Krummacher, Friedrich Wilhelm - Des Königs Rettung

Krummacher, Friedrich Wilhelm - Des Königs Rettung

Predigt gehalten am Dankfeste, den 2. Mai 1850

Die Gemeine sang:

Was mein Gott will, gescheh' allzeit
Sein Will' ist stets der beste;
Zu helfen dem Ist er bereit,
Der an ihn glaubet feste.
Er hilf! aus Noth, der fromme Gott,
Und züchtiget mit Maßen.
Wer Gott vertraut, fest auf ihn baut.
Den wird er nicht verlassen.
Mein Gott ist meine Zuversicht;
Er ist mein Licht und Leben;
Faßt seinen Rath mein Herz auch nicht.
Doch soll's nicht widerstreben.
Sein Wort ist wahr, er hat das Haar
Auf meinem Haupt gezählet;
Er sorgt und wacht, nimmt mich in Acht,
Giebt Alles, was mir fehlet.

Gebet.

Herr, Herr Gott, mit welchen Empfindungen erscheinen wir heute vor Deinem Angesichte! - Ist es uns doch fast, als hätten wir selbst das Verbrechen begangen, das den Ruhm unserer Stadt aufs neue so tief verdunkelt hat; ja, als sähen wir uns Alle heut vor Deinen Richterstuhl geladen. Und sind wir's nicht auch wirklich? - Ein Theil der Schuld lastet mit auf uns! - Herr Gott, wir sind sehr darniedergebeugt; wir sind sehr geschlagen. - O, gehe nicht ins Gericht mit Deinen Knechten; denn vor Dir ist kein Lebendiger gerecht. - Schone unser, erbarme Dich über uns, und vergieb uns unsere Sünden um Jesu Christi, Deines Sohnes willen! - Amen.

Text: Psalm 1. Vers 1-3.

Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzet, und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibet: der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe. Denn er errettet dich vom Strick des Jägers und von der Pestilenz der Bosheit, Er wirb dich mit seinen Fittigen decken, und deine Zuversicht wird sein unter seinen Flügeln; seine Wahrheit ist Schirm und Schild, daß du nicht erschrecken müssest vor dem Grauen der Nacht; vor den Pfeilen, die des Tages fliegen.

„Ach, daß ich Wasser genug in meinem Haupte hätte, und meine Augen Thränenquellen wären, daß ich Tag und Nacht beweinen könnte die Sünden meines Volks!“

Ja, theure Brüder, mit diesen Jeremiasworten muß ich diesmal beginnen; denn in ihnen finde ich den Ausdruck der Grundstimmung, mit der ich heute an diese Stätte trete. War mir's doch mitunter in diesen Tagen, als hätte ich mit demselben Propheten auch weiter sprechen mögen: „Ach, daß ich eine Herberge hätte, wie Wandrer in der Wüste, so wollte ich mein Volk verlassen und von ihnen ziehn.“ Ich gedachte, diese Worte des alten heiligen Sehers zu meinem heutigen Texte zu wählen: aber neben der Empfindung tiefer Trauer und heiliger Entrüstung, die uns überwältigt, macht sich in unserem Innern auch noch eine andere geltend, die gleichfalls ihre Rechte fordert: diejenige dankerfüllter und anbetungsvoller Freude über ein neues, hochherrliches Wunder der Bewahrung, das der lebendige Gott in unserer Mitte uns hat sehen lassen; und diese Empfindung lehnt sich freilich besser an die lieblichen Psalmtöne an, die so eben, aus Davids-Harfe zu unserem Ohr gedrungen. Machen wir unserm Herzen Luft, und lassen unsern Mund übergehn von Dem, wovon das Herz so voll ist. Sprechen wir einander unsere Empfindungen und Gedanken über das erschütternde Ereigniß aus, das sich im Laufe der verwichenen Woche ach! wieder unter uns begeben hat, und werden wir uns bewußt, zuerst, was dasselbe uns entschleierte; und dann, wozu es uns aufruft. Kröne der Herr unser Wort mit bleibendem Segen.

I.

