Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Predigt über Ebräer Cap. 1, Vers 7-9.

Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Predigt über Ebräer Cap. 1, Vers 7-9.

Gesang vor der Predigt:

Psalm 103, Vers 9-11.

Von Ewigkeit zu Ewigkeit wird währen
Die Huld des Herrn für Alle, die ihn ehren,
Und seine Gnad auf Kindeskinder ruh‘n.
Sein ewig Heil wird über Alle walten,
Die seinen Bund, sein göttlich Zeugniß halten,
Und was er will, von ganzem Herzen thun.

Auf seinem Thron, im Himmel festgestellet,
Sitzt er, der Herr, und herrscht, wie's ihm gefället,
Ihr Himmel, Erd‘ und Meer, die er erschuf,
Lobt, lobt den Herrn; ihr Engel, starke Helden,
Ihr könnt den Ruhm von eurem Gott vermelden,
Verkläret ihn nach eurem hohen Ruf.

Lobt, lobt den Herrn, ihr seine lichten Heere!
Ihr dienet ihm, auch euch ist's Ruhm und Ehre,
Wenn ihr, wie's ziemt, stets seinen Willen thut.
Lobsingt dem Herrn, ihr alle seine Werke,
So weit er herrscht, erhebet seine Stärke;
Und du, mein Geist, erheb dein höchstes Gut!

Zwischen-Gesang:

Psalm 89, Vers 15.

Ich schwur ja selber einst bei meiner Heiligkeit;
Und ich bin, der ich bin, halt David meinen Eid.
Sein Same soll vor mir in Ewigkeit bestehen,
Und ich will seinen Thron der Sonne gleich erhöhen.
Dies Licht soll euch des Tags, der Mond des Nachts euch lehren,
Daß meine Treue währt, so lang sie beide währen.

„Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als eines Eingebornen von dem Vater“; so bezeuget der Apostel Johannes von Christo, dem Worte, welches Fleisch ward und unter uns voller Gnade und Wahrheit sein Zelt hatte.

War seine Herrlichkeit damals so groß, da er einherging ein Wurm und kein Mann, eine Schmach der Leute und eine Verachtung des Volkes; wohnete er damals unter uns voller Gnade und Wahrheit, da alle Welt ihn für gnadenlos und für einen Verführer des Volkes hielt: wie herrlich ist seine jetzige Herrlichkeit! mit welcher Gnade, Macht und Majestät muß er jetzt bei seinem Volke sein, den Gnadenleeren von seinen Lippen Gnade zuströmen zu lassen, und es darzustellen, daß aller um Wahrheit Bekümmerten und Angefochtenen Werk in Wahrheit, daß ihre Arbeit gewiß sei, nachdem er nunmehr von Gott erhöhet ist zu seiner Gemeine Herr und König, Mittler und Vertreter!

Um uns Solches recht begreiflich zu machen, auf daß wir doch ja glauben, daß wir in Christo Alles haben, was zu unserer Seligkeit und Heil vonnöthen ist, sehen wir nunmehr die Feder eines fertigen Schreibers Worte auf's Papier und in die Herzen werfen, welche sind wie der Strom, worin sich Ezechiel badete: - der Strom ging immer höher, so daß er zuletzt nicht mehr drin stehen und das Wasser nicht mehr gründen konnte.

Nachdem der heilige Geist den Apostel den sieben und neunzigsten Psalm hatte aufschlagen lassen, und er mit den Worten: „Es sollen ihn alle Engel Gottes anbeten“ vor seinem Glauben her alle Höhe, welche sich erhebt oder erheben wird wider Christum, niedergeworfen sah oder in den Gewissen Aller niederwarf: da mußten ihm die Worte auffallen aus demselben Psalm: „Zion höret es und ist froh, und die Töchter Juda sind fröhlich über deinem Regiment“.

Von diesem Regiment (denn das Wort „Gericht“, welches wir hier im Ebräischen lesen, ist durch Luther, ganz nach der Meinung des Geistes, durch „Regiment“ übersetzt) theilt der Apostel den Ebräern, theilt er auch uns Allen mit, was das Herz muß froh machen über dem Regieren unseres allmächtigen Heilandes.

