst sagt. Joh. 11,26: „Wer an mich glaubet, der wird nimmer mehr sterben.“

Item, so verhieß ers David 2. Sam. 7,12, da er sagt: „Ich will erwecken deinen Saamen nach dir; der soll meinem Namen ein Haus bauen, und ich will den Stuhl seines Königreichs bestätigen ewiglich. Ich will sein Vater sein, und er soll mein Sohn sein“ etc. Das ist das Reich Christi, davon das Evangelium lautet: ein ewiges Reich, ein Reich des Lebens, der Seligkeit und Gerechtigkeit; darein kommen aus dem Gefängniß der Sünde und des Todes Alle, die da glauben. Solcher Verheißungen des Evangelii sind viel mehr auch in den andern Propheten: als Micha 5,2: „Und du Bethlehem Ephrata, die du klein bist unter den Tausenden Juda; aus dir soll mir kommen, der in Israel ein Herr sei.

Item Hos. 13,14: „Ich will sie erlösen aus der Hölle, und vom Tode erretten. Tod, ich will dir ein Gift sein; Hölle, ich will dir eine Pestilenz sein.“

So ist nun das Evangelium nichts Anderes, denn eine Predigt von Christo, Gottes und Davids Sohn, wahrem Gott und Menschen, der für uns mit seinem Sterben und Auferstehen aller Menschen Sünde, Tod und Hölle überwunden hat, die an ihn glauben. Daß also das Evangelium eine kurze und lange rede mag sein, und Einer kurz, der Andere lang beschreiben mag. Der beschreits lang, der viel Werke und Worte Christi beschreibet, als die vier Evangelisten thun. Der beschreibets aber kurz, der nicht von Christus Werk, sondern kürzlich anzeiget, wie er durch sein Sterben und Auferstehen Sünde, Tod und Hölle überwunden habe Denen, die an ihn glauben, wie St. Petrus und Paulus sagt.

Darum siehe nun darauf, daß du nicht aus Christo einen Mosen machest, noch aus dem Evangelio ein Gesetz- oder Lehr-Buch; wie bisher geschehen ist, und etliche Vorreden, auch St. Hieronymi, sich hören lassen. Denn das Evangelium fordert eigentlich nicht unsere Werke, daß wir damit fromm und selig werden; ja es verdammt solche Werke; sondern es fordert den Glauben an Christum, daß derselbige für uns Sünde, Tod und Hölle überwunden hat, und also uns nicht durch unsere Werke, sondern durch sein eigen Werk, Sterben und Leiden, fromm, lebendig und selig macht, daß wir uns seines Sterbens und Sieges mögen annehmen, als hätten wir es selbst gethan.

Daß aber Christus im Evangelio, dazu St. Petrus und Paulus, viel Gebot und Lehre geben und das Gesetz auslegen, soll man gleich rechnen allen andern Werken und Wohlthaten Christi. Und gleichwie seine Werke und Geschichte wissen, ist noch nicht das rechte Evangelium wissen, denn damit weißt du noch nicht, daß er die Sünde, Tod und Teufel überwunden hat; also ist auch das noch nicht das Evangelium wissen, wenn du solche Lehre und Gebot wissest; sondern, wenn die Stimme kommt, die das sagt, Christus sei dein eigen mit Leben, Lehren und Werken, Sterben, Auferstehen, und Alles, was er ist, hat, thut und vermag.

Also sehen wir auch, daß er nicht dringet, sondern freundlich locket und spricht: Selig sind die Armen u.s.w. Und die Apostel brauchen des Worts: „Ich ermahne, ich flehe, ich bitte“; daß man allenthalben siehet, wie das Evangelium nicht ein Gesetz-Buch ist, sondern eigentlich eine Predigt von den Wohlthaten Christi, uns erzeiget, und zu eigen gegeben, so wir glauben. Moses aber in seinen Büchern treibet, dringet, dräuet, schlägt und straft greulich; denn er ist ein Gesetz-Schreiber und Treiber.

Daher kommts auch, daß einem Gläubigen kein Gesetz gegeben ist, dadurch er gerecht werde vor Gott; wie St. Paulus sagt 1. Tim. 1,9. Darum, daß er durch den Glauben gerecht, lebendig und selig ist. Und ist ihm nicht mehr noth, denn daß er solchen Glauben mit Werken beweise. Ja, wo der Glaube ist, kann er sich nicht halten; er beweiset sich, bricht heraus durch gute Werke, bekennet und lehret solch Evangelium vor den Leuten, und wags sein Leben daran. Und Alles, was er lebt und thut, das richtet er zu des Nächsten Nutz, ihm zu helfen; nicht allein auch zu solcher Gnade zu kommen, sondern auch mit Leib, Gut und Ehr, wie er siehet, daß ihm Christus gethan hat; und folget also dem Exempel Christi nach.

Das meinet auch Christus, da er zuletzt kein ander Gebot gab, denn die Liebe, daran man erkennen solle, wer seine Jünger wärn, und rechtschaffene Gläubige. Denn wo die Werk und Liebe nicht heraus bricht, da ist der Glaube nicht recht; da haftet das Evangelium noch nicht, und ist Christus noch nicht recht erkannt.

Siehe, nun richte dich also in die Bücher des Neuen Testaments, daß du sie auf diese Weise zu lesen wissest.

Welches die rechten und edelsten Bücher des Neuen Testaments sind.

Aus diesem allen kannst du nun recht über alle Bücher urteilen und unterscheiden, welches die besten sind. Denn das Evangelium des Johannes und die Briefe des Paulus, insbesondere der an die Römer, und der erste Brief des Petrus sind nämlich der rechte Kern und das Mark unter allen Büchern, welche auch billig die ersten sein sollten. Und einem jeglichen Christen wäre zu raten, daß er dieselben am ersten und allermeisten lese und sich durch täglich Lesen so vertraut machte wie das tägliche Brot. Denn in diesen findest du nicht viel Werke und Wundertaten Christi beschrieben, du findest aber gar meisterlich dargelegt, wie der Glaube an Christus Sünde, Tod und Hölle überwindet und das Leben, Gerechtigkeit und Seligkeit gibt, welches die rechte Art des Evangeliums ist, wie du gehört hast.

Denn wenn ich je auf deren eins verzichten sollte, auf die Werke oder die Predigten Christi, dann wollte ich lieber auf die Werke als auf seine Predigten verzichten. Denn die Werke hülfen mir nichts, aber seine Worte, die geben das Leben, wie er selbst sagt. Weil nun Johannes gar wenig Werke von Christus, aber gar viele seiner Predigten beschreibt, umgekehrt die andern drei Evangelisten aber viele seiner Werke und weniger seiner Worte beschreiben, ist das Evangelium des Johannes das einzige, schöne, rechte Hauptevangelium und den andern dreien weit, weit vorzuziehen und höher zu heben. Ebenso gehen auch des Paulus und Petrus Briefe weit den drei Evangelien des Matthäus, Markus und Lukas voran.

In Summa: das Evangelium des Johannes und sein erster Brief, die Briefe des Paulus, insbesondere der an die Römer, Galater, Epheser und der erste Brief des Petrus, das sind die Bücher, die dir Christus zeigen und dich alles lehren, was dir zu wissen not und selig ist, ob du schon kein ander Buch und Lehre nimmer sehest noch hörest. Darum ist der Jakobusbrief eine rechte stroherne Epistel gegen sie; da er doch keine evangelische Art an sich hat. Doch davon weiter in andern Vorreden.

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