Krummacher, Friedrich Wilhelm - Pfingsten.

Krummacher, Friedrich Wilhelm - Pfingsten.

Predigt, gehalten am 2ten Pfingstfeiertage den 9. Juni 1851.

Und da sie gebetet hatten, bewegte sich die Stätte, da sie versammelt waren; und wurden alle des Heiligen Geistes voll, und redeten das Wort Gottes mit Freudigkeit. Der Menge aber der Gläubigen war Ein Herz und Eine Seele; auch keiner sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären, sondern es war ihnen Alles gemein. Und mit großer Kraft gaben die Apostel Zeugniß von der Auferstehung des Herrn Jesu, und war große Gnade bei ihnen Allen.
Apostelgesch. 4,31-33.

Der zweite Tag des lieblichsten unsrer kirchlichen Feste hat uns im Hause des Herrn vereinigt; des lieblichsten, wenn gleich des in der Christenheit am wenigsten verstandenen. Was hat man nicht schon Alles aus Pfingsten machen wollen! Betrachten’s die Einen als das Verherrlichungsfest aller und jeder menschlichen Begeisterung, der künstlerischen zumal, so glauben Andere seinen Sinn noch richtiger und schärfer aufgefaßt zu haben, indem sie es zum Musikfeste stempeln. In neuester Zeit aber scheint die noch heidnischere Anschauung Platz zu greifen, nach welcher die ganze Bedeutung der Pfingsten in derjenigen eines Naturfestes aufgeht. Statt in die Kirchen stürzt das christliche Volk in Masse hinaus in’s blüthengekränzte Freie, als gelte es an diesem Feste nur den Feld- und Waldgöttern opfern.

Zum guten Theile mag die über den wahren Sinn der Pfingstfeier in der Kirche herrschenden Unkenntniß durch die Prediger selbst verschuldet sein, die nur zu häufig gewohnt sind, an diesem Feste die eigentliche Thatsache, der die Feier gilt, ganz zu umgehen, indem sie entweder statt von der Ausgießung des Heiligen Geistes, lediglich von der Kirche zu reden pflegen, die doch nur ein Product des Geistes und erst der Schauplatz seiner Wirksamkeiten ist, oder es höchstens bei einer zusammenhanglosen, den himmlischen Urheber fast ignorirenden Darstellung vereinzelter Krafterweisungen des Geistes bewenden lassen. Möge es uns in dieser Stunde gelingen, der Begriffsverwirrung über das Pfingstwunder, soweit sich dieselbe etwa auch in diese unsre Versammlung hineinerstreckt, ein Ziel zu setzen, und wenigstens der Ahnung eines jeglichen unsrer lieben Zuhörer es nahe zu bringen, was Pfingsten sei, und wem wir an diesen Feiertagen unsre Glocken läuten, unsre Lieder singen, und das Fest „mit Maien schmücken bis an die Hörner des Altars.“

Wir schließen uns mit unsrer Betrachtung eng an die verlesenen Textesworte an. Apostelgesch. 2 schildert uns den Pfingsttag der Apostel. Hier ist es der Pfingsttag der an jenem zur Buße erweckten ersten Gemeine, zu dem wir kommen. Petrus und Johannes haben im Namen Jesu Christi an dem Lahmen vor des Tempels Thür das bekannte Wunder verrichtet. Das Volk, voll freudigen Erstaunens über diese That, läuft zusammen, und drängt sich in hellen Haufen um die Wunderthäter. Diese aber, namentlich Petrus, ergreifen die Gelegenheit, um vor der versammelten Menge in Kraft des Heiligen Geistes ein mächtiges Zeugniß von ihrem Herrn, dem Fürsten des Lebens, abzulegen. Wie sie aber recht im Zuge sind, erscheinen die eifersüchtigen Priester mit der Tempelwache, und nehmen die beiden Herolde in Haft. Diese, als die Gefangenen, und doch frei, setzen mit der Unerschrockenheit, die der Geist verleiht, vor den Schranken des Hohen Rathes ihre Predigt von Dem, „außer welchem in keinem Andern Heil“ sei, mit einer Macht und Freudigkeit fort, daß auch die Richter bald beschämt, verwirrt und entwaffnet dastehn, und schon aus Furcht vor dem Volke nichts Beßres zu thun wissen, als ihre beiden Delinquenten, freilich unter schweren, aber von jenen mit einem: „Wir können es ja nicht lassen, von dem zu zeugen, was wir gesehen und gehöret haben,“ zurückgewiesenen Drohungen für etwaige Wiederholungsfälle, wieder auf freien Fuß zu setzen. Unverweilt begeben sich die Entlassenen zu den Ihrigen, den versammelten Gliedern der Gemeine, und erzählen, was ihnen widerfahren, und wie herrlich durch Gottes Dazwischenkunft der Handel verlaufen sei. Da heben denn die Tausende an, wie mit Einem Munde den Herrn zu loben, und in brünstigen Gebeten für die Apostel und deren fernere Stärkung, Salbung und Bewahrung sich zu ergießen. Nachdem sie aber ihre Gebete vollendet, siehe, da „erhebt die Stätte, wo sie vereinigt sind.“ Ein Wunder der Natur kündet ein größeres an, welches sie eben im Innern ihrer Gemüthswelt erfahren. “Sie wurden alle voll des Heiligen Geistes“ meldet die Geschichte, und sagt uns dann, in welchen Wirkungen dieses Wunder an der Gemeine zu Jerusalem offenbar geworden sei.

Um nun der Bedeutung des Pfingstwunders auf den Grund zu kommen, muß man vor allen Dingen unterscheiden lernen. Man muß unterscheiden 1) zwischen dem heiligen Geiste und seinen Gaben;; 2) zwischen der Form der Geisteswirkungen und dem Wesen derselben, und 3) zwischen der Einwirkung und der Einwohnung des h. Geistes.

Werden wir uns dieser Unterschiede bewußt. Es gefalle aber dem heiligen Geiste, selbst und die rechte Kunde von Sich zu geben!

1.

Vor Allem gilt es, will man Pfingsten verstehen, den h. Geist zu unterscheiden von seinen Gaben. Könnten wir alle die Vorträge hören, die an diesem Feste von den christlichen Kanzeln herab ertönen, wie oft würden wir vernehmen, die „religiöse Begeisterung,“ die „sittliche Erhebung,“ der „edle Vorsatz,“ der „Glaube,“ die „Liebe,“ oder was Schönes sonst: das sei der Heilige Geist. – „Und das wäre er noch nicht?“ – So wenig, wie du der Hauch bist, der von deinem Munde ausgeht, oder die Blume gar, die du in deinem Garten pflanzest. Des Geistes Werk mag jenes Alles sein; aber der Geist selbst ist es nicht. Allerdings nennt auch wohl die Schrift dasjenige “Geist,“ was der h. Geist zu Stand und Wesen bringt, wie in dem bekannten Ausspruche des Herrn Joh. 3: „Was vom Geist geboren wird, ist Geist. – Aber die Schrift kann dies ohne Gefahr für das richtige Verständniß thun, weil sie anderwärts so bestimmt, so scharf und unzweideutig zwischen dem h. Geiste selbst und seinen Erweisungen und Gaben unterscheidet, daß, wer ihren Fingerzeigen folgt, vor jeder Vermischung des erstern mit den letztern vollkommen gesichert ist. Der Herr Jesus verheißt uns an dem heiligen Geiste “einen andern Tröster;“ hört wohl: einen andern, der uns „in alle Wahrheit leiten“ werde. Ueberseht bei diesem Ausspruche nicht, daß das Wort “Geist“ im Griechischen ein Neutrum ist, der Herr aber, um recht in die Augen springend die Persönlichkeit des h. Geistes hervorzuheben, von demselben in der masculinen Form: „der wird euch“ u.s.w., zu reden fortfährt. Aus dem Munde des Herrn sagt Johannes, der Evangelist, im Blick auf die Jahrtausende vor Christo: “der Geist war noch nicht da.“ Nun wissen wir aber, daß es auch unter dem alten Bunde schon an mannigfaltigen Wirkungen des h. Geistes nicht fehlte; wie denn „die heiligen Menschen Gottes geredet haben, getrieben durch den heiligen Geist.“ Es muß somit der Geist mit seinen Wirkungen nicht ein und dasselbe sein. – Paulus bezeugt: „Es sind mancherlei Gaben, aber es ist Ein Geist;“ und nachdem er dann die Gaben und Machterweisungen des Geistes einzeln benannt hat, fährt er fort: “Dieses Alles wirket derselbe einige Geist, und theilet einem Jeglichen insonderheit zu, nachdem er will.“ – Ich frage euch, ob der h. Geist schärfer und unzweideutiger von seinen Gaben unterschieden werden könnte, als es hier geschieht? – „So wäre denn der h. Geist in Wahrheit eine Person?“ – Nichts steht nach der Schrift mehr außer Frage, als dies. Ebensowohl, wie der Vater und der Sohn, ist auch Er im Wesen der Gottheit eine selbstbewußte, selbstständige und freie Persönlichkeit, weshalb denn auch nicht weniger auf Seinen, als auf die Namen Jener getauft und in dem apostolischen Segenswunsche gleicherweise von Ihm, wie von dem Sohne und dem Vater der Gemeine Heil und Gnade erfleht wird. – Eines argen Attentats wider den h. Geist machen darum diejenigen sich schuldig, welche das Ich, die Persönlichkeit, ihm abzusprechen wagen. Das Persönliche des Geistes weggedacht, verliert auch Pfingsten seine ganze Bedeutung. Es geschah dann an jenem großen Tage weiter nichts, als daß die Apostel, freilich nicht ohne Gott und sein gnädiges Walten, in eine neue religiös-sittliche Entwickelungsstufe eintraten. Wir wissen aber, daß am Pfingsttage ungleich Erheblicheres und Großartigeres sich begeben hat. Wir wissen, daß, nachdem nunmehr das Erlösungswerk vollendet, und durch die Auferweckung und Erhöhung Jesu göttlich besiegelt war, der Heilige Geist seinen Einzug hielt in die Welt, um in derselben fortan bis zu ihrer vollendeten Erneuerung und Verklärung zu verbleiben. Wir wissen, daß von Pfingsten an der h. Geist zu der erlösten Sünderwelt in ganz neue, und so viel trautere und innigere Verhältnisse eingetreten ist, daß dagegen sein früheres Dasein unter den Menschenkindern kaum in Anschlag kommt. Wir wissen, daß wir, wie Weihnacht das Vereinigungsfest des Sohnes, so Pfingsten dasjenige des h. Geistes mit der Menschheit feiern; und daß, was dort den Aposteln geschah, und an ihnen zur Erscheinung kam, nur der Anhauch des Geistes war; der Hauchende selbst stand dahinter und darüber. – Ueberall im Christenthume wirksame Persönlichkeiten, lebenskräftige Gestalten! – Nirgends spiritualistischer Dunst! – Ueberall Wesenhaftigkeit, Thatsache, Geschichte!

„Also wirklich Drei in dem einigen Wesen der Gottheit?“ – Ja, Drei, laut dem unfehlbaren Zeugniß des göttlichen Wortes. – Der Vater zeugte aus seinem Wesen sein anderes Ich, den Sohn, in welchem Er sich selber gegenständlich wurde, und Sich das würdige, weil Ihm gleiche, Object Seiner ewigen Liebe setzte. Vom Vater und Sohn ging aus, und zwar wiederum persönlich, der Heilige Geist. Drei ist die Zahl der Vollkommenheit. Eine vollkommene Gemeinschaft bilden auch auf Erden schon, erst Drei. Es ist die Natur der Liebe, an den geliebten Gegenstand sich aufzugeben. Zwei in reiner Liebe zu einander sich hin Bewegende und an einander sich Aufgebende finden und nehmen in einem dritten sie Liebenden und von ihnen Geliebten sich selber wieder, und kommen, wenn ich so sagen mag, in ihm erst zu seliger Ruhe und voller Sättigung. Ja, leise Analogien, freilich nicht der göttlichen Wesens-Dreieinigkeit selbst, wohl aber der Beziehungen der göttlichen Drei zu einander, lassen sich schon in den irdisch menschlichen Verhältnissen entdecken, wie denn alles Himmlische ja irgend wie und wo auf Erden schon, in wie duftig zarten Spiegelbildern auch, wiederscheinet. – Ich warte noch auf den klaren Kopf, der jene Aehnlichkeiten uns zu deutlicherm Bewußtsein bringen wird; aber schon, bevor er noch auftaucht, weiß und glaube ich, daß Gott dreieinig ist, und der h. Geist eine Person, von seinen Gaben wesentlich unterschieden.

2.

Um Pfingsten zu verstehen, müssen wir am Sondern bleiben, und mit gleicher Schärfe, wie zwischen dem Geist und seinen Gaben, auch zwischen der Form der Geisteswirkungen, und deren Wesen unterscheiden. – Die Form seiner Bethätigungen begegnet unserm Auge nicht selten unter den Menschen; aber in tausenden von Fällen erweis’t sie sich bei näherer Prüfung nur als nichtiges Erzeugniß der Natur, an dem, wie täuschend ähnlich es dem Geisteswerke sehe, der h. Geist auch nicht den geringsten Antheil hat. Zu den Wirkungen des Geistes gehört es, daß er das Herz bewege, daß er rühre; aber nicht jede religiöse Rührung ist vom heiligen Geiste. Wir wissen freilich, welch’ Aufhebens gleich davon gemacht zu werden pflegt, wenn einmal, hervorgerufen etwa durch den tonkünstlerischen Wohllaut einer „liturgischen Andacht,“ oder durch die hin und wieder auch den sinnlichen Menschen bewegend ansprechende Schönheit einer evangelischen Geschichte, oder durch eine nachdrückliche Mahnung an Grab und Wiedersehen, oder gar schon, unter Wegfall aller Gedanken, durch den blos pathetisch gehobenen Redeton eines Predigers, eine Rührung jener Gattung eintrat. Alsobald heißt es: „Der Geist schwebte über der Versammlung,“ wie schnell vorüberrauschend auch die Bewegung sich erzeigte, und mit wie viel heimlicher Selbstgefälligkeit und eigengerechten Wesens sie auch verpaart ging. O, laßt euch nicht irren, Freunde; der Geist ist doch zu Besser’m tüchtig, als daß er das natürliche Gefühl ein wenig in Wallung bringe, und dem Auge einige Thränen menschlicher Empfindsamkeit entlocke. Wo er – rührt, da ergiebt sich ein Mehreres noch, als solch unfruchtbares und müßiges Empfindungsspiel. Da kommt es zu gründlichem Selbstgericht, zur Verhüllung des Hauptes der Gefühle der gehäuften Schuld, zu Zerknirschung und Beugung vor dem großen Gott, und zu der ernsten Frage: „Was muß ich thun, daß ich selig werde!“ Seht euch darum wohl vor, und verwechselt nicht ein kern- und werthloses Afterbild der göttlichen Geistesrührung mit dieser selbst. Das gefühlige: „Selig sind die Brüste, die du gesogen hast“ jenes gerührten Weibes im Evangelium wies der Herr mit der nüchternen Entgegnung ab: „Ja, selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren!“ – Der h. Geist überzeugt; aber nicht jede Ueberzeugung von der Wahrheit des göttlichen Wortes haltet darum schon für ein Geisteswerk. Möglicher Weise kann man auch schon ohne Beihülfe des h. Geistes durch bloße Erweise der Vernunft, und im Wege vertiefender theologischer Forschung, also rein menschlich, zu solcher Ueberzeugung gelangen. Haben nicht selbst die finstern Abgrundsmächte ihr Glaubensbewußtsein von der göttlichen Begründung des Christenthums, und “zittern?“ – Der Heilige Geist überzeugt wesentlich anders, als aller creatürliche Geist. Der Menschengeist kann Orthodoxe machen; der Geist von Oben macht Gläubige, was jener nicht vermag. Der Heilige Geist erleuchtet niemals einseitig nur den Verstand; sondern wo er die Begriffswelt erhellt, erfaßt er zugleich heiligend und erneuernd den ganzen innern Menschen. Seine Lichter sind nicht Sterne, sondern Blitze: erleuchtend und entzündend zugleich. – Er streut seine Ideen nicht wie gepflückte Blüthen aus; er pflanzt sie als organische Gewächse: die Wurzel im Herzen, im Verstande die Strahlenkrone. – Der h. Geist wirkt Eifer für das Christenthum; aber nicht jeder Eifer für die Sache des Evangeliums ist vom heiligen Geiste. Es begegnen uns in unsern Tagen merkwürdige Erscheinungen: Leute, die in ihrem religiösen Eifer ganz die Form der Geisteskinder an sich tragen, und doch nur Bastarde sind. Lasset euch durch die Form nicht täuschen! – Es giebt – erlaubt mir, daß ich sie so nenne, - politische Christen. Ein solcher sieht das Christenthum rein aus dem Gesichtspunkte eines Staatsmannes an, und eifert für dasselbe, aber aus keinem andern Grunde, als weil er darin die stärkste Schutzwehr und Säule der Throne und obrigkeitlichen Gewalten zu entdecken glaubt. Er sieht wohl richtig. Solche Schutzwehr und Säule ist das Christenthum. Aber jenes Mannes Eifer ist reines Naturerzeugniß, und nicht vom heiligen Geiste; sintemal dieser noch andere Interessen für das Christenthum einflößt, als jenes eine. Es giebt, den politischen nahe verwandt, Utilitäts- oder Nützlichkeits-Christen. Ein solcher betrachtet das Christenthum lediglich aus dem Gesichtspunkte eines Hauswirths, eines Oeconomen. Er eifert für die Aufrechthaltung und Verbreitung des Christenthums nur darum, weil er erkennt, wie durch dasselbe am erfolgreichsten dem verhaßten Communismus entgegengewirkt und das Eigenthumsrecht gewahrt, der Besitzstand gesichert werde. Wie ernstlich hören wir öfter Leute dieser Gattung uns beschwören: „Predigt, ihr Prediger, nur ja das Evangelium, und werdet nicht müde, es von den Dächern herab dem Volke zu verkünden!“ Die Form des Eifers, den der Geist entzündet, ist vollständig da; aber eben so vollständig fehlt das Wesen. Der ganze heilige Eifer stammt aus dem Fleische. – Es giebt juristische Christen in unsrer Zeit, die das Christenthum ausschließlich aus baumeisterlichem Gesichtspunkte sich besehen. Sie finden sich etwa mit berufen, die Kirche construiren, verfassen und regieren zu helfen. so sehen wir sie dann auf das entschiedenste die Fahne des kirchlichen Bekenntnisses erheben. Für jedes Jota desselben werfen sie sich geharnischt in die Bresche. Aus welcher Ursach? Weil sie ohne jenes Bekenntniß nicht glauben selig leben und sterben zu können? – O, nicht doch; sondern nur, weil sie ohne dasselbe, als das Fundament und den unentbehrlichen Grundstein, ihren Kirchenbau nicht würden zu Stand und Wesen zu bringen wissen. Sollten sie Pfingstkinder sein? Sie sind es kaum mehr, als jene Nomadenhorde darum schon eine Gesellschaft von Kunstjüngern bildete, weil sie eine aufgefundene Schicht kostbarer Marmorstatuen zu schleuniger Auferbauung eines sichern Obdachs in der Wüste verwandten. – Es giebt Schul-, Kanzel- und Kathederchristen, die das Christenthum nur aus dem Gesichtspunkt von Professoren und Professionisten anschaun, und zu demselben sich bekennen nicht etwa, weil sie darin ihren „einzigen Trost im Leben und im Sterben“ fanden, sondern lediglich, weil sie demselben die Geistesarbeit ihres Lebens widmeten, und in seiner Darstellung und Vertheidigung ihre Virtuosität besitzen, ihre Krone schauen, und die Unsterblichkeit ihres Namens gesichert glauben. Sie dienen dem Geiste; aber unangehaucht von ihm. – Des Geistes Werkzeuge sind sie; aber nicht sein Werk. – Der Heilige Geist gründet Gemeinschaft der Liebe; jedoch nicht alle religiöse Liebesgemeinschaft ist vom heiligen Geist. Wir stoßen nur zu häufig in dieser Zeit auf kirchliche Verbrüderungen, die, gar enge zusammengeschlossen, ganz der “Gemeinschaft der Heiligen“ ähneln. Was aber hier verknüpft und vereint, ist, bei Licht besehen, nur ein fleischliches Parteiinteresse, und nicht die Liebe, die dem heiligen Geiste entströmt. Es sucht ein Jeder in der Hebung und Festigung seiner Partei doch nur sich selbst: seine Ehre nicht eigentlich Christi; seinen Sieg, nicht den der Wahrheit. – Sie lieben, diese Leute, ihre Parteigenossen nur so lange, als diese solche Genossen wirklich sind. Sie hassen, wer nicht zu ihrem Sonderfähnlein schört, und ob er tausendmal und noch so brünstig zur Fahne Christi schwüre. Aus einem Brunnen also fleußt hier “Süß und Bitter.“ Solche Brunnen aber gräbt nicht der Geist. – Der h. Geist treibt zu Thätigkeit für Gottes Reich; aber nicht alle Thätigkeit dieser Art ist des Geistes Ausfluß. Gar vielen widerfährt es heute, daß sie an christlichen Vereinsarbeiten aller Gattung sich betheiligen, nicht, weil sie Christen sind, sondern, weil auch sie als Christen gelten möchten. Der äußere Zuschnitt thut’s noch lange nicht. Ananias und Sapphira legten auch ihre „fromme Spende“ zu der Apostel Füßen nieder, und waren doch so wenig des Geistes Kinder, daß sie vielmehr als Solche, die „dem Geiste gelogen,“ in einem jähen Tode ihr Urtheil empfingen. Alle christliche Bethätigung, die der Geist wirkt, ist auf’s erste anspruchslos, dann unberechnet, und endlich urkräftig, still und unwillkürlich aus der reinen Liebe quillend.

Seht also: scharf unterscheiden gilt es zwischen der Form der Geisteswirkungen und deren Wesen, wenn wir die Lehre vom Geist und dessen Thun recht verstehen wollen! Es giebt sittlich-religiöse Naturzustände und Bildungen, welche denen, die der Geist hervorbringt, nach Außen hin auf’s täuschendste ähnlich sehen; und doch ist zwischen beiden eine Kluft befestigt, weiter, als die Kluft zwischen Himmel und Erde. – Sagt aber, welche ärgere Unbilde einem großen Künstler widerfahren könnte, als wenn seiner stümperhaften Schüler einer, der ihm vielleicht hin und wieder eine Eigenthümlichkeit seiner Arbeit abgesehen, die eigenen unvollkommenen Werke mit dem nachgeäfften meisterlichen Gepräge und Namenszuge gestempelt, als Werke des Meisters selber öffentlich zur Schau stellen wollte? – Könnte des Meisters Ruhm sicherer und frevelhafter verdunkelt werden, als durch solche Fälschung? Wie aber ein solcher Schüler mit seinem Lehrherrn, so verfahren in unsern Tagen Tausende mit dem großen Geisterbildner aus der Höhe. Sie schieben ihm in ihren Personen Werke unter, an denen Er nicht den geringsten Antheil hat. Schein-, Kopf-, Maul- und Modechristen sind sie, ohne Demuth und ohne Liebe, und gebährden sich doch, sie, die Machwerke ihrer eigenen Hand, sie, die Zerrbilder göttlicher Geistesarbeit, als wären sie in der That die Kinder und Zöglinge des Heiligen Geistes. Das heißt: den Geist in Verruf bringen, ja thatsächlich ihn schmäh’n und lästern. Die Galerie der Geisteswerke umschließt nur “neue Creaturen in Christo Jesu.“ Wer als eine solche sich nicht weiß, enthalte sich, sich dort eine Stelle anzumaaßen. Gebe sich ein Jeglicher allewege als den, der er ist! Fürwahr! hier gilt das Wort der Offenbarung (Kap. 22,11): „Wer böse ist, der sei immerhin böse; aber wer fromm ist, der sei immerhin fromm!“

3.

Um hinter die wahre Bedeutung des Pfingstwunders zu kommen, gilt’s endlich zu unterscheiden zwischen der Einwirkung und der Einwohnung des Heiligen Geistes. Der Geist wirkte unter den Menschen von Anbeginn der Welt. In wie mannigfaltiger Weise er sich bethätigte, wißt ihr. Dennoch mußte es im Blick auf die ganze Vergangenheit vor Christi Himmelfahrt noch heißen: “Der Heilige Geist war noch nicht da“, und Christus konnte mit Wahrheit zu den Seinen sagen: „Ich will ihn euch erst senden.“ Was er aber weiter zu ihnen sagte, das ward zu keinem der Heiligen des Alten Testaments schon gesagt. „Der Tröster“, sprach er, „wird bei euch bleiben ewiglich“, ja, “er wird in euch wohnen“; und deutete damit an, daß der Heilige Geist fortan zu Seinen Erlöseten in ein Verhältniß trautester Herablassung und intimster Vereinigung eingehen werde, wie es bis dahin in der Welt der Sünder unerhört gewesen.

In unserm heutigen Texte haben wir die erste Christgemeinde vor uns. Am Pfingsttage haben diese Seelen die Einwirkung des Heiligen Geistes an sich erfahren. Der Geist öffnete den Dreitausend das innere Ohr, daß sie Petri Wort verstanden; er deckte ihnen durch das Wort ihre Sünden auf, - „es schnitt ihnen durch’s Herz“, lesen wir; - er half ihnen zu einer aufrichtigen und gründlichen Buße, und lös’te ihnen die Zunge zu der heilsbegierigen Frage: „Ihr Männer, lieben Brüder, was sollen wir thun?“ Ferner bezeugete der Geist ihrem Geiste, daß Christus ihr einiger Heiland und Seligmacher sei; er half ihnen, was sich etwa noch von Zweifeln an Jesu göttlicher Herrlichkeit in ihrem Herzen regte, siegreich überwinden, brach von den Weissagungen des alttestamentlichen Worts ihnen die Siegel, und drängte die nunmehr Erleuchteten zu beherzter rückhaltloser Uebergabe an Den, der auch sie mit seinem Blut erkaufte. So wirkte der Geist auf sie ein. In ähnlicher Weise beginnt der Geist seine gesegnete Wirksamkeit überall, wo er sich verlorner Menschenseelen annimmt. Aber hiemit ist seine Wirksamkeit noch nicht vollendet. Wir sehen heute im Spiegel unsres Schriftabschnittes die Gnadenkinder zu Jerusalem in ein neues Stadium der Begeisterung, oder der Erfahrung und Innewerdung des Heiligen Geistes eintreten. Der Heilige Geist, der bisher noch, mehr außer ihnen stehen bleibend, nur heilsamen Einfluß auf sie übte, geht jetzt, zu trauterer Einigung mit ihnen, völlig in sie ein, nimmt liebevoll in ihrem Innern seine Wohnung, verklärt in wesentlich mittheilender Weise Christum in ihrem Herzen, und erzeugt so in den zur Empfänglichkeit erweckten wohl zubereiteten Gemüthern geheimnißvoll und wunderkräftig das neue göttliche Leben. Dieses bricht denn auch sofort in hellen Strahlenergüssen in die Erscheinung heraus. Halten wir diese Strahlen auf einige Momente fest, und lassen wir an ihnen unser Bewußtsein von der wahren Bedeutung der christlichen Pfingsten, und von der von da an beginnenden neuen Wirksamkeit des Heiligen Geistes in der menschlichen Gemüthswelt sich vollenden.

“Sie redeten“, lesen wir zuerst, “das Wort Gottes mit Freudigkeit.“ Die Wirksamkeit des Pfingstgeistes ist vor Allem eine tief innerlich erleuchtende, eine in alle Geheimnisse der göttlichen Offenbarung einweihende, eine den Inhalt der letztern wesentlich mittheilende und lebendig aneignende. Ohne den Geist kann man auch zustimmend im Worte sein; durch den Geist kommt das Wort Gottes erst als ein scheinend und brennend Licht in uns. Man hat’s jetzt zweifellos als all seines Denkens und Sinnens Norm und Richtschnur. Man steht mit all seinem Fragen und Suchen nach Wahrheit befriedigt am Ziel. An der ewig grünen Küste dieses wunderbaren Buches ging man vor Anker. Hier gab man der Pilatuswahrheit mit ihrem: „Was ist Wahrheit?“ auf ewig Valet. Hier verdammt man den letzten Zweifel; denn hier fand man das untrügliche Orakel der hochherrlichen Majestät in der Höhe. Alles Forschen beschränkt sich hinfort nur auf das Eine, was hier geschrieben stehe. Ist dies erkannt, so thut man gewisse und sichere Schritte. Ja das Wort vermählt sich dergestalt mit unserm Geist, daß es nicht unsres Geistes Form und Kleid nur, sondern sein Blut und Mark, ja, sein Wesen, und, bei aufgehobener Zweiheit, mit ihm vollkommen Eines wird. – Hättet ihr den Geist, Brüder, wie sähe man auch euch so glücklich im Besitze des Worts! Wie verkehrtet ihr tagtäglich mit diesem Buche, als mit eurem besten Freunde! Wie hörte man des Worts euch rühmen! Wie prieset ihr’s als eure Speise und euren Trank, und als den kostbarsten aller eurer Schätze! Wie drängte es euch, bei eurem geselligen Zusammensein euch mit einander zu unterreden von den Wundern in diesem Worte! Wie grübet ihr unausgesetzt in diesem herrlichen Schacht, um seiner ganzen Wahrheitsfülle euch zu bemächtigen! Wie wäret ihr unzufrieden mit jeder Predigt, die nur erbauliche Redensarten euch brächte, statt tiefer in das Wort euch einzuführen, und wie würdet ihr durch euer Bedürfniß eure Prediger nöthigen und ermuntern, in immer weiterem Umfange die Schätze des Wortes euch zu enthüllen, statt wohlfeilsten Kaufes nur mit ihren subjectiven Empfindungen und Einfällen euch abzuspeisen! – Wie wenig aber begegnet uns von dem Allem in unserer Mitte! Ach, so äußerst wenig, daß eure Prediger nicht selten die Versuchung beschleichen will, schlaff, müde und matt zu werden, und für euch die Arbeit im Bergwerke der Schrift gar einzustellen, weil euch ja mit losester und leichtester Waare mehr gedient sei, als mit gediegener. – O, ein Pfingsten, Herr, ein Pfingsten, daß Dein Wort uns wahrhaft wieder werde Gottes Wort!

