Kohlbrügge,Hermann Friedrich - Sechs Predigten vor der Eröffnung der Kriegsläufte im Jahre 1870 - Erste Predigt

Kohlbrügge,Hermann Friedrich - Sechs Predigten vor der Eröffnung der Kriegsläufte im Jahre 1870 - Erste Predigt

Laßt uns miteinander aufschlagen und andächtig lesen Ps. 33. Wir behandeln in dieser Morgenstunde aus diesem Psalm das „Wohl des Volkes, deß der Herr sein Gott ist“ in Anlehnung an den 12. Vers, der also lautet: „Wohl dem Volk, deß der Herr sein Gott ist, das Volk, das Er zum Erbe erwählet hat.“ In der Wendstunde wollen mir uns miteinander stärken und trösten an den Worten: „Von Seinem festen Throne siehet Er auf Alle, die auf Erden wohnen. Er lenket ihnen allen das Herz, Er merket auf alle ihre Werke. Einem Könige hilft nicht seine große Macht; ein Riese wird nicht errettet durch seine große Kraft. Rosse helfen auch nicht, und ihre große Stärke errettet nicht. Siehe, der Herrn Auge stehet auf die, so Ihn fürchten, die auf Seine Güte hoffen u. s. w.

In den schrecklichen blutigen Schlachten auf den Feldern Böhmen's wurden so viele unserer jungen Männer eben in dem heißesten Kampfe getröstet und gestärkt durch die einfache Frage und Antwort des Heidelberger Katechismus: „Was ist dein einiger Trost im Leben und im Sterben?“ - Sie hatten also einen wahrhaftigen Soldatenmuth in dem Glauben: „ich bin mit Leib und Seele meines Heilandes Jesu Christi.“ Außerdem hatte Dieser und Jener noch sonst irgend einen Psalm, wie z. B.: „Mit Dir kann ich durch Kriegesschaaren dringen“, aus Ps. 68. Das hielt sie aufrecht und sie erlebten Gottes Wunder. Wir sahen denn auch alle wieder; kein einziges theures Haupt fehlte, nicht ein Einziger bedenklich verwundet. Ich will nicht sagen, daß dies wieder so kommen werde; aber ich wünsche doch, euch allen diesen Muth einzuflößen: „ich bin meines Herrn Jesu, meines Herrn Jesu mit Leib und Seele!“

Was für einen Rath der Heiden sehen wir augenblicklich ins Werk setzen? Es gibt einen schrecklichen Krieg! Das, was der Herr Jesus zuvor gesagt hat von den letzten Tagen, steckt dahinter. Das protestantische Preußen kommt an die Reihe! Was haben wir, Fürsten und Völker, nun in die Wagschaale zu werfen, als Sünde, lauter Sünde, lauter Undank? Trotzdem daß der Herr in Gnaden uns Wunder hat erleben lassen vor vier Jahren, blieb es beim Alten, und es wurde noch schlimmer! Wir haben nur Sünde! Und nun, was wissen wir, wer dem Sichtbaren nach den Sieg davon tragen wird? Am Ende allemal der Herr, das nehmet zu Herzen! Ja, der Herr Jesus, der König der Könige, der Herr der Herren. Er hat sich auf daß weiße Pferd gesetzt (Offenb. 19, 11. ff.), und nun geht es los. In den Propheten heißt es: „Siehe, der Herr kommt, und alle Seine Heiligen mit Ihm,“ (so auch Judä V. 14). - Meine Theuersten! Hinter dem Herrn Jesu her! Es sei daß ihr ausziehet zur Schlacht, es sei daß ihr zu Hause bleibet: hinter dem Herrn Jesus her! Was auch die feindlichen Völker berathen, Er hat doch Alles in Seiner Hand, und sie sollen nichts Anderes zu Stande bringen, als daß sie sich untereinander vernichten, und daß die Vögel des Himmels zusammengerufen werden, um zu fressen das Fleisch der Könige und Gewaltigen. Hinter dem Herrn Jesus her! Was sind das für Heilige, mit welchen Er kommen wird? Sind es andere, als die Er geheiliget hat in Seinem Blut? Sind es andere Heilige, als Heilige durch wahrhaftigen Glauben an Ihn? Nein, durch den Glauben, das wollen wir bekennen, durch den Glauben bin ich ein lebendiges Glied Christi, durch den Glauben bin ich ein lebendiges Glied der Gemeinde, und werde es ewiglich bleiben. Also die Herzen empor! Wir haben das zuverlässige Wort: „Der Herr macht zu Nichte der Heiden Rath und wendet die Gedanken der Völker V. 10. Der Heiden Rath ist aus auf die Vernichtung Seiner Stadt, der Heiden Rath ist gerichtet auf die Vertilgung Seines Volkes, der Heiden Rath ist, daß das Wort des Herrn Jesu nicht weiter ausgebreitet werde, der Heiden Rath ist scheußliche Abgötterei, der Heiden Rath ist also, den Herrn Jesus vom Throne zu stoßen, und das Thier und die Hure darauf zu setzen! Dazu werden die Schwerter gewetzt, und der Eine bedenkt dieses, der Andere Jenes. Da wende ich nun hier mit meiner Hand das Bibelblatt um, das ist leicht; aber noch viel leichter ist es dem Herrn, das Blatt der Gedanken der Völker zu wenden; und wahrhaftig. Er wird es wenden, denn hier steht es geschrieben. Thut Er es unmittelbar durch Seine Gnade und Treue, so thut Er es doch auch wieder also mittelbar, daß Er von uns haben will, wir sollen Tag und Nacht kämpfen bis aufs Blut; nicht allein die jungen Männer, die in die Schlacht ausziehen, sondern auch die jungen Weiber und Kindlein, die zu Hause bleiben, sollen kämpfen bis auf's Blut, und ich mit euch. Gott ist ja der Armen und Elenden Helfer. Wenn ich als junger Mann ausziehe, um Weib und Kind und Heerd zu vertheidigen gegen den Feind, auf den Ruf meines gerechten Königs, dann weiß ich, daß der Herr Gott mit auf dem Wege ist, wie wir das ja so eben gesungen haben aus dem 20. Ps., dann weiß ich, daß mein Herr und Gott auch daheim bleibt bei meinem theuren jungen Weib und bei meinen Kindlein. Das Weib lege ihre Kinder dem Herrn Jesu zu Füßen, und sich selbst, und halte an um Gnade. Gott wird's machen! Er kennt ja wohl das arme schwache Herz und unsere Bedürfnisse; Er weih, daß der Mann das Weib lieb hat. und daß das Weib den Mann lieb hat. Er trennt sie, und dennoch ist es Liebe. Er ist Vater, dennoch Vater. Alles Gute haben wir aus Seiner Hand empfangen, sollten wir nun nicht auch das Böse aus Seiner Hand annehmen? Und was ist denn böse, wenn alles doch von dem Herrn Gott also väterlich gewendet wird, daß Alles zum Guten dient denen, die nach dem Vorsatz berufen sind?

Gottes Rath bleibet ewiglich. Was ist das hier für ein Rath? Das ist der heimliche Rath zur Seligkeit Seines Volkes. Dieser Rath bestehet, daß Er Sein Volk selig gemacht habe und selig mache von ihren Sünden. Sein Rath ist, daß Er Sein Volk nicht allein selig macht, sondern daß Er ihm auch gebe die Kindschaft, so daß sie Kinder Gottes genannt werden; Sein Rath ist, das Er ihnen schenke das Recht des ewigen Lebens; Sein Rath ist, daß sie erhalten Gerechtigkeit, daß sie also gerechtfertigt seien von Sünde, durch den Glauben, und erhalten die wahrhaftige Heiligung im Blute Jesu Christi und durch Seinen Geist. Dieser Rath Gottes ist ein ewiger Rath; denn vor aller Ewigkeit hat Er die Seinen auserwählt; welche Er aber auserwählt hat, Derer erbarmt Er sich in der Zeit und giebt ihnen seinen Christum. Christus hat sie auserwählt, daß sie seien Seine Schafe. Und der heil. Geist hat sie erwählt, sie zu heiligen, sie zu bewahren beim wahren Glauben und ewiglich bei ihnen zu bleiben. Denke du also an Gottes Rath, und an Seine Gedanken, die da währen für und für V. 11. Es sind Gedanken des Friedens, auch wenn ich ausziehen muß in den Krieg, auch wenn ich mein armes Weib zu Hause lassen muß, einsam und verlassen; es sind Gedanken des Friedens, auch wenn ich so zu sagen die Thüre schließen und Beruf und Werkstatt, ich weiß nicht wem, anheim geben muß. - Alles ruft dir jetzt freilich zu: Gott hat Gedanken des Zornes, und du hast Recht, wenn du sagst, das kommt von unfern Sünden, daß wir also heimgesucht werden! Aber, mein lieber junger Mann, gib es Angesichts des Feindes, vor dem Donner der Geschütze, ja sogar wo du in die Gefangenschaft gerathen solltest, dem Teufel nicht gewonnen! Bist du denn ein armer verdammungswürdiger Sünder, und bekennst es vor Gott, ich sage dir in des Herrn Namen: halte fest an dem, was du gelernt Haft: „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde!“ Gott darfst du glauben, du brauchst nicht dem Feinde zu glauben, nicht dem Teufel, noch den Trauergeistern Glauben zu schenken, sondern du darfst es glauben, was wir singen:

Der Rath des Herrn steht ewig feste:
Er bleibet, wie er ist gesinnt!
Sein Entwurf ist der allerbeste
Für uns, für Kind und Kindeskind!

Das ist Sein Rath; und damit, stärke dich. Tröste dich ferner damit, daß du getauft bist in Seinen dreimal heiligen Namen, indem du zugleich gedenkst, was für Verheissungen du dabei bekommen hast. Allerdings wie du es getrieben hast von deiner Jugend an, das muß dir schwer auf's Herz fallen, besonders wie undankbar du gewesen bist für alle Seine Güte! Aber nun ist es Sein Rath, daß Er die Völker über den Haufen werfe, und dich dabei. O, daß du doch nun festhaltest an Seinem gnädigen Wort! Bei all' den Blutlachen denke an das Blut Jesu Christi; bei all' den Kugeln, die einher fliegen, denke an Seine Gnade, denke daran: Ich bin des Herrn Jesu Christi mit Leib und Seele! Auf welchem Grunde? auf welchem Grunde, der in dir gelegen wäre? Ja, du hast gehört, du sollest dich bekehren; aber wer gibt Acht darauf? Du Haft gehörst: Wer nicht von Oben geboren ist, kommt nicht in das Reich Gottes und kann es nicht einmal sehen. Aber hast du jetzt Zeit dazu, dich zu bekehren? Wenn du nun morgen oder übermorgen ausziehen mußt, - hast du noch Zeit dazu? - Augenblicklich drückt uns Traurigkeit darnieder; aber dürfen wir denn nicht das Wort des Herrn Jesu ergreifen? Bist du nicht ein Mensch? Hast du nicht Leib und Seele zu verlieren? Schließt Er dich denn aus? Hat Er je zu dir gesagt, Ich mag dich nicht? oder ruft Er dir nicht in's Ohr und Herz hinein: „kommet her zu Mir Alle!“

Es giebt der Räthe viele. - einen Rath in Berlin, einen in Paris, einen dritten in Wien. Der Rath in Paris ist des Volkes Verderben. Aber was ist Gottes Rath? Giebt Er uns etwa zwei Himmel nacheinander; einen, damit wir es hier gut haben, und dann einen Himmel darnach? Einen Himmel ohne wahrhaftigen Kampf um die Ehre, die Wahrheit, den Namen Gottes? Bei allem Kampf hienieden, wer nicht gut gekämpft hat, wird nicht gekrönt. Ja, es muß hindurch durch Blut und Thränen, durch tiefe Wasser und schreckliches Feuer, und das Wort muß in den Tiegel hinein, und wir mit in den Tiegel. Nochmals, was ist der Rath des Herrn? Der Rath des Herrn ist der Sieg, der Rath des Herrn ist die Krone, daß der Herr Jesus die Krone tragen, und Niemand sie antasten soll. Seines Herzens Gedanken sind, daß Er den Tod nicht eines Einzigen will, sondern daß derselbe sich bekehre und lebe. Sein Rath bezweckt ewiges Leben. Wenn es auch in mancherlei Weise durch den zeitlichen Tod hindurch geht, Sein Rath bezweckt dennoch ewiges Leben. Als gottlose, verdammungswürdige Sünder stehen wir alle da; als ein Land, das gesündiget hat vor allen Ländern, so stehen wir Alle vor dem Feind, Das heilige Evangelium nun kommt nicht zu den Frommen, kommt nicht zu den Gerechten, es kommt zu denen, die den ewigen Tod verdient haben, es bringt und schafft wahrhaftige Reue und Zerknirschung, aber auch ungefärbten Glauben.

Dieser 33. Psalm ist offenbar ein Kriegspsalm; er ist nicht in Friedenszeit gemacht, sondern Angesichts des Feindes, Es ist ja davon die Rede, daß äußerliche Macht nichts hilft, es ist die Rede von Todesgefahr, von Theurung und Kriegszeiten. Da heißt es nun von dem Volke, das nach dem Rath des Herrn selig gemacht wird. Wohl dem Volke, deß der Herr sein Gott ist, das Volk das Er sich zum Erbe erwählet hat.“ Hebt dieser Psalm etwa an: Wohl dem Volk, dessen König Hiskia ist? Sanherib stand vor den Thoren, aber Jerusalem soll er doch nicht haben! Wer versteht es jedoch in Stadt und Land, daß ein großer gewaltiger Feind hinter Sanherib her ist, daß derselbe mit allem Rühmen und mit allem Pochen auf seine Götter doch Jerusalem haben muß, um sich selbst hinter seinen Mauern zu bergen, weil er weiß, daß er sonst verloren ist. Aber nun hört man nur die schrecklichen Worte Rabsake's, so daß der König dem Volke sagen muß: „Seid stille und antwortet ihm Nichts.“ Da kommt nun das „Wohl dem Volke“, dem die Uebertretungen vergeben sind, dem die Sünde bedecket ist, wohl dem Volke dem Herr die Missethat nicht zurechnet! Diesem Volk ist es ewiglich wohl. Es giebt kein Weh, und komme auch ein Weh über das andere, das im Stande wäre, den Wohlstand dieses Volkes zu zerstören. Sein Wohlstand ist ewig. Predige von den Gerechten, daß sie es gut haben, denn sie werden die Frucht ihrer Werke essen (Jesaia 3, 10). Das ist aber ein „Wohl dem“ des Glaubens; und mit diesem „Wohl dem“, meine Lieben, sei es uns genug, erst einmal den nächsten Tag überlebt zu haben; morgen ist morgen! Und nun auf Grund dieses „Wohl dem“ in Gottes Wort, angehalten bei Gott! Mein Gott, das sagst Du, aber wie wehe ist es mir! Es soll doch wahr werden, was geschrieben steht; aber wo ist nun Gott mit Seiner Hülfe? Ja, da kommt immer ein schreckliches Fragezeichen des schwachen Glaubens, des Zweifels, des Unglaubens, des Widerstandes wider Gott und Seine Führung, so daß man Gott, dem Herrn, den Sack vor die Füße werfen möchte, weil Er uns so heimsucht! Wie der Herr mein Gott ist, - fühlen kann ich es nicht, es erschließen mit der Vernunft, geht auch nicht; denken an die vorigen Tage, hilft nicht mehr. Wenn ein guter Soldat Angesichts des Todes seinen König erblickt, stirbt er jauchzend. So sehen auch wir auf den König Jesus. Er thue in Gnaden uns die Augen auf, daß wir doch sehen und glauben dieses „Wohl dem Volke!“ Denn die unsichtbar um uns her, derer sind mehr, als die ganze Masse Derer, die wir sichtbar gegen uns haben. Amen!

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