Krummacher, Gottfried Daniel - Der nothwendige und heilsame Genuß des heiligen Abendmahls.

Predigt
gehalten am 26. Juni 1831
von
G. D. Krummacher.
evang.-reform. Pastor zu Elberfeld.

Eingang.

Das Fundament des wahren Christenthums liegt in der Vereinigung mit Christo. Diese lehrt die Heilige Schrift theils ausdrücklich, theils erläutert sie diese Lehre durch Bilder, und stellt das Ziel dieser Vereinigung als ein völliges Einswerden vor.

Diese Bilder sind theils entferntere, theils nähere.

Wenn Jesus König genannt wird, so deutet das auf eine Vereinigung, weil König und Unterthanen ja Einen großen Körper ausmachen. Hirte und Heerde ebenfalls. Seht, wie lieblich diese Vereinigung unter dem Bilde der Glucke und der Küchlein vorgestellt wird, wobei die Liebe und zwar vorzüglich die der Glucke besonders sichtbar wird, aber auch die Anhänglichkeit der Küchlein. Fundament und Haus ist auch ein solches entferntere Bild von der Vereinigung Christi und der Gemeine. „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeine und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“ Alle diese Abbildungen sind sehr reich an Lehre, Erbauung und Trost.

Laßt uns aber noch einige nähere Bilder dieser Vereinigung nennen. Wie merkwürdig ist das Bild, da Jesus sich den Weinstock, seine Gläubigen Reben nennt. Noch genauer und beredter ist das Bild, wornach Christus und sein Volk als Ein Leib vorgestellt wird, so daß Er das Haupt, sie aber die Glieder sind. Das Höchste aber, was gesagt wird, was aber nicht ein Bild, sondern ein Wesen und die Erklärung der Bilder enthält, ist das Wort Pauli: „wer dem Herrn anhangt, ist ein Geist mit ihm.“

Vereinigungen können wunderbare und erwünschte Wirkungen hervorbringen. Seht nur die Wunder, welche nach dem Winter die Vermehrung des Lichts und der Wärme bewirkt. Was ist das für eine Glückseligkeit, daß Christus sich mit uns vereinigt; diese Sonne mit Heil unter ihren Flügeln.

Davon ist uns nun das heilige Abendmahl Zeichen und Siegel, sintemal Jesus selbst Speise seyn will. Hungert denn, damit ihr esset; esset, damit ihr lebet.

Text: Joh. 6, 53-57.

Jesus hatte eine große Menge Menschen auf eine wunderthätige Weise gespeist; das gefiel ihnen so, daß sie ihn greifen und - er möchte wollen oder nicht - zum Könige machen wollten. Jesus entwich ihnen aber und begab sich auf einen hohen Berg ganz allein. Die Jünger gingen zu Schiffe um über den See nach Kapernaum zu fahren, wo sie mit Jesu wohnten, und da sie bis zum Finsterwerden vergeblich auf Jesum gewartet hatten, fuhren sie ohne ihn ab. Es ging ihnen aber nicht zum Besten, bis er ihnen zu Fuß über's Meer nachkam. Als sie seiner ansichtig wurden, fürchteten sie sich, wurden aber bald von ihm beruhigt, nahmen ihn in's Schiff und es war alsbald am Lande. - Die gespeiseten Leute folgten ihm des andern Tages nach, und Jesus hielt ihnen die wichtige und tiefe Rede, die Johannes uns hier aufgezeichnet hat, die aber weit über ihren Begriff war, und einen so übeln Eindruck machte, daß sie sich dermaßen daran stießen, daß sie fortan mit Jesu nichts mehr zu thun haben mochten, weil er harte Reden führe, die nicht zum Anhören seyen. Einen Theil dieser, von ihnen hart, unleidlich genannten Rede haben wir vorgelesen. Jesus hatte Vers 51 gesagt: „Ich bin das lebendige Brod vom Himmel kommen, wer von diesem Brod essen wird, der wird leben in Ewigkeit. Und das Brod, das ich ihm geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt.“ Mit dem Brod ließen sie sich's allenfalls noch gefallen. Was er aber von seinem Fleisch sagte, war ihnen unausstehlich. Sie brachen also unwillig heraus und sprachen: „Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?“ Jetzt wagte Jesus sie aber vollends dabei, indem er ihnen sogar das Trinken seines Bluts zur Pflicht machte, da doch das Gesetz allen Blutgenuß bei Todesstrafe untersagte. - Wirklich ist es auch erstaunenswürdig, daß Jesus so rohen Leuten, eine solche geistvolle Rede hielt, und seinen Jüngern selbst wollte ihre Zweckmäßigkeit nicht einleuchten. Die Leute verloren auch sicher alle Lust, einen solchen König zu haben. Jesus hatte aber schon im Voraus erklärt: „alle müßten von Gott gelehret seyn. Wer es nun vom Vater höret, und lernet's, der kommt zu mir; und setzte noch zum Schluß hinzu: „Der Geist ist's, der da lebendig machet, das Fleisch ist kein nütze. Meine Worte sind Geist und sind Leben.“

