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Knüchel, Hans - Antrittspredigt

Knüchel, Hans - Antrittspredigt

Liebe Brüder und Schwesteren! dieweil GOtt, wie ich hoffe, es also geschickt hat, daß ich euch predigen solle, das mir warlich schwer ist, und mich gantz ungeschickt darzu weiß, so hab ich doch mein Vertrauen in GOtt, er werde mich nicht verlassen, und bitte euch all gemeinlich jung und alt, daß ihr wollet niederknyen und mir helffen bitten JEsum unser Heyl, daß er uns wolle seinen göttlichen Frieden und Gnade senden, durch welche Gnad wir überkommen eine rechte Demüthigkeit unsers Hertzens, durch welche Demütigkeit wir erlangen einen festen Glauben, wahre Liebe und stäte Hofnung und Vertrauen in JEsum Christum. Nun lieben Brüder! ihr habet nun eine lange Zeit gehört von dem Glauben, Hofnung und Liebe sagen, wie wir die allein sollen haben zu Christo JEsu unserem HErren, solches will ich euch auch allzeit ermahnet haben. Wann ich euch solches genugsamlich in dem Evangelischen Burger hab zuverstehen geben, ich seh aber leider! daß wenige diß zu Hertzen genommen haben; deßgleichen hat es auch wenig Frucht gebracht, was man euch noch bißher von dem Glauben geprediget hat. Ich höre wol, daß ihr alle saget, ihr glaubet festiglich in JEsum Christum, deßgleichen so seye alle euere Hofnung und Trost zu ihm, daß er euch nicht werde verlassen, sondern alle zu ihm in sein Reich nehmen, da werdet ihr hineinfahren grad wie eine Kuh in ein Maußloch, dann als unmöglich es ist, daß eine Kuh in ein Maußloch möge fahren, also unmöglich ist es, daß ein Hoffärtiger, Neidischer möge in den Himmel kommen. Ihr glaubet wol alle und hoffet alle, aber euer keiner hat Liebe, hättet ihr Liebe, so thätet ihr die Gebote, Joh. 14. Wisset ihr aber, was ihr begehret, zeitliche Ehre, die obersten Sitze, grosse Ehrerbietung, viel Hülein- und Paretlein-Lupffens, Gnadherr, Gnadfrau, die Gnad treibt aus die Gnad Christi. So ich nun sehe, daß noch alle Predigen keine Frucht gebracht haben, und man den Glauben noch die Hofnung an die Werck leget, welche da Christus erfordern wird am letsten Urtheil, so will mich bedunken noth zu seyn euch ein wenig darvon zu sagen, wiewol das nicht mein Fürnehmen ist hinfüro zu predigen. Dann meine Meynung ist euch zu predigen von dreyen Lasteren, in welchen Hertzen diese Laster gepflantzet sind, mag weder der Glaube noch die Liebe aufgehen. Dargegen will ich auch sagen von dreyen Tugenden, welches Hertz mit denen gepflanzet ist, das mag ein wahre Erkantnuß haben des Glaubens. Dann der Glaub ist eine Gab und eine Gnad, die da keinem verliehen wird, der da dieser Tugend mangelt. Das will ich jetzund lassen bleiben, und euch ein wenig unterweisen, ehe ich euch anfange zu predigen, daß der Glaub nicht allein genug sey zu der Seligkeit. Höret! wie spricht der heil. Apostel St. Jacob am 2. Cap. Der Glaub ohne die Wercke ist ganz unnütz und todt. Weiter spricht er, welcher da ist ein Hörer und nicht ein Thäter, der ist gleich einem Mann, der sein leiblich Angesicht in einem Spiegel beschauet, und nachdem er sich beschauet hat, geht er darvon und vergisset seiner Gestalt. Wer aber durchschauet das vollkommene Gesätz der Freyheit (das sind die Gebote und evangelische Lehre Christi JEsu) und darinnen beharret, und ist nicht ein vergeßlicher Hörer, sondern ein Thäter, der wird selig seyn in seiner That. Sehet! wie wir glauben und hoffen. Ja wann ich Pfaffen und Mönche übel schält, so spertet ihr wol die Mäuler auf wie die jungen Füllin, und lostet eben auf; aber so bald man euch sagt von der Liebe des Nächsten, und den Geboten GOttes, so hencket ihr die Ohren, wie die alten Leidhunde, und saget alsbald: Der Pfaff ist päbstisch, er kan nichts sagen, dann von den guten Wercken, so doch unsere Seligkeit allein auf dem Glauben steht. Es ist nicht möglich, daß wir die Liebe des Nächsten mögen verbringen. Einer spricht, ich bin selbst arm, der ander spricht, ich hab viel kleine Kinder, die muß ich erziehen. (ja zu der Hoffart), der dritte spricht, ich muß mich selbst versorgen. O du armes versorgen, so du die grosse Sorge Christi ausschlagest, die er für dich gehabt und täglich hat: Dencket