Krummacher, Friedrich Wilhelm - Die Osterbotschaft.

Krummacher, Friedrich Wilhelm - Die Osterbotschaft.

Predigt, gehalten über das Evangelium am ersten Osterfeiertage, den 11. April 1852.

Marcus 16,1-8.
Und da der Sabbath vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria Jakobi und Salome Spezereien, auf daß sie kämen und salbeten ihn. Und sie kamen zum Grabe, an einem Sabbather sehr frühe, da die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzet uns den Stein von des Grabes Thür? Und sie sahen dahin und wurden gewahr, daß der Stein abgewälzet war, denn er war sehr groß. Und sie gingen hinein in das Grab, und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes, weißes Kleid an, und sie entsatzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Ensetzet euch nicht. Ihr suchet Jesum von Nazareth, den Gekreuzigten; er ist auferstanden und ist nicht hier, siehe, da ist die Stätte, da sie ihn hinlegten. Gehet aber hin und saget es seinen Jüngern und Petro, daß er vor euch hingehn wird in Galiläa, da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Und sie gingen schnell heraus, und flohen von dem Grabe, denn es war sie Zittern und Entsetzen angekommen, und sagten niemand nichts, denn sie fürchteten sich.

Gruß und Glückwunsch, geliebte Brüder, zu diesem herrlichsten der Feste, dem Halt, der Stütze und Krone aller übrigen; dem Feste der Weltverklärung, und des dreifachen Sieges: der Wahrheit über die Lüge, des Lichtreichs über das der Finsterniß, und des Lebens über den Tod! Ostern! Wie klingt dieser Name so süß! Wie dringt er so beweglich, ich darf wohl sagen an jegliches Herz, das ihn vernimmt! – Von jener Säule des Alterthums meldet die Sage, sie habe, so oft der erste Morgenstrahl der aufgehenden Sonne sie berührt, harmonischen Klang von sich gegeben. Welch Gemüth bliebe stumm, und erklänge nicht, entweder in Tönen der Sehnsucht, daß Ostern eine Wahrheit sein möchte, oder in Akkorden des Jubels darüber, daß es eine Wahrheit sei, so oft am Himmel der Kirche die Sonne dieses Festes heraufzieht. Ueberaus begreiflich ist es, daß kein andres Fest der Kirche die Geister der Sterblichen so mächtig erregt, und so allgemein in Bewegung setzt, wie Ostern. Denn was Alles stellt uns dieses Fest in Aussicht! Für welche großen Probleme verspricht es die Lösung! Macht es sich doch anheischig, den drei schreiendsten und unvertilgbarsten Bedürfnissen des Menschenherzens die endliche Abhülfe zu gewähren, und neben dem entscheidenden Aufschluß über unseres Lebens wahren Zweck, das Mittel einer gründlichen Beruhigung unsres Gewissens, und den untrüglichen Schlüssel zu dem dunkeln Todesräthsel uns darzureichen. Große Erwartungen also, die es rege macht! Aber steht und entspricht es denselben auch? Wie uns bedünken will: überschwänglich. Werden wir uns deß auf’s Neue heut bewußt. Wir betrachten die Osterbotschaft: Christus ist auferstanden, und richten unsre Blicke zuerst auf ihre Unabweisbarkeit; und dann, nachdem diese dargethan ist, auf die Folgerungen, die sich für uns Alle mit Nothwendigkeit aus ihr ergeben.

Begleite der Osterkönig selbst uns auf unserm Betrachtungsgange, und beglücke er am Schluß desselben auch uns mit seinem Friedensgruße.