Das heilige Abendmahl, das wir heute begehen, erläutert unsern Text und wird von demselben erläutert.

Er handelt von dem nothwendigen und heilsamen Genüsse des Fleisches und Blutes des Sohnes des Menschen.

  1. Was ist das Fleisch und Blut des Sohnes des Menschen?
  2. In wie fern ist dasselbe Speise und Trank, und von was für Art sind sie das?
  3. Worin besteht das Essen des Einen und das Trinken des Andern?
  4. Dessen Nothwendigkeit und Nutzen durch ein zwiefaches: „wahrlich, wahrlich“ befestigt.

Jesus nennt sich hier, wie sonst oft, den, Sohn des Menschen. So nennt ihn aber kein Apostel, sondern nur Stephanus. Durch diese Benennung bezeichnet er sich als den zweiten Adam, wovon der erste, nach Römer 5, ein Bild war, jedoch ein umgekehrtes, wie Paulus dieses an andern Orten weitläuftig und vortrefflich auseinandersetzt. Die Haupt-Vergleichungspunkte sind folgende: Ungehorsam, Sünde, Uebertretung, Verderben, Tod, Verdammniß, auf Seiten des ersten Adams, herrschend über alle seine Abkömmlinge, welche alle Sünder worden sind; - auf Seiten des zweiten Adams oder Sohnes des Menschen: Gehorsam, Gerechtigkeit, Rechtfertigung des Lebens, reiche Fülle der Gnade und Gabe, Herrschaft zum Leben, durch die Gnade des Einen Menschen, Jesum Christum, viele Gerechte. Dies alles herrschend über alle Abkömmlinge dieses Zweiten. - So vieles und so seliges sagend, ist der Name, den Jesus sich hier gibt.

Er redet aber von dem Fleische des Sohnes des Menschen und von seinem Blute. Beides zusammen genommen stellt uns ihn, welcher zugleich der Sohn Gottes ist, als das neue, gesegnete und segnende Haupt des in sich verlornen, geistlich todten und verurtheilten menschlichen Geschlechts dar, wodurch es Gerechtigkeit und Leben wiedererlangt hat. In diesem Haupte wohnt alle Fülle der Gottheit leibhaftig. Sein Reichthum ist unausforschlich. Alle Schätze sind in ihm verborgen. Er ist der Pfleger der himmlischen Güter, der Weg, hie Wahrheit und das Leben. Niemand kann etwas nehmen, es werde ihm denn vom Himmel gegeben. Er gibt Gnade und Leben, gibt mit königlicher, ja göttlicher Freigebigkeit, daß sein Volk seiner Gaben die Fülle hat. Kurz, Gott hat uns das Leben gegeben, und solches Leben ist in seinem Sohne. Das Fleisch des Menschensohnes ist seine menschliche Natur, namentlich alles, was er in derselben zu unserm Heil und an unsrer Statt gethan hat, welches uns durch das Brod im heiligen Abendmahl vorgestellt wird. Sein Blut ist sein Leiden, und die kostbaren Früchte desselben, als da ist die Versöhnung mit Gott, die Gerechtigkeit, Reinigung des Herzens und Gewissens, im heil. Abendmahl abgebildet durch den Wein, diesen Kelch und Inbegriff des neuen Testaments in seinem Blute. Beide sind verbunden, denn Christus kann nicht getheilt werden. Ganz wird er angeboten, ganz bedürfen wir ihn, ganz muß er angenommen werden, ganz theilt er sich mit. Beides wird getrennt, uns die angenehme und heilsame Zerlegung und Betrachtung der Menge der Güter, die wir haben in Christo Jesu, zu erleichtern, damit unser Glaube durch Erkenntniß derselben lebendig werde.

