Krummacher, Friedrich Wilhelm - Die Heilszeit.

Krummacher, Friedrich Wilhelm - Die Heilszeit.

Predigt über 2. Corinther 6, 1-2.

2. Corinth. 6, l-2.

**Wir ermahnen euch aber auch als Mithelfer, daß ihr nicht vergeblich die Gnade Gottes empfahet. Denn er spricht: Ich habe dich in der angenehmen Zeit erhöret und habe dir am Tage des Heils geholfen. Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils.

„Freund,“ sprach in den kirchlich bewegten Tagen der Reformation zu seinem Waffengefährten ein Rittersmann, der mit seinen Anschauungen wie mit seinen Sorgen bis dahin nicht eben weit über sein Roß, sein Schwert und den Tummelplatz seiner Turniere sich verstiegen hatte, „Gottes Fluth geht hoch; so ist's Zeit, daß auch wir die Anker lichten, wenn wir nach Jerusalem wollen!“ Und es währte nicht lange, da schwuren sie beide von Grund des Herzens sich Christo zu, und wurden Luthers und des Evangeliums treue Freunde, und rüstige Streitgenossen für die Sache Gottes. Wie damals jener ehrenfeste Kämpe, so spreche heute ich zu euch: „Gottes Fluth geht hoch; es gilt dem Winde die Segel spannen, wenn wir das Reich Gottes ererben wollen!“ - Und siehe, was ich sage, klingt so ziemlich zusammen mit dem Apostelworte an die Corinther in unserm Text: „Wir ermahnen euch aber als die Mithelfer (nämlich an eurer Seligkeit), daß ihr nicht vergeblich die Gnade Gottes empfahet. Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils!“ - „Wie,“ fragt ihr befremdet, „jetzt? Die Zeit, in der wir leben wäre dem Evangelium und der Bekehrung zu Christo günstig?“ - In hohem Grade, Freunde! Unsre Zeit ist eine Heilszeit. In wiefern sie das sei, und was sie als solche von uns fordere, das laßt uns, des göttlichen Beistandes gewärtig, näher mit einander erwägen.

1.