Ein Mordanfall gegen das Leben unseres geliebten Königs! - Gott sei uns gnädig! - Wenn früher die Kunde von solcher Frevelthat aus unserm unglückseligen Nachbarlande gen Westen zu uns herüberdrang, wie schauderte uns. Zugleich aber ging ein stilles Danklied zu Gott durch unser Herz, daß an dem Ehrenschilde unseres Vaterlandes und Volks der Fleck solch einer Ruchlosigkeit doch noch nicht hafte. Für unmöglich erachteten wir's, daß dergleichen unter uns, dem Volke der Treue, je geschehen könnte. Ach, mein Vaterland, nun liegt dieser dein schöner Ruhm auch auf der Todtenbahre, und unter den blutigen Thränen, die auf den düstern Grabstein, den die Geschichte ihm nun setzt, herniederthauen, sind auch die meinigen, und, nicht wahr? die eurigen nicht minder. - Wehe, wehe, zum zweitenmal! - und der letzte Frevel ärger, denn der erste! Freilich steht es uns hier nicht zu, die Frage zu erörtern, wie der unglückselige Mensch zu seiner Unthat möge gekommen sein. Die Männer, die im Namen Gottes zu Gerichte sitzen, werden es zu seiner Zeit ans Licht zu bringen wissen. Mit aller Macht streuben wir uns gegen die furchtbare Vorstellung, daß wir es hier nicht mit einem vereinzelten Bösewicht, sondern mit dem Werkzeuge einer im Finstern schleichenden Mörderbande zu thun haben möchten. Unsere Gebeine erzittern vor dem Gedanken, daß der Meuchelmörder könnte gedungen worden, ja daß man fähig gewesen sein könnte, in kalter, mehr als höllischer Berechnung gerade einen Menschen in ihm zu dingen, dessen Verbrechen man mit dem Scheine der Unzurechnungsfähigkeit zu beschönigen, und als ein zusammenhanglos und vereinzelt dastehendes zu bezeichnen hoffte, und an den man überdieß, als an einen Träger des unbefleckten Ehrenrockes unserer vaterländischen Krieger, die Erwartung knüpfte, daß er die Treue unseres ganzen sieggewohnten und ehrenhaften Heeres der Verdächtigung blosstellen werde. Wir wehren uns aufs äußerste gegen diese Idee, wie gegen ein Ungeheuer, das uns vollends zu Boden zu werfen, und in den Abgrund der Trostlosigkeit hinunterzuschleudern droht. Wir klammem uns krampfhaft an der Voraussetzung fest, es habe dem Unglückseligen wirklich nur ein Anfall von Irrsinn die Mordwaffe in die Hand gegeben, und auf seinen Namen allein, auf keinen weiter, sei die Frevelthat in den Büchern Gottes, des Richters der Lebendigen und der Todten, angeschrieben. Aber die ruhige Ueberlegung, mit der er handelte; - das Losungswort, das er bei seinem Ueberfalle ausstieß; das augenblicklich sich geltend machende Gefühl Aller: „Da steckt was hinter“, und insonderheit der Umstand, daß, wie groß auch die Bestürzung war, welche die Kunde von dem, was geschehen, ringsum verbreitete, doch Keiner die Möglichkeit des Frevels in Zweifel zog: ach, das sind bedenkliche Zeichen! Denn warum wurde die Möglichkeit so gar nicht bezweifelt? Ach, man weiß, wie weit es bei einem großen Theile des Geschlechtes unserer Zeit mit dem Abfall von Gott und allem Heiligen gekommen ist. Man hat die Grundsätze der Ruchlosigkeit gehört, die je länger, je lauter in unsern Tagen auf allen Gassen gepredigt werden. Man kennt die entsetzlichen Flugblätter und Tagesschriften, die täglich zu Tausenden aus der schrecklich gemißbrauchten Presse hervorgehen, und vergiftend und verderbend das Volk durchziehn. O, verhehlen wir es uns nicht: die Schauerthat, die unter uns begangen ward, begangen gegen einen Landesvater, dessen Wohlwollen, Leutseligkeit und Herzensgüte zum Sprichwort geworden sind; begangen gegen einen Herrn, der, seinem Worte stehend, den Wünschen seines Volkes an Freiheiten und Rechten das Aeußerste gewährte, was vernünftiger Weise zu gewähren war, ja mehr als dies; begangen gegen einen König, der eben thatkräftig vorgeschritten war, um auch die Idee des begehrten einigen Deutschlands ins Leben einzuführen, und welchem, als dem auserlesensten der Monarchen, ich wüßte nicht was zur Last gelegt werden könnte, wenn nicht etwa, wes manche der Wohlgesinnten ihn zeihen wollen, daß er zu großmüthig und zu gütig sei, oder, was freilich nur der Teufel ihm zur Last legt, daß er sich nicht dazu zu verstehen vermag, mit den Schlechten der Zeit gemeinschaftliche Sache zu