Davon sagt nun Jesus: mein Fleisch ist die rechte Speise und mein Blut ist der rechte Trank. Er nennt's Speise und Trank. Es ist also etwas nothwendiges. So unentbehrlich Speise und Trank zur Erhaltung des natürlichen, so unentbehrlich ist uns Christus zur Erlangung des geistlichen und ewigen Lebens. Ohne ihn haben wir kein Leben in uns, können wir keine Frucht bringen, müssen wir sterben. Was wir auch entbehren können ihn nicht. Speise und Trank begegnen einem unbeweislichen Bedürfnis dem Hunger und Durst; - diese starken Naturtriebe lassen sich nicht mit Vorstellungen abweisen oder durch Gründe beschwichtigen. Sie müssen Speise und Trank haben. - Wollte Gott, es äußerte sich bei uns allen ein solcher Hunger und Durst nach Gerechtigkeit! dann sind wir selig, weil solche satt werden sollen. Gewiß ist's aber, daß wir Christum noch weit mehr bedürfen, als Kleider, Speise und Trank für den Leib. Wohl der Seele, in welcher dies Bedürfniß erwacht. Speise und Trank sind geeignete Mittel, diesem Bedürfniß abzuhelfen. Ist, wie David redet, all unser Heil und Thun, daß nichts wächst: so ist in diesem Bunde alles wohl geordnet. Was soll ich dir thun? fragt Jesus, und überläßt uns gleichsam die Wahl und Bestimmung, wiewohl er seine Gaben nicht stückelt und theilt, sondern mit Einem Alles giebt. Ruft denn dieser: daß ich sehen möge; jener: komm' zu Hülfe meinem Unglauben; der: Herr! hilf mir; jener: Sey mir Sünder gnädig! - oder was sich sonst gerade besonders lebhaft aus der Menge seiner Anliegen und Nöthen herausstellt, - es ist für Alles gesorgt. Alles bereitet. Wer je gebeuget kam, dem half er, und entnahm ihm die Bürde. Er stillt jegliches Verlangen. Er macht satt. Der Durst ist hin; wie bin ich so erquickt.

Denn Speise und Trank sind geeignete Mittel, den Hunger und Durst zu stillen, und wenn das geschieht, ist dem Körper wohl. Christus ist das Gut, wodurch alle Begierden der Seele erfüllt werden. Hat das Herz nicht Jesum, kann's nicht ruh'n. Wie nützlich ist es endlich, einen hinlänglichen Vorrath von Speisen und Getränken zu besitzen. Wie nützlich und gut ist es, diese Speise und diesen Trank zu haben. Dies Brod verschimmelt nicht, dieser Trank verschalt nicht. O! wie nützlich ist es uns, daß wir einen Jesum haben, ohne welchen es aus mit uns wäre. Aber mag's nun auch unserer Seits aus seyn, so ist's doch von dieser Seite nicht aus, sondern Hülle und Fülle, alles was zum Leben, Gesundheit und Freude dient.