Wie lange ist's hin, Geliebte, da ging eine dumpfe Sage durch's Land, das Christenthum habe seine Dienste gethan, und sei, da die sittliche Weltordnung nunmehr sich in und durch sich selber trage, zum Abbruche reif geworden. Einzelnen Staatsregierungen selbst wollte der Eifer für Aufrechthaltung biblischer Glaubenssätze ein unnützer und schwärmerischer Aufwand dünken. Man meinte, nachdem die Vernunftbildung zu einem so hohen Grade der Entwickelung gediehen sei, und in so weiten Kreisen unter dem Volke Platz gegriffen habe, so dürfe die alte Theologie der Propheten und Apostel nunmehr fallen, wie nach Vollendung eines Baues das aufgezimmerte Holzgerüst oder die Interimsbaracke. Entsetzliches Vorurtheil, unter welches sich selbst viele sonst kluge Männer gefangen nehmen ließen! Die Hölle triumphierte, und wahrlich nicht ohne Grund. Denn seit lange hatte sie einen glänzenderen Sieg nicht davongetragen, als den, die Welt überredet zu haben, das Christenthum sei nicht, wie die Alten geglaubt, eine, weil göttlich wahre, darum auch ewig bleibende, sondern eben nur eine zeitweilige, vorübergehende, und in diesem „philosophischen Jahrhundert“ wirklich zur Abgängigkeit gekommene Institution. Der Lügenvater sah schon überall den „Stern von Morgen“ im Truglicht seiner Verneinungen erbleichen. Da brach gespenstisch jene Zeit scheußlichen Angedenkens herein, in der den Trägern und Vertretern der neuesten von Christo und seinem Evangelio abgelösten Aufklärung nach Gottes zulassendem Rath und Willen Raum gegeben ward, ihre Grundsätze bis zu einem gewissen Punkte tatsächlich zu bewähren und in die Wirklichkeit des Lebens einzuführen. Zu dem Ende mußten Sieger, als wären sie besiegt, auf Augenblicke hinter die Schranken zurücke treten. Starke mußten, damit jene modernen Weltumbildner unbehindert ihr Wesen treiben könnten, für eine Weile ihre wohl bewaffneten Arme sinken und ruhen lassen. Was begab sich aber nun? Ehe man sich's versah, drohte die ganze sittliche Weltordnung den Umsturz. Zucht und Sitte, Ehrfurcht vor dem Heiligen und Achtung vor dem Gesetz, Gehorsam und Pietät, Liebe und Treue hüben ihre Flügel, um die Erde zu räumen. Frechheit und Widerspenstigkeit, Verrath und Lüge, Frivolität und Fleischessinn machten sich als Tugenden geltend. Die heiligen Bande der Ehe, der Kindesunterthänigkeit, der häuslichen Gemeinschaft begannen sich zu lösen. Der Sinn für Höheres und Edles selbst im Gebiete des rein Menschlichen starb wie von einem giftigen Mehlthau befallen hin. Der gemeinste Egoismus wiegte sich nackt und schamlos auf seinen Thronen, und eine Barbarei sah drohend in's Land herein, wie sie selbst das Heidenthum kaum je gekannt hatte. Es war genug offenbar geworden. Der Allmächtige sprach Sein: „Bis hierher und nicht weiter!“ und die Verderben quellenden Abgründe mußten sich wieder schließen. Seitdem spricht wohl kaum Jemand mehr: „das Christenthum hat ausgedient“; noch fällt es einem Vernünftigen mehr ein, zudenken, es könne dasselbe je durch eine menschliche Weisheit seine Ablösung finden. Nachdem einmal die innersten Grundfesten der bestehenden Dinge aufgewühlt gewesen, hat sichs kund gegeben, worin alles das, was wir in Familie, Staat, Gesellschaft, Eilte und Bildung Herrliches besitzen, seine letzten Wurzeln habe. Es wurzelt in dem Evangelium, aus welchem es geboren ward, und von dem es also getragen wird, daß es mit demselben steht und fällt. Nie noch zuvor hat sich dies mit solcher Macht und Klarheit dem menschlichen Bewußtsein aufgedrängt, wie in der neusten Zeit. Wo ist ein Land, in welchem nicht Zeugen der unverfälschten Bibelwahrheit gegenwärtig höchst willkommen wären? Einen unendlich glänzenden Triumph hat in unsern Tagen, und zwar auf dem Gebiete der Thatsachen und der Erfahrung die Sache Christi, und mit ihr Christus selbst, über den Vater der Lügen und dessen kopfschüttelnde Lästererbrut davon getragen. Eine Zeit aber, in der sich so handgreiflich das Evangelium als eine, nicht allein seligmachende, sondern auch die ganze Welt zusammenhaltende und dieselbe ordnende und verklärende Gotteskraft bewährt, und in der mit solchem Nachdruck sich das alte „Hölle, wo ist dein Sieg?“ erneuert, darf ja wohl mit vollem Rechte eine Heilszeit, eine Zeit der Gnaden heißen. Sie ist aber eine solche auch noch aus andern Gründen. Hört nur weiter!

