Kohlbrügge, Hermann Friedrich - IX. Schluß-Predigt über Röm. 8, V. 32.

Kohlbrügge, Hermann Friedrich - IX. Schluß-Predigt über Röm. 8, V. 32.

„Wer mein Jünger sein will, der nehme sein Kreuz täglich auf sich und folge mir nach,“ - das ist unseres Herrn Jesu Wort. Wo geht's denn hin, wenn man Jesu nachfolget? Ihr kennt den Reim:

„Des Glaubens Pfad ist anfangs steil
Läßt nichts als Müh' erblicken,
Doch weiter fort führt er zum Heil
Und endlich zum Entzücken.“

Wohlan, es gehe mit dem Herrn durch gebahnte und ungebahnte Wege, es gehe durch allerlei Leiden, Schmerz und Noth, durch allerlei Tod hindurch, - wird er uns verlassen, der unsere Sache für seine Rechnung auf sich genommen hat? Wird es uns an etwas fehlen, wo wir für Zeit und Ewigkeit auf ihn geworfen sind? Wird der Strick, den uns mancher Vogelsteller aus der Höhe legt, unsern Fuß festhalten, wird das Netz der Sünde und des Todes uns mit sich fortschleppen, wird die Noth der Seele und des Leibes uns ersticken können, wenn wir den Herrn haben, wenn wir vereinigt sind mit dem treuen Bundesgott, der uns zuruft: „Oeffne deinen Mund, nach dem Bund meiner Treue will ich dir alles schenken; ich will dein Gott sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein“? Gott kann sein Erbtheil nicht hassen noch verlassen. Es ist unmöglich, daß derjenige, der sich für Leib und Seele dem Herrn anvertraut zu seiner Rechtfertigung, Heiligung und vollkommenen Erlösung, nicht auch das Wort vernehmen sollte aus dem Munde des Herrn: „Es geschehe nach deinem Glauben“.

Hart angefochten wird der Glaube allerdings, aber der Sieg, ist der gewiß? Wir wollen in Gottes Heiligthum gehen und vernehmen was des Herrn Wort uns sagt.

Die Welt kann nicht begreifen, daß man noch von etwas anderem leben kann als von Brod. Der eigengerechte Mensch kann es nicht fassen, daß vor Gott eine andere Gerechtigkeit gelten sollte als die Gerechtigkeit der Werke. Dem Tugendlehrer will es nicht einleuchten, daß die Heiligung in unserer Macht nicht ist. Was den Geist nicht hat, fasset nichts von dem Wandeln am Geiste, sondern es vertraut auf seinen eignen Geist, Kraft und Willen. Was nicht aus Gott ist, weiß nichts davon, was es heißt, sein Kreuz täglich auf sich nehmen und vertraut auf Reichthum, auf Stärke und auf seinen Verstand. Und die alle feinden den Glauben an. Was also nach Gott fragt, liegt fortwahrend zu Felde, verkehrt fortwährend in Noth und Anfechtung; ihm scheint nichts wachsen zu wollen, es ist als sei es von Gott unfruchtbar gemacht, als sei ihm die Dürre, die Wüste, die Einöde und Verlassenheit zur Wohnung angewiesen; dennoch bleibt es am Fragen nach Gott, dennoch muß es von ihm sein Heil erwarten. Aber die Welt, aber der Teufel und das schwache Herz fechten den Glaubenden an, daß er den Glauben, daß er die Gerechtigkeit, welche vor Gott gilt, drangebe. Alles Sichtbare droht ihm mit Umkommen - er hat dennoch Hoffnung zu seinem Gott für alle Dinge. Wird er beschämt werden in seiner Hoffnung, hat er einen guten Grund, darauf er stehen mag gegen alles was ihn bedroht, auch wenn er keine Hülfe sieht? Wir wollen in dieser Stunde vernehmen, was des Herrn Wort uns sagt.

Text Römer 8, V. 32.

Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschonet, sondern hat ihn für uns alle dahin gegeben, wie sollte er uns mit ihm nicht alle Dinge schenken?

