Lamparter, Helmut - Karmel - Der Berg der Entscheidung

Lamparter, Helmut - Karmel - Der Berg der Entscheidung

Und über eine lange Zeit kam das Wort des Herrn zu Elia, im dritten Jahr, und sprach: Gehe hin und zeige dich Ahab, daß ich regnen lasse auf Erden. Und Elia ging hin, daß er sich Ahab zeigte. Es war aber eine große Teuerung zu Samaria.
Und da Ahab Elia sah, sprach Ahab zu ihm: Bist du, der Israel verwirrt? Er aber sprach: Ich verwirre Israel nicht, sondern du und deines Vaters Haus, damit daß ihr des Herrn Gebote verlassen habt und wandelt den Baalim nach. Wohlan, so sende nun hin und versammle zu mir das ganze Haus Israel auf dem Berg Karmel und die vierhundertfünfzig Propheten Baals, auch die vierhundert Propheten der Aschera, die vom Tisch Isebels essen. Also sandte Ahab hin unter alle Kinder Israel und versammelte die Propheten auf dem Berg Karmel.
Da trat Elia zu allem Volk und sprach: Wie lange hinket ihr auf beide Seiten? Ist der Herr Gott, so wandelt ihm nach; ist’s aber Baal, so wandelt ihm nach. Und das Volk antwortete ihm nichts. Da sprach Elia zum Volk: Ich bin allein übriggeblieben als Prophet des Herrn; aber der Propheten Baals sind vierhundertfünfzig Mann. So gebt uns nun zwei Farren und laßt sie erwählen einen Farren und ihn zerstückeln und aufs Holz legen und kein Feuer daran legen; so will ich den andern Farren nehmen und aufs Holz legen und auch kein Feuer daran legen. So ruft ihr an den Namen eures Gottes, und ich will den Namen des Herrn anrufen. Welcher Gott nun mit Feuer antworten wird, der sei Gott. Und das Volk antwortete und sprach: Das ist recht. Und Elia sprach zu den Propheten Baals: Erwählet ihr einen Farren und richtet zu am ersten, denn euer sind viel; und rufet eures Gottes Namen an und leget kein Feuer daran. Und sie nahmen den Farren an, den man ihnen gab, und richteten zu und riefen an den Namen Baals von Morgen an bis an den Mittag und sprachen: Baal, erhöre uns! Aber es war da keine Stimme noch Antwort. Und sie hinkten um den Altar, den sie gemacht hatten. Da es nun Mittag ward, spottete ihrer Elia und sprach: Rufet laut! denn er ist ein Gott; er dichtet oder hat zu schaffen oder ist über Feld oder schläft vielleicht, daß er aufwache. Und sie riefen laut und ritzten sich mit Messern und Pfriemen nach ihrer Weise, bis daß ihr Blut herabfloß. Da aber der Mittag vergangen war, weissagten sie bis um die Zeit, da man das Speisopfer tun sollte; und da war keine Stimme noch Antwort noch Aufmerken.
Da sprach Elia zu allem Volk: Kommt her, alles Volk, zu mir! Und da alles Volk zu ihm trat, baute er den Altar des Herrn wieder auf, der zerbrochen war, und nahm zwölf Steine nach der Zahl der Stämme der Kinder Israels und baute von den Steinen einen Altar im Namen des Herrn und machte um den Altar her eine Grube, zwei Kornmaß weit, und richtete das Holz zu und zerstückte den Farren und legte ihn aufs Holz und sprach: Holet vier Kad Wasser voll und gießet es auf das Brandopfer und aufs Holz! Und sprach: Tut’s noch einmal! Und sie taten’s noch einmal. Und er sprach: Tut’s noch drittenmal! und sie taten’s zum drittenmal. Und das Wasser lief um den Altar her, und die Grube ward auch voll Wasser. Und da die Zeit war, Speisopfer zu opfern, trat Elia, der Prophet, herzu und sprach: Herr, Gott Abrahams, Isaaks und Israels, laß heute kund werden, daß du Gott in Israel bist und ich dein Knecht, und daß ich solches alles nach deinem Wort getan habe! Erhöre mich, Herr, erhöre mich, daß dieses Volk wisse, daß du, Herr, Gott bist, daß du ihr Herz darnach bekehrest!
Da fiel das Feuer des Herrn herab und fraß Brandopfer, Holz, Steine und Erde und leckte das Wasser auf in der Grube. Da das alles Volk sah, fiel es auf sein Angesicht und sprach: Der Herr ist Gott, der Herr ist Gott.
1. Kön. 18,1 ff.