Nur wenige Jahre erst sind's hin, da ging unter den Menschen die Nachricht um, das Christenthum habe durch die Wissenschaft eine tödtliche Niederlage erlitten, indem eine scharfsichtige Macht, Kritik genannt, die sogenannte heilige Geschichte in ein Phantasiegewebe von lauter Fabeln und Märchen aufgelöst habe. Und in der That ist's nicht zu leugnen, daß das Evangelium zu keiner Zeit eine so scharfe Beleuchtung erfahren hat, als in der unsern. Der menschliche Witz hat sich, und zwar nach Gottes Rath und Willen, in Angriffen und Einwürfen gegen dasselbe, man darf behaupten, für immer ausgegeben und erschöpft. Selbst Glaubensstarke sind in dem polemischen Kampfgetümmel erschrocken oder wohl gar für eine Weile irre geworden. Nachdem aber die wilden Wasser sich verlaufen haben, was stellt sich nun heraus? Nicht allein, daß keine der biblischen Geschichten mit stichhaltigen Gründen als unwahr dargethan ist; sondern auch, daß die geschichtliche Wahrheit der heiligen Thatsachen, und namentlich derjenigen, die alle übrigen hält, stützt und besiegelt, - ich meine die der Auferstehung Christi von den Todten, - schlechthin unantastbar dastehe. Diese Auferstehung lag den Feinden natürlich als der ärgste Stein des Anstoßes im Wege, und thut es noch. Fast ergötzlich sieht sich's an, wie sie, obwohl schon verzweifelnd, immer noch im Schweiße ihres Angesichtes sich zerplagen, denselben hinweg zu heben. Daß die Juden den Leichnam Jesu irgendwo verscharrt hätten, wagen sie natürlich schon aus Furcht vor der Kinderfrage nicht zu behaupten, warum denn die jüdischen Todtengräber nachmals, da das ihnen so verhaßte Christenthum so mächtig um sich griff, dem letzteren dadurch nicht mit einem Schlage ein Ende gemacht hätten, daß sie die Leiche des vorgeblich Auferstandenen wieder aufgruben, und dieselbe wie ein Erstarrung um sich her verbreitendes Medusenhaupt seinen begeisterten Anhängern entgegenhielten? Ebensowenig getrauen sie sich, den Juden nach zu erzählen, die Jünger selbst hätten den Todten von Nazareth heimlich bei Seite geschafft. Sie scheuen vor der Beschämung zurück, die ihnen durch die andre Kinderfrage zu Theil werden würde, wie sich's denn erklären lasse, daß die Jünger für einen Mann, von dem sie gewußt, daß er im einsamen Grabe vermodere, und den sie mithin als einen Schwärmer und Betrüger kennen gelernt, mit freudiger Begeisterung, wie sie wirklich thaten, Gut und Blut in die Schanze schlagen konnten. So bleibt den klugen Sophisten nichts Andres übrig, als die elende, längst abgenutzte Ausflucht, Christus sei, da man ihn vom Kreuze nahm, nicht todt, sondern nur von einer Ohnmacht befallen gewesen, und zufälligerweise, gerade am dritten Tage, wie er es vorausgesagt, in seinem Grabgewölbe von dem bloßen Scheintode wieder erwacht, dann aber allmählig an seinen Wunden hingesiecht. Doch entgehen sie auch hiermit wieder der Beschämung der dritten Kinderfrage nicht, wie denn Er, auf welchen ja alle Blicke gerichtet waren, doch so verborgen habe hinsiechen und endlich sterben können, daß weder von seinen Feinden noch von seinen Freunden irgend Jemand etwas davon gewahr geworden sei oder später erfahren habe? Eben so kläglich aber, wie bei ihren Angriffen auf die Auferstehung Christi, sind die Widersacher bei allen ihren Sturmläufen gegen das Evangelium abgefahren. Die spitzfindigsten Einwürfe der verneinenden Vernunft wurden und werden an den historischen Thatsachen des Christenthums zu Schanden. Ja niemals noch ist es so handgreiflich an den Tag getreten, daß auf christlichem Gebiete die Philosophie vor der Macht der Geschichte die Waffen strecken muß, als in unsern Tagen. Darum aber gebührt dieser Zeit mit ganz besonderem Nachdruck der Name einer Zeit des Heils. Bleiben doch auch die neusten Triumphe, die das Evangelium auch im Bereiche des Wissens und Erkennens davonträgt, keinesweges unbemerkt. Schaut nur, wie binnen kurzer Frist das Gefolge des Königes Christus sich verändert hat. Nicht mehr nur ein armer geringer Haufe, wie weiland, nicht nur unansehnliche Fischer, Zöllner und Teppichweber mehr; auch Träger der Wissenschaft ersten Ranges, Könige im Reich der Gedanken: neben Theologen Rechtsgelehrte, Naturkundige, Alterthumsforscher, Historiker und selbst Philosophen gehn in Schaaren huldigend, und zum Theil beschämt, Ihn erst so spät geliebt zu haben, hinter seinem Siegeswagen her, und singen Ihm, dem göttlichen Friedensfürsten, ihr anbetendes Hosianna.

