Lambert, Franziskus - Auszüge aus der Schrift "Sendschreiben über das heilige Abendmahl"

Lambert, Franziskus - Auszüge aus der Schrift "Sendschreiben über das heilige Abendmahl"

Da ich Dir entdeckte, lieber Bruder, daß ich durch die unüberwindliche Kraft des göttlichen Wortes überwunden und mit Gewalt dazu gebracht sei, von meiner früheren Meinung abzufallen, begehrtest Du, daß ich Dir die Ursachen meines Abtretens verzeichne. Ich will dieses, gegenüber Dir, einem verständigen und weisen Manne, mit kurzen Worten thun, ja, da Du sagst, daß Du alle diesen Handel betreffenden Schriften mit Fleiß und ERnst gelesen habest, Dir nur die Gründe vorführen, welche bei mir den Gesinnungswechsel herbeiführten.

So viel nun den Handel des Nachmahls des Herrn betrifft, habe ich gleicher Weise vor Zeiten viel Leidens gehabt, wie auch auf den heutigen Tag Etliche an ihnen selbst empfinden und erfahren, allein das ausgenommen, daß ich die, welche einer andern Meinung gewesen sind, niemals dem Teufel übergeben habe.

Obwohl verwirrt und betrübt, sah ich doch das schon längst ein, daß nicht alle vorgebrachte Argumente stichhaltig seien. Als nun der Landgraf, um die Kirchen zu freundlicher lieblicher Einigkeit zu bringen, beide Parteien hierher zu einer Unterredung berief, „da bat ich den Herrn mit versichertem und vertrautem Gemüthe, daß dasselbe geschehe, und begehrte, daß ich von meiner verwirrten Meinung erledigt würde.“ „Inzwischen hatte ich das steif bei mir beschlossen, daß ich in dem Erforschen der Wahrheit, nicht darauf merken und acht haben wollte, wer Dieses oder Jenes sagte, sondern was da geredet wurde. Und ich bin also an dem Handel gestanden, ihn zu ergründen und habe ein gleiches Herz und eine gleiche Anmuthigkeit zu jeder Partei gehabt, und mir festiglich vorgenommen, ich wollte es mit dem Theile halten, den ich gewißlich sehen würde, daß er mit seiner Meinung mit dem Worte Gottes besser stimmte und demselbigen gleicher und ähnlicher wäre.“ „Denn ich vermeinte, es wäre von Nöthen, daß ich zu diesem Handel käme als ein reines, sauberes, unbeschriebenes Blatt, darauf allein der Finger des lebendigen Gottes schreibe; welches ich, mein geliebter Bruder, auch Dir von ganzem Herzen wünsche. Wirf hierin von Dir alle Menschen, ja wirf ganz und gar von Dir, spreche ich, auch den Luther, damit sie dich nicht verhindern. “ Vor Allem mußt Du Gott anrufen und also handeln, als ob Du von diesen Dingen noch niemals ein Wörtlein gelesen oder gehört hättest. Frage allein den Herrn Jesum und siehe auf den einträchtigen Verstand seiner Worte. „Damit ich nun zur Sache selbst komme; stelle Dir vor, wie ich es gethan habe, als ob Du zur Zeit unseres Herrn Jesu gelebt hättest und ihn selbst gegenwärtig gehört, in dem da er geredet hat, von dem das wir lesen im 6. Kapitel des Johannes, und besonders das vom Essen seines Fleisches und Trinken seines Blutes. Meinst Du nicht, daß Du dieselbigen Worte aus dem, wie er es vorschreibt, verstehen würdest? Denn er hat geschrieben: der Geist, d.i. das geistliche Nießen und Essen, ist das, das da lebendig macht, das Fleisch aber, d.i. das fleischliche Essen ist gar kein nütze. Die Worte, die ich geredet habe, sind Geist und Leben, d.i. geistig und Leben bringend. Welches er darum geredet hat, daß er sah, daß der größere Theil seiner Jünger sich verärgert hatte ob dem, das er vorhin von seinem Fleische und Blute geredet hatte; welche er mit diesen Worten auf einen besseren Verstand hat wollen bringen, ihnen anzeigend, daß das, welches sich in seinen Worten grausam und entsetzlich ansehen ließ (denn gibt es etwas Entsetzlicheres und Scheußlicheres als Menschenfleisch essen und Blut trinken?) geistlicher Weise solle verstanden werden. Und ich bin des Vertrauens, daß Du dagegen nichts einzuwenden habest.“