Es ist nicht schwer zu erkenne, daß diese Geschichte eine Spitze hat, die uns mitten ins Herz zielt. Sie führt uns auf einen der gewaltigsten Berge der Bibel, auf dem der Prophet Elia mit heiliger Leidenschaft und unerhörter Kühnheit seinen Kampf um den lebendigen Gott geführt hat, der seine Herrschaft mit keinem teilt. Sie wendet sich nicht an Leute, die diesen Gott leugnen, vergessen, als Luft behandeln. Das Volk, das der Prophet auf diesem Berg versammelt, ist durchaus bereit, an diesem Gott festzuhalten. Aber sie sind nicht von ganzem Herzen an ihm – sie hinken! Wie lange hinket ihr auf beiden Seiten? ruft ihnen Elia zu. Ist der Herr Gott, so wandelt ihm nach; ist’s aber Baal, so wandelt ihm nach! Damit ist ein gewaltiges Entweder-Oder aufgerichtet. Der Karmel ist zum Berg der Entscheidung geworden. Sie fällt am ersten Gebot, das wir alle kennen von Jugend auf: ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine andren Götter neben mir haben. Dieses Gebot ist nicht nur über Israel, es ist über unsrem Leben aufgerichtet. Und ebenso gewiß ist, daß wir uns alle daran gewöhnt haben, was den Gehorsam gegen dieses Gebot betrifft, Gott mit Prozenten abzuspeisen. Insofern trifft uns die Frage des Propheten mitten ins Herz: Wie lange hinket ihr auf beiden Seiten? Ja, wie lange noch? Heute, so ihr seine Stimme höret, so verstocket eure Herzen nicht!

Wir erinnern uns, wie alles gekommen ist. Unter einem abgöttischen Herrscherhaus ist ein fremder Kult ins Land gedrungen, Israel ist im Begriff, den Glauben seiner Väter zu verlassen. Ahab, der König, hat dem Baal einen Altar aufgerichtet und Isebel, die Königstochter aus dem heidnischen Sidon, zum Weib genommen. Wir hören von ihm, daß er „mehr tat, den Herrn, den Gott Israels, zu erzürnen, denn alle Könige Israels, die vor ihm gewesen waren.“ Und mit dem Abfall von Gott ging in einer immer wiederkehrenden, unglückseligen Verkettung die Beugung des Rechts Hand in Hand: Den König gelüstet nach dem Weinberg eines gewissen Naboth, und als dieser von dem Erbteil seiner Väter sich nicht trennen will, wird er durch einen Justizmord umgebracht, „liquidiert“, wie man heute zu sagen pflegt. In dieser schrecklichen Zeit taucht wie ein drohender Komet Elia, der Thisbiter, auf. Er tritt dem Ahab entgegen, Angesicht gegen Angesicht, und kündigt die große Dürre an: „So war der Herr, der Gott Israels lebt, vor dem ich stehe, es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn.“ Gott befiehlt seinem Knecht die Flucht, um ihn vor dem rasenden Zorn des Königs zu schützen. Er verbirgt ihn und ernährt ihn wunderbar am Bache Krith, während draußen das Land verdorrt. Drei Jahre und sechs Monate fällt weder Tau noch Regen vom Himmel, eine furchtbare Teuerung sucht das Land heim. Die Folge davon ist, daß Ahab erst recht sein Herz gegen Gott verstockt. Da – über eine lange Zeit – kam das Wort des Herrn zu Elia und sprach: Geh hin und zeige dich Ahab! Und Elia geht. Es kommt zu einer dramatischen Begegnung. Ahab wagt es nicht, sich an dem Propheten zu vergreifen. Er hat diesen Mann Gottes fürchten gelernt. „Bist du es, der Israel ins Unglück stürzt?“ so herrscht er ihn an. Aber Elia bleibt ihm nichts schuldig, er kehrt den Spieß um und geht sofort zum Angriff über: „Ich stürze Israel nicht ins Unglück, sondern du und deines Vaters Haus, damit, daß ihr des Herrn Gebote verlassen habt und wandelt dem Baalim nach.“ Nun ist es genug, übergenug mit dieser Katastrophenpolitik. Es ist höchste Zeit, daß ihr euch, König und Volk, eines andern besinnt. Und weil eines Menschen Wort, auch ein Prophetenwort nicht imstande ist, diese Wendung herbeizuführen, mögen die Götter, die Israel anruft, selbst entscheiden. „Wohlan, so sende nun hin und versammle zu mir das ganze Haus Israel auf dem Berg Karmel“, dazu den ganzen Haufen der falschen Propheten, achthundertfünfzig an der Zahl, die den abgöttischen Kult im Land verbreiten! Elia fürchtet den Kampf nicht, er läßt es auf eine Probe ankommen. Er selbst ist seines Gottes ganz gewiß, und das ganze Volk soll Zeuge sein, wenn sich die Ohnmacht der Götzen mit der Macht und Herrlichkeit des lebendigen Gottes mißt. Auf diesem Karmel werden die Würfel fallen.