Wir lesen weiter: “der Menge der Gläubigen war Ein Herz und Eine Seele.“ Köstliches Zeugniß. – Die Wirksamkeit des Heiligen Geistes ist eine einende. Nein, der Geist kann da nicht wohnen, wo man, wie vielfach leider! auch bei uns, selbst innerhalb des Lagers, über dem die Fahne des Kreuzes weht, einander in Groll und Haß, verdächtigend und verketzernd gegenübersteht. Unter Einwirkungen des Geistes mag man da gestanden haben, und zum Theil noch stehn; aber Wohnung machte der Geist dort nicht. Denn wo er wohnt, da fleußt vor Allem die Liebe Christi. Da schließt man einen Jeglichen an sein Herz, aus welchem Einem Jesu Bild entgegenstrahlt, und fragt nicht erst: „Bist du Luthers Schüler, oder Calvins, oder Wesleys, oder wessen sonst? Es genüget: Du liebst Immanuel, gleich wie wir; und deucht uns, es irre der Bruder noch hie oder da, so machen wir Pauli Wort zu dem unser: „Und solltet ihr etwas anders hievon halten, so wird euch Gott auch dies noch offenbaren.“ Der Heilige Geist kommt immer mit der Liebe. Ein Christenthum ohne die Liebe, wie es sich häufig auch bei uns so breit macht, ist vom Fleisch, wo nicht gar vom Lügenvater; aber nicht vom Geist. Durch die Liebe haben die ersten Christen die Welt erobert. „Wie haben sie sich einander so lieb!“ sprachen die Heiden, und erkannten hieran die göttliche Natur des Evangeliums. – Als erstes und wesentliches Merkmal, woran man seine Jünger erkennen werde, bezeichnet der Heiland selbst die Liebe. – Ja, ein Pfingsten, ein Pfingsten über uns Erstorbene, daß auch von uns gelte des Apostels Wort Röm. 5,5: „Die Liebe ist ausgegossen in unser Herz durch den heiligen Geist, welcher uns gegeben ist!“

“Keiner“, fährt unser apostolischer Berichterstatter fort, “sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären.“ Freimachend von den Dingen dieser Welt wirkt der Geist. Er adelt den Menschen, und giebt ihm einen Standpunkt über der Erde und ihren Vergänglichkeiten, indem er das Herz mit dem unaussprechlichen Schatze des Friedens Gottes, das Bewußtsein mit der Herrlichkeit der Erlösung, die Phantasie mit den Bildern der jenseitigen Welt erfüllt, und der Hoffnung o, welche Zukunft! in Aussicht stellt. – Man hat bei solchem Himmelsreichthum, was man an zeitlichen Gütern etwa besitzt, nur „als hätte man es nicht.“ Man hat’s als ein Darlehn von dem Herrn, und stellt’s Ihm als das Seine frei und fröhlich zur Verfügung. Der Geist wohnt mit dem Geize nicht zusammen. Himmlische Gesinnung ist die erste Blume, die er pflanzet und pfleget, wo er einkehrt. O wie würden der Seufzer unsrer Armen so viel wenigere sein und unsre christlichen Veranstaltungen, die so kümmerlich ihr Leben fristen, wie würden sie blühen, wenn der Geist in Jeglichem nur unsrer Gläubigen wahrhaftig wohnte! – Ach, ein Pfingsten, ein Pfingsten über die Oede unsrer Gemüthswelt, daß die Wüste grüne, und die Steppe fröhlich stehe wie die Lilien!

“Es war ihnen Alles gemein“, heißt es ferner von den Pfingstkindern der ersten Gemeine. Sie wußten uns fühlten sich als Eine Hausgenossenschaft, als Eine Familie. Als solche richteten sie sich denn auch ein. Die Wirksamkeit des Heiligen Geistes erzeigt sich, wo Er Wohnung macht, organisirend. – Was sind wir? Eine Gemeine? Ja, dem Namen nach, aber in der That nur eine Versammlung vereinzelter Individuen, eine durch nichts, als durch das Zusammensein in einem Raum verbundne Zahl. Sobald unser Gottesdienst beendigt ist, fließen wir wieder wie Wasser auseinander; und bleiben wir auseinander, so ist im Grunde nichts zerrissen; denn es war hier nichts verbunden, nichts verknüpft. Welch’ eine andere Gestalt gewännen wir aber bald, wenn uns ein Pfingsten würde, und der Heilige Geist in uns Wohnung machte. Unverweilt schlössen wir uns aus einem unwillkürlichen Drange zu einem lebendigen Organismus zusammen. Das Bedürfniß nach wechselseitiger Handreichung der Liebe, sei es in Armen- und Krankenpflege, oder in gegenseitiger Tröstung und Vermahnung, oder worin sonst es sei, triebe und nöthigte uns dazu. Aber wo gewahren wir etwas von solchem Triebe? Kaum mehr, als eine leise Spur, taucht hin und wieder davon auf. Die Behörde gedenkt uns zu verfassen und zu organisiren. Ach, sie wird einem Todten ein Sonntagskleid anlegen, und einem Gichtbrüchigen eine Rüstung!

“Und mit großer Kraft“, lautet unsre Berichterstattung weiter, “gaben die Apostel Zeugniß von der Auferstehung des Herrn Jesu.“ Ja, die Apostel; und unbezweifelt, in ihren engern Kreisen, die Gläubigen der Gemeine auch. Der Geist, wo er wohnt, erzeugt Bekennerlust. Man kann nicht schweigen von dem großen Heil, deß man theilhaftig ward. Das Herz drängt, es auch Andern anzupreisen und zuzutragen; und es geschieht dies um so freudiger und frischer, da man nicht blos von einem todten, sondern von einem lebendigen Heiland zu zeugen hat, dessen man täglich als eines solchen seliglich inne wird. Aber wo ist solch Zeugniß unter uns? Wie ist’s bei uns so stumm, so Grabes Stille! - o Du werther Tröster aus der Höhe, warum stellest Du Dich nur als einen vorüberstreichenden Gast in unsren Grenzen? – Komm, neige Dich zu uns nieder, und wohne bei uns; so wird in Bälde Zion wieder als Predigerin auf den Bergen stehen, und die Kirche selbst zur Missions-Anstalt und zum Bibelvereine werden!

“Es war große Gnade bei ihnen Allen“, lesen wir endlich. Die Wirksamkeit des Heiligen Geistes erweiset sich als eine ausstattende und begabende. Wo er Wohnung macht, nicht allein weckt und verklärt er da die in unentwickeltem Zustande schon in dem Menschen vorhandenen geistigen Kräfte und Fähigkeiten; wie denn gar häufig die einfältigsten Leute selbst, nachdem sie die Feuertaufe empfingen, mit einem Male o, wie verständig erscheinen, und wie sinnig, und wie reich an lieblichen Gedanken und gewürzten Reden; sondern er breitet da auch eine reiche Gabenfülle aus, dem Einen die Gabe der Erkenntniß verleihend, dem Andern diejenige der Weisheit, einem Dritten die Gabe der Schriftauslegung, oder der Geisterunterscheidung, oder der Weissagung, oder des Gebets, oder welche Gabe sonst. Es sprießt, es grünt, es blüht wie eine himmlische Blumensaat, wo der Pfingstgeist waltet. – Ach, welch’ eine einförmige, graue, unergiebige Steppe bilden wir! – Brüder, ein Pfingsten gönne uns Gott der Herr! – Wenn wir eines Dings bedürfen, dann - dieses!

4.

Wir schließen, und zwar, - walt’s Gott! – mit geförderterer Einsicht wie in die Bedeutung dieses Festes, so in das Wesen und Werk des Heiligen Geistes. Doch bleibt im Bereiche der göttlichen Wahrheit alle Einsicht eine sehr unvollkommene, so lange sie nicht im Boden der Erfahrung wurzelt. Gehet darum hin, und werdet’s selber inne, was Pfingsten sei, und was des Geistes Thun. Der Heilige Geist ist eben so wenig „gebunden“, wie Gottes Wort es ist. Ein großer Märtyrer in der Welt ist er freilich. Er wird nicht nur „gedämpft“, „betrübt“, „erbittert“, sondern vielfältig sogar, - wenigstens der Absicht der Leute nach, - gefangen genommen und verkerkert. – Hört nur, wie bald hier, bald dort uns eine kirchliche Gemeinschaft, eine Sekte zuruft: „Herein zu uns! Wollt ihr des Geistes inne werden: unsre Grenzpfähle umschließen das Gebiet, wo Er waltet!“ – Man vermißt sich, Ihm, der an nichts sich gebunden, als an das Wort vom Kreuz, aus menschlichen Buchstaben oder Verfassungsformen gar, Pferche und Zwinger zu bauen, und nun mit fanatischer Zuversicht zu schreien: „Hier ist des Herrn Tempel! – So weit die Welt über dieses Pünktlein hier hinaus liegt, wird der Heilige Geist euch nicht begegnen!“ – Doch der Geist kehrt sich glücklicher Weise an die Thorheiten der Menschen nicht, sondern zieht frei, der Zwinger- und Kirchhofmauern, hinter die man ihn bannen möchte, spottend, mit dem Schall des Evangeliums seine Bahnen fort. Im weitesten Sinne gilt hier das Pfingstwort Petri: „Euer und eurer Kinder ist die Verheißung, und Aller, die ferne sind, so viel ihrer der Herr unser Gott herzurufen wird.“ Hier heißt es: „Der Wind bläset, wo er will, und du höret sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt, noch wohin er fährt.“ Es hindert’s Nichts, daß er mit seinem Wunderhauche auch euch berühre. O so stellet denn euch ihm dar, macht ihm eures Herzens Pforte weit, und gebt ihm nicht Ruhe mit euern Seufzern und Gebeten, bis er auch euch zu seiner Wohnung sich ersah, und ihr mit gleicher Wahrheit, wie einst Paulus, von euch rühmen könnt: „Ich halte aber, ich habe auch den Geist Gottes!“ – Amen.

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