Das achte Capitel Pauli an die Römer ist nicht das, wofür man es gewöhnlich ansieht, kein Siegeslied, kein Schwanengesang nach Fleisches-Weise. Worte sind es eines fast Rathlosen, eines hart Angefochtenen, der dennoch mit den Augen auf die Liebe Gottes und auf die Gnade Jesu Christi durch allen Widerstand von Fleisch und Blut, von allen sichtbaren und unsichtbaren Mächten hindurch bricht. Da es dem Wiedergebornen um Gott und um Gerechtigkeit geht, und er an einen Gott glaubt, der hier nicht anschaulich ist als in der Gestalt des Kreuzes, der Verachtung und Verwerfung von Seiten der Welt, da er keine andere Gerechtigkeit aufzuweisen hat als die, welche wahrhaftig ist nach dem Worte des Glaubens, so soll er keine Bedeutung haben bei denen, die nach Fleisch wandeln. Der Teufel wird nicht aufhören allerlei Verdammliches an ihm auszuweisen. Die mit Werken umgehen, werden immerdar bemüht sein, ihn aus seiner Stellung und Fassung, aus seiner guten Wehre zu treiben mit einem Gesetz, das nur Sünde gebiert und den Tod bringt. Dieses Gesetz selbst, wie es in seinen eignen Gliedern steckt, wird auch nicht ruhen. Die nicht wissen was Fleisch ist, wollen in ihm den wahrhaftigen in Fleische gekommenen Jesum nicht leben lassen. Was auf eigne Kraft sich stützt und meint mit und nach der Gnade etwas zu vermögen, was das Wollen und Können, das Selbst-schaffen und Hervorbringen noch zur Hand zu haben meint, wird sich stets aufmachen, die Salbung, welche auf dem Gläubigen ruht, bei ihm in Verdacht zu bringen durch allerlei Lästerung. Alles, was ihn umgibt, wird dahin trachten und arbeiten, daß der Gläubige wieder nach Fleisch leben möchte, das ist nach dem Gottesdienst, wie ihn das Gotte und seiner ewigen Gnade widerstrebende Fleisch vorschreibt. Alle sichtbaren und unsichtbaren Mächte werden es ihm fortwährend zuraunen: „Bist du ein Kind Gottes, wie denn geht es zu, daß du Steine vor dir hast statt Brod. Woher kommt denn das ganze Lager der Trübsal, der innerlichen und äußerlichen Schmerzen, womit du umlagert bist. Woher ist es denn, daß dich allerlei Leiden umgibt, als wärest du zum Leiden geboren. Bist du ein Kind Gottes, woher denn diese Angst? Du sprichst immerdar von Harren und es kommt ja nichts; daß dein Herr kommen wird, er bleibt ja aus. Warum hast du nicht steten Frieden der Seele? Ein Kind Gottes glaubt ja, und du klagst immerdar; ein Kind Gottes singt und jubilirt, und du seufzest vor und nach. Warum ist dein Herz nicht fester? Bist du ein Kind Gottes, so solltest du ja im Glauben stehen wie eine Mauer. Du vermagst das Geringste nicht. Und deine Leidenschaft, diese - jene, womit du dich herumschlägst, würdest du damit so viel zu schaffen haben, wenn du ein Kind Gottes wärest; die beweist ja zur Genüge, daß es mit dir kein gutes Ende nehmen wird. Da siehst du doch, daß der Weg deines Glaubens nicht der rechte Weg der Heiligkeit ist, sonst wurdest du ja heilig und untadelig sein. Da siehst du doch, daß du nicht erwählt bist. Und ob du berufen wärest, es war die rechte Berufung nicht. Es sind wohl viele berufen, aber wenige auserwählt; du hast die wahre Rechtfertigung nicht, denn bei dir ist gar keine Frucht. Du wirst noch zu Schanden mit allen deinen Hoffnungen - oder ist dein Glaube rechter Art, warum hilft dir dein Gott nicht besser? Warum hat er dich denn verlassen? Warum bleibt es mit dir bei der alten Noth?“

Solche Anläufe macht der Teufel, machen Fleisch und Blut fortwährend auf die Gläubigen. Und wie ist ihr Beruf? Vor der Welt sind sie thöricht, sind sie schwach, sind sie unedel und verachtet. Was haben sie aufzuweisen. Die Welt hat Heiligkeit, hat der guten Werke fast zu viel, hat Weisheit, Kraft, Ehre und Vermögen. Sie haben nichts als Sünde, meistens Noth allerlei Art, sie finden ihre Plage fast jeden Tag, sie scheinen die von Gott Heimgesuchten und Geplagten zu sein, - sie leiden Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Fährlichkeit, sie sind von allen geachtet wie Schlachtschafe und werden in allerlei Tod fortwährend hineingegeben. Haben Teufel und Welt, haben Fleisch und Blut, haben die Leute von der Welt nicht recht, wenn sie behaupten, die Kinder Gottes seien des Teufels Kinder? Nichts zu haben als Sünde, als Ohnmacht, als Armuth und Krankheit und dann dabei nichts aufweisen zu können als einen Glauben, der doch so schwach ist, wie ein Rohr, - ist das nicht thöricht; und ist das nicht Vermessenheit, von Gott dennoch sein Heil zu erwarten, wenn man nichts als Tod und Umkommen vor sich hat?