Der Tag der Entscheidung bricht an – was für ein Tag! Tausende strömen dem Karmel zu, die Baalspriester erscheinen geschlossen. Elia, wird dir nicht bange? Was willst du ausrichten, du ganz allein, gegen diese erdrückende Übermacht? Nun, er läßt sich nicht einschüchtern. Mit lauter Stimme fordert er alles Volk in die Schranken: Wie lange hinket ihr auf beide Seiten? Ist der Herr Gott, so wandelt ihm nach, ist’s aber Baal, so wandelt ihm nach! Aber er bekommt keine Antwort. Ein böses, trotziges, betretenes Schweigen – das ist die Antwort. Da wagt Elia ein Äußerstes und ruft den Entscheid, das Urteil Gottes an. Großmütig läßt er den Dienern des Baal den Vortritt, daß sie den Namen ihres Gottes anrufen. Laßt sehen, was euer Gott vermag! Wir sehen, wie sie voll Eifer ihren Altar aufschichten, und dann hallen die lang hingezogenen Schreie über den Berg: Baal, erhöre uns, Baal, erhöre uns! Eigentlich eine erschütternde Szene, wenngleich Elia der Toren mit bittrem Sarkasmus spottet. Was hilft’s, daß ihr Gebet zur leidenschaftlichen Beschwörung wird, daß sie in wilde Ekstase geraten und den Altar schreiend und blutend umtanzen, dem Wahnsinn und der Erschöpfung nahe? „Da war keine Stimme noch Antwort noch Aufmerken.“ Elia läßt ihnen lange Zeit, um ihren Baal zu einer Antwort zu bewegen. Endlich – es geht schon gegen Abend – greift er selbst in den Lauf der Dinge ein. Zwölf Steinblöcke wälzt er herbei und baut daraus den Altar des Herrn wieder auf. Seine Hand zittert nicht, wiewohl es ein Kampf auf Tod und Leben ist. Er hält sich an den Gott, den er nicht sieht, als sähe er ihn! Und er zweifelt nicht einen Augenblick daran, daß derselbe Gott, der den Himmel verschloß, auf sein Gebet hin auch Feuer vom Himmel schleudern kann. Um jede Täuschung auszuschalten, läßt er noch Wasser über den Altar schütten, bis der zerstückelte Farren, das Holz und der ganze Opferstein vor Nässe tropft. Die Spannung steigt aufs Höchste, als er endlich an den Altar tritt und seine Hände aufhebt zum Gebet: Herr, Gott Abrahams, Isaaks und Israels, laß heute kund werden, daß Du Gott in Israel bist und ich Dein Knecht, und daß ich solches alles nach Deinem Wort getan habe. Erhöre mich, Herr, erhöre mich, daß dies Volk wisse, daß Du, Herr, Gott bist, daß Du ihr Herz darnach bekehrest! Was für ein Gebet – kein Schreien, kein Betteln, kein Beschwören, kurz und knapp, zwei Sätze nur, kein Wort zuviel und keins zuwenig! Und siehe – Elia wird nicht zuschanden. Gott der lebendige Gott, antwortet mit Feuer. Er bezeugt sich als lebendige Macht und Wirklichkeit. Elia empfängt das Zeichen, das er erbeten hat, nicht um seinetwillen, wohl aber um der verführten und verstockten Herzen des Volkes willen. Mit dem Bekenntnis: Der Herr ist Gott, der Herr ist Gott! stürzt die Menge der Zuschauer erschrocken zu Boden. Es ist wie ein Vorspiel jener letzten Stunde der Geschichte, da der kommende Herr die Wolken zerteilt und sich aller Knie vor Ihm beugen.