machen, und der Gottlosigkeit im Lande Thür und Thor zu öffnen; - ich sage: die begangene Schauerthat, man beurtheile den, der sie beging, wie man immer wolle, lüftet jedenfalls einen Schleier, und das erste Schauspiel, das sie uns enthüllt, ist entsetzlich. Wehe! nicht blos in Frankreich, auch unter uns hat sich, wenn auch, wie wir hoffen, zur Zeit noch mit beschränkterm Krater, der Abgrund der Hölle aufgethan. Und - was wollen wir sagen? - wenn es dahin bereits gediehen ist, daß selbst der Meuchelmord als Mittel zum Zweck nicht mehr verschmäht, ja zur Ehrenwaffe gestempelt wird, dann wird es dem Mörder von Anfang, dem Höllenfürsten, endlich ja gelingen müssen, seine schauerlichen blutrothen Pläne zum Ziele zu führen. Man sollte es denken; aber nein, nein! Die Greuelthat des beabsichtigten Königsmordes enthüllt uns neben dem Geheimniß der Bosheit, das unter uns sich reget, auch noch ein Weiteres. Sie hat uns ein erneuertes tatsächliches Zeugniß geben müssen, daß der alte Gott noch lebt, sein Wort feststeht, wie die ewigen Berge, und Verlaß auf Ihn sei, als auf den Hüter Israels, der nicht schläft noch schlummert, als auf den Felsen der Ewigkeit, der nicht weicht noch wankt. Das erste Wort, das bei der Nachricht von dem glücklichen Ausgange der Schreckensbegebenheit fast einem Jeden entfuhr, wie lautete es? „Das ist ein Wunder!“ O Brüder, traut diesem ersten Eindruck, traut diesem unwillkürlichen Schrei eures innern Menschen: denn er ist Wahrheit! Ja, ein Wunder, wie das vor etlichen Jahren, und ein noch größeres! Denkt, zwei Schritte nur, mit satanischer Besonnenheit gezielt, - und dennoch! - Ein Engel Gottes hub dem Gesalbten des Herrn im rechten Momente den Arm zum Schild für seine Brust. Freilich eine Verletzung! und wehe! eine blutige; aber, gottlob! eine leichte und ungefährliche. Es dürfte sich in Zukunft zu Tage stellen, daß auch sie, durch welche die Weiterfahrt des Königs verhindert wurde, in Gemäßheit eines göttlichen Gnadenraths erfolgte; und die Narbe an dem königlichen Arm 'wird dann noch als ein besonderes Denkmal göttlicher Gnadenobhut uns erscheinen. O, wie so buchstäblich und bis aufs Jota hat das Verheißungswort unseres Psalms an unserm Könige sich erfüllt! Er sitzt unter dem Schirm des Höchsten und übernachtet unter dem Schatten des Allmächtigen. Er sprach und spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe. Und nicht mit Worten nur, mit der That seines Lebens hat er es je und je gesprochen. Wie unbefangen, arglos und vertrauensvoll ging er überall und jederzeit unter seinem Volke umher, und wie entschieden wies er jede Zumuthung, sich, gleich anderen Fürsten, mit Wachen zu umgeben, von sich ab! Das machte: er wußte sich unter den Vateraugen Gottes, an des Herrn Hand und unter den Fittigen seiner leitenden und beschirmenden Liebe. „Die aber auf den Herrn harren“, sagt die Schrift, „deren Angesicht wird nicht zu Schanden werden.“ Der Herr hat ihn „errettet vom Stricke des Jägers und von der Pestilenz der Bosheit, und ihn gedeckt mit seinen Fittigen, und des Königes Zuversicht war unter seinen Flügeln. Gottes Treue war ihm Schirm und Schild, und bleibt's ihm, daß er nicht erschrecken müsse vor dem Grauen der Nacht, noch vor den Pfeilen, die des Tages stiegen.“ Und er ist nicht erschrocken und er erschrickt nicht. Mit jener Ruhe, welche nur ein gutes Gewissen und die aufrichtigste Gottergebenheit verleihen können, ging er aus dem Mordanfall hervor, fuhr er, den verwundeten Arm auf die treue Gefährtin seines Lebens gelehnt, nach seinem Schlosse zurück, und schlummerte die ganze Nacht hindurch sanft, wie ein Kind. Das ist der Schlaf der Gerechten, von welchem David singt: „Hier liege und schlafe ganz mit Frieden, denn du Herr schaffest, daß ich sicher wohne.“ Ja, Brüder, es waltet ein lebendiger Gott auf Erden, und dieser Gott ist mit denen, die auf ihn trauen und seinen Namen fürchten, und Er ist mit unserem Könige, und wird fürder mit ihm sein. Seht, auch dies hat uns die Schreckensthat aufs Neue entschleiern müssen, und diese neubesiegelte Thatsache ist uns ein köstlicher dankenswerther Schatz, der durch Gottes Gnade aus dem gräßlichsten Ereigniß uns erwachsen mußte.

