Kohlbrügge, Hermann Friedrich - III. Predigt über das zweite Kapitel des Propheten Jona, Vers 8-10.

Kohlbrügge, Hermann Friedrich - III. Predigt über das zweite Kapitel des Propheten Jona, Vers 8-10.

Ich bin wie ein verirrtes und verlorenes Schaf, suche deinen Knecht, denn ich vergesse deiner Gebote nicht. Diese Klage, Bitte und Beteuerung lesen wir am Schluß des 119. Psalms. Es scheint ein Widerspruch darin zu liegen, denn wie kann man irren gleich einem verlorenen Schaf und doch dabei beteuern vor dem Herrn, ich vergesse deiner Gebote nicht. Die Sache ist aber einfach; was nur immer Leben hat, kann es ohne Gottes Gemeinschaft hier nicht aushalten, was nur Leben hat, kann nicht leben ohne diesen Trost des Heiligen Geistes, daß es dessen gewiß ist: der Herr dort oben ist mein Gott. Ist es aber wie ein Schiff vom Anker geschlagen und den Wellen preisgegeben, hin und hergeschleudert von allem Winde der Not, der Sünde, der Anfechtung; geht's einher einsam, verlassen, kann es gar den Weg nicht mehr finden, wo die Herde Gottes lagert, fühlt es sich ohne den großen Hirten der Schafe, muß es abgezehrt und abgehärmt am Irren bleiben: - so wird alles, was Leben hat, eben dann am meisten an die Gebote des großen Hirten denken. Ach, wo ich in Not und in Anfechtung stecke, wo ich verschlagen bin von dem Grund, in dem mein Anker ruhen soll, wenn ich meinen Herrn, meinen Hirten und Seelenbräutigam verloren habe, so fühle ich mich des Todes, so sehe ich nur Umkommen, so fühle ich mich wie ein Schaf, das von der Herde weggelaufen ist. Es gibt aber der Wölfe viele im Walde und auf dem Felde, ich bin zu ängstlich und auch ganz ohnmächtig, irgend einen Schritt zu tun; ich sehe allerwärts Gefahr und Verderben, - aber meinen Hirten sehe ich nicht, ich kann ihn auch nicht aufsuchen, kann ihn nicht wiederfinden, wenn er sich nicht zu finden gibt. Da blökt denn das arme Tier: ich bin dein Knecht, ich bin deine Magd, ich bin dein Schaf. Ja, dieses „Ich bin dein“, es kommt aus dem Herzen, wenn man es am allerwenigsten glauben darf; denn der Geist gibt es, daß man trotz aller Sünden und ob man sich auch nichts zueignen kann, den Blick um so mehr auf den ewigen Lobpreis richte, und so hört dann das Schaf nicht auf zu blöken: „Suche mich, suche mich“, und weiß wohl einen Grund anzuführen, warum der Herr es suchen möge, nämlich weil es des Herrn Gebote eingedenk ist. - Und dieser Grund ist ohne Falsch. Bei dem Bekenntnis „ich bin wie ein verirrtes und verlorenes Schaf“ kann derjenige, der solches bekennt, unmöglich des Herrn Gebote vergessen. Welche Gebote kann er nicht vergessen? Der Herr hat den Befehl gegeben seinem Jakob, daß er den Segen haben soll und das Leben. Segen und Leben, - das sind also die Gebote Gottes. Kann eine Seele solcher Gebote vergessen, wenn sie es einmal gehört hat von dem Herrn: meine Gnade soll von dir nicht weichen? Kann sie derselben vergessen, auch wenn sie sich später durch und durch Sünde, gänzlich gnadenlos und gottlos findet? Mit nichten. Es breche die Not herein und mit der Not der Fluch und die Verdammung: - daß der Herr den Segen geboten hat, das kann sie nimmermehr vergessen. Es überwältige sie der Tod mit seinem Grausen in allerlei Gestalt, der Untergang und das Umkommen von allen Ecken und Enden: daß der Herr das Leben geboten hat, dessen bleibt sie eingedenk. Aber daß Not und Tod, daß Sünde und Verdammung da ist, und es sollte Leben und Segen da sein, das erweckt die Angst und steigert sie wohl mal bis zur Verzweiflung; das erweckt das Ringen, das herzzerbrechende Blöken des Schafes. Es soll, es muß wieder Segen und Leben da sein; wie weit auch von dem Herrn verschlagen, wie es auch auf's Äußerste mag gekommen sein, und ob es auch immer dunkler werde, um so mächtiger liegt doch in der Seele das Gedenken an Leben und Segen, das Gedenken an den Herrn. Und sie kommt, sie kommt auch am Ende wieder, die Verheißung der Hilfe von dem Allmächtigen. Was aus Gott ist hat die Schlacht gewonnen, eben dann, wenn es dieselbe verloren hat. Höret was Jona davon bezeugt. Wir lesen:

Kapitel 2, Vers 8-10.

8. Da meine Seele bei mir verzagte, gedachte ich an den Herrn; und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel. 9. Die da halten über dem Nichtigen, verlassen ihre Gnade. 10. Ich aber will mit Dank opfern; meine Gelübde will ich bezahlen dem Herrn, daß er mir geholfen hat.

Da meine Seele bei mir verzagte, gedachte ich an den Herrn; und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel.

Das hat der Prophet Jona also auch erfahren, daß seine Seele bei ihm verzagt gewesen. Solche drum die darüber klagen, daß ihre Seele bei ihnen verzagt, haben doch Brüder und Schwestern vor sich gehabt, welche auch solchen Streit des Leidens haben durchmachen müssen. Es ist fast nicht zum Aushalten, wenn die Seele bei einem verzagt, der des Herrn ist. In solchem Zustande wird man aller Teufel Gelächter, Hohn und Schimpf, und es ist keine Gegenrede in uns, daß man sich ihrer würde erwehren können. So ganz verlassen steht man da und bekommt von allen Seiten Faustschläge. Tausend und Millionen Verheißungen erblickt zu haben des Segens und des Lebens und keine davon erfüllt zu sehen, das ist zu schrecklich, als daß es man würde ertragen können. Den Trauring in dem Abgrunde zu erblicken und hören zu müssen, das ist deine Schuld, hole ihn wieder wenn du kannst, - möchte beinahe zur Verzweiflung führen. Den Segen von Gott zu haben, und allerwärts nur den Fluch zu vernehmen als wäre man ein Judas; das Leben zu haben auf ewig und bei alle dem sich wieder zu finden wie Petrus, da er den Herrn verleugnet hatte und nicht wußte, ob er je ihn wieder sehen würde, - erweckt eine namenlose Angst. Die Ehre Gottes zu kennen und dazustehen vor allen Teufeln an den Schandpfahl gebunden, geschunden auf einem Felde zu liegen voll von Leichnamen, ist fast um zu vergehen.

Der Gang Gottes mit seinen Erwählten ist aber durch tiefe Wasser, und seine Fußstapfen werden nicht gesehen als hinten nach. Starr und schweigend steht man bei dem Sarg, worin man alle seine Erwartungen hineingeworfen sieht, und alle Verheißungen Gottes scheinen „nein“ zu sein, statt ja und Amen. Auch dieses, auch jenes noch trifft uns, als wäre Gott selbst darauf aus, uns zu vernichten. Da steht man, alles was in der Hand, es ist zerbrochen, ist tot, alles ist abgeschnitten. Millionen Gedanken aus dem Abgrund und feurige Pfeile des Bösen fliegen durch das Gemüt. Mitleiden findet man nicht. Es gibt Schlag auf Schlag. Man fühlt eine ewige Not, und wird man nicht augenblicklich Odem haben, so ist es um einen geschehen; die Seele verschwindet und verschmachtet und wird wie von einer Macht überdeckt mit Angst, Beklemmung, Sorge und Kümmernis; alle Lebensorgane sind wie zusammengeballt und zusammengekniffen, und allein sieht man sich mit der Leiche seiner ewigen Habe auf einer Sandbank, ringsum drohen alle Wellen mit dem Tode. Niemand wird unserer Not gewahr und wir erblicken keine Rettung.

In solchem Verzagen der Seele, was geschieht bei den Erwählten Gottes? Fallen sie der Verzweiflung ganz anheim? Werden sie den Teufeln preisgegeben, der Not, der Sünde, der Hölle zur Beute überlassen? Mitnichten. So bezeugt der Prophet Jona: „da meine Seele bei mir verzagte, gedachte ich an den Herrn.“ Bei allen, in deren Seele es aufrichtig zugeht, kann solches nicht ausbleiben. Eben dann wenn die Not hoch kommt, eben dann wenn es in die Tiefe der Tiefen geht bis zum Versinken, ist ein Gedenken des Herrn, wie nie zuvor. Freilich gestaltet sich dieses „an den Herrn gedenken“ so, daß es in der Seele heißt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, warum verstößt du mich, warum muß ich in Trauer gehen, warum verbirgst du dein Angesicht vor mir.“ Aber eben bei allem Klagen, Girren und Wimmern kann man des Herrn nicht vergessen. Es wird bei allen Erwählten erfüllt, was der Herr verheißen: „der Tröster, den ich euch senden werde von dem Vater, wird euch alles dessen erinnern, was ich euch gesagt habe.“ Der Heilige Geist ist beschäftigt in der Seele, wie sie sich auch von dem Herrn verlassen und ohne allen Trost befinde, um so mehr alle die guten Worte und lieblichen, tröstlichen Verheißungen von Leben und Segen bei ihr in Erinnerung zu bringen. Der Teufel sucht zwar solche Verheißungen vor der Seele lächerlich zu machen, aber der Heilige Geist bewirkt es, daß die Seele um so mehr über solchen Verheißungen ringt, daß sie dennoch wahr werden mögen, und der Herr von neuem mit ihr vom Leben und Segen rede. Daher entsteht dann das Gebet, wie der Prophet bezeugt: „und mein Gebet kam zu dir in den Tempel deiner Heiligkeit“. Von solchem Gebet, welches eben in der Not und Anfechtung ohne Unterlaß geschieht, schreibt der Apostel ganz tröstlich Römer am achten, Vers 26. Dieses Gebet geschieht selbst dann, wenn wir nicht wissen ob wir beten, auch nicht wissen was wir beten sollen, auch wenn alles in uns spricht: „höre auf, laß ab, Gott hört die Sünder nicht, Gott hört dein Gebet nicht, er macht's mit dir ein Ende“. Das Wort des Herrn Jesu ist mächtiger als alle Not Leibes und der Seele, seine Verheißungen von Segen und Leben, seine Liebe hat er in's Herz geworfen, darum kann das Gebet der Erwählten nicht ausgelöscht werden. Obschon alles „nein“ schreit, obschon sie sich in der Hölle gebettet fühlen, so bleibt es dennoch dabei: „aus der tiefen Grube rufe ich zu dir, höre das Blöken deines Schafes, o du großer Menschenhüter.“ Und ein Allmächtiger ist in diesem Gebet, der Heilige Geist, der weiß wohl wie das Herz eines zürnenden Vaters wieder zu gewinnen, wie die Gnade, wie Segen und Leben von dem Throne zu erbeuten ist, - darum heißt es: mein Gebet kam, ja es kam, wie auch von allen Mächten des Abgrunds, wie auch von meinem eigenen ungläubigen Herzen niedergehalten, es kam, es drang durch, wo hinein? es kam zu dir in den Tempel deiner Heiligkeit. Durch den heiligen Geist kommt das Gebet zu dem Vater aller Gnaden; in diesem Gebet wird der Elende geworfen zu seinen Füßen. In dem Tempel der Heiligkeit Gottes ist Heiligung und Reinigung für den Unreinen, Hilfe für den Verlorenen, Ehre für den Geschändeten, Herrlichkeit für den Zertretenen. Und wer da liegt in der Tiefe, erfährt es, daß sein Gebet nicht vergebens war zu dem Gott seines Lebens. Aus dem Hause der Heiligkeit und Herrlichkeit Gottes eilt der Vater selbst dem verlorenen Kinde entgegen, von dem Gnadenstuhl kommt Begnadigung und allerlei Hilfe, und die Seele ist genesen von ihrer Not. Die Heiligkeit, die Herrlichkeit, die Ehre, welche ihr verheißen wurde, nach welcher sie gedürstet, hat sie bekommen mitten in ihrer Verlorenheit, und sie ist zufrieden gemacht von dem allmächtigen Gotte und großen Erbarmer.

Das ist es, was Jona bezeugt, wenn er sagt: mein Gebet kam zu dir in den Tempel deiner Heiligkeit; und wer solches erfahren hat, der kann es nicht lassen, daß er nicht, gleich als wäre es noch in demselben Atem, hinzusetze: „die da halten über dem Nichtigen, verlassen ihre Gnade.“

Möchtet ihr alle dieses verstehen und es zu Herzen nehmen. Der Unterschied zwischen wahrhaftigem Leben und Scheinleben wird am Ende doch offenbar. Was wahrhaftiges Leben hat, kann es in keiner Not, in keiner Sünde, in keiner Anfechtung und Verlegenheit aushalten. Es bleibt bestehen auf Gottes Verheißung von Leben und Segen. Es ringt so lang bis es solche Verheißung wieder hat. Es muß seiner Sündenvergebung gewiß sein, es muß Erlösung aus aller Not haben. Es kann alles nur von dem Herrn selbst erwarten. Es durstet wahrhaftig nach Heiligkeit. Es gibt es nicht verloren. Seien Teufel, Sünde, Not und Welt mächtiger wie die Seele, so daß sie von allen Seiten zu Boden gedrückt wird: - die Seele muß obgesiegt haben, eher keine Ruhe. Gottes Wort soll Gottes Wort bleiben, es soll erfüllt sein: eher mögen Erde und Himmel untergehen, als daß die Gnade bei ihr nicht sollte die Herrschaft haben und die Errettung vollkommen sein. Die Seele kann von allem umlagert sein, aber Gottes Gesetz und Gebot kann sie nun und nimmer aufgeben. Der Tod kann mit seinem Schrecken, die Not mit ihrem Reißen, die Welt mit ihrem Drohen, die Sünde mit ihrem Toben, der Teufel mit seinem Hohngelächter alles versuchen, - wer den Himmel einmal wahrhaftig gekannt und in das Wort seiner Gnade geschaut hat, kann über dem Nichtigen nicht halten. Wenn er auch eine Weile möge mitgemacht haben, das Nichtige ekelt bald den an, welcher wahrhaftiges Leben hat, und er muß über dem Bund der ewigen Gnade und Treue Gottes halten, wenn er auch eine Weile zur Eitelkeit mit verlockt wurde; denn die Liebe Christi hat ihm das Herz gestohlen und die Furcht des Herrn sich seiner bemächtigt auf ewig.

Was der Prophet hier ausspricht, ist das Ergebnis eines ganzen Lebens, in welchem man sich abgeplagt hat, das Heil allerwärts zu suchen wo es nicht ist; und wem es zu verstehen gegeben wird, der ist froh, daß er nicht mehr über dem Nichtigen zu halten hat. Der Prophet konnte es aus der Erfahrung bezeugen, weil er teils selbst über dem Nichtigen gehalten und dabei seine Gnade verlassen, teils mit Solchen Umgang gepflogen hatte, die über dem Nichtigen hielten, und dabei ihre Gnade verließen. Nichtig ist alles, was das Wort des Herrn, das Wort von Segen und Leben nicht für sich hat, und was man dennoch betrachtet, als stecke der Segen und das Leben darinnen. Die hebräischen Worte, welche Luther hier durch: „das Nichtige“ übersetzt hat, bedeuten Dünste einer Bewegung, welche in Gang bringt, ohne daß es zu etwas dient. Daß nun ein Mensch über solchen Dünsten halten kann und darin sein Leben, Segen und Seligkeit suchen, ja so darüber halten kann, daß er nur durch allmächtige Gnade, nur durch tiefe Wege allerlei Trübsal davon abzubringen ist, bestätigt die tägliche Erfahrung; und daß man um solcher Dünste willen gegen besseres Wissen und Gewissen die rechte Hand, wie sie einen auch ärgert, und den rechten Fuß nicht abhaut, auch das rechte Auge nicht von sich wirft, daß man lieber auf solchen Dünsten bestehen bleibt, als daß man sich selbst verleugnen und täglich sein Kreuz auf sich nehmen sollte, wird leider zu viel gesehen. Dünste sind die Werke der Eigengerechtigkeit, die Werke eigener Wahl, der Segen und das Leben, welches man in eigener Hand hält, Dünste sind alle frommen Bestrebungen, sich selbst zu Gott emporzuschwingen, durch sich selbst und durch seine Übungen sich selbst wieder zu Gott zu bringen; und jede Bewegung, bei der man sich durch diese Dünste treiben läßt, führt und bringt zu nichts, und es ist jede Bewegung zu und für solche Dünste eine solche, die nichts fruchtet. Dünste sind auch Vater und Mutter, Weib und Kind, Ehre, Geld und Gut, und jede Erwartung von der Welt und von dem Sichtbaren, wenn man um derentwillen sich bewegen, sich treiben und sich zurückhalten läßt von dem ab, in welchem man doch allein das Heil anerkennt. Dennoch lassen sich viele für solche Dünste in Bewegung setzen, tun alles solchen Dünsten zu Gefallen, und meinen dabei immer noch das vollste Recht auf die Gnade zu haben, glauben auch, daß sie bei allem dem über Evangelium halten. Das ist aber nicht wahr. „Sie verlassen ihre Gnade“, sagt der Prophet. Ob er nun damit zu verstehen gibt, daß sie um solcher Dünste willen die Gnade und Güte drangeben, welche ihnen von Gottes wegen zu Teil wurde, und Gott den Herrn selbst, bei welchem sie allein Gnade finden können, und der ihnen auch viele Wohltaten und Vorzüge gegeben, oder ob er es so versteht, daß sie um solcher Dünste willen ihre eigene Frömmigkeit umstoßen, ihr eigenes Vorhaben und Vorsatz, dem Herrn allein zu dienen, zu gehorchen und zu glauben, - will ich nicht bestimmen. Das weiß ich, daß alles was über dem Nichtigen hält, immerdar Gott dienen und seinen Nächsten lieben will, aber immerdar das Werk zur Hälfte stecken läßt; denn ein solcher läßt sich zwar manchmal wie in schnellem Schuß und Lauf antreiben zu allem was Gott und Christo gefallen soll, er will sich von der Welt und dem Schein losreißen und bringt darin auch Wunderdinge fertig, aber die Dünste treten wieder dazwischen und nur zu bald hat man von der Gnade sich wegzaubern lassen; mit Worten hangen so viele an dem Herrn Jesu, an dem Evangelium, - mit dem Herzen und mit den Werken halten sie trotz aller innerlichen Bestrafung über solchen Dingen und lassen auch von solchen Dingen sich treiben und bewegen, die gar kein Wesen in sich haben.

Ich wünsche, daß mehrere von euch sich prüfen und es zu Herzen nehmen, was der Prophet hier ausspricht. Macht mancher hier bereits die herbsten Erfahrungen davon, wie nichtig all das Nichtige ist, dem zu Gefallen er Gott, Gnade, Leben und Seligkeit drangibt, und meint er dabei gleichwohl, es werde dazu Gott ein Auge zudrücken, daß er dem Nichtigen nachjagt, wie schrecklich muß dann das Erwachen in der Ewigkeit sein. Ihr Wurm stirbt nicht und ihr Feuer wird nicht ausgelöscht, spricht der Herr. O wie schrecklich, wenn dieser Wurm ewig am Herzen nagen muß: Ich habe über dem Nichtigen gehalten und dafür meine Gnade verlassen. Wie schrecklich, mit dem reichen Manne hoch über sich das Loblied Gott und dem Lamm dargebracht, das Loblied aller die aus großen Trübsalen gekommen sind, zu vernehmen, und dann sich selbst vorrücken zu müssen, eine solche Herrlichkeit gab ich dran für den Dienst dessen was Dunst ist. - Denn daß es Dünste sind, alles was ein Menschenkind in diesem Sichtbaren sucht und wovon es sich bewegen läßt, - ich beschwöre euch, es zu Herzen zu nehmen, - das wird einem dann erst recht offenbar, wenn er sich in der Hölle befindet und muß die Herrlichkeit Gottes hoch über sich fühlen, hoch über sich die Seligkeit aller Erlösten, und zwischen ihm und solcher Herrlichkeit und Seligkeit ist eine ewige Kluft befestigt.

Wohl dem, der sich warnen läßt von dem, zu welchem Gott gesprochen: Menschenkind, ich habe dich zum Wächter über das Haus Israel gesetzt, du sollst sie von meinetwegen warnen; er wird sich freuen, daß ihm solcher Dienst der Dünste in seiner Eitelkeit aufgedeckt wurde, und sich doppelt darüber freuen, daß ihm die Erlösung und die Freiheit von solchem Dienst aus Gottes Mund gepredigt wird.

Worüber und wozu haben wir denn zu halten? Das hat der Prophet uns auch mitgeteilt, indem er spricht: „Ich aber will mit Dank opfern; meine Gelübde will ich bezahlen dem Herrn, daß er mir geholfen hat“. Nach dem Hebräischen lautet es: „Ich aber will dir mit der Stimme des Lobs und Danks opfern; was ich dir freiwillig gelobt habe, will ich leisten. Das Heil ist des Herrn“. -

„Ich“ - sagt der Prophet im Gegensatz zu denen, die über dem Nichtigen halten und ihre Gnade verlassen; ich kann nicht anders, ich hatte es verdorben, ich hatte eigene Wege erwählt, ich hatte mich nicht beugen wollen unter das Wort von Gnade; ich sehe es jetzt ein, was es mit dem Dienst der Dünste auf sich hat, wie schrecklich, wie anmaßend es ist, sich bewegen zu lassen für nichts und wieder nichts; sich bewegen und bewegen zu lassen wider deinen heiligen Willen und gerechtes Gebot. Ich „will opfern“, schlachten, drangeben alles was mein ist und was von mir ist; nicht mehr die Werke eigener Wahl und eigener Frömmigkeit will ich bringen, wobei man das Fette zurückhält für sich, nicht mehr die Wege eigenen Wollens und Laufens sollen es sein; - ich will opfern das einzige Opfer, das dir gefällt, ich komme mit deinem Christo, mit seinem Opfer, welches allein auf ewig gilt. „Dir“ will ich opfern, denn du allein bist es wert, ich kann mir selbst und meinen Werken nicht mehr räuchern; du allein bist gerecht, du allein bist heilig, du allein bist gut, du allein gnädig und treu, dir will ich opfern und nicht mehr den Dünsten, nicht mehr der Eitelkeit. Dir will opfern „in der Stimme des Lobs und Danks“, denn ich habe selbst kein Opfer zu bringen; das Opfer, worin mein Heil ist, ist allein aus dir, du hast es für mich geboten, angeordnet, gegeben; deinen Christum und seine Genugtuung, Gerechtigkeit und Heiligkeit, darin steht der Segen und das Leben; das will ich bekennen, daß du es allein bist, denn du hast mich treulich gedemütigt, du hast alle meine Sünden hinter deinen Rücken geworfen, du hast sie auf das Lamm geworfen, welches die Sünde der Welt trägt. Ich bekenne es freudig vor allen Teufeln und vor aller Welt: ich bin ein Sünder, ich habe mich nicht befreien können, ich habe mich in das Verderben gestürzt; ich bekenne es, ich habe dir nur Arbeit gemacht mit meinen Sünden und Mühe mit meinen Missetaten, du aber hast mein Leben vom Verderben gerettet, dich meiner Seele ganz herrlich angenommen; da ich in der Hölle lag, hast du mich aus der Grube herausgeführt. Darum sage ich es frei heraus von dir, daß ich von nun an alles allein von dir erwarte, denn du bist ein Gott vollkommener Seligkeit. Ich will nichts mehr von mir selbst wissen und von allem Fleische nichts mehr; nichts von all seinem Wandeln und Bestreben, nichts von Vernunft, Verstand, Wille und den Überlegungen der Gedanken des menschlichen Herzens; sein bestes Vorhaben, alle seine Gesinnung, wie fromm sie auch aussehen mögen, es ist doch alles Dunst, Schaum und Traum. So will ich aber die Gerechtigkeit, welche vor dir gilt, allein hoch ehren, rühmen und predigen; ich will deinen Namen auskünden, denn dieser Name ist ein Verlaß, welcher nicht trügt, und außer ihm ist keiner. „Was ich dir freiwillig gelobt habe, das werde ich leisten“. Du mir zu Hilfe, o du mein gnädiger Gott und Heiland, - das habe ich dir freiwillig gelobt, in meiner schrecklichsten Not und Angst: solltest du mich je heraus gerettet haben, so würde ich mich nicht schämen, es frisch weg zu bekennen, der vornehmste der Sünder bin ich, und zu solchen Sündern, die sich nicht mehr helfen können, die da dursten nach Heiligkeit, nach Errettung, aber sie fühlen den Mord des Teufels und der Sünde in ihrem Gebein, wollest du dich herablassen; dafür bist du da, dafür bist du Gott, solche in ihrer Verlorenheit zu bedecken mit deiner Gnade, sie um und um, inwendig und auswendig zu bekleiden mit deiner Heiligkeit und auf sie zu legen deine Herrlichkeit. Ich habe es dir freiwillig gelobt. - Mein Gott, mein Schöpfer, hier liege ich in der Tiefe; ist noch Rat, noch Errettung möglich, willst du mir trotz solcher Verlorenheit, worin ich unter das Vieh und unter die Teufel gesunken bin, die Seligkeit, die Gerechtigkeit, die Heiligkeit aus dir schenken; willst du mich meiner Seligkeit dennoch gewiß machen, daß ich wahrhaftig errettet sei; willst du mir einen Grund und Boden anweisen, worauf ich stehen kann und dessen gewiß sein, daß es Gerechtigkeit vor dir ist, solch einen wie ich bin zu dir lassen, daß er auch ewig bei dir wohne: - so werde ich allen Verlorenen, allen die auch in solcher Not liegen, es freudig predigen zu deines Mannes Ruhm: Fürchte dich nicht du Tochter Zion, dein Gott ist König. Ich will deinen Namen predigen meinen Brüdern, ich will dich in der Gemeinde rühmen. Solches werde ich leisten, dieses freiwillige Gelübde will ich dir halten; ich laß mir meinen Mund nicht stopfen, du Herr weißt es. Die Elenden sollen essen, daß sie satt werden; und die nach dem Herrn fragen, werden ihn preisen, euer Herz soll ewiglich leben.

Ein solches Gelübde zu halten, hat gar keine Schwierigkeit, wenn auch der Teufel alsbald herbei ist und denkt, so will ich mich aufmachen, ihm alle möglichen Hindernisse in den Weg legen und es ihm wohl bald verleiden. Denn wer wirklich das Heil in seiner Verlorenheit gefunden hat, der kennt den Grund, worauf ein solches Gelübde ruht, und erfährt auch, daß er nicht anders kann als ein solches Gelübde halten. Was ist der Grund und was bezeugt und predigt der, welcher ein solches Gelübde ablegt? Er bezeugt und predigt nichts anderes, als was er erfahren hat in aller seiner Not, in aller seiner Verlorenheit, in seinen höchsten Anfechtungen, was er auch tagtäglich erfährt von dem Herrn und mit Jona unter diesen Worten zu verstehen gibt: „Das Heil ist des Herrn“. Ein elender Mensch, tot in Sünden, der Verdammung unterworfen, der Sünden Sklave, ein Feind Gottes und seines Nächsten, zu allem Guten untüchtig, zu allem Bösen geneigt, verkehrt, verdreht und eines Herzens, woraus allerlei Greuel emporkommen, bedarf einer allmächtigen Gnade, einer Gnade, welcher nichts im Wege sein und es wehren kann, ihn lebendig zu machen, zu bekehren, zu rechtfertigen, zu reinigen, zu heiligen, ihn der ewigen Seligkeit teilhaftig und gewiß zu machen und bei solcher Seligkeit zu erhalten. Das Heil, die Errettung, selbst aus der schrecklichsten, aus der verzweifeltsten Lage, ist möglich gemacht, ist da und wird wahrlich geschenkt dem Armen und Elenden, um des einzigen Opfers Christi, um der großen Barmherzigkeit Gottes willen. Dieses Heil, diese Errettung ist nirgendwo zu finden als bei dem Herrn und wird von dem Herrn allein vollkommen vollzogen.

Wohl euch, meine Geliebten! die ihr es erfahren habt und mit Freuden bekennt: „das Heil ist des Herrn“, die ihr es darum auch lediglich und allein bei dem Herrn sucht und es nicht erwartet von den Bergen und von den Hügeln, von den Werken eines Gesetzes und allen anderen Dünsten, durch welche diejenigen bezaubert werden, die nach Fleisch wandeln. Wer es gelernt hat von dem Herrn, daß des Herrn das Heil ist, der schreibt den Tod auf alles Andere, und was er im Fleische lebt, lebt er nur im Glauben des Sohnes Gottes. Lasset uns dessen froh sein, daß das Heil des Herrn ist, denn nur so ist die Bewahrung vor dem Tode und Errettung von allem Bösen, nur so die ewige Seligkeit gewiß dem Volke, das er zu seiner Seligkeit berufen, das er sich selbst zum Ruhme seines Namens geschaffen hat. O was wird es sein, wenn dieses Heil, wovon wir hier die Erstlinge einernten, uns völlig wird geoffenbart sein in dem ewigen Licht seiner Herrlichkeit! Darum noch ein wenig Geduld unter der Bürde, bald sind wir hoch über Sünde, Not und alles Leiden hinweg, um zusammen ewig und ungestört zu jauchzen: deinem Namen allein die Ehre, du allein hast alles gut gemacht, was wir verdorben haben. - Amen.

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