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Keller, Samuel - Jakobusbrief

Keller, Samuel - Jakobusbrief

Kapitel 1

„So jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte von Gott“