Ob es thöricht, ob es vermessen zu sein scheine, die Augen desjenigen, welcher einst seinen Gott gesehen hat, werden sich nicht blenden lassen. Wer keine andere Gerechtigkeit kennt, als die, welche aus Glauben Christi ist, und auch von keiner anderen wissen will, der bricht, wie er auch angefochten sei, durch alles hindurch. Der ihm gegebene heilige Geist treibt ihn über alles Sichtbare hinweg zu seinem Gott hin, läßt ihn auf Christum sinken als auf seinen einzigen Verlaß. Und wie er denn hier zu Felde liegt, so wird doch am Ende mit dem Bekenntniß des Glaubens, des Vertrauens auf den Herrn, der Hoffnung auf ihn, der Wort und Treue hält, jeder Feind zurückgeschlagen.

Bei allen die aus Gott geboren sind, ist eine Zuversicht auf den Herrn, welche auf dem Grund des Herzens sich mächtig bewegt und sich unter Zittern und Zagen muthig ausspricht, eben dann, wenn nunmehr alles Durchkommen für Leib und Seele auf immer abgeschnitten scheint.

Solche Zuversicht mitten in der Anfechtung, mitten in Angst, Zittern und Zagen, spricht sich besonders aus in den apostolischen Worten: Welcher auch seines eignen Sohnes nicht hat verschonet, sondern hat ihn für uns alle dahin gegeben: wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? -

Das sind uns alte bekannte Worte, meine Geliebten! für so viel wir durch allerlei Kreuz. Leiden und Trübsal und durch allerlei Anfechtung, womit der Glaube angefochten wird, hindurch mußten und annoch hindurch müssen; aber sie haften nicht, wenn wir nach unten und auf die Fluthen sehen, die durch den Darum brechen und uns Haus und Habe, wegzuschwemmen drohn. Man kann aber auch in der Noth nicht anders als immer wieder nach oben sehen, wenn wir das nach oben sehen einmal gelernt haben. Und wie denn die Sonne uns um so lieblicher ist, wenn wir etliche trübe Tage erlebt haben, so werden uns inmitten der trüben Tage diese Worte voller Trost und Lieblichkeit sein, wenn sie uns von dem heiligen Geiste vorgehalten werden. Diese Worte enthalten mehr als eines mächtigen Fürsten Testament, sie machen uns zu Universalerben Himmels und der Erde. -

Es ist des Apostels Zuversicht, es ist die Zuversicht der ganzen Gemeine Gottes: Gott wird uns alles schenken. Indem die Gemeine diese Zuversicht ausspricht, sieht sie von sich selbst ab - und sieht auf Christum und spricht: mit Christo wird Gott uns auch alles schenken. Indem die Gemeine dieses „mit Christo“ ausspricht, sieht sie auf die Quelle, aus welcher sie mit Christo auch alles von Gott erwarten darf, und diese Quelle ist die grundlose Barmherzigkeit und Liebe Gottes. Und mit den Augen auf diese Liebe und grundlose Barmherzigkeit schließt sie keinen Bruder aus, sondern so spricht sie: diese Barmherzigkeit ist uns allen zu Theil geworden, so sind auch wir alle Universalerben aller Dinge.

Die Gemeine klammert sich an Gott in ihrer Noth und Anfechtung und spricht: Gott wird uns alles schenken. Welche sind die „Uns“? Es ist offenbar daß es solche sind, die nichts haben und darüber in Noth und Anfechtung sich befinden. Denn die etwas haben, brauchen von Gott nicht zu erwarten, daß er es ihnen schenke. Die aber nichts haben, werden nicht wissen, woher etwas zu bekommen, wenn nicht Gott es ihnen schenkt. Die Worte stehn in fragender Form: Wird der uns nicht alle Dinge schenken? So muß denn Bedenken oder Streit und Anfechtung darüber obwalten, ob Gott das wohl thun wird. Und in Noth und Anfechtung ist eine solche Frage wie Balsam in der Wunde. Denn da meint das schwache Herz, daß Gott nicht mehr Wunder thun wird wie von Alters her; und der Teufel will, daß man zu den Steinen spreche: werdet Brod, daß man sich selbst helfe, daß man es bei der Gottlosigkeit suche und bei einem andern Namen als dem Namen Gottes, er will, daß man Gott versuche durch Ueberglauben; und die Welt hat allerlei Bedenken wider den wahrhaftigen Glauben und will stets verführen zu eigner Kraft, zum Vertrauen auf sich selbst und auf das Sichtbare, verführen zur Selbstheiligung nach dem Gottesdienst des Fleisches, nach Menschengebot, Satzung und Vorschrift, Aber der Glaube kann nicht anders als glauben, wer glaubt, kann nichts mehr von sich erwarten, keine Frucht von eignem Acker suchen, er weiß zu gut, daß nichts mehr da ist. Habe auch nur mit der äußersten Spitze des Stabes von dem Honig gekostet: „Sein Name wird Jesus heißen, denn er wird sein Volk erretten von ihren Sünden,“ - und deine Augen sind genug erleuchtet, um nichts mehr zu sehen als in dir einen Sünder, und den Herrn als den lebendigen Heiland. Habe das Lamm, welches der Welt Sünde trägt, nur einmal zu Gesicht bekommen, und du wirst der Reinigung deiner vorigen Sünden nicht so vergessen sein, um noch etwas von deinen todten Händen zu erwarten oder zu den todten Werken zurückzukehren, über denen du früher gehalten. Habe einmal gerungen mit dem Manne an her Furth Jabbok, so wirst du keine prächtige Figur mehr machen können, denn dir ist die Hüfte verrenkt. Was Leben hat, was das Leben bekommt von dem gnädigen Gott, geht grad vor sich her, es muß voran. Es weiß wohl, was das Gesetz will, es weiß wohl was Fleisch und Blut anrichten, sein Herz ist nicht von Eisen oder Stein, daß es nicht durch und durch seine Schwachheit, sein Elend, seine Armuth fühlen würde; der ganze Leib ist ihm durchwundet von allerlei Leiden, das Herz manchmal umgekehrt, zerrissen, zerschlagen, - aber soll man wiederkehren zu den Fleischtöpfen Aegyptens? Nein, es muß nach dem Lande der Verheißung, zu der Stadt hin, welche Gott gebaut hat. Aber wir sind in der Wüste. Ist in dieser Wüste etwas, kann man in der Wüste etwas darstellen, was bleibend wäre? Nichts, nichts ist in der Wüste, nichts, nichts kann und wird der darstellen, der belehrt ist zu ruhen von seinen Werken, wie Gott von den seinen. Woher ist denn aber Erfüllung des Rechtes des Gesetzes in uns, woher Heiligkeit, woher gute Werke, woher Tödtung der Glieder auf Erden? Es muß doch da sein, und du hast nichts als Sünde? Du hast recht Teufel, du hast recht Welt, auch du o schwaches Herz! Aber Rechtfertigung, aber Heiligung, aber vollkommene Erlösung, Errettung von allem Bösen - dazu Geld, Schuhe, Kleider, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib und Kind, auch ein gutes Gewissen, Frieden und Ruhe, Ehre und Ueberwindung, und allerlei Aushülfe vor und nach für Leib und Seele, Errettung meiner Kniee vom Wanken und meines Fußes aus jeder Schlinge, endlich ein seliges Ende und die Hinüberfahrt mit meinem Herrn und seinen heiligen Engeln in das Paradies, in Summa: Alles, - fordert was ihr wollt, Teufel, Gesetz, Welt, und du mein schwaches Herz. Wenn ich auch nichts habe; wohlan, richtet mich, dränget mich wie ihr wollt, - ich sehe auf Gott, der Gott dort oben hat mich getröstet: Ich will dein Gott sein. Wird der uns nicht Alles schenken? Schenken, sage ich, ja gnädiglich geben. Was, ob ich es nicht verdient habe, was, ob ich vielmehr den ewigen Tod verdient habe, - die Gerechtigkeit, welche uns Gott zugerechnet, ist dem Glauben zugerechnet; die Seligkeit ist nicht aus Verdienst der Werke. Wo alles Gnade ist, da soll die Gnade allein hochgelobt sein. Zu allem und in allem ist es die Gnade, und alles was uns von Gott zukommt, ein Gnadengeschenk. Und auf seine reichen Gnadengeschenke hoffen wir für und für. Er wird wohl jeden Strick zerreißen, seine Verklagten frei ausgehen lassen und königlich schmücken alle, die nackt und entblößt vor ihm stehen und von seiner Gnade allein jede Bekleidung und alles Heil erwarten.

Hat es keine Gefahr bei dieser Zuversicht? Mit Christo wird Gott uns alles schenken, spricht die Gemeine. „Wie, schreibt der Apostel, wird er uns nicht mit ihm auch alle Dinge schenken?“ Das alles was uns Noth thut, daß wir in diesem Leben dem Gesetze Gottes gemäß einhergehen, daß wir in Heiligkeit wandeln, daß wir der Gerechtigkeit nachjagen, auch was zur Ernährung und Erhaltung des Leibes Noth thut, und jede ihm gefällige Errettung - wird er nicht auch sie uns schenken, da er uns seinen lieben Sohn gegeben hat? Die Gemeine sieht von sich selbst ab und bat ihr Augenmerk auf Christum. Christus ist der Erbe seines Vaters und der König seiner Gemeine. In ihm hat sie Gerechtigkeit und Stärke. Alles ist ihm von dem Vater übergeben. Es ist doch kein leeres Wort, daß ihm alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden. Wo er kommt, bringt er wahrlich alles mit. Er kann die ihm von dem Vater Gegebenen nicht verlassen das ist seine Lust, zu dem Vater zu sagen: Siehe ich und die Kinder die du mir gegeben hast, sie sind zum Zeichen und Wunder von dem Herrn Zebaoth. Freilich, ohne Christum wäre für einen Armen und Elenden nichts zu hoffen. Er kann ohne Christum nicht zu Gott gehen, ohne ihn nichts von Gott erwarten, er kann ohne Christum nichts thun. Nimm den Armen und Elenden ihren Christum, und da sind die Teufel glücklicher dran als sie. Denn was aus Gott geboren ist, muß aus Gott auch Gerechtigkeit haben, muß durch Christi Blut und Geist abgewaschen und gereiniget sein. Was aus Gott geboren ist, dürstet nach Wahrheit und muß die Erfüllung haben der Verheißungen Gottes. Nun ist ohne Christum nichts als Sünde, Tod, Elend, Jammer, Traurigkeit und Unseligkeit. Die Gemeine ist in sich selbst häßlich, jämmerlich und gänzlich verwerflich, ist in sich selbst arm, nackt, elend, blind, Krüppel, stumm, taub und aussätzig von dem Haupte bis an die Füße. Ohne Christum ist Zorn und Verdammung, die völlige Tyrannei der Sünde und allerwärts nichts als gräßliche Finsterniß und Hoffnungslosigkeit. In dem ersten Stammhaupt Adam sind wir unter ein Gesetz der Sünde und des Todes gerathen, als Kinder des Zornes, todt in Sünden und Uebertretungen. Aber hier haben wir ein anderes Stammhaupt, Christum, der bringt Licht, Leben, Friede und Freude mit sich. Wo er kommt, müssen Tod und Teufel weichen, da ist alsbald Erlaß von Sünden, Befreiung von allen Banden der Sünde, Errettung vor dem zukünftigen Zorn, Durchhülfe durch dieses Mesech, da ist Heil und da ist Sieg. Wo er kommt, bringt er alle Güter des Himmels mit sich. Es hat ja nun, der Vater aller Barmherzigkeit einer verlornen Welt ein gnädiges Jahr bereiten wellen und ihr einen König der Gerechtigkeit gegeben, einen ewigen Friedensfürsten. Wird er den nicht auch gut regieren lassen, wird er unter der Regierung seines Jedidjahs des Goldes und des Silbers nicht so viel machen wie der Steine auf den Straßen? Seine Gemeine, sie ist verloren in sich selbst, sie liegt in der Hölle, sie wohnt wo die Sünde herrscht, der Tod hat sie besessen, - diese soll seine Tochter werden. Er hat sie erwählt aus lauter Liebe, sie soll seinen Sohn haben zu ihrem lieben Manne auf ewig, und was Gott da zusammengefügt hat, sollen Tod, Teufel und Welt nicht scheiden. Bekommt die geliebte Tochter einen armen Mann? Besitzt Gott einen armen Sohn? Ist er ein armer Vater? Hat er nichts weiter um es zu geben, als diesen Sohn allein? Er ist freilich genugsam, so wie er ist; wenn wir ihn nur haben, so ist er uns genug, sollten wir mit ihm unser Leben lang auch Brod und Wasser essen. Wir gehen mit ihm durch Hunger und Schwerdt, so spricht jede trostlose Seele. Aber bei alle dem, Christus ist nicht arm, und unser Vater in den Himmeln auch nicht. Gott der Herr hat Himmel und Erde gemacht. Er hat sich ein Volk erschaffen, das seinen Ruhm verkünden soll, seine Seligkeit schauen, seine Errettung Tag für Tag erfahren. Sein ist beides, Silber und Gold. Er ist der Oberste Richter, - wer will seine Auserwählten verklagen, da er gerecht macht? Welche Noth kann seine Armen und Elenden zu nichts machen, da er sich vorgenommen, daß sie in allem weit überwinden sollen durch den, der sie geliebet hat? Alles hat er seinem Christo gegeben, den Stuhl seiner Herrlichkeit, um mit ihm auf demselben zu sitzen, den Pallast seiner Heiligkeit, den ganzen Himmel seiner Herrlichkeit. Darin soll er auf ewig wohnen mit allen den Seinen. Erworben, verdient hat er für sich alle Schätze und Reichthümer des Himmels, sie uns zu schenken, Leben und Ueberfluß, wie er selbst gesagt hat! Er gibt sich selbst seiner Gemeine, - wird er ihr nun nicht auch alles geben, was er hat? Hier waltet eine ewige reiche Gütergemeinschaft ob. Ist auch die Gemeine von Hause aus ein Bettelkind, so ist sie doch die Königin, denn ihr Mann ist König. Obwohl sie arm und elend ist, so ist sie doch reich und herrlich, denn ihr Mann besitzt Himmel und Erde, und vor ihm müssen sich alle Kniee beugen. Obwohl sie schwach ist, ihr Mann hat eine mächtige Dienerschaft ihr zur Hülfe immerdar bereit. Es kann ihr nichts fehlen, denn das ist sein Wort: Alles Meine ist dein.

Dem Aeußerlichen nach sieht es freilich nicht so aus, als bekämen wir mit Christo auch alles Uebrige was uns Noth thut. Denn habe Christum, den lebendigen, und bekenne ihn, bezeuge es freudig: der Herr ist meine Sünde und ich bin in ihm Gerechtigkeit Gottes, alsbald bist du allen Teufeln und allen Eigengerechten und Ungerechten ein Anstoß. Alsbald verklagt man dich, daß du die Kirche abbrichst und andere Sitten lehrst, daß du lehrst: laßt uns Böses thun, auf daß das Gute draus hervorkomme. Alle Teufel werden dich zerfleischen wollen, die Welt dich hassen, dich an's Kreuz schlagen. Was etwas besser sein will, wird dich bemitleiden und dir einen guten Rath geben wollen, um Christum zu verleugnen. Und dahin ist deine Ehre, dein Durchkommen, du darfst nicht mehr kaufen und verkaufen, du bist nicht werth, daß du länger lebst. Und nun noch die inwendigen Sünden, der Mangel manchmal an den nöthigsten Bedürfnissen, stets Besorgnis), was es den morgenden Tag geben wird, - und dazu Krankheit und allerlei Schwachheit. O, wer Christum hat, der muß in allerlei Beziehung seinem Tode ähnlich werden.

Nichts, nichts ist da als Kreuz, Trübsal, Verkennung, Verachtung, Hohn und Schmach. Die Welt will aus einem Christen eine Laterne machen, die ihr leuchten soll, und verbrennt ihn unterdessen. Ist es nicht besser nach dem Fleische zu wandeln, da findet man ja, daß der eine den andern heilig und gerecht spricht, der eine den andern ehrt. Ist es nicht besser, daß man in die Welt zurückkehre und von ihr sein Heil erwarte. Die Welt schenkt ja allen ihren Dienern. Oder wird Gott Fenster an dem Himmel machen? Gewiß, gewiß, so spricht die Gemeine, obgleich Hungersnoth in der Stadt sei, obgleich ich keine Heiligkeit habe, obgleich ich nicht weiß wie und was, und gar keine Macht habe, obgleich ich nur Sünde sehe, Tod und Umkommen, - Fenster wird Gott an dem Himmel machen. Da er uns seinen Sohn gegeben hat, wie sollte er nicht auch mit ihm uns alles schenken?

Und indem die Gemeine es ausspricht: „mit Christo uns auch alles“ sieht sie auf die Quelle, woher sie mit Christo auch alles von Gott erwarten darf, und diese Quelle ist: seine grundlose Barmherzigkeit und Liebe zu uns Verlornen. So bezeugt der Apostel: Er hat seines eignen Sohnes nicht verschonet, sondern ihn für uns alle dahingegeben. Ihr kennet die Geschichte Abrahams, wie er seinen einigen, eignen und geliebten Sohn, sein andres Ich, sein Leben, seine Freude, Lust und Augenweide auf Gottes Geheiß auf den Altar gelegt zum Brandopfer. So machte es Gott. Aber Abraham mußte solches thun, er hatte Gottes Befehl. Aber Gott war frei. Wer vermag es, in die Tiefe dieser Liebe Gottes hineinzuschauen. Es war nicht ein ihm Fremdes, was er für uns drangab, es war sein eignes Kind. Das hat es ihn gekostet, uns selig zu machen. Man möchte fast fragen, ob Gott uns mehr geliebet hat als sein eignes heiliges Kind? Denn wir haben seine Ehre angetastet, seine Gerechtigkeit geschändet, sein ewiges Gesetz, das gute Gebot, uns zum Leben gegeben übertreten, uns Gotte muthwillig entzogen und uns seinem Feind, dem Teufel verkauft, um nur Böses zu thun und Gott und das Gute zu hassen. Da lagen wir in geschworner Feindschaft wider Gott. Wie Rath zu schaffen, daß der Gerechtigkeit Gottes genug geschehe, daß der ewige Fluch von unserm Haupte weggenommen sei, daß die Werke des Teufels bei uns zerstöret, daß wir wieder zu Gott gebracht seien und m seine Seligkeit wieder aufgenommen, die wir so muthwillig drangegeben? Nur der ewige Sohn des ewigen Vaters konnte uns helfen, nur er konnte Gotte die Genugthuung bringen, nur er eine Sühne werden für unsere Sünden. Soll aber Gott den nehmen, den für uns auf den Brandaltar seines ewigen Zornes wider die Sünde legen, soll er den als die Person des Sünders behandeln, als Sünde und Fluch ansehen an unserer Statt, soll er den unter das Gesetz werfen, daß er für uns alles wieder herstelle, soll er mit dem Schwert seines Zorns den treffen, der sein eigen Herz ist, - und das für undankbare, widerspenstige Kreaturen, die seine Seligkeit nicht mal wollen? Sollte er seiner nicht verschonen, der heilig und unschuldig ist, soll er sich nicht ein Geschöpf dazu ausersehn? Es war keines mächtig uns zu erlösen.

Und Gott wollte uns errettet haben, Gott wollte uns wieder bei sich haben. So nahm er denn seinen Sohn, seinen eigenen, keine Böcke von unserm Stall, und er ging mit diesem Sohn auf Golgatha. Und Gott wurde ihm Finsternis?, - sein Sohn starb, und aus seinem Tod leuchtete über uns das freundliche Antlitz Gottes, machte uns gerecht, rein, heilig und selig in dem Blute seines eignen Kindes; und er erweckte seinen Sohn von den Todten und machte uns lebendig mit ihm und nahm sein Kind zu sich und uns mit ihm.

Gott gab seinen eigenen Sohn dahin. Was wird aus ihm werden, wenn er in unserm Zustande ist, wenn er umhangen ist mit allen unsern Schwachheiten? Wird ihn unser Zustand, das „Sünde“ sein für uns, nicht erdrücken, wird der Teufel ihn nicht durch allerlei Versuchungen überlisten, wird er sich nicht von dem Tode, welcher ihn in allerlei Gestalt innerlich und äußerlich peinigen wird, verschlingen lassen? Wird er gemartert und in's Angesicht geschlagen, verkannt, verspieen von allen Menschen - den Muth nicht aufgeben? Wer hat Gotte die Ueberwindung verbürgt? Wer hat's ihm angesagt, dein Sohn wird sich durchschlagen durch alle deine Zornes- und alle Todesfluthen? Wer hat Gott getröstet, da er sein Kind hier auf Erden sah erdrückt von allem Sichtbaren, schwimmend in Thränen, ringend in Gebeten, verschmäht und verlassen von dem Frömmsten, von dem Besten? Wer hat es ihm verheißen: Dein Sohn wird dich dennoch für seinen Gott und Vater halten, dennoch deinen Namen auf Erden verherrlichen, wenn du dich auch als ein Feind wider ihn aufmachst, wenn du auch dich ihm fremd hältst und ihn in Sünde und Tod hinein tauchest um derer willen, die deine Feinde sind! -

Daß ich es mit Ehrfurcht ausspreche, es sieht aus, als hätte Gott seinen Sohn dabei gewagt; als hätte er Teufel, Tod, Sünde und Welt Urlaub gegeben, um mit ihm zu machen was sie wollten und vermöchten. Dennoch hat Gott nichts gewagt. Seine ewige Liebe schuf es: so werden sie, so sollen sie erlöst werden aus der Hölle und errettet werden von dem Tode, die errettet und erlöst werden. Und solche Liebe ertheilte dem Sohne den Geist zum Siege und uns die Erlösung, die Gerechtigkeit, die Ueberwindung in ihm.

Das Große, das Allergrößeste, was Gott hat, wofür die Himmel der Himmel zu klein sind, es zu umfassen, gab er für uns alle dahin; - und nun fragt der Geist, hat er auch noch Gerechtigkeit, noch Heiligkeit, noch Führung durch alles hindurch, noch ein Paar Schuhe, noch ein Kleid um die Blöße zu bedecken, ein Groschenstück für etwas Brod und auch um die Schulden zu bezahlen, - kann er auch noch wiederherstellen, - wird er auch seinen Zorn abwenden, wird er auch die Thränen abtrocknen, Gnade und Ehre geben, auch Trost in aller Trostlosigkeit und endlich ein seliges Ende?

Schwaches Herz, zaghaftes Gemüth! Golgatha verbürgt dir jedes Gnadengeschenk; der Bürge des Bundes: „Meine Gnade soll nicht von dir weichen“ lebt. Gemeine Gottes, du hast mit deinem Bräutigam einen reichen Vater; er wird uns wohl mit seinen Wegen zufrieden machen, noch ein wenig, und die ersehnte Herrlichkeit ist da.

Aber ist das nun für mich auch etwas, worauf ich hoffen darf? Hat Gott seinen Sohn auch für mich dahingegeben? so wird mancher fragen in der Angst seiner Seele. Die Gemeine mit den Augen auf die grundlose Barmherzigkeit und Liebe Gottes spricht: Für uns alle, und schließt hier in ihrer Anfechtung jeden Angefochtenen ein und keinen aus. Darum, wenn es dir um Heiligkeit, um Übereinstimmung mit dem Gesetze Gottes, um Gnade und Frieden bei Gott, um Trost, um Leitung und Führung in allen Willen Gottes, um Geduld, um Beharrung, um Aushülse aus jeder leiblichen und geistlichen Noth geht, und es ist dir Ernst, daß du gerne bei der Gerechtigkeit des Glaubens, bei der Errettung aus Gnaden bleiben willst, und begehrest keinen anderen Weg, - so wirst du es nicht verneinen können, du gehörest zu diesen allen, für welche Gott, seinen Sohn gegeben. Hat doch der Apostel eben hier mit seinem Wörtlein „alle“ die allerelendesten, die am härtesten Angefochtenen, die nicht wissen wo sonst zu bleiben, im Auge, ja sich selbst, im Gefühle, wie er der vornehmste der Sünder ist. Darum ihr, denen es um Gott, um Gerechtigkeit, um allerlei Errettung geht, haltet Muth, obschon ihr nur das Widerspiel vor euch habt, und freuet euch der Zuversicht, daß der Gott, der uns das Beste gab was er hatte, mit seinem lieben Sohn alles, - nicht ein halbes, sondern ein ganzes Königreich gnädiglich uns schenken wird. Einem jeden, dem es um Gerechtigkeit geht, wird er nach seinen Bedürfnissen das Seine zukommen lassen. Seien nur unsere Augen auf ihn, den Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, den Gott aller Gnade. Diese Zuversicht beschämt nicht. Behalten wir die apostolischen Worte: „Alles Leiden dieser Zeit ist nicht werth der Herrlichkeit, welche an uns geoffenbaret werden wird“, - und: „Ist Gott für uns, wer mag Wider uns sein!“

Denen aber, welche die Ungerechtigkeit lieben und darüber keine Reue haben, auch nicht davon erlöst sein wollen, sondern sich selbst rechtfertigen vor Gott, wird Gott nichts geben, sondern er wird ihnen auch das noch nehmen, was sie bis dahin haben in Gottes Güte, welche sie ja zur Buße leiten sollte. Amen. -

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