„So Du nun Dergleichen mehr Ihn auf dieselbe Weise hättest vortragen hören, hättest Du Dich daran gestoßen? Gewiß nicht! Denn Du hättest Dich an andere ähnliche Redensarten erinnert, die er gebraucht, und daran, daß er die Gewohnheit habe, bildlich zu reden. Und man hätte Dir gewiß nicht für und für sagen müssen, daß diese Worte figürlich zu verstehen seien: welches ohne Zweifel auch bei den Jüngern der Fall war. Um der Ursache willen, als sie zum Nachtmahl gekommen sind und den alten Gebrauch des Lämmleins erfüllt haben und der Herr jetzt diesen neuen eingesetzt hat, in welchem das Brod und der Wein gemeinschaftlich von den Gläubigen genommen ward und er das Brod seinen Leib und den Wein sein Blut nannte, da hatten die Jünger gewiß nicht so bald jene Redeweise vergessen, daß sie nicht verstanden hätten: dieß sei bildlich gesagt. Und um der Ursache willen, dieweil sie seine Rede gar wohl verstanden, haben sie ihn deßhalben ganz und gar nicht gefragt. Denn aus jender Rede zu den Capernaiten wußten sie wohl, daß er gar nicht wollte, daß sie Menschenfleisch äßen. Es wußte auch der gemeine Mann unter den Juden, daß das figürliche Lämmlein, Pascha, d.i. Ueberschritt, genannt ward, obgleich es allein ein Gedenkzeichen des Ueberschrittes war. Daraus folgt, daß sie es gar nicht für neu achteten, da der Herr die Gedenkzeichen seines Leibes und Blutes, seinen Leib und sein Blut selbst nannte. Zudem ja hörten sie, daß dieses geschehen solle zu seinem Gedächtniß, wie auch das Lämmlein, dessen Geheimniß sie vorher begangen hatten, zu einer Wiedergedächtniß des Ueberschrittes des Engels, der die ERstgebornen unter den Aegyptern erschlagen hatte, gewöhnlich gegessen ward.“

„Und Du, mein geliebter Bruder, so Du Einer unter ihnen gewesen wärest, hättest Du können einer andern Meinung sein? Es sei fern von mir, etwas dergleichen von Dir zu muthmaßen. Denn nach dem was ich von Dir halte, hast Du nicht so gar keinen Geist und so gar ein schlechtes Urtheil. Derhalben so würdest Du geglaubt haben, daß hier ein geistliches Geheimniß verhandelt werde und daß das Brod und der Wein figürliche und anbildende Zeichen wären, wie auch die heiligen Apostel und alle die ältesten Lehrer gethan haben, in deren Schriften auch nicht ein Titel vorkommt, woraus mit Gewißheit erschlossen werden könnte, daß sie geglaubt hätten, daß Christus mit seinem Fleische und Blute im Nachtmahle gegenwärtig sei. Dieses habe ich zwar vormals oft und dick betrachtet, aber meine Augen wurden dermaßen gehalten, daß ich auch das, was ich sah in keinem Wege verstehen konnte.“