Es wird gut sein, wenn wir unsre Entscheidung nicht auf diese Stunde vertagen. Gott will, daß wir ihm heute, jetzt und hier, gehorsam werden. Dazu gibt Er uns sein Wort, daß wir Ihn als den allein wahren, lebendigen Gott erkennen und uns, allem Abfall zum Trotz zu ihm bekennen und um seine Ehre eifern. Wir sehen aus dieser Geschichte, wie wenig sich das von selbst versteht. Der große Haufe hält es anders. Aber es kommt nicht darauf an, bei dem großen Haufen zu stehen. Ein Mann mit Gott wie dieser Elia ist mehr als der ganze große Haufe zusammengenommen. Darauf kommt es an, daß Gott Leute auf Erden hat, die mit ganzem Herzen an ihm hangen. Und sooft uns diese gewaltige Geschichte auf den Berg Karmel führt, sind wir gefragt, ob wir das wollen oder lieber auf beiden Seiten hinken. Offenbar ist es nicht damit getan, daß wir neben allem andern, was wir sind und haben, auch noch ein bißchen Religion haben. Es hilft uns gar nichts und genügt in keiner Weise, daß wir uns an irgendeinen Gott halten.

1. Alles kommt darauf an, daß wir uns an den rechten Gott halten

Religiös waren die Propheten des Baal auch, das werden wir ihnen nicht abstreiten. Sie haben es auf ihre Weise mit ihrem Gott durchaus ernst gemeint. Aber sie haben sich mit ihren Gebeten und Opfern an die falsche Adresse gewandt, eben an den Baal. Wer ist Baal? Nun die Namen wechseln, vielleicht daß wir im heutigen Sprachgebrauch eher von „Herrgott“, von der „Vorsehung“, vom „Schicksal“ reden. Wir meinen damit jene mächtige Instanz, die offenkundig in unser Leben dauernd hineinregiert. Wir haben vielleicht das dunkle Gefühl, daß es gut wäre, sich mit diesem „Gott“ auf guten Fuß zu stellen. Er könnte uns von großem Nutzen sein. Aus diesem Grund schließt man so etwas wie einen Kontrakt mit ihm: Man verpflichtet sich zu gewissen religiösen Leistungen in der Hoffnung, ihn dadurch zur Gegenleistung zu bewegen. Er soll unsre Felder und Fluren segnen, unsren Lebenswünschen die Wege ebnen, unsre Arbeit und unser Gewerbe fördern, unser irdisches Glück und Behagen sichern. Man ist auch durchaus geneigt, diesem Gott in Zeiten der Not um seine Hilfe und um seinen Beistand anzurufen. Aber im übrigen ist man dankbar, wenn er uns möglichst wenig dreinredet in unsre tägliche Lebensführung. Man wünscht von diesem Gott nicht näher behelligt zu werden. Was das Handeln anbelangt, behält man sich jede Freiheit vor. Nicht wahr, dieser Gott ist ein recht bequemer Gott! Es ist der Gott, wie ihn sich das Menschenherz wünscht und erträumt. Mit diesem Gott kann man Geschäfte machen, Feste feiern, Schlachten gewinnen. Es ist genau der Gott, den Israel unter dem Namen „Baal“ geehrt und als Partner verpflichtet hat. Baal – das ist der Gott ohne Buße, der Gott ohne Forderung! Er ist eben damit das Zerrbild des wahren, lebendigen Gottes, den uns die Schrift verkündigt, der geredet hat zu den Vätern durch die Propheten und am letzten zu uns durch seinen Sohn. Dieser Gott weiß, was Er will. Er schaltet sich nicht gleich mit unsren menschlichen Wünschen und Begierden. Er gibt Befehle aus mit gebietendem Ernst und besteht darauf, daß wir seinem Wort und Willen gehorsam werden. Sind wir nicht alle in Gefahr, daß wir uns diesem Gott entziehen und statt seiner an den „Baal“ hängen? Wie leicht geschieht’s, daß wir dem Gott, der sich uns in seinem Wort bekanntgemacht hat, nicht wirklich standhalten, sondern – vielleicht ganz unvermerkt – sein Bild verändern und uns einen Gott nach unsren Wünschen zurechtdenken“ Es war Calvin, der große Reformator in Genf, der einmal den Satz niederschrieb, der in dieser Hinsicht doch sehr zu denken gibt: „Das menschliche Herz ist eine Werkstatt, in welcher dauernd falsche Bilder von Gott hergestellt werden“ (Cor humanum perpetum idolorum fabrica). Genau so ist es. Die Versuchung zur Abgötterei ist uns so nahe wie da Hemd, das wir auf dem Leibe tragen. Sobald wir nicht jeden Tag das Ohr am Mund Gottes haben und hören „nach Jüngerweise“ (Jes. 50,4), bleibt es gar nicht aus, daß wir abtreten von dem lebendigen Gott und bei „Baal“ landen.