Text: Ebräer Cap. 1, Vers 7-9.
Von den Engeln spricht er zwar: Er macht seine Engel Geister und seine Diener Feuerflammen; aber von dem Sohne: Gott, dein Stuhl währet von Ewigkeit zu Ewigkeit. Das Scepter deines Reiches ist ein richtiges Scepter. Du hast geliebet die Gerechtigkeit und gehasset die Ungerechtigkeit; darum hat dich, o Gott, gesalbet dein Gott, mit dem Oel der Freuden, über deine Genossen.

Der geistliche Mensch, der Alles geistlich betrachtet und versteht, wenn er die Berge des Fleisches gewichen, die dunkeln Hügel hingefallen steht, und die volle Sonne der Gerechtigkeit erblickt, seinen König, den König der Ehre; - wenn er vor diesem hingefallen sieht Alles, was Fleisch und Blut, was eine ganze Welt für hoch und herrlich hält: - die Götter alle, welchen Namen sie auch tragen, die Engel Gottes alle, wie mächtig sie auch sein mögen, kann er da anders, beim Anschauen solcher Herrlichkeit seines Königes Christi, in welchem er all sein Heil und ewige Errettung gefunden, als auf den hundertdritten Psalm geführt werden? Muß er da nicht anheben mit David und der ganzen erlösten Gemeine zu sprechen: „Lobe den Herrn meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen. Lobe den Herrn meine Seele und vergiß nicht, was er dir Gutes gethan hat; der dir alle deine Sünden vergibet und heilet alle deine Gebrechen; der dein Leben vom Verderben erlöset, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit“? Wahrlich, bei dem Anblick der Herrlichkeit seines Königes Jesu sieht er in sich selbst nichts als Sünden und Missethat, nichts als Eitelkeit und Nichtigkeit: dagegen in dem Herrn seine Gerechtigkeit, eine solche Allgenugsamkeit, Fülle und Bereitwilligkeit ihm zu helfen, und schmeckt durch ihn eine solche Gewißheit seiner Seligkeit, daß er des Herrn Barmherzigkeit, Geduld, Erbarmung, Gnade und Gerechtigkeit nicht genug bewundern kann! Alles, was lebt und geschaffen ist, muß mit ihm diesen Herrn preisen; darum heißt es auch in dem 20. Verse dieses Psalmes: „Lobet den Herrn, ihr seine Engel, ihr starken Helden, die ihr seinen Befehl ausrichtet, daß man höre die Stimme seines Wortes“. Da bleibt man aber nicht bei dem hundert dritten Psalme stehen, man muß weiter lesen.

Der Begnadete findet nicht allein in seinem Herrn, was zu seiner Seligkeit nach diesem Leben ihm vonnöthen ist: er sieht auch alles Heil in ihm für dieses Leben. Soll er nunmehr noch Hülfe suchen in Nebenmittlern, noch suchen bei Engeln, Heiligen oder Werk eigner Hände? - Das Reich der Natur ist nicht weniger des Herrn Reich, als das Reich der Gnade, es ist alles Ein Reich, des Königes Jesu Reich - und wird dermaßen regiert, daß alle Gerechte des Herrn (gehe es ihnen dem Anschein nach auch noch so schlecht) es ewig gut haben müssen, hier gut, jenseits gut. Und so denn lesen wir, die da glauben, den darauf folgenden hundert vierten Psalm.

Die ganze Schöpfung liegt vor uns offen, daß sie uns ein Buch sei, worin wir die ewige Gnade und Treue des Herrn unter lebendiger Erfahrung lesen können. Der Herr schafft Alles, der Herr thut Alles, er thut es allein, er hilft seinen Elenden herrlich. Alles ist ihrer: Gott, Christus, Himmel, Erde, auch die Engel. So hat Gott die Seinen wiederum geschaffen in Christo. Und soll man es nun noch bei den Werken der Selbstheiligung, bei Heiligen oder im Dienste der Engel suchen, wie es die Pharisäer machten, welche mehr Werth auf Eingebung der Engel oder der Geister, als auf die Eingebung des heiligen Geistes legten, indem sie sprachen: „Hat ein Geist oder ein Engel mit ihm geredet, so können wir mit Gott nicht streiten“?