Christus beschreibt die Beschaffenheit dieser Speise und dieses Tranks näher, wenn er sie als die rechte bezeichnet. Wie er dort sagt: „Ich bin der rechte Weinstock,“ so hier: „Ich bin die rechte Speise.“ Merkwürdiger Zusatz. Christus ist in jedem Betracht das Rechte, alles andere ist es nicht. Er ist das rechte Gold, Kleid, Haus, die rechte Augensalbe, Arznei, Freude, Gerechtigkeit, der rechte Stern, die rechte Sonne, und von allem Guten, was wir denken mögen, ist Er das Rechte. O! daß wir das einsähen und glaubten. Haben wir ihn, so können wir alles Uebrige, wenn es seyn soll, leicht entbehren. Mangelt er uns, womit wollen wir ihn ersetzen? Ist Ersteres bei uns der Fall, wird uns schon alles zufallen, wo nicht - nichts übrig bleiben. Genießen wir diese Speise, so genießen wir etwas, das an Wohlgeschmack alles bei weitem übertrifft. Sie erhält nicht für eine Zeitlang, sondern für ewig. Sie stärkt zu den größten Thaten und schwersten Leiden. Ach! unter dem Ceremonial-Gesetz war es nicht erlaubt, alles zu essen, was vorkam, sondern sie waren auf gewisse Speisen beschränkt. O! daß wir uns recht an diese Speise verwiesen fühlten und verwöhnt hätten. Dem schmeckt's, dem nichts als Jesus schmeckt.

Jesus will nun, daß sein Fleisch als die rechte Speise gegessen, sein Blut als der rechte Trank getrunken werde.

Zuvörderst deutet die seltsame Art zu reden auf den Opferdienst, und Jesus stellt sich dadurch als das wahre Opfer für die Sünde dar, insbesondere als das Osterlamm. Dies Letztere mußte ganz gegessen werden, und von den meisten Opfern wurde nur einiges, nämlich Fett und Niere, auf dem Altar verbrannt, das übrige Fleisch aber gekocht und gegessen. Durch dies Essen traten die Opfernden in eine gewisse Gemeinschaft mit dem Opfer und Mar, 1. Cor. 10, 18., als ob sie selbst mitgeopfert wären, weil sie sich mit dem Opfer durch das Essen desselben vereinigten. Blut durfte durchaus nicht genossen werden, und wurde am Fuße des Altars ausgegossen, von wo es durch Röhren in den vorbeiströmenden Bach abgeleitet wurde. Dies war ein Zeichen der Unvollkommenheit der alttestamentlichen Versöhnung, weil das rechte Blut noch zukünftig war. Fleisch kann und wird von allen einigermaßen gebildeten Völkern nicht so wie es da ist, sondern erst gekocht und zubereitet genossen, wenigstens dursten Juden es anders nicht. Gewiß mußte auch das Fleisch des Menschensohnes erst zubereitet werden; dahin deuten jene Schriftstellen, wo Christus selber sagt: „Den Leib hast du mir zubereitet;“ - und wo von ihm gesagt wird: „Er ist durch Leiden des Todes vollendet; er ist um unserer Missethat willen verwundet. Gott hat seiner nicht verschont, ihn um unserer Sünden willen dahingegeben“ u. dgl. - Sollte der Sohn Gottes uns eine Speise seyn, so mußte er ein Menschensohn und uns gleich werden; er mußte Gottes Lamm werden und der Welt Sünde tragen; er mußte für uns zur Sünde gemacht werden; er mußte sich darstellen, damit Gott seine Gerechtigkeit an ihm erweise; ein Fluch mußte er werden; Gott mußte ihn verlassen, und als der zweite Adam den Tod schmecken, unter dessen Urtheil der erste Adam uns durch seinen Ungehorsam versenkt hatte; ja sein Blut mußte er vergießen, weil ohne dies keine Vergebung geschieht.