Ist das so schlimm? Viele unsrer Zeitgenossen sind der Ansicht, daß es durchaus nicht schlimm sei. Hauptsache, daß ich kein gottloser Mensch bin, so denken sie, sondern „auch etwas“ glaube. Wer so denkt, und redet, hat diesen Berg Karmel offenbar noch nie wirklich zu Gesicht bekommen. Hier zeigt sich nämlich, daß diese Abgötterei` eine überaus schlimme Sache ist. Einmal deshalb, weil sie Gott die Ehre raubt. Zum andern deshalb, weil unser Gebet unerhört im Wind verhallt. Bei dem Baal ist „keine Stimme noch Antwort noch Aufmerken“. Wie wichtig, daß wir nicht „auch etwas“, sondern recht glauben, uns an die richtige Adresse, an den rechten, allein wahren, lebendigen Gott, den Gott der Patriarchen und Propheten, den Gott und Vater Jesu Christi wenden! Man kann sich dies an einem schlichten Beispiel aus dem Alltag verdeutlichen: Wenn in meiner Familie ein Unfall passiert, hilft es mir gar nichts, wenn ich an den Fernsprecher stürze und irgendeine Nummer anrufe, die mich mit dem Bäcker, dem Schuster, dem Schneider oder dem Kaminfeger in Verbindung setzt. Den Arzt muß ich haben! Dazu ist es notwendig, daß ich mich der Mühe unterziehe, im Fernsprechverzeichnis seine Rufnummer festzustellen, um dann mit Bedacht und Sorgfalt diese Nummer zu wählen und anzurufen. Anders wir mir keine Hilfe werden. Daß dies übersehen wird im Umgang mit Gott, könnte ein Grund dafür sein, daß so viele Gebete ohne Erhörung bleiben. Wer sich darüber beklagt, dem muß man die Frage vorlegen: Bei wem hast du denn angerufen? Hast du auch recht gewählt? Es ist eben nicht damit getan, daß wir die Entscheidung, die Wahl, die her zu treffen ist, umgehen, vernebeln und die Dinge in der Schwebe lassen. Gott selbst fordert uns auf, eine klare Wahl zu treffen. Denn, das lehrt diese Geschichte mit größter Eindringlichkeit.

2. Niemand kann zwei Herren dienen

Es ist ein Wort aus der Bergpredigt, da wir mit diesem Satz zitiert haben, und wir wissen vielleicht, wie Jesus fortfährt: „Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird dem einen anhangen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ Genau so klar und kompromißlos stellt Elia den Grundsatz auf: Ihr könnt nicht zugleich Gott dienen und dem Baal. Ihr müßt eine Entscheidung treffen, wem ihr dienen wollt. Denn diese beiden „Herren“ vertragen sich nicht, sie sind wie Wasser und Feuer, zwischen beiden besteht ein sich ausschließender Gegensatz. Hier gilt: Entweder – Oder! Dieser Ruf zur Entscheidung geht durch die ganze Bibel. Wo wir sie anfassen, stoßen wir auf dieses gewaltige Entweder-Oder: Gott oder Baal, Gehorsam oder Auflehnung, Christus oder der Satan, Leben oder Tod, Himmel oder Hölle, Seligkeit oder Verdammnis. Sehet zu, wen oder was ihr erwählen wollt! Wir sind aufgefordert, eine eindeutige Wahl, eine persönliche Entscheidung zu treffen. Wir sollen uns nicht zwischen beiden durchjonglieren in dem Bestreben, es mit keinem zu verderben. Und wenn wir es dennoch versuchen, so wird uns gesagt, daß dieser Versuch keinerlei Verheißung hat. Niemand kann zwei Herren dienen, niemand kann auf die Dauer auf beiden Achseln Wasser tragen. Natürlich ist dieser Versuch immer wieder unternommen worden, durchaus nicht nur in Israel zu Elias Zeiten. Es gibt ja keine Torheit, zu welcher der Mensch nicht fähig wäre. Aber Gott duldet keine andren Herren und Götter neben sich. Er widersteht uns ins Angesicht, wenn wir „auf beiden Seiten hinken“. Was ist die Folge? Der Himmel verschließt sich zu unsrem Haupte. Vielleicht nicht so handgreiflich, wie es zu Elias Zeit geschah, als kein Tropfen Tau noch Regen mehr auf das Erdreich fiel. Aber doch so, daß kein Gnadentau uns mehr befeuchtet von obenher. Gott selbst verbirgt sich im Zorn und entzieht uns seine Huld. Der Glaube ermattet, das Gebet verdorrt, die Liebe stirbt, unsre Gemeinschaft in Ehe und Familie, Nachbarschaft und Gemeinde bekommt böse Risse und Sprünge. Die Bibel verstummt, die „lebendige Quelle“ versiegt. Wir müssen unsren Durst aus löchrigen Brunnen stillen, die doch kein Wasser geben. Das Leben wird zur sinnlosen Hetze, das Leiden zur trostlosen Qual, und in unsrem Innern wächst die Wüste von Tag zu Tag. So und nicht anders ergeht’s uns, wenn wir der Entscheidung ausweichen, auf beiden Seiten hinken und nicht mit ganzem Herzen dem Herrn, unsrem Gott, zufallen. Es liegt kein Segen, es liegt ein Fluch darauf. In diesem Sinn ist es wahr und bleibt’s dabei: Niemand kann zwei Herren dienen. Dabei ist das Wort “dienen“ besondrer Beachtung wert. Es ist offenbar nicht damit getan, daß wir uns mit unsrem Mund, mit dem Bekenntnis unsrer Lippen je und dann zu diesem Gott bekennen, wiewohl schon dies in Zeiten des Abfalls nicht selbstverständlich und nichts Geringes ist. Dem Herrn dienen – das ist mehr, das heißt „von Herzen ihm nachwandeln“ (Psalm 84,6).

3. Wichtig ist, daß wir mit unsrem Leben unter seine Herrschaft kommen

Du hast geboten, fleißig zu halten Deine Befehle. O, daß mein Leben Deine Rechte mit ganzem Ernst hielte! (Ps. 119,4 f.). Das ist aus dem Geist des Elia geredet, und nur wenn diese Geschichte diesen Entschluß, der sofort zur Bitte wird, in unsren Herzen weckt, haben wir sie recht gehört. Wissen wir überhaupt nicht, was vor Gott Rechtens ist? Wir beobachten mit Schrecken, wie diese Rechte Gottes inmitten der Christenheit mehr und mehr in Vergessenheit geraten und ein Geist der Verwirrung um sich greift, der die Gewissen stumpf und hart macht und alle Grenzen zwischen Recht und Unrecht droht. Darum erscheint es notwendig, daß wir – wenigstens an einigen Punkten – dieser Verwirrung wehren und die Rechte Gottes auf den Leuchter stellen:

  • Es ist nicht recht, daß man die Furcht Gottes aus seinem Leben streicht. Recht ist, daß man Ihn mehr fürchtet als alles andre in der Welt.
  • Es ist nicht recht, wenn unser Umfang mit Gott auf ein paar Minuten am Tag zusammenschrumpft. Recht ist, daß man sich (vor allem andern!) Zeit nimmt zu Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung.
  • Es ist nicht recht, daß der Sonntag zum Rummelplatz erniedrigt wird. Recht ist, daß man zur Ruhe kommt, damit Gott sein Werk in uns haben kann.
  • Es ist nicht recht, daß man die Alten spüren läßt, daß sie übrig sind. Recht ist, daß man vor einem grauen Haupte aufsteht und seinen Eltern mit Ehrerbietung und Respekt begegnet ihr Lebenlang.
  • Es ist nicht recht, daß man mit seinem Motorrad ohne Rücksicht auf Verluste durch die Gegen rast. Recht ist, daß man auf die Sicherheit seiner Nebenmenschen jede gebotene Rücksicht nimmt.
  • Es ist nicht recht, daß man das keimende Leben tötet. Recht ist, daß man sich fürchtet vor geheimem Mord.
  • Es ist nicht recht, daß Burschen und Mädchen mit sechzehn Jahren in alle Geheimnisse der Liebe eingeweiht sind. Recht ist, daß man sich in Zucht hält und warten lernt.
  • Es ist nicht recht, daß Eheleute nach dem ersten Zerwürfnis auseinanderlaufen. Recht ist, daß man um Verzeihung bittet und vergeben lernt.
  • Es ist nicht recht, daß man in jeder Fabrik Stoffreste und ähnliche Dinge, die man gerade brauchen kann, mitlaufen läßt, auch wenn es alle tun. Recht ist, daß man sich hütet vor jedem Griff nach fremdem Eigentum.
  • Es ist nicht recht, daß man an Menschen, die uns unsympathisch sind, keinen guten Faden läßt. Recht ist, daß man ihre Schwächen deckt und für jeden Klatsch einen Prellblock bildet.
  • Es ist nicht recht, daß wir unsre Lebensansprüche ins Ungemeßne steigern und immer höher hinaus wollen. Recht ist, daß wir zu den stillen Quellen der Freude zurückkehren und das eingesparte Geld für eine gute Tat verwenden.

Es ist nicht recht – wir könnten lange fortfahren! Und wir haben doch nichts andres getan, als die alten Gebote Gottes ein wenig abgestaubt, damit wir erkenne, wie gewaltig sie hineingreifen in unsren alltäglichen Lebensstil. Der Baal stellt freilich keine Forderungen, bei ihm ist alles erlaubt. Aber der Gott Israels, der Gott der Propheten, der Gott und Vater Jesu Christi nimmt sich das Recht, sehr kräftig in unser Leben und Handeln einzugreifen. Er besteht darauf, daß wir ihm nicht nur am Sonntag in der Kirchenbank, sondern alle Tage und Stunden unsres Lebens Gehorsam leisten. Das hat Elia gewußt, und dazu hat er sich – einer gegen alle – mit unbeugsamem Mut, mit lodernder Leidenschaft bekannt. Sieh nur, wie er da oben auf dem Karmel steht, wie ein lebendige Ausrufezeichen, das steil gen Himmel weist! Muß man ihn nicht liebhaben? Gott braucht Menschen, die dem Propheten an die Seite treten, bereit und entschlossen, das Recht Gottes gegen den Abfall bis in den Tod zu verteidigen. Wo ein Mensch so völlig sich hergibt für Gott, da kann und wird es geschehen, daß auch heute noch sein Feuer vom Himmel fällt. O Herr, der Du allein solche Wunder tust, gib ein solches Zeichen Deiner Macht und Wirklichkeit!

Gieß aus Dein heilig Feuer,
rühr Herz und Lippen an,
daß jeglicher Getreuer
den Herrn bekennen kann!

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