nur darbey, er wird seine Sorge von euch abziehen an euerem letsten End. Daß ihr sprechet, ich sage euch von guten Werken, so wüsset, daß ihr müsset durch die guten Werke, so euch GOtt hat aufgesezt, selig werden. Er wird nicht ansehen euere Armuth, in welche ihr durch mancherley Unglück kommen seyt, er wird auch nicht ansehen euere Kinder, Stand und Herkommen, um derenwillen ihr grosse Schätz samlet, sondern er will das von euch forderen, wie Jacob spricht, Cap. 2. Du unnützer Mensch, wilt du wüssen, daß der Glaub ohne die Werke todt seye, so höre: Ist nicht Abraham unser Vater durch die Werke gerechtfertiget worden, da er seinen Sohn Isaac auf dem Altar opfferte? Da sihest du, daß der Glaub und die Werk miteinanderen gewürkt haben, und durch die Werk ist der Glaub vollführt, und ist die Schrifft erfüllt, die da spricht: Abraham hat GOtt geglaubt, und es ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet, und ist ein Freund GOttes geheissen worden. Da sehet ihr, daß der Mensch durch die Werke gerechtfertiget wird, nicht durch den Glauben allein; Dann gleichwie der Leib ohne den Geist todt ist, also auch der Glaube ohne die Werke. Und wie die Früchte zieren einen Baum, also zieren auch die Werke einen Menschen. Meynet ihr, daß Christus vergebens gesagt habe: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen, Matth. 7. Spricht nicht Christus: Die Werke die ich thue in dem Namen meines Vaters, geben Zeugnuß von mir. auch sprach er: Wollet ihr mir nicht glauben, so glaubet doch meinen Werken, Joh. 10. Ach! wo sind da unsere Scribenten und Evangelisten, von deren Wercken (dieweil sie viele fromme Doctores verwerffen, die man an ihren Werken und Früchten erkannt hat) wir solten ein Glauben empfangen? Es sind blaue Enten, und sind wir blaue Christen. Christus hat auch das Werk der Liebe an Maria Magdalena, das sie an ihm vollbracht, gelobt und gerechtfertiget, Marc. 14. Sahe nicht Christus an die Werke der Penitentz deren von Ninive, und hat sich über sie erbarmet, Jon. 3. Höret wie spricht Esaias: Ist es Sach, daß ihr die Werke der Barmherzigkeit werdet erfüllen, so ihr dann den HErren werdet anruffen, wird er euch erhören, und so ihr werdet zu ihm schreyen, wird er sprechen, nehmet wahr, ich bin hie; (als wollte er sprechen, zu erfüllen all euer Begehren.) Da sehet, wie wir glauben. Es wäre viel darvon zu reden, die Zeit mag es nicht leiden. Nichts mehrers lasset uns JEsum Christum bitten, als daß er uns den Geist des Glaubens wolle verleihen, wie er ihn seiner außerwehlten Mutter der Jungfrau Maria und allen Apostlen, auch allen außerwehlten Heiligen verliehen hat, so wird uns nichts zu schwer seyn, nichts zu bitter, nichts zu grausamlich, nichts zu unmöglich, sondern alle Ding möglich, wie wir haben Marc. 9. Einem Glaubenden sind alle Ding möglich, als ihr das findet in dem Leben der Apostlen und der Heiligen, was grosse Dinge sie vollbracht haben. Derselbigen Leben soltet ihr für euch nehmen, und viel lesen, so würdet ihr recht lernen glauben und Christo nachfolgen. Hier kommen etliche kleinmüthige, verzweiflete Christen, so man ihnen solches fürhaltet und sprechen: Die Apostlen und Heiligen haben die Gnad von GOtt gehabt. So sitzet ihr da biß euch eine gebratene Taube ins Maul fliege, die Werke der Barmherzigkeit erfüllet nicht, und sehet, wie viel Gnade ihr überkommet. Es sind auch etliche die da sprechen, sie haben von ihrem Vater Adam die böse Begierlichkeit des Fleisches, und wollen ihre grosse Laster und Sünden bedecken mit ihrem Vater Adam. Wüsset ihr nicht, wer euer Vater ist, so ihr nicht wollt von Sünden abstehen, der Teuffel ist euer Vater, so bezeugt der göttliche Mund, da er sprach: Ihr seyt von dem Vater, dem Teuffel. Adam hat viel fromme Söhne gehabt im alten und neuen Testament, die auch Menschen sind gewesen, so wol als wir, den sollet ihr nachfolgen, und stets bitten um Gnade und Barmhertzigkeit, welche uns verleihen wolle GOtt der vater, GOtt der Sohn, und GOtt der heilige Geist! Amen.

Quelle: Füßlin, Johann Conrad - Beyträge zur Erläuterung der Kirchen-Reformations-Geschichten des Schweitzerlandes, Band 4

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