Im Hebräerbrief heißt es, Christus sei in allen Stücken den Menschen gleich befunden worden, ausgenommen die Sünde. „Daraus folgt, daß Redeformeln, wie: Er ist gekommen, hinweggegangen, hinein oder heraus gegangen, abgestiegen, aufgefahren, in ihrer eigentlichen Bedeutung, von einer Veränderung des Ortes verstanden werden müssen, gerade so wie von einem jeden andern Menschen. Zwar seine höchste und göttliche Natur ist nicht der Art, daß sie innerhalb eines Ortes könnte begriffen und verschlossen oder verändert werden, allein die menschliche Natur wird nicht allein von einem Orte zum andern verändert, sondern auch in einem Orte vergriffen gehalten und eingezielt.“ Christus erfüllt nach seiner Menschheit nicht alle Orte, welches eine Eigenschaft ist des göttlichen Wesens. In den Himmeln ist er an einem andern Orte, da er sitzt, d.i. regiert zu der Rechten seines Vaters. Denn in den SChriften, welche das Geheimniß unseres Glaubens begreifen, da hat das Wörtlein Sitzen die Bedeutung des Friedens und der Ruhe, und auch des Reiches und der Herrlichkeit. Zu der Rechten aber Sitzen ist nichts Anderes denn Mit-Regieren oder Herrschen.„ „Das Sitzen zu der Rechten des Vaters heißt: Christus, der mit höchster Demuth und Niedrigkeit, mit viel Zwang und unermeßlicher Arbeit den Handel unseres Heiles auf Erden vollendet hat, der regiert jetzt in den Himmeln, in der allergrößten Glorie und Ehre mit sammt seinem Vater über Alles, auch des Theils halber so er ein Mensch ist, dieweil er seinem allerhöchsten Vater bis in den Tod des Kreuzes gehorsam gewesen ist.“ Es ist mir zwar wohl bekannt, daß der Arm und die rechte Hand Gottes bisweilen für seine Kraft genommen wird. Denn gibt es Jemand, der nicht wisse, daß er keine Glieder hat? Mit diesem Wörtlein aber wird seine Macht angezeigt und bedeutet. Derhalben, so er an allen Orten ist, so muß auch seine rechte und linke Hand und Fuß an allen Orten sein, die von ihm nicht können gesondert werden. Also hat auch der Sohn mit sammt dem Vater eine rechte Hand, darum daß er ein Gott mit ihm ist. Daher, wie man recht und wohl spricht: der Vater ist in dem Sohne und der Sohn in dem Vater, also besteht auch das, so man spricht; der Vater ist zur Rechten oder Linken des Sohnes und wiederum: der Sohn ist zur Rechten oder Linken des Vaters. Denn ohne allen Zweifel ist die rechte Hand des Vaters der Vater selbst und die rechte Hand des Sohnes der Sohn selbst. Die rechte Hand, so sie nach solchem Verstande genommen wird, ist allenthalben. Sie wird aber nicht also genommen, so man spricht: Er sitzt zur Rechten Gottes.“ „ So ist denn Christus zwar nach der Gottheit, nicht aber nach der Menschheit an allen Orten. So bekenne ich denn, daß er nach der Menschheit in Weise des Zeichens und nach seiner Kraft und Wirkung in dem Nachtmahl gegenwärtig sei, aber gar nicht an ihm selbst oder persönlich und nach dem Orte.“

„Es sind Etliche, welche diese meine Bekehrung für eine Leichtfertigkeit achten, zumal ich mich zuvor nicht lange darwider gesetzt habe. Dieweil ich aber in diesem Stücke ein gutes ruhiges Gewissen habe, will ich ihres Urtheils, das nicht bei den Rechtsinnigsten ist, kleine Rechnung haben. Ist etwa Paulus deshalb auch leichtfertig gewesen, daß er von den Pharisäern abgetreten ist, desgleichen wir von der Secte und Rotte der Verderbniß abgewichen? Wenn es mein Gewissen erlaubt hätte, so wäre ich zwar wegen meiner vielen Leibesgebrechen, meiner Armuth und des Nachtheiles einer Flucht, auf meiner vorigen Meinung bestanden und geblieben. Es ist mir aber ein viel Geringeres zu leiden was zu leiden ist, als dem Worte Gottes nicht folgen wollen. Was ist auch für ein Wohlstand so groß in diesem Leben, der mir etwas Nutzen bringen möchte, wenn mein Gewissen inzwischen unruhig ist und in schädlichen gefährlichen Prästen krank liegt?“

„Es ist mein höchstes Begehren, daß wir einträchtig werden, auf daß hiermit den Kirchen und Gemeinden Gottes desto besser geholfen und gerathen werde. So Du hinfür weiter meinen wirst, daß Christus nach seiner menschlichen Natur gegenwärtig in dem ehrw. Nachtmahl sei, will ich Dich um desselbigen willen nicht hassen, sondern für einen Bruder erkennen und halten; aus der Ursache daß ich vermeine, Gewissensangst habe Dich dazu gebracht, daß Du der Meinung seiest, dieweil es Dir anders noch nicht geoffenbaret ist; wiewohl es an Dir, einem so theueren Mann, eine größere Schwachheit ist, als man sie erwartet. So Du aber hiezwischen auch meinethalben also gesinnt bist, will ich es zulassen und ein gutes Vertrauen zum Herrn haben, es werde dazu kommen, daß auch Du die Wahrheit eines Tages eigentlich erkennst.“

Quelle: Hassencamp, F.W. - Franciscus Lambert von Avignon

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