1. Wir treten in die Scene unsres Evangeliums ein. Ein herzergreifendes Bild stellt sich zunächst uns dar. Kein Oster-, nein, noch ein Charfreitagsbild. Ein rosiger Rahmen zwar hält es umfangen; ein holder Frühlingsmorgen umweht’s mit seinem goldnen Dufte; aber nur, um durch den Gegensatz die düstern Schatten des Bildes noch stärker hervorzuheben. Eben steigt die Königin des Himmels am östlichen Horizont empor. Die Spitzen des Gebirges Juda erglühen gleich Tempelleuchtern im Heiligthum der schweigenden Natur. Die Nebelschleier senken sich zu Thale. Im Thauesperlenschmuck der Morgenröthe erblitzen ringsum die Matten. Die Blumen öffnen ihre Kelche und hauchen ihre Wohlgerüche, und die befiederten Sänger der Lüfte beginnen in dem grünenden Gezweig ihr Morgenlied. Weit und breit athmet Alles Leben, Auferstehen, Friede und Freude. Die Sage aber, daß die Natur eine Trösterin der Trauernden sei, erweis’t sich so lange nur als wahr, als nicht statt eines bloßen Scheinschmerzes ein wirkliches Leid das arme Herz erfaßte. Strahlte der Frühlingsmorgen dort über dem Weichbilde Jerusalems in noch zehnfach hellerem Licht und schönerem Farbenschmelze, er würde doch die Trauerschatten nicht zerstreuen, welche die Seelen der verschleierten Pilgerinnen umfangen halten, die ihr dort so frühe schon gebeugt und weinend dem Garten Josephs sich nähern seht. Die beiden Marien sind’s: Maria Jakobi und die Magdalenerin; ferner Salome, des andern Jakobus und des Johannes Mutter; sodann Johanna, des Königlichen Rentmeisters Chusa Weib, und noch einige andre, aber ausschließlich Frauen, welche durch ihre Treue die Männer tief beschämen. O, die Armen! In ihrem Innern strahlt keine Sonne. Nur dunkle Todesbilder durchziehen es, und die Trostlosigkeit führt darin das Scepter. Schiffbrüchigen gleich kommen sie daher, nachdem ihnen ein wüster Sturm die Barke, in der sie sich so sicher und selig fühlten, am Calvarienberg zerschellte, jetzt auf der offnen Fluth des Lebens umhertreiben, und nicht wissen, in welchen Abgrund die nächste Woge sie schleudern werde. Der reiche Sternenhimmel süßester Hoffnungen, der ihnen einst gestrahlt, erlosch. Alles ist ihnen geraubt bis auf den einen, armen Trost, dem Leichnam dessen, den sie ihr Eins und Alles nannten, noch die letzte Ehre erweisen zu können. Dort kommen sie her mit ihren Kräuterbündlein, und den Salben und Spezereien, die sie für ihn angekauft. Wassers, um damit seinen blutigen Leib zu waschen, sind sie nicht benöthigt. Ach, ihre Thränen werden hiezu schon überschwänglich reichen. Was für ein Mann muß Er doch gewesen sein, um den sie trauern, daß sie selbst in seinem Tode noch, und ohnerachtet aller der bittern Täuschungen, die sie erfahren, mit solcher unwandelbaren Zärtlichkeit und Treue an ihm hangen bleiben! Wie lieblich spiegelt sich schon in den Thauesperlen ihrer Augen sein holdes Bildniß! Möchte ich doch fast sagen, daß die lieben Jüngerinnen schon in der Alles überwindenden Beharrlichkeit ihrer Anhänglichkeit an Ihn die sichre Bürgschaft für seine Auferstehung bei sich tragen. Ein Mann, wie er ihnen in Seiner Person begegnete, kann vom Tode unmöglich gehalten werden! Wie ferne liegt aber den Trauernden selbst ein solcher Gedanke! O hört die armen Sorgen, mit denen sie sich auf dem Wege tragen. „Wer“, sprechen sie bekümmert, „wälzt uns den Stein von des Grabes Thür?“ Denkt, so fragen sie am Ostermorgen, nachdem so eben Felsblöcke gar andrer Art und Bedeutung, als jener, aus dem Wege gehoben wurden. So fragen sie in einem Moment, da durch die Himmel das Triumphlied schallt: „Es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel David!“ Aber stehen nicht heute noch inmitten der Christenheit Unzählige, und fragen gleichfalls, minder schuldlos nur, wie unsre Frauen: „Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Thür?“ nachdem o, wie lange schon, das Räthsel des Grabes Jesu und aller Gräber handgreiflich gelöst ist? Ach, wie dem armen Adamssohne das Herz verriegelt, und die Augen umflort sein können! Doch wenn nur Alle es machten, wie jene Frauen, und, statt mit ihren Zweifeln müßig von ferne stehn, forschend vorwärts dringen, und die Spur der Wahrheit verfolgen wollten! – Die Jüngerinnen schreiten zum Thor des stillen Gartens hinein. Was aber gewahren sie, als sie den thränenfeuchten Blick erheben! Die Grabeswache ist verschwunden, der Fels wie von einer Erderschütterung zerrissen und zerstückt, der schwere Stein von dem Eingange der Gruft hinweg gewälzt, und diese selber weit geöffnet und – geleert. Was bedeutet das? Sie wüßten’s, wenn sie nur einige Momente früher gekommen wären. Jetzt aber vermuthen sie nur das Entsetzlichste. Gibt es doch einen Trauerzustand, in welchem die Seele Allem, was uns nahe tritt, die Farbe der Nacht, die sie umfangen hält, mittheilt, und in dessen Luftkreis selbst die hellsten Trostes- und Hoffnungssterne, die über unserm Dunkel uns neu erstrahlen, nur wieder wie neue Schreckens- und Unheilsmeteore ihr erscheinen. Zitternd treten die Freundinnen in die Vorhalle des dunkeln Grabgewölbes ein; da fällt ihr überraschter Blick auf eine Jünglingsgestalt, die in leuchtendem Gewande zur Rechten der Stätte sitzt, da Jesus gelegen hatte. Ein himmlischer Bote ist’s, deren ein ganzer Chor um die Siegesstätte Immanuels beschäftigt war, und die bald hier, bald dort, bald einzeln, bald zu zweien, zurechtweisend, oder Botschaft überbringend, oder ermunternd und tröstend als „Geister, die ausgesandt sind, zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit“, in die Erscheinung treten. Die Jüngerinnen beben beim Anblick des räthselhaften Fremdlings bestürzt zurück. Da öffnet der Holdselige seinen Mund, und spricht: „Ensetzet euch nicht. Ihr suchet Jesum von Nazareth, den Gekreuzigten.“ Und nun tönt die Osterbotschaft daher: “Er ist auferstanden und ist nicht hier; siehe da die Stätte, da sie ihn hinlegten!“ Man sollte meinen, sie hätten laut aufjauchzen müssen bei solcher Nachricht aus solchem Munde; aber mit zu bleiernem Gewichte lagerte noch das Todesbild von Golgatha über ihren Seelen, als daß sie zu einem Gedanken des Lebens sich frei hätten erheben können. Furcht und Zittern überfällt sie statt Freude. Wie vor einem Gespenste stürzen sie entsetzt aus dem Grabe heraus, verlassen den Garten, treten den Rückweg nach Jerusalem an, und sagen Niemandem unterwegs von dem, was sie erlebten, theils, um sich nicht dem Gespötte und der Wuth der Feinde bloszustellen, theils aus Besorgniß, sie möchten, wollten sie irgend einer Hoffnung bei sich Raum gestatten, nur dem durchbohrenden Weh einer neuen Täuschung die Bahn bereiten. Es komme darum nur keinem der Ungläubigen unsrer Tage in den Sinn, mit jenen Frauen sich vergleichen zu wollen. Der Unterschied zwischen ihnen und diesen ist ein so wesentlicher, wie derjenige zwischen der Anspruchslosigkeit, welcher eine dargebotene Gabe zu groß und kostbar dünkt, als daß sie so bald in den Gedanken sich finden könnte, sie sei in vollem Ernste ihr zugedacht, und dem Bettelstolze, der trotz seiner Armuth die Gabe ablehnt, weil er sich reich dünkt, und es unter seiner Würde hält, sich beschenken zu lassen.

Brüder, die unvergleichliche Osterkunde tönt heute mit erneutem Klange auch in unsre Versammlung herein. Vielen unter euch ist’s bekannt, wie ein großer Dichter unsres Volks dieselbe zur Schöpfung einer der ergreifendsten Scenen seiner Dichtung gebraucht, oder vielmehr gemißbraucht hat. Der Held seines Gedichts, der im Wege eines vermeßnen Grübelns am Glauben Schiffbruch litt, und an der Lösung aller Lebensfragen der Menschheit überhaupt verzweifeln zu müssen glaubt, steht im Begriff, der Quaal eines ewig unbefriedigten Wissensdurstes durch Selbstentleibung zu entfliehn, und hat zu diesem Ende schon die Phiole mit dem tödtlichen Saft aus ihrem geheimen Verwahrsam hervorgelangt. Schon sagt er der Welt Lebewohl, schon führt er die verhängnißvolle Schaale entschlossen zu seinem Munde, da schlagen im Thurme der benachbarten Kathedrale die Osterglocken an, und in leisem, verklärtem Wiederhall schwebt der Chorgesang zu ihm herüber: „Christ ist erstanden, Freude den Sterblichen“, - und wie er weiter lautete. Augenblicklich senkt sich die selbstmörderische Hand. Süße Jugenderinnerungen tauchen neu gefrischt in seiner Seele auf, und geben, wenn auch nicht ihm den Glauben so doch dem Leben ihn zurücke. Der Dichter läßt ihn unter Anderem sagen: „Was sucht ihr mächtig und gelind, ihr Himmelstöne mich am Staube? Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind. Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Diese Phrase ist seitdem in den Kreisen der gebildeten Welt fast sprichwörtlich geworden, und hat nicht wenig dazu beigetragen, den Wahn zu nähren, als ob der Glaube an die Osterbotschaft nur schwachen, in Gefühl verschwommenen Seelen eigne, während ein männlicher und folgerecht denkender Geist sich nimmermehr mit ihm befassen könne. Wir aber erachten, daß die Sache sich grade umgekehrt verhalte, und der gefeierte Dichter, welch ein Heros im Reiche des Geistes er sonst auch immer sei, da, wo er jenem Manne die besagten Worte auf die Lippe legte, selbst einer großen Denkschwäche sich schuldig machte. „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Diese Worte sollen uns seinen Helden als einen starken Geist erkennbar machen. Wir möchten denselben eher einen gedankenlosen Schwächling schelten, und ihm zurufen: „Warum fehlt der Glaube dir? Entweder bist du unfähig, erbärmliche Scheingründe in ihrer Nichtigkeit zu durchschauen, und entscheidende Beweisthümer nach Würden zu schätzen; oder es fehlt dir der Muth, der Wahrheit, die dir mit offnem Visire entgegentritt, die ihr gebührende Ehre zu geben, unbekümmert um das, was für dich daraus folgen möchte. In beiden Fällen aber, - und für einen dritten bleibt hier in der That kein Raum, - wirst du dir’s doch nicht einfallen lassen, auf den Namen und Ruhm eines “starken Geistes“ Anspruch zu machen!“ –

Die Osterbotschaft ist für jeden folgerichtig denkenden Menschen schlechthin unabweisbar. Nur Bosheit oder Bornirtheit können sie leugnen. Wir haben dies hundertmal behauptet; wir behaupten es mit verstärktem Nachdruck auf’s Neue. Wo ist der Unglaube, das ekle Ungethüm? Er trete aus seinem Versteck hervor, daß wir ihn entwaffnen, einen Triumph aus ihm machen, und ihn öffentlich zur Schau tragen! Er hat uns den Kampf wider ihn in sofern selbst schon erleichtert und vereinfacht, als er mehrere Schanzen, die er früher mit Hartnäckigkeit vertheidigte, in neuerer Zeit doch zu verlassen für gut befunden hat, weil es ihm zu einleuchtend geworden, daß er hinter ihnen sich nicht mehr zu halten vermöge. So schämt er sich z.B., ferner noch mit der albernen Aussage sich lächerlich zu machen, daß die Feinde den Leichnam Jesu bei Nacht und Nebel aus seinem Grabe weggeschafft und in irgend einen Winkel ihn verscharrt hätten. Es entgeht ihm nicht, daß diese elende Waffe ihm schon durch die einfache Frage aus der Hand geschlagen werde, warum denn die Gegner die bei Seit geschafften Gebeine nicht später, z.B. am Pfingstfeste, da zu ihrem Verdrusse mit einem Male drei Tausend zur Kreuzesfahne schwuren, wieder ausgegraben, und durch deren Vorzeigung wohlfeilsten Kaufes und mit einem Schlage dem ganzen ihnen so verhaßten Christenthume ein Ende gemacht hätten? Ebenso verzichtet der Unglaube darauf, ferner noch mit den Juden in der gleich wahnsinnigen Behauptung gemeinschaftliche Sache zu machen, daß die Jünger trotz der Versiegelung des Steins und der Söldnerwache vor der Gruft den Leib des Gekreuzigten aus dem Garten Josephs gestohlen, denselben irgendwo heimlich beigesetzt, und dann die Bühne der Welt betreten hätten, um für Ihn, der sie durch seinen Tod um alle ihre Hoffnungen betrog, sich steinigen, kreuzigen, zersägen und verbrennen zu lassen! Nein, daß Christus, nachdem er am Kreuze erblaßte, in der That wieder lebendig erschienen sei, wagt der Unglaube nicht mehr zu leugnen. Er käme, wenn er es leugnen wollte, über die Berichte der Evangelisten allenfalls noch hinweg, indem er behauptet, daß dieselben so lange nach den Begebenheiten aufgezeichnet worden seien, daß sie schon sagen- und fabelhafte Elemente in sich hätten aufnehmen können. Aber nicht hinweg kommt er über Paulus, der ihm sehr hinderlich im Wege steht, indem er in seinem spätestens acht- und zwanzig Jahre nach Christi Auferstehung geschriebenen Corintherbriefe Cap. 15. nicht allein in völliger Uebereinstimmung mit den Evangelien die einzelnen Erscheinungen des vom Tode wieder Auferweckten aufzählt, sondern obendrein meldet, daß der Erstandene einmal mehr als fünfhundert Brüdern, die doch unmöglich alle geträumt oder geschwärmt haben können, zu gleicher Zeit sich in seinem neuen Leben gezeigt habe; ja hinzufügt, daß die meisten jener fünfhundert noch lebten, zu denen darum, wer noch nicht gewiß sei, sich nur hin zu verfügen brauche, um an ihren, der Augen- und Ohrenzeugen, Berichten, ihren letzten Zweifel ersterben zu sehen. Ja, der Unglaube hat in Erfahrung gebracht, daß das Wiederaufleben Christi in seinem Grabe gleich von Anfang an eigentlich von keiner Seite her ernstlich in Frage gestellt, sondern selbst auch von den Feinden des Kreuzes immerdar zugestanden worden sei. Auch er gesteht es zu, weil er muß. Was aber bleibt ihm nun noch als Angriffswaffe gegen die Thatsache der Auferstehung? Nichts, als die über alle Maßen erbärmliche Behauptung, Christus sei nicht wirklich todt, sondern nur ohnmächtig in’s Grab gekommen, und durch Wirkung des Kräuterduftes und der Spezereien zu Bewußtsein und Lebensthätigkeit zurückgekehrt. Denket aber: Der nicht wirklich todt, dessen Tod sogar durch wunderbare göttliche Fügung auf Veranlassung des Pilatus gerichtlich constatirt ward, weshalb man ihm auch nicht die Beine brach. Nicht todt der, welcher fast halbtodt schon an’s Kreuz genagelt wurde! Der nicht todt, dem man, als hätte auch nicht ein Tropfen Blutes in ihm zurücke bleiben sollen, zum Ueberflusse noch mit einem Speer das Herz durchstach! Nicht todt Er, der zu wiederholten Malen ausdrücklich vorherverkündete, Er werde sterben und am dritten Tage wieder auferstehn! Welch ein wundervoller Zufall wäre es doch gewesen, daß er in der That, wie er vorhergesagt, gerade am dritten Tage wieder auferstand; und warum? – Weil er trotz alle dem und jenem glücklicherweise nicht todt, sondern nur scheintodt vom Kreuz herabgekommen wäre! Nicht todt Der, der später, als er wieder lebte, ausdrücklich bezeugte, er sei wirklich todt gewesen, und somit plötzlich, nachdem zuvor „nie ein Betrug in seinem Munde erfunden worden war“, in den ärgsten Lügner und Betrüger sich müßte verwandelt haben! Nicht todt Er, dessen Lebensgang und ganzes Werk als seinen Schlußstein und sein Siegel eine Auferstehung von den Todten mit noch größerer Nothwendigkeit forderte, als mit welcher ein kerngesunder Baum als Ziel seiner Lebensentwicklung, nachdem er den Stamm getrieben, nun auch die laubige Krone fordert; und es wäre die Auferstehung wie man sie erwarten mußte, auch erfolgt, aber nur vermöge des höchst seltsamen Ohngefährs, daß der Wiederbelebte nicht eigentlich gestorben, sondern nur einem Scheintode erlegen gewesen wäre! – Christus nicht todt, sondern nur von einer Ohnmacht wieder aufgewacht. Nun, dann müßte er ja später doch einmal wirklich gestorben sein! Wo starb er aber? – Im Kreise seiner Feinde? – Ich bezweifle, daß sie dies für sich behalten haben würden. Im Kreise seiner Freunde? – So hätten diese nachmals für einen Mann, der sich auf’s Unzweideutigste als einen falschen Propheten vor ihnen ausgewiesen hätte, und dessen Grab sie kannten, Gut, Blut, Leben und Alles hingegeben! ein Ereigniß, das einzig in der Geschichte der Menschheit dastände. – Und denkt nur weiter nach! Stand Christus nicht vom Tode auf, so kam der Heilige Geist zu Pfingsten auf eines von Gott verworfenen Lügners Verheißung; so drückte die Weltgeschichte den Weissagungen eines offenbaren Gauklers das Siegel der Bestätigung auf; so pflanzte ein sinnloser Schwärmer triumphirend, nachdem er dies obendrein noch unzweideutig vorher verkündigt, seine Fahne auf die Tempel und Weisheitsschulen Athens und Roms; und ein Gotteslästerer schuf in die alte eine neue Welt hinein, eine Welt, darin der Heiligung nachgetrachtet wird, und in der Gerechtigkeit wohnet. Doch laßt mich schweigen. Es springt hinlänglich in die Augen, daß die Feinde des Evangeliums für ihr Nichtglauben-wollen sich keinen erbärmlichern Deckmantel hätten ersehen können, als das mehr als alberne Gerede, Christus sei nur von einem Scheintode wieder aufgewacht. Aber was bleibt ihnen für eine andre Ausflucht noch, als diese! Keine, keine! Die Osterbotschaft ist mithin absolut unabweisbar; und das Dichterwort: “Die Botschaft hör ich wohl; allein mir fehlt der Glaube“, einerseits kindisch; - „brauch deine Augen“, rufen wir dem Phantasten zu, „denn die Wahrheit scheint dir hell in’s Angesicht;“ – und andrerseits verdammungswürdig; - „der Glaube, sprechen wir, „drängt sich dir gewaltsam auf; Halsstarriger, warum widerstrebst du ihm?“ –

2. Felsenfest steht sie also, die Thatsache der Auferstehung Jesu. Kein andres Faktum der ganzen Weltgeschichte ist so überschwänglich erwiesen, wie dieses. Habt ihr gegen dessen Wahrheit noch etwas aufzubringen, hervor damit! Wir fordern den Witz, die Kritik und die Gelehrsamkeit der ganzen Welt gegen dasselbe zum Angriff auf den Plan, und sind gewiß, daß sie den Kampfplatz entwaffnet und mit Schanden werden verlassen müssen. Mit einigem Schein von Vernünftigkeit können sie am Ende nur noch sagen: „Wir glauben nicht, weil wir nie einen Todten wieder auferstehn sahen.“ Aber hierauf erwiedern wir einfach: Es ist auch nie noch ein Mensch des Todes verblichen, wie der Heilige in Israel. Als in ihren allerletzten Schlupfwinkel könnten die Widersacher etwa noch auf die Aussage sich zurückziehn, daß die Kunde von der Auferstehung Jesu nur durch Christen und somit durch Freunde des Gekreuzigten auf uns gekommen sei. Doch nein, die Gelehrsamkeit wenigstens wird sich bei dieser Ausflucht nicht betheiligen, denn sie weiß, wie außer dem jüdischen Geschichtschreiber Josephus auch heidnische Schriftsteller wie Tacitus und Plinius, beide Zeitgenossen Jesu und der Apostel, und dem Christenthum entschieden abgeneigt, nicht allein des großen Nazareners gedenken, sondern auch andeuten, daß in ihren Tagen das Volk schaarenweise dem Glauben an den Auferstandenen sich zugedrängt habe; und wie aus den Darstellungen jener unpartheiischen Referenten in unzweideutiger Weise erhelle, daß es freilich an geschichtlichen wie an logischen Waffen gemangelt habe, jenen Glauben zu widerlegen und zu entkräften. Ist nun der letzte Widerspruch gegen die geschichtliche Wahrheit der Osterbotschaft zu Boden geworfen, so gilt es jetzt, aus letzterer die Folgerungen zu ziehn. Doch ihre Consequenzen setzen sich schon von selber in Bewegung, und kehren sich zur Rechten und zur Linken, vernichtend hier, erhebend und beseligend dort.

Zuerst stellt sich’s nun heraus, daß nicht wir die “Träumer“ sind, für die ihr uns so gerne erklärt, sondern ihr, die ihr unsern Glauben von euch weist. Eure Welt, die Welt, in der der Stein noch vor dem Grabe liegt, nie ein Gestorbner von den Todten auferstand, kein göttlich beglaubigter Hirte die Sünder in seine Arme sammelt, und kein Gottmensch die Zügel der Weltregierung in durchgrabnen Händen trägt, ist eine Traumwelt, eine Welt der Phantasmagorien, und nicht die wirkliche, für welche ihr sie haltet. - “Maria!“ sprach in der ersten Ostermorgenfrühe der vermeintliche Gärtner zu jener weinenden Jüngerin, die vor seinem leeren Grabe stand, und gleichfalls noch in eurer trüben Phantasiewelt lebte. Nicht sprach er’s, wie man’s meist versteht, mit dem weichen Hauche der Empfindsamkeit, sondern mit frischer, starker, männlicher Betonung, als hätte er sagen wollen: „Maria, bist du denn ganz der Wirklichkeit entrückt? Erwache doch aus deinem schweren Traum, und greif’s mit Händen, was sich begeben hat!“ – O, daß ein ähnlicher Laut, wie jenes “Maria!“, recht bald auch euch, ihr vom Glauben Verschlagenen, aus euern Illusionen wecken möchte! Geschieht es nicht, so läuten die Osterglocken euch Gericht, und die Engel in der gesprengten Felsgruft werden euch zu Boten der Verdammniß. Denn die ihr das Osterwunder leugnet, steht nicht blos als Unvernünftige und Thoren da, die bei hellem Tage verneinen, daß die Sonne am Himmel strahle; sondern ihr seid zugleich Empörer und Rebellen, die trotzig einem Könige die Huldigung versagen, welchen Gott selbst vor euern Augen zum Herrn über euch gekrönt und ausgerufen hat. Für euern Unglauben ist kein Entschuldigungsgrund mehr aufzufinden. Eine unüberwindliche Heeresmacht von Argumenten für die Gottessohnschaft Jesu ist drängend hinter euch. Ihr aber haltet euch gewaltsam Augen und Ohren zu, und sucht die Flucht. Eure Gegenargumente heißen: „Wir wollen nicht glauben“, und dann: „Wir wollen durchaus nicht glauben“; und endlich: „Wir glauben unter keinerlei Bedingung“! – O, wehe, wehe euch!

Ja, nur ein “Wehe“ ergiebt sich als Folgerung aus der Osterbotschaft für euch. Für die Glaubenden ein dreifach “Heil!“ aus allen Himmeln ihnen zugerufen. O, fallen wir uns jubelnd heute einander in die Arme! Fest steht mit der Thatsache, daß Christus erstanden ist, auch diejenige, daß wir ewig über alle Sorgenberge nun hinweg sind. Nicht ohne tiefe Absicht geschah es, daß der Engel den Frauen aufgab, die Osterkunde den Jüngern, vor Allen aber Petro in seinen Thränenwinkel zuzutragen. “Sie“ dachte der himmlische Bote, „wird ihm die rothgeweinten Augen schon wieder trocknen“! Und freilich, nachdem es nicht etwa nur ein Mährlein, sondern ein über allen Zweifel erhabenes Faktum ist, daß der Löwe aus Juda überwunden hat, so wüßte ich auch nicht, welche Gram- und Kummerkelche der Erde uns nicht in Kelche des Friedens verwandelt wären. Richten wir uns denn in Gemäßheit dieser großen Thatsache ein, und bringen wir unser ganzes Sein und Leben zu ihr in das entsprechende Verhältniß! Was wandeln wir noch so unsichern Schrittes unsern Weg? Leuchtet uns doch als Leitstern jetzt ein Wort, auf welchem das unvergleichliche Beglaubigungssiegel einer Todtenauferweckung strahlt! Was schwanken wir noch in unserm Glauben an den Herrn? Soll Gott ihn mächtiger noch beglaubigen, als er durch das Osterwunder es gethan hat? – Was ängstigen wir uns noch, vorausgesetzt, daß wir wirklich in der Buße mit der Sünde brachen, im Hinblick auf unsre Schuldenlast vor Gott? Da steht Er ja, der für uns haftete und zahlte, und zeigt uns in seinem neuen Leben die Quittung von dem Allerhöchsten selbst ihm ausgestellt! – Was fragen wir noch sorglich, woher die Gerechtigkeit zu nehmen sei, die uns einst durch’s Gericht verhelfe? Mich dünkt, die Gerechtigkeit, um derer willen Gott den Mann der Schmerzen am dritten tage so mit Preis und Ehre krönte, werde dazu genügen; - und diese Gerechtigkeit ist durch geheimnißvollen Uebertrag die unsre. – Was zagen wir noch im Streite wider Sünde, Welt und Teufel? Kann zum Zagen noch Grund vorhanden sein, nachdem ein Held, wie jener dort über seines Grabes Trümmern, mit und für uns kämpfend zu unsrer Seite steht? – Was bangt uns vor den feindlichen Gewalten, die drohend wider das Reich Immanuels sich zu Felde legen? Der Sieg in Josephs Garten verbürgt uns tausend neue, und einen Schlußsieg, der allem Hader ein ewig Ende machen wird. – Was vertrauern wir uns noch an den Gräbern unsrer Lieben, die in dem Herrn starben? Sie sind nicht todt, sie leben, so wahr Der lebet, der für sie gestorben ist. Was zittern wir beim Gedanken an das Herannahn unsres eignen Stündleins? Nachdem unser Haupt den Tod geschlagen und in seiner Auferstehung ihn öffentlich zur Schau getragen hat, ziemet uns das Triumphgeschrei: „Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg“? Hört Paulum: „Ist Christus nicht auferstanden“, spricht er, „so ist unsre Predigt vergeblich, so ist euer Glaube eitel, so seid ihr noch in euern Sünden, und es sind auch die, so in Christo entschlafen sind, verloren.“ Was heißt das, als: Nachdem aber Christus auferstanden ist, ist unsrer Predigt der Sieg gewiß, ruht euer Glaube auf demantnen Säulen, seid ihr eurer Sünden los und ledig vor Gott, und mögt ihr mit euern in Christo entschlafenen Geliebten fort und fort im Geiste stille Feste der Liebe und der Hoffnung feiern: denn ihr besitzt sie noch, und werdet sie einst ewig wieder haben! –

O, der Fülle des Trostes und der Herrlichkeit, welche uns die Auferstehung Christi von den Todten an das Licht gebracht hat! – Mit wie großem Rechte heißt doch Ostern ein “Amen Gottes“, und ein “Halleluja der Menschheit“! – O werde es zu einem Herzens-Halleluja auch uns, und sinke mit unserm letzten Zweifel heute auch unsre letzte Sorge in Immanuels leeres Grab! – Er ist nahe, der da lebt. Er grüße auch uns mit dem Gruße seines Friedens, und lasse uns nicht, bis auch wir mit einem selig hingestammelten “Rabbuni“ zu Seinen Füßen liegen! – Amen.

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