Und wie Manches sonst noch hat die Unthat uns enthüllt. Sie hat einen wohlthuenden Blick in die innige Liebe uns eröffnet, durch deren zarte Bande die Glieder der königlichen Familie unter sich verbunden sind. O, diese Thränen, die so reichlich von ihren Augen strömten, wohl hatten sie lieblicheren Glanz, als die Edelsteine in den Diademen um ihre Stirnen. Es hat die Schauerthat an der allgemeinen Entrüstung, die sie weit und breit hervorrief, uns ein Zeichen gegeben, daß doch das sittliche Bewußtsein in unserm Volke noch lange nicht erstorben und verrottet sei. Sie hat überdies einmal wieder, wie theilweise schon zu Tage liegt, und die nächste Zukunft es noch weiter zeigen wird, Millionen zu Kundgebungen der begeistertsten Anhänglichkeit an den König und sein königliches Haus Raum gemacht; und wenn auch neben den Angesichtern, in denen nur heilige Entrüstung und dankbare Freude über die dem Könige widerfahrene göttliche Gnadenhut sich spiegelten, hin und wieder in diesen Tagen auch Mienen anderer Art zum Vorschein kamen, so haben diejenigen, die sie trugen, nur sich selbst dadurch gerichtet, und sich selbst gezeichnet für Den, der in der Höhe wohnet, und den Widerwärtigen ein verzehrend Feuer ist.

II.

Aber nicht mit Enthüllungen nur steht sie vor uns die Schreckensthat; auch mit ernstem Mahn- und Wächterrufe dringt sie auf uns ein. Und wozu ruft sie? Zuerst, Geliebte, zur Buße, zur Buße! Oder ist euch nicht, als wäre die Schuld des einzelnen Frevlers in einem gewissen Maaße wenigstens die Gemeinschuld unser Aller? Euer Gewissen müßte schlafen, wenn euch nicht so wäre. Sagt doch, wenn die moralische Atmosphäre unter uns eine mächtigere gewesen wäre, und vermöge ihrer stillen Gewalt dem Mörder unabweisbar das Bewußtsein aufgezwungen hätte, daß sich sein Bubenstück nur aus den Abscheu und das Verdammungsurtheil Aller, auf nichts weniger aber, als aus Beschönigung oder gar auf Sympathien Rechnung zu machen habe, würde er gewagt haben, was er wagte? Ich bezweifle es. Und hätten wir von vorneherein entschlossen und rührig uns geeint, um mit allen Mitteln, welche die Wahrheit und die Liebe uns zu Gebote stellen, die mit vollen Händen unter uns ausgestreute Schirlingssaat der Lüge, aus der jener Frevel als schauerliche Höllenblüthe aufgesprossen, schon im Keime zu ersticken, hätte jene sich entfalten können? Gewiß nicht. Ja, mitschuldig erkläre sich nur Alles, Alles: Die Regierungen, daß sie nicht kräftiger im Namen Gottes die Zügel ihres Regiments führten; die Oberen der Kirche, daß sie nicht energischer und thatkräftiger in der göttlichen Waffenrüstung den Mächten der Finsterniß die Brust entgegen warfen; die Geistlichkeit, - ich stehe nicht an, mich zuerst dem Zöllner in des Tempels Winkel anzuschließen, - daß sie nicht treu und eifrig genug um den Schaden Josephs sich gekümmert; die Obrigkeiten dieser Stadt, daß sie vielleicht nicht sorgsam genug gewacht, oder nicht immer den Ehrfurcht gebietenden Einfluß einer unwandelbar sich gleichbleibenden gegenwirkenden Haltung jeder der göttlichen Ordnung widerstrebenden Richtung der Zeit gegenüber, geltend machten; die Richter, daß sie durch leichtfertige Urteilssprüche vielfach das Verbrechen, wo nicht heilig sprachen, so doch in den Augen der Frevler zu einer Bagatelle stempelten und die Gewissen beirrten; die sogenannten guten Bürger, die Freunde der Ordnung, daß sie nicht furchtlos und thätig genug der Fahne des Abgrunds gegenüber diejenige der Sache Gottes der Sittlichkeit und des Rechts entfalteten. Ja wer ist, der heute nicht im Sack und in der Asche sitzen müßte? Es schlage Jeder an seine Brust! - Königsblut, von Mörderhand vergossen, haftet an unserm Berliner Boden! Diesen Fleck, der unsrer Stadt einen grauenvollen Stempel aufdrückt, und um Gericht und Rache schreit gen Himmel, was wäscht ihn weg? Nicht unser ohnmächtiges Bedauern; nicht auch unsere Bestürzung und Entrüstung; nicht einmal das Blut des Unglückseligen, der dasjenige des Gesalbten des Herrn vergoß, sondern einzig und allein Christi, des Lammes Gottes Blut, das aber seine sühnende, reinigende und Gnade erwirkende Macht nur da beweiset, wo Thränen aufrichtiger Buße stießen. O so gebe denn Gott uns Allen solche Thränen!

Wie zur Buße, so ruft das Ereigniß zu lautem freudigem Danke uns auf zu Gott, dem gnadenreichen und allwaltenden, der das theure Leben unseres geliebten Königs so wunderbar uns beschirmt, und in dessen geheiligter Person, ach, was Alles uns gerettet hat! Wäre das Bubenstück gelungen, großer Gott! ich mag daran nicht denken, was aus uns geworden wäre. Nein, wir säßen dann so friedlich nicht beisammen, wie gegenwärtig, und das Geläute in unsern Thürmen am heutigen Morgen würde etwas anderes wohl bedeutet haben, als den Beginn unsrer stillen Gottesdienste. Ja, wir sind aus dem Mordanfalle unversehrt hervorgegangen, Wir haben ein Wunder göttlicher Behütung erfahren. Dank, Dank dem Herrn! - Wahrer Dank aber, ihr wißt es, bleibt nicht in Gefühl und Worten haften, sondern verkörpert sich zur That. „Auf euren Posten!“ ruft das Ereigniß dem bessern Theile unsers Volkes zu. „Aufgewacht vom Schlaf der Sicherheit!“ ruft's, „denn ihr sehet, von welchem Lager ihr umgeben seid! „Schließt“, ruft es, „dichter eure Reihen!“ „Schaart enger euch und fester um den König, den Vertreter der Ordnungen Gottes in unserm Vaterlande! „Verdoppelt“, ruft es, „wie eure Wachsamkeit, so eure Thätigkeit! Führt, ein Jeder in seinem Kreise, die Verblendeten liebevoll zurück; den Gottlosen imponirt, die Frevler bindet moralisch, wie durch die Entschlossenheit eurer Zeugnisse, so durch das Ganze eurer männlich festen sittlichen Haltung!“ So ruft das Ereigniß, und fürwahr, theure Brüder, wenn es je gegolten, für die Wahrung und Erhaltung der höchsten und unveräußerlichsten Güter der menschlichen Gesellschaft in Staat, Kirche und Familie, den Schild zu erheben, alle Kräfte des Gedankens, des Wortes und der That in Bewegung zu setzen, und selbst das Opfer des eigenen Lebens nicht für zu groß zu achten, um, wenn es gefordert würde, es freudig darzubringen, dann gegenwärtig: denn jene Güter, so wahr der Herr lebt, sind schwer bedroht. – Gebe denn Gott, daß die Besseren im Volke, die ja wahrhaftig noch die Mehrzahl bilden, endlich, endlich sich von ihrer Lethargie ermannen, und als eine festgeschlossene Phalanx, als eine blitzende Legion im Harnisch des Glaubens an den unausbleiblichen Sieg der guten Sache, mit offnem Visire kühn und muthig den hellen Haufen der Umsturzfraktionen entgegentreten. Gebe es Gott in Gnaden, oder - - -

Doch wir wollen hoffen, hoffen! Gott hat sein Gnadenauge noch nicht von uns abgewandt; deß sind wir ja aufs Neue inne worden. O hören wir seinen Zuruf: „So ihr euch von ganzem Herzen zu mir bekehret, so will ich euch erretten und euer Gott sein!“ Geben wir Ihm, dem Ewigtreuen, rückhaltlos uns hin. Nehmen wir mit ganzer Entschiedenheit für ihn und für seine Sache Partei: denn es ist Zeit, daß wir den Standpunkt der Neutralität verlassen, und das Wort des heiligen Sängers zu dem unsern machen: „Ich schwöre, daß ich die Rechte deiner Gerechtigkeit halten werde.“ Es gilt auch unsrerseits die Schließung eines „Todtenbundes“, d.h. es gilt, daß auch wir uns vor Gott die Hand darauf geben, lieber, wenn es sein muß, die blutgenetzte Märtyrerkrone hinzunehmen, als die Schmach auf uns laden zu wollen, durch unsere glaubenslose Feigheit Kinder und Kindeskinder in eine Barbarei hineingeschickt zu haben, wie sie grauenvoller nie auf Erden hausete. - Weihen wir mit Leib und Seele uns ganz dem Herrn, und in dem Herrn dem Dienste der heilenden, helfenden, entzaubernden und zurechtweisenden Liebe für unsre in Irrthum verstrickten Brüder nah und fern! O, dann wird das verheißungsreiche Psalmwort, das, neu besiegelt, von der Krone unseres geliebten Königes uns so hell entgegenblitzt, auch uns zu Gute kommen. Auch wir „sitzen dann unter dem Schatten des Allmächtigen.“ Auch wir sprechen zu dem Herrn: „Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe!“ - Auch über uns breiten dann „Seine Fittige sich aus, und auch unsre Zuversicht ist unter Seinen Flügeln“; - und auch auf unsere Stadt und unseres Landes Pforte schreibt Sein Finger dann die aller Sorgen uns überhebende Inschrift: „Ich will eine feurige Mauer umher sein, und will darinnen sein, und will mich herrlich darin erzeigen!“

Ja, also geschehe es! Amen.

Herr, Herr Gott, du bist groß, und dein Name ist groß, und Du kannst es mit der That beweisen, der du den Bogen der Starken zerbrichst, und zertrittst die Brut der Ottern, die im Finstern schleichet; der du die Seelen deiner Heiligen bewahrst, und errettest sie vom Stricke der Gottlosen. Nein, deine Hand- ist nicht verkürzt, daß sie nicht erlösen konnte. Wir haben einen Gott, der da hilft, und einen Herrn, Herrn, der vom Tode errettet. - Wir durften's aufs Neue mit Augen sehen, mit Händen greifen. - Dank, tausend Dank Dir, Hüter Israels, der du nicht schläfst noch schlummerst, für das Wunder gnadenreicher Bewahrung, durch welches du aufs Neue an unserm geliebten Könige, deinem Knecht, und in ihm an uns Allen, Allen Dich verherrlicht hast. Siehe, der als Bekenner deines Namens und deines Wortes dastand, nun hast du ihn auch gesetzt zum lebendigen Zeugen für dieses Wortes ewige Wahrheit. - Wie ist Ja und. Amen an ihm geworden, was Du verheißen hast denen, die aus Dich trauen! - Fürwahr, wer zu Dir spricht: „Meine Zuversicht, meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe“, den deckest du mit deinen Fittigen, daß er nicht erschrecken müsse weder vor dem Grauen der Nacht, noch vor den Pfeilen, die des Tages fliegen. Wir haben es mit unsern Augen gesehen, und unsre Seele singt dir Halleluja.

Lob Dir, Preis und Ehre, Herr unser Gott, wie für des Königes herrliche Beschirmung, so für die mütterliche Fürsorglichkeit und Treue, womit Du die geliebte Königin, das zarte Gefäß, cm dem Schmerzenstage und bisher aufrecht gehalten, gestärkt, gehoben, und tröstend an Dein Herz genommen hast. Ach daß sie, die ihre höchste Freude im Segnen findet und Beglücken, diese thränenreichen Wege wandeln muß! Aber Du zählest ihre Zähren, und fassest sie in deinen Schlauch; und einst verklärst Du sie zu unvergänglichen Edelsteinen in ihrer Himmelskrone; denn sie wurden vor Dir, sie wurden in Deinen Schooß geweint. O gehe hin, und erquicke die hohe Betrübte mächtiglich, und richte sie auf mit der Zuversicht, daß Du auch zu unserm Könige gesprochen habest: Aus sechs Trübsalen will ich Dich erretten, und in der siebenten wird Dich kein Uebel rühren.

Herr, laß Dir gefallen das Stammeln des Dankes, das in millionenstimmigem Chore heute zu Dir emporsteigt, und erhöre die tausende und aber tausende von brünstigen Fürbitten, womit die Treuen im Lande an diesem Tage Deinen Thron bestürmen. - Verleihe, daß an dieses Festes Feier eine neue Aera feuriger Liebe wie zum Vaterlande, so zum Könige und seinem Hause sich knüpfe, und daß Alles sich erhebe wie ein Mann für einen König, dessen Feinde Deine Feinde sind; denn wie würden sie wider ihn sein, wenn sie wider Dich nicht wären? - Du hast zu ihm gesprochen, wie zu David einst, dem Manne nach Deinem Herzen: „Ich bin mit dir gewesen und habe deine Feinde niedergeworfen vor dir her, und dir einen Namen gemacht, wie die Großen auf Erden Namen haben“. O, Du lassest ihm auch gelten, was in Deinem Auftrag Abigail dem Sohne des Bethlehemiters zurief: „Wenn sich ein Mensch erheben wird, dich zu verfolgen, und nach deiner Seele- stehet, so wird deine Seele eingebunden sein im Bündlein der Lebendigen bei dem Herrn, deinem Gott. Aber die Seelen deiner Feinde wird er schleudern in der Schleuderschaale“. - Ja, Du wirst ihn auch fernerhin behüten wie Deinen Augapfel, und ihn bald wieder von seinen Wunden genesen auf den Plan stellen, und Ströme des Segens durch ihn über das Land verbreiten. Deß sind wir in guter Zuversicht, und preisen im voraus für Alles Deinen heiligen Namen! -

Ach möchte Dir's gefallen, auch in Gnaden des Unglückseligen zu gedenken, der seine Hand gegen Deinen Gesalbten zu bewaffnen sich erfrechte! Oeffne ihm die Augen, daß er in seiner Frevelthat den Angriff auf Deine eigene Allerhöchste Majestät erkenne, und gieb ihm Gnade zur Buße, auf daß, ob auch sein Leib der Gerechtigkeit verfalle, seine unsterbliche Seele errettet werde. Dein Blut, o .Jesu Christe, wäscht auch von solchen Flecken rein. Auch ein Manasse, auch ein Schacher tragen in dem Jerusalem da droben die Himmelskrone. O, unter ihnen sei einst auch er, als ein ewiges laut redendes Denkmal Deiner unausforschlichen Barmherzigkeit. - Erhöre uns, erhöre uns! -

Uns selbst aber bewahre vor dem Argen! Sammle uns um Dich, wie eine Henne ihre Küchlein sammelt unter ihre Flügel. Zeuch uns Deine Waffenrüstung an zum Kampfe wider die finsteren Gewalten, die uns umtoben, und gieb, daß Keiner unter uns sei, der nicht einst mit Deinem Apostel rühmen dürfte: „Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten. Hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der Herr an jenem Tage, der gerechte Richter, geben wird.“ Amen. -

Quelle: Einzeldruck, Berlin 1850, Justus Albert Wohlgemuth

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