Ja, Freunde, es hat Zeiten gegeben, in denen es wahrlich nicht so leicht war, zu glauben, daß Christus lebe und im Regimente sitze, wie es heute uns gemacht ist; Zeiten, da die Kirche wie ein verlassenes und verödetes Schloß stumm und trauernd dahin stand, und die Weissagung des Herrn, zum Triumph der Feinde, in den Buchstaben der Schrift wie in bestäubten Särgen den ewigen Schlaf zu schlafen schien. Wie ist es jetzt aber so gar anders worden! Wie rauschen des Herrn Füße wieder durch seinen geistlichen Tempel, und wie fahren seine Verheißungen eine nach der andern aus den vermeintlichen Todtenschreinen des Bibelworts thatsächlich heraus, und verweben sich, zu Fleisch und Blut geworden, in Geschichte und Leben. Was hat Er für die letzten Zeiten vorher gesagt, das sich nicht buchstäblich gegenwärtig erfüllte? Der Engel mit dem ewigen Evangelium fliegt durch „den mitten Himmel.“ Vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang wird der Name des Herrn „herrlich unter den Heiden.“ „Mohrenland streckt seine Hände zu Ihm aus.“ „Die Inseln im Meere jauchzen seinem Namen.“ Freilich regt sich auch der große rothe Drache mit seinen Horden, er, von dem Er voraussagt, daß er mit wachsendem Grimm Ihm und seiner heiligen Sache widerstehen werde. Aber regte er sich nicht, so fehlte ja ein wesentlicher Zug in dem Zukunftsbilde, das er uns zuvor verzeichnet; und über wen erföchte, wenn er sich nicht regte, Christus den letzten großen Wundersieg, auf welchen Er in seinem Worte mit so entschiedener Bestimmtheit und Zuversicht uns harren heißt? Und wartet nur, Geliebte, es wird nach seinem Worte schon ein Mehreres und Größeres noch kommen, als schon vorhanden ist. Wartet nur: auch der entscheidende schließliche Weltkampf zwischen dem Reiche der Finsterniß und Seinem Reiche wird nicht gar verziehen. Wartet: wir werden, entweder schon hier, oder doch aus den Wolkenfenstern herab, alle Seine Feinde zum Schemel seiner Füße liegen sehn. Wartet, wartet nur: auch das holde Bild des „Einen Hirten und der Einen Herde“ wird zu seiner Zeit schon den Tag seiner Verwirklichung feiern. Werden doch die Vorbereitungen dazu schon getroffen. Welch ein Chor lockender Evangelistenstimmen und weckender Bußposaunenklänge durchbrauset wiederum die christliche, wie die nichtchristliche Welt! Wie durch das Räderwerk des dampfschnaubenden Schiffes im stillen Grunde des Stroms die sorglosen Fische, so werden durch die neu erwachten kirchlichen Thätigkeiten und Bewegungen die Menschenkinder in den Tiefen ihrer religiösen Gleichgültigkeit und Sicherheit aufgeschreckt. Ja, der Herr ist auf's neue mit seinem Geist und seinen Gaben auf dem Plan, und lange wird's nicht mehr währen, so wird auch der verhärtetste Unglaube, er möge wollen oder nicht, mit dem Kaiser Julian, dem Abtrünnigen, ausrufen müssen: „So hast du dennoch gesiegt, Galiläer!“

2.

Ich denke, das Angedeutete, das freilich noch um Vieles zu vermehren wäre, wird hinreichend sein, einen Jeden zu überzeugen, daß die Zeit, in der wir stehn, eine Heilszeit, eine Zeit sonderlicher Gnadenheimsuchungen Gottes heißen dürfe. Wie in den Tagen Isaaks werden die Wasserbrunnen, die die Philister verschütteten, wieder aufgegraben, und auf's neue mit ihren alten rechten, und entsprechenden Namen benannt. Wie in den Tagen Elia ergeht ein Gericht der Beschämung und Entwaffnung über die Diener der Baalim, der falschen Götter, und der Herr Zebaoth zeuget wieder wie damals aus seiner erhabenen Wohnung herab durch Feuer, nur freilich durch Feuer des heiligen Geistes, wer der rechte Gott zu Zion sei. In unzähligen Erscheinungen läuten, wer nur ein Ohr dafür hat, helle Himmelsglocken, freilich zum Sabbath eben noch nicht, sondern vorläufig erst noch zur Rüstung, indem noch schwere Kämpfe bevorstehn. Wohin sie aber laden, wem könnte das noch fraglich sein? Ich meine, sie sängen alle einen Sang, und derselbe laute: „Küsset den Sohn, daß Er nicht zürne und ihr umkommt auf dem Wege!“ Seit lange rief Er ja so gewaltig nicht durch die Zeit dahin: „Hie bin Ich, hie bin Ich!“ wie eben gegenwärtig. Seit lange enthüllte Er nicht so vor aller Welt den himmlischen Adelsstern auf seiner Brust, wie grade jetzt. Seit lange drückte er seinem Evangelium nicht solche Siegel der Bestätigung auf, noch erwies Er sich so thatkräftig als den, dem von Rechtswegen die Welt gehöre, wie in unsern Tagen. „Huldigung Ihm!“ heißt die Forderung, welche dringend und immer dringender an dich und mich und an uns alle diese Zeit der Gnaden stellt. Eine überaus klägliche Rolle beginnen diejenigen zu spielen, welche noch mit dem Troß der Ungläubigen ziehen. Sie ziehn mit einem geschlagenen Heere, das im Felde der Wissenschaft wie des Lebens Fahne und Rüstung verloren hat. Auf der Höhe der Zeit wähnen sie zu stehn, und ahnen nicht, daß die Wagenräder der Geschichte längst über den Rationalismus, in welchem sie, den Apellruf der Drommeten Gottes schlaftrunken überhörend, haften blieben, dahingerollt sind. Sie gleichen gegenüber den geistigen Bewegungen der Gegenwart armen Taubgeborenen, die wohl das Schwingen und Schüttern der silbernen Harfensaiten sehen, aber keine Ahnung von dem Zauber der Akkorde haben, der aus diesen Schwingungen hervorquillt. Ja, ihre Stellung ist eine höchst bedenkliche. Ruft der Herr sie heut oder morgen vor seine Schranken, was bleibt ihnen zu ihrer Entschuldigung? Nicht das Geringste. Er wird zu ihnen sagen: „Bin ich nicht im hellen Tageslicht an euch vorübergewandelt, und habe euch meine Herrlichkeit sehen lassen? Ihr aber wolltet nicht, daß ich über euch herrschete, sondern habt die Finsterniß mehr geliebt, denn das Licht. Wehe, wehe euch!“

Nun ist's aber damit noch nicht gethan, Geliebte, daß ihr dem Herrn Christo wöchentlich einmal eure Sonntagsaufwartung macht. Er begehrt von euch nicht einen Wochentag, sondern die Woche. Verschmäht ihr, diese ihm zu geben, so weiht mit den übrigen sechs Tagen immerhin auch den siebenten dem Fürsten dieser Welt. Ein dem Herrn dargebotener getheilter Dienst gilt ihm für keinen. Auch thut es das noch nicht, daß ihr dem Beispiel des römischen Kaisers Alexander Severus folgt, der Christo damit die gebührende Ehre gegeben zu haben meinte, daß er dem Bildnisse desselben neben den Bildern des Orpheus und andrer Halbgötter eine Stelle in seinem Pantheon anwies. Nein, wie zu Samuels Zeiten in jenem Philistertempel vor der heiligen Bundeslade Israels der Abgott Dagon, so müssen in euerm Herzen vor Christo alle Götzen zu Boden stürzen, und Er allein auf Thron und Altar zurückebleiben. - Es reicht auch das noch nicht zur Seligkeit aus, daß ihr einmal in einem Augenblicke innerer Erwärmung mit jenem Weibe im Evangelium ausruft: „O selig der Leib, der Dich getragen, und die Brüste, die Dich gesäuget haben;“ worauf der Herr erwiderte: „Ja, selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren!“ Wollt ihr die Gnade, die euch zu dieser Frist geboten wird „nicht vergeblich empfahen,“ so gilt es also mit Christo euch vereinigen, daß ihr mit dem Apostel sagen könnt: „Ich lebe; doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir; und was ich noch lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt, und sich selbst für mich dahingegeben hat!“ Dieser Glaube, der da ist eine aufrichtige und rückhaltlose Hingebung unseres ganzen Herzens und Lebens an den Herrn, ein fortgehender, stiller Herzensverkehr mit Ihm, und ein ununterbrochener betender und hoffender Aufblick auf Ihn als auf den unumschränkten Gebieter über unser Leben, schafft einen neuen Menschen, befähigt den Sterblichen für den Himmel, und verklärt die Erde in höherem Lichte. Aus diesem Christusglauben ist unsre Monarchie mit aller ihrer Macht und Herrlichkeit hervorgewachsen. Der große Churfürst, ihr eigentlicher Gründer, wählte sich zur Losung und zum Leitstern seines Lebens ein Schriftwort, das er schon als vierzehnjähriger Churprinz einem vertrauten Freunde in's Stammbuch schrieb, und welches man ihn nachmals bis zu seinem Ende täglich wiederholen hörte. Es war das Wort des 143ten Psalms: „Herr, thue mir kund den Weg, darauf ich gehen soll.“ Mit diesem Worte hat er seine großen Thaten gethan; mit diesem Worte traf er jederzeit das Rechte, und Berge hat er versetzt mit diesem Worte. Fürwahr, nur sofern sein Glaube das Erbtheil auch seiner Nachfolger auf dem Throne bleibt, und in immer weiterer Ausdehnung auch das Erbe seines Volkes wird, wird unser Preußen die erhabene Aufgabe lösen, die Gott ihm in der Weltgeschichte gestellet hat. Jagen wir denn aus allen Kräften diesem Glauben nach. Einen Hort des ernstesten Ringens und Trachtens so werth, wie dieser, gibt's nicht mehr. Treten wir denn in Masse vor den erhabenen Friedensfürsten hin, der in unsern Tagen wieder den Tabor der Verklärung zu besteigen angefangen hat, und sprechen wir Alle wie mit einem Munde:

Pflanz' auf dein heil'ges Kreuzpanier;
Wir heben unsre Hände,
Und schwören Lieb' und Treue Dir,
Ja Treue bis ans Ende! - Amen.

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