So heißt es in dem Himmel, so heißt es aus dem hundertvierten Psalm, indem der Vater auf den Sohn sieht, daß die Gemeine in dem Sohne lediglich durch den Glauben ewiges Leben habe, zu den Engeln: Er macht seine Engel Geister und seine Diener Feuerflammen. Soll ich es bei den Strahlen suchen, was das ewige Licht schafft und thut? soll ich die Flamme für das Feuer halten und den Wagen anbeten statt des Königes, der auf diesem Wagen fährt? Träger sind die Engel der Herrlichkeit Gottes; die Wagen sind sie, auf welchen er einherfährt, dem zu Hülfe, der im Staube liegt, zu Hülfe seiner erwählten Gemeine. Darum heißt es in dem acht und sechzigsten Psalme: „Der Wagen Gottes ist viel tausend mal tausend“; und in dem achtzehnten Psalm: „Wenn mir angst ist, so rufe ich den Herrn an, und schreie zu meinem Gott, so erhört er meine Stimme von seinem heiligen Tempel, und mein Geschrei kommt vor ihn zu seinen Ohren. Die Erde bebete - und ward beweget - der Herr fuhr auf dem Cherub und flog daher, - er schoß seine Strahlen und zerstreuete sie, er ließ sehr blitzen und schreckte sie. - Er errettete mich von meinen starken Feinden“. Ja, wie oft lesen wir dieses, namentlich in den Psalmen, daß der Herr schwebet ans den Fittigen des Windes, daß er seine Engel zu Geister, oder gleich als zu mächtigen unwiderstehlichen Winden macht, auf welchen er den Elenden Trost entgegenhaucht und überraschend wie ein Wunder, ja als Leben aus Todten, Hülfe und Errettung für sie darstellt. Und denket nun, meine Geliebten, ganz besonders an das Gesicht, welches Ezechiel am Flusse Chebar sah, an die Cherubim oder Thiere und an die Räder, welche sich bewegten nach dem Hauche Gottes; auch diese waren wie ein Wagen, worauf die Herrlichkeit Jesu einherfuhr, und feurige Kohlen waren zwischen den Rädern. Der Herr macht die Engel zu seinen Wagen, daß er darauf komme einhergefahren den Seinen zur Hülfe in Noth und Tod, und sich ihnen, wo sie umkommen, schnell offenbare, so wie er ist, voller Gnade und Wahrheit. Der Herr macht seine Diener, die in Myriaden um seinen Thron stehen, zu Feuerflammen, zu Blitzen, und da ist das Rauschen ihrer Flügel wie große Wasser, und wie ein Getöne des Allmächtigen. So umleuchteten sie den Sinai seiner Heiligkeit; so waren sie in dem Busche, wo Moses hineinging; so machte der Herr sie zu einem großen, starken Wind, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach vor dem Herrn her und ein Erdbeben verursachte; so zu einem Feuer, zu einem Feuer wie es Elia sah, worin Er aber nicht war, zu einem Feuer wie es mehreremale seine Feinde und die sich gegen ihn aufmachten, zerfraß; und bald wiederum machte er sie zu einer Wolken- und Feuersäule, in welcher Er war, sein Volk zu leiten durch das rothe Meer und durch die Wüste in das Land der Verheißung.

Das sind die Engel, das sind seine Boten, dazu macht sie der Herr, und so stehen sie um Gottes Stuhl, schauen nach dem Angesichte des Vaters, daß, wo ein Elender ruft, sie nach seinem Geheiß sich herbei machen. Blitze und Feuerflammen sind sie, die Feinde zu zerhauen, und alles Zeug, das wider die Erwählten bereitet wird, zu zerstören - und dem Volke Licht zu machen, wo Alles in Aegypten in Finsterniß liegt; - Winde und ein Wolkenwagen, worauf der König herabfährt in das Haus und Herz seiner Braut und sie schauen läßt in ihrem Elende seine ihr erworbene Herrlichkeit.