Dies Alles ist geschehen und eben dadurch alles erworben, was zu unserm zeitlichen und ewigen Heil nützlich und nothwendig ist, und dies Alles in Christo niedergelegt. Er ist wie ein gebratenes Osterlamm, wie das gekochte Fleisch vom Altar; denn wir haben auch einen Altar, Hebr. 13, 10. Eine herrliche Mahl-, zeit, ein kostbares, königliches Hochzeitmahl ist zubereitet, die Tafel gedeckt, selbst die Feyerkleider dazu bereitet. So kommet denn. Die Gerichte sind: Gerechtigkeit, Friede und Freude und ewiges Leben. Die Blinden werden hier sehend, die Lahmen gehend, die Tauben hörend, die Todten stehen auf, und den Armen wird das Evangelium gepredigt. Das nennt Christus das Fleisch des Menschensohnes, denn von ihm geht's aus;, es ist sein Erzeugniß.

Nun redet Christus weiter dreimal von dem Essen seines Fleisches und Trinken seines Blutes. Die unverständigen Juden nahmen daran einen Anstoß und sagten: „Wie kann uns dieser sein Fleisch zu essen geben?“ Sie wußten mit dieser Redensart keinen vernünftigen Sinn zu verbinden, wie ihnen denn auch nichts daran gelegen war, den rechten Begriff davon zu erlangen, worin ihnen nur zu viele Namenchristen gleichen, sonst würde ihnen Jesus dieses schon erläutert haben. O! ihr unverständigen Juden, Galater, Namenchristen! Indessen kehrt sich Jesus an ihren Unverstand und an ihr Aergerniß so wenig, daß er die für ein jüdisches Ohr ganz und gar unleidliche Rede vom Trinken seines Bluts hinzusetzt, also ihnen etwas zu einer unerläßlichen Pflicht macht, was Moses aufs Schärfste verboten hatte, und von einer Handlung das Leben verheißt worauf Gott die Todesstrafe gesetzt hatte. So wenig bekümmert sich Jesus drum, ob ihr seine Lehre annehmbar findet oder nicht. „Selig ist, der sich nicht an mir ärgert.“ Dieser Zusatz vom Trinken des Blutes des Menschensohnes deutet augenscheinlich auf die ganz neue Gestalt, welche das Reich Gottes durch Christum gewonnen hat, auf die Erfüllung des Gesetzes, auf einen Dienst Gottes, nicht nach dem alten Wesen des Buchstabens, der da tödtet, sondern nach dem neuen Wesen des Geistes, der da lebendig macht. So halten wir es nun, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werk, allein durch den Glauben, daß wir vom Gesetze los und ihm abgestorben sind. Jawohl, das Neue Testament erfordert neue Ohren, neue Augen, neuen Verstand, neue Wirksamkeit, neue Herzen und Sinne. „Das Alte ist vergangen. Siehe! es ist alles neu worden.“ Wie? heben wir das Gesetz auf durch den Glauben? Das sey ferne, sondern wir richten es auf. Aber zu neuem Wein passen keine alte Schläuche, und kein neuer Lappen auf ein altes Kleid, sondern fasset neuen Wein in neue Schläuche, so wird Beides erhalten. Lasset uns aber der Lehre Jesu, die er in diesen Worten niederlegt, etwas näher nachspüren.

Essen und Trinken ist eine Handlung, wodurch wir uns in eine höchst genaue Verbindung und Vereinigung mit Speise und Trank setzen, so daß wir ihrer Wirkungen theilhaftig und sie ein Theil unseres Wesens werden, in unser Fleisch und Blut, Mark und Bein, nicht nur übergehen, sondern es werden, so, daß der Mensch, wie man sagt, in sieben Jahren ein ganz anderer soll geworden seyn, vermittelst der genossenen Nahrungsmittel, wodurch das Abgehende ergänzt wird. - Vereinigungen haben oft sehr merkwürdige Erfolge. Genießen wir Gift, so müssen wir sterben. Gebt einem Ausgehungerten Speise, es ist wie wenn ihr Oel in eine erlöschende Lampe gießt. Was würde aus der Erde, hörte ihre Verbindung mit der Sonne auf? Was wurde aus dem todten Lazarus, als das Leben sich ihm nahete, was aus dem Begrabenen, als derjenige sich zu ihm wandte, welcher die Auferstehung selber ist? Was aus dem Aussätzigen, als Jesu Hand ihn berührte? Christus bedient sich hier der Ausdrücke des Essens seines Fleisches und des Trinkens seines Blutes, um uns deutlich zu lehren, daß er sich in eine eben so genaue geistliche Verbindung mit unsern Seelen setzen wolle, als unsere Leiber durch Essen und Trinken des Brods - und Weins mit demselben körperlich vereinigt werden. Das nämliche wird anderswo ausgedrückt: Christus in euch; ich will in ihnen wohnen und in ihnen wandeln; ihr seyd Christi theilhaftig worden; ich in ihnen. Ihr esset von dem heil. Brod in dem heil. Abendmahl, ihr trinket aus dem gesegneten Kelch. Dieses wird ein Theil eures Körpers. Auf eine ähnliche Weise will Christus selbst sich mit euren Seelen vereinigen, jedoch in ungleicher Wirkung; denn die Speise verändert sich in eure Natur, derjenige aber, den sie abbildet, verwandelt euch in Seine Natur, also, daß ihr der göttlichen Natur theilhaftig werdet, so ihr anders mitleidet, auf daß ihr auch mit zur Herrlichkeit erhaben werdet. Also soll Christus gegessen werden. Das geschieht vermittelst des Glaubens und nur vermittelst desselben. Zwar besteht die Liebe allerdings in einer Begierde nach Vereinigung. Allein so lange wir in dieser Welt leben, haben wir kein anderes Mittel, diese Begierde zu stillen, als das Vertrauen auf Christum wegen allen seiner Wohlthaten, so wie er im Evangelio verheißen wird. Je völliger und zuversichtlicher nun dies Vertrauen, desto heilbringender. Das heilige Abendmahl ermuntert uns auch dazu, und leitet uns auch an, Christum selbst so, wie das Brod und den Kelch, mit völliger Zuversicht anzunehmen. Durch diesen Glauben nimmt er uns in eine wahre Gemeinschaft mit sich selbst auf, durch keine geringere als seine unendliche, erschaffende Kraft. Denn wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christo Jesu. „Ist Jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur.“

Laßt uns jetzt noch die Notwendigkeit und den Nutzen dieses Essens und Trinkens berühren.

Das Essen des Fleisches, das Trinken des Blutes des Menschensohnes ist nothwendig. Es darf mit unserm Christenthum kein Schein, keine Einbildung, kein Meinen, Nachsprechen, es muß etwas Reelles, Wahrhaftiges, Wesentliches seyn. Es darf bei unserm Christenthum nicht beim bloßen Wissen, Gutmeinen, eigenem Wollen und Laufen verbleiben. Es besteht nicht in allerlei angenehmen und unangenehmen Einfällen und Empfindungen. Nein, Christus, Christus selbst muß sich wahrhaftig und wesentlich mit uns vereinigen. Das ist das Rechte, alles Andere ist das Rechte und Eigentliche nicht. Dies ist das Oel unserer Lampen, das sie nie verlöschen läßt. Sehe sich also darin ein Jeder wohl vor, damit er nicht sich selbst betrüge. Diese Nothwendigkeit erhellet aus dem mit einem zwiefachen: Wahrlich, wahrlich, Amen, Amen, befestigten Ausspruch Jesu, wo er sagt: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschensohnes, und trinken sein Blut, so habet ihr kein Leben in euch.“ (Vers 53.) Möchtet ihr auch den Namen und den Schein haben, als ob ihr lebetet, so send ihr doch todt. Habt ihr allerlei löbliche Eigenschaften, allerhand schöne Einsichten, allerlei rühmliche Werke, habt ihr aber Christum nicht auf vorhin besagte Weise gegessen, so habt ihr kein geistliches Leben, sondern seyd höchstens getünchte Gräber und thörichte Jungfrauen mit Lampen ohne Oel. Wie sauer ihr's euch vielleicht von Zeit zu Zeit ohne Erfolg werden laßt, - eure ohnmächtigen Zuckungen sind nur die von außen her angethanen Bewegungen ohne inneres Leben. Welch' ein Elend, ohne davon eine Vorstellung zu haben, oder an Abhülfe zu denken, welch' ein Elend!

Wie groß ist dagegen der Nutzen. „Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der bleibet in mir und ich in ihm.“ Dies ist das große Geheimniß, die Wurzel und das Wesen des wahren Christenthums, die genaue Vereinigung der Seele mit Christo und Christi mit der Seele. Sie ist etwas Beständiges, darum heißt's ein Bleiben, etwas Fruchtbringendes, wie Christus anderswo sagt. Dies ist die große Wirkung des Glaubens, nämlich das Einswerden mit Christo. Vermöge dieser Vereinigung hat die Seele das ewige Leben. Denn wer des Wassers trinkt, das ich ihm geben werde, dasselbige wird ein Duell des Wassers werden, der in das ewige Leben fließt. Er hat das geistliche Leben, das in der Aehnlichkeit und Uebereinstimmung mit Gott, in dem Ebenbilde Gottes besteht, das zu geistlichen, Gott gefälligen Handlungen tüchtig macht und dazu antreibt. Das ewige Leben in der Herrlichkeit ist nur die Fortsetzung und Vollendung dieses hier begonnenen geistlichen Lebens, woran der, durch die Verwesung gereinigte, in der Auferweckung verklärte Leib als ein bequemes Werkzeug der Seele zur Verherrlichung Gottes den seligsten Antheil nimmt. Und so lebt derjenige, der Christum durch den Glauben isset, auf eine ähnliche Weise, wie der Sohn Gottes selbst. Wie der lebendige Vater der Grund seines Lebens ist, da er ihm gegeben hat das Leben zu haben in ihm selber: so ist Christus das Leben derer, die ihn essen. Christus lebt durch den Vater, so leben die Gläubigen durch Ihn.

So geheimnißvoll, so tief ist die eigentliche Basis, das Fundament, der Grund des wahren Christenthums; so wenig entspricht es den natürlichen Reden menschlicher Weisheit. Allerdings schließt es Einsichten, Wirksamkeiten, Empfindungen in sich. Aber diese alle fließen nicht aus der Natur, sondern aus dem Christus in uns, welcher ist die Hoffnung der Herrlichkeit.

Diese hohe Lehre versinnlicht uns das heil. Abendmahl. In demselben haben wir es mit dem sichtbaren Brod und Wein am allerwenigsten zu thun. „Das ist mein Leib,“ sagt er, „das ist mein Blut.“ Christus selbst ist es. Der Diener bietet uns das heil. Brod dar und den gesegneten Kelch, wie Christus es verordnet hat. Der Vater selbst aber bietet uns seinen Sohn dar, wie er für uns geschlachtet und dadurch unser Leben worden ist; der Sohn will in unsere Seelen eingehen, wie das Brod und der Wein in unsern Leib, und der Heilige Geist den Glauben schenken, welcher der Mund der Seele ist.- Esset denn, aber esset recht, - trinket, aber trinket recht, damit es euch zur rechten Speise und zum rechten Trank gereiche, wisset aber, daß wir aus uns selbst nichts weniger verstehen wie das. Es würde uns daher nur kaum halb gerathen seyn, wenn Jesus blos die Speise wäre und nicht auch die Kunst des Essens lehrte. Er thut aber auch das.

So sinket denn als ganz ledige Herzen vor seinen Füßen hin. Bringet ihm nichts und begehret alles. Wirket nur die Speise, welche euch der Sohn Gottes darreichen wird. Feiert von euren eigenen bösen Werken; lasset den Herrn durch seinen heiligen Geist in euch wirken: so werdet ihr inne werden, daß wir durch Stillesein und Vertrauen stark werden.

Ich werd', durch dieses Honigs Saft
Gestärket, meine Wanderschaft
Fortsetzen durch die Wüsten.
Ich will
Nun still
An ihm kleben.
In ihm leben;
Tausend Welten
Können gegen dich nichts gelten. Amen.

Quelle: http://glaubensstimme.de/doku.php?id=verzeichnisse:quellen:rheinische_missionsgesellschaft_ezadw

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