So haben die Engel Gottes Tag und Nacht weder Ruhe noch Rast, und würden weder Zeit noch Ohren dazu haben, eine einzige Klage von uns zu vernehmen, auch können sie unser Elend und Verlorenheit nicht fühlen, nicht ergründen: aber sie haben Gott nach den Augen zu sehen und auf seine Befehle zu warten, dafür stehen sie beständig um den Stuhl des Herrn, wie sie vorzeiten in der Stiftshütte und in dem Tempel an dem Gnadenstuhl in einem Bilde standen. Und sie begehren, hinüberbückend hineinzuschauen in die Lade des Bundes, in die Seligkeit, welche uns der Herr in sich bereit hält; aber diese Seligkeit schmecken wie wir, das können sie nicht. Dagegen heißt es zu dem Sohne: Gott, dein Stuhl währet von Ewigkeit zu Ewigkeit. Solches sprach David zu Christo, seinem und unserm Könige, in dem fünf und vierzigsten Psalm; Solches spricht Gott der Vater zu Gott dem Sohne. Er gibt ihm seinem Namen wieder, nachdem der Sohn es nicht für einen Raub geachtet, Gotte gleich zu sein, sondern Knechtsgestalt angenommen hat, und erfunden ist wie Mensch, und ist gehorsam gewesen bis zum Tode hin am Kreuze, und hat sein wollen des Menschen Sohn: da begrüßt ihn der Vater, nachdem er ihn zu unserm Mittler erhöhet hat, mit dem Namen, den Er selbst trägt, daß er sein soll seiner erlösten Gemeine Gott und König. So soll er denn nun nicht stehen und dienen, wie die Engel, sondern - nach der harten Arbeit seiner Seele - ruhen von seinen Werken, und als des Menschen Sohn, als der zweite Adam, als der erhöhte Mittler Gott sein, heißen und bleiben, gleichwie der Vater Gott ist; daß alle Engel Gottes ihn anbeten, und soll alle Gewalt in seiner Hand haben, denen, welche auf Erden sind und welche er sich nicht schämt seine Brüder zu heißen, die erworbene Gerechtigkeit und Gnade zu Theil werden zu lassen, ihnen zu Theil werden zu lassen allerlei Heil und Durchhülfe, dazu die Seligkeit ihrer Seelen. Darum sollen wir unser Heil und Seligkeit nie und nimmer suchen bei den Geschöpfen, oder bei Dingen, welche wir nie an Ort und Stelle finden, wenn es uns Noth thut, sondern lediglich in und bei unserm erhöhten Mittler, welchen der Vater Gott heißt, um unser Zutrauen zu erwecken, er habe von dem Vater Macht und Willen, uns von Allem zu erretten, unsere Sünden zu bedecken und uns die ganze Herrlichkeit seiner Liebe, Gnade und Treue zu uns aus seinen Wundenmaalen zu zeigen mit dem Zuruf: Sei nicht länger ungläubig, sondern gläubig! Selig sind die nicht sehen aber glauben.

Das ist nun ein Name, welchen der Mensch Christus Jesus ererbet hat, welcher noch höher steigt als der Name Sohn. Noch nie haben der Vater oder der Geist einen einzigen Engel mit dem Namen Gott angeredet, und hier heißt es nicht: Eure Stühle, o Götter, oder o Engel, währen von Ewigkeit zu Ewigkeit, sondern: dein Stuhl, o Gott! So gebe ich denn freudig dran alle Heilige, alle Engel, auch alle Werke, und indem ich mit Thomas ausrufe: O, Herr mein, und o, Gott mein! bitte ich nicht die, und versuche ich's nicht mit denen, die um seinen Stuhl stehen, sondern trete hinzu zu seinem Stuhl.

Wie soll ich Euch diesen Stuhl beschreiben, meine Geliebten? Sein Stuhl ist ein Gnadenstuhl. Soll ich die bildliche Sprache abthun, so ist sein Stuhl seine Gnade. Daß er darauf sitzet, bedeutet: daß er in dieser Gnade, wie er sie für seine Gemeine erworben, ruht und beruht. Und wenn es heißt: dein Stuhl währet von Ewigkeit zu Ewigkeit, so will das sagen: daß diese seine Gnade, welche er seiner Gemeine erworben hat und in welcher er ruht und beruht, eine nie aufhörende, eine ewige Gnade ist, welche nie und nimmer von seiner Gemeine genommen wird.

Solches prediget der Apostel hier mit Fleiß, auf daß wir doch ja bei unserm Könige und Gott allein Gnade suchen gegen alle unsere Sünden, von ihm allein alle Gnade erwarten gegen jegliche Missethat und Noth, - und uns bei allen unsern Schwachheiten, Elend und Noth, solcher Gnade für's Heutige wie für's Zukünftige anbefehlen und anvertrauen, weil sie eine ewige Gnade ist; - daß wir also nichts als Gnade bei ihm suchen, auch glauben, daß wir solche bei ihm auch finden werden für Alles und gegen Alles, und also uns durch nichts von seinem Stuhle ferne halten lassen, um es hier und dort, oder durch Nebenmittler zu suchen, was er allein geben kann und geben will; daß wir auch solche Gnade nicht fahren lassen, wenn wir sie geschmeckt haben, nicht etwas nebenbei suchen, sondern uns rein zu solcher Gnade halten, als zu einer zuverlässigen und ewigen Gnade.

Gnade ertheilen, Sünden von Einem abnehmen und sie selbst auf sich nehmen, sie also vergeben: das kann kein Engel, das können keine Heilige, das bringen wir mit allen unsern Werken nicht zu Stande; und in Gnade beruhen und ruhen, daß heute und morgen und in Ewigkeit Gnade Gnade bleibe, Gnade herrsche, und so denn immerdar nur Sünden wegnehmen und Alles tragen, Alles allein darstellen: das wäre allen Heiligen, allen Engeln zu viel, das wäre aller Gerechtigkeit der Werke ein Abscheu und Greuel; das kann allein der einzige Mensch in Gnaden, der Mensch Christus Jesus, welcher der Herr Gott ist. Nur der kann als Gott und als erhöhter Mittler das Wort behaupten: „Meine Gnade soll nicht von dir weichen. Jedwedem, dem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig“; nur der kann den Nicht-wirkenden, aber Glaubenden seinen Glauben zur Gerechtigkeit rechnen. Kein Engel oder Heiliger würde es wagen, von seinen Josuas die unreinen Kleider wegzuthun, würde auch keinen Verstand davon haben, ihnen erst einen reinen Hut auf das Haupt zu fetzen, und ihnen sodann Feierkleider anzuziehen; und mit unsern todten Händen waschen wir uns nie und nimmer rein von unsern Blutschulden. Dazu hat lediglich Macht und Wille Er, zu dem es heißt: Dein Stuhl, o Gott, währet von Ewigkeit zu Ewigkeit; und so lange Er nicht spricht: „Siehe ich habe deine Verkehrtheit von dir genommen und habe dich mit Feierkleidern angezogen“, so lange behält man das böse Gewissen.

Wie aber unseres großen Gottes und Heilandes Stuhl ist, so ist auch sein Reich. Es ist kein anderes Reich, als ein Reich von Gnaden und Wegnahme von Sünde, so daß er in diesem seinem Reiche nichts anderes zu thun hat, als Nacht und Tag seine Kinder zu reinigen von Grind und Koth, von allerlei Unthieren und Aussatz, und sich auch mit nichts anderem abgeben will, als damit, von allem Unflath zu waschen und zu reinigen mit seinem köstlichen Blute alle seine lieben Unterthanen, auch stets dafür zu sorgen, daß die verrenkten Glieder wieder gerade gemacht und die strauchelnden Kniee festgesetzt werden; dazu immerdar daß unsere Nacktheit, Scham und Schande bedeckt werde und bedeckt bleibe, und daß wir prangen vor und nach in seiner Gerechtigkeit, auch aus jeder durch uns verlornen Schlacht dennoch am Ende den Sieg davon tragen in seiner Stärke, und er uns so vertrete mit seiner Weisheit, daß unser Ankläger, der uns Tag und Nacht vor Gott verklagt, dennoch verworfen wird. Dazu sollen wir es auch gut haben in diesem elenden Leben, so daß wir uns Brunnen machen, ja, durch seine Treue Brunnen geöffnet sehen mitten in der Wüste, eben dann, wenn wir meinen: hier komme ich um.

Seht, meine liebe Gemeine! ein solches Reich ist unseres Königes, Heilandes und Gottes Reich; und wie sein Reich ist, so ist auch dieses Reiches Scepter. Das Scepter deines Reiches ist ein richtiges Scepter. Dieses Scepter ist sein heiliges, gutes Wort, wovon David so viel Herrliches bezeuget in dem 19ten Psalm. Denn damit leitet und tröstet er uns, wie David abermal bezeugt: „Dein Stecken und Stab trösten mich“; und abermal: „Der Herr ist mein Hirte“. Mit seinem Hirtenscepter hält er uns auf dem grünen Grase und von aller verkehrten Nahrung ab; - und wie Ahasveros der Königin Esther, da sie meinte umzukommen, mit seinem ausgestreckten Scepter das Leben gab und ihr seine Huld schenkte, so ertheilt er auch mit seinem Scepter Leben und Gnade - denen, die sagen: „Komme ich um, so komme ich um!“ und sich so zu ihm aufmachen.

Daß nun dieses Scepter ein richtiges heißt, will sagen: daß er das Regiment nach Recht und Gerechtigkeit führt; weshalb bald darauf folgt: Du hast geliebet die Gerechtigkeit und gehasset die Ungerechtigkeit. Denn unseres Herrn Scepter ist kein Krummstab; da ist es nicht: hier ein wenig, da ein wenig; und: „nun noch Dieses, bald noch Jenes“; daß man nie weiß, woran man ist, und ihm kein Beikommen ist; sondern sein Scepter ist gradaus, wie er selbst. Seine Befehle und Worte haben nie Nebenzwecke, sondern sind aus auf Errettung der Verlornen, daß es von Herzen zu Herzen geht: „Verdammest du dich selbst und suchest du Alles bei mir, so erkläre ich dich gerecht und selig, so bist du heilig und ohne Tadel vor mir - und du wirst Alles ererben“.

Schleunige Hülfe findet man also bei solchem graden Scepter des Königreiches unseres Herrn; wer sollte sich demnach nicht lieber aufmachen zu ihm, der so grade aus ist mit seiner Hülfe, als bei den Geschöpfen es suchen, welche, falls sie helfen könnten, erst tausend Bedingungen stellen würden, davon man nicht einer völlig nachkommen kann!

Oder wird ein solcher König, dessen Reich ein Reich der Gnaden und der Sündenvergebung ist, je Einem eine abschlägige Antwort geben? Es scheine so für den Augenblick! Wem geht die Antwort von Herzen: „Ja, Herr, aber auch die Hündlein essen von den Brosamen, die von dem Tische ihrer Herren fallen“? Wem diese Antwort von Herzen geht, wird erfahren, daß er mit sechs Maaß in seinem Schooße wiederkommt. Dieser Gnadenkönig kann kein Unrecht thun. Das wird wohl stehen bleiben, was von ihm bezeuget wird: „Du hast geliebet die Gerechtigkeit und gehasset die Ungerechtigkeit.“ Darum hat er seinem Volke die Gerechtigkeit wieder hergestellt und die Ungerechtigkeit von ihnen genommen; darum heißt es von ihm in dem 72sten Psalm: „Zu seinen Zeiten wird blühen der Gerechte und großer Friede, bis daß der Mond nimmer sei. Er wird den Armen erretten, der da schreiet, und den Elenden, der keinen Helfer hat. Er wird gnädig sein den Geringen und Armen, und den Seelen der Armen wird er helfen. Er wird ihre Seelen aus dem Trug und Frevel erlösen.“ - Darum heißt es zu ihm in dem 45sten Psalm: „Ziehe einher der Wahrheit zu gute und die Elenden bei Recht zu behalten!“ Darum singt die Gemeine von ihm bei dem Propheten: „Siehe, ein König wird wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit anrichten auf Erden. Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und der Glaube (die Treue) der Gurt seiner Nieren.“ Ja, wie er die Gerechtigkeit liebet, wie er den Elenden gut ist, daß sie mit seiner Gerechtigkeit bekleidet werden; und wie er hasset die Ungerechtigkeit, daß man vor Gott was sein will, was man doch nicht ist: das sehen wir am deutlichsten zu unserm Troste daran, wie er sich aussprach gegenüber Simon, dem Pharisäer, für die berüchtigte Sünderin, welche zu seinen Füßen lag und ihrer Sünden und Unkeuschheit wegen bitterlich vor ihm weinte.

Wer von Euch, meine Geliebten! also Sünden hat; wer bekennt, daß er ein Gottloser ist und in sich den ewigen Tod fühlt, außerdem in allerlei Noth auch des Leibes steckt, und möchte von seiner Plage der Sünde erlöst und als Gottloser frei gesprochen, auch aus leiblicher Noth errettet sein; oder, wessen Glaube bestritten wird: der vernimmt es nunmehr, welch einen Mittler, großen Gott und Heiland er hat. Darum gebe er alle Nebenmittler und Nebenmittel, worin er sich Heil, Ruhe und Seligkeit, worin er Halt und Boden für sein Herz sucht, freudig dran, und glaube an s einen Herrn, Gott und Heiland, halte sich an ihm, ruft seinen Namen an, bekenne ihn als seinen Erretter trotz Sünde, Teufel, Tod, Noth und Welt, und spreche das „Dennoch“: so wird er errettet sein.

Oder sollte es vor Gott dem Vater keine Gerechtigkeit sein, daß einem Gottlosen lediglich auf den Glauben die Gerechtigkeit zugerechnet werde? Ist es etwa vor ihm nicht Gerechtigkeit, daß ein verlornes Adamskind, welches hinausseufzet: „Elender Mensch ich, wer wird mich erretten aus dem Leibe dieses Todes!“ so wie es ist, zu ihm Zutritt und Wohnung bei ihm habe? Soll der Mensch sich erst Nebenmittler dazu suchen, daß er durch Geschöpfe erst geheiliget werde? Niemand ist heilig, denn der Herr, und er heiliget, was aus Glauben Jesu ist. Ihr habt es vernommen, was für Gerechtigkeit es ist, welche der Herr liebet; nämlich: daß der Gottlose, der an ihn glaubt, durch diesen Glauben Gerechtigkeit habe in ihm. Ihr habt es vernommen, was für Ungerechtigkeit es ist, welche er hasset; nämlich: daß der Mensch durch ein anderes Mittel sucht selig und errettet zu werden als durch ihn, der allein uns von dem Vater zu unserm Christus gegeben, uns zur Weisheit gemacht ist, auf daß wir in ihm seien Gerechtigkeit sowohl als Heiligung und Erlösung. Sollte das Gott nicht gefallen, daß unser Herr so die Gerechtigkeit liebt, daß er den nackten Sünder ohne sein Verdienen mit seiner Gerechtigkeit bekleidet? Höret, was der Geist bezeuget: „Darum hat dich, o Gott, gesalbet, dein Gott, mit dem Oel der Freuden“. Ja, darum soll unser lieber Herr und Heiland Jesus unser Gott heißen, sein und bleiben, weil er uns, sein verlornes Schaf, hat aufgesucht, es auf seine Achseln hat genommen und heim getragen; darum, weil er sein Leben für uns gelassen; darum, weil er die Huren und Zöllner zu sich bekehret und in seinem Blute und Geist gerechtfertiget und geheiliget hat, ohne daß sie ein einziges Werk der Gerechtigkeit gethan haben, und hat die Gerechten, die Weisen und Verständigen verworfen. Eben in solchem Wege wurden alle Tugenden und Vollkommenheiten Gottes, die herrliche Freimacht seines Rathes unserer Seligkeit verherrlichet. Darum hat der Vater, der ihn wiederum verherrlichet und sich ihm als sein Gott erwiesen hat, da er zu ihm hinaufschrie in der Arbeit seiner Seele, seine Gerechtigkeit und Namen seinen Brüdern kund zu thun, ihn gesalbet, gesalbet mit dem Oel der Freuden; daß er es mit Freuden ausrief: „Wahrlich, ich bin voll des Geistes und der Kraft des Herrn“, es mit Freuden ausrief: „Der Geist des Herrn, Herrn, ist auf mir, denn er hat mich gesandt zu predigen ein gnädiges Jahr des Herrn, zu trösten alle Traurigen.“ Denn nachdem Gott versöhnet ist durch den Tod seines Sohnes, wird ein ewiges Fest gefeiert im Himmel, ein Fest von großer und lauter Freude Gottes. Gotte ist Genugthuung geschehen, er ist versöhnet; so ist ihm der Sünder wieder angenehm gemacht. Es ist alles Freude Gottes, daß der Rath des ewigen Wohlgefallens so herrlich durch Christum vollführt ist; der Geist ist wieder erworben, er ist da mir allen seinen Wirkungen, bereit mit aller der Freude und der Kraft, welche Frieden, Liebe, Glaube, Hoffnung, Ruhe der Seele ertheilt. Diesen Geist goß der Vater ans auf unser gesegnetes Haupt, Christum, unsern König; - und nicht mit Maß bekam er diesen Geist, sondern in aller Fülle, über seine Genosse Und weil er die Fülle hat dieses Freudengeistes, dieses Geistes des Aufspringens in Gott, weil er den Gottlosen rechtfertiget und den errettet, der keinen Helfer hat: so gilt es, zu ihm hin und nicht zu seinen Genossen, daß wir uns halten an ihm unverkümmert, unverrückt.

So spreche ein Jeglicher von Fils, meine Geliebten: Gott macht seine Engel Geister. Geister haben kein Fleisch und Blut, das habe ich aber. Gott macht seine Diener zu Feuerflammen. Feuerflammen würden mich aber verzehren, denn ich bin Fleisch, ach, fleischlich, unter die Sünde verkauft. - Und wo ich diese Seraphs, diese Feuerflammen, es ausrufen höre: Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth! da muß ich ausrufe : Wehe mir, ich vergehe! ich habe solchen heiligen Namen nicht verherrlichet, kann ihn auch nicht verherrlichen mit solchen unreinen Lippen wie ich habe.

Aber dort oben und hier auf Erden sehe ich einen Stuhl, und der drauf sitzt sieht aus wie ein Menschensohn, sieht aus wie ich, und grüßt mich holdselig, als ob ich, der ich hier in der Asche stecke und in meinem Schlamm liege, sein Bruder wäre! Ich sehe es, er hat mein Fleisch und Blut an sich, er ist desselben gänzlich theilhaftig worden, und dennoch: Gott selbst heißt ihn Gott! Ich sehe es, er ist ein im Fleische Gekommener, und dennoch, Gnade ist seine Ruhe, er regiert mit Gnaden, und daß er Gnade ertheilt, das gilt oben als Gerechtigkeit! Darum zu ihm hin, als zu dem einzigen Mittler, er kann allein erretten; - helfen macht ihm allein die ewige Freude. Nur dieser hat ein glückseliges Reich, nur dieser regiert gut. Ihm bleibe ich unterthan. Dieser König soll leben! Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/k/kohlbruegge/kohlbruegge_heb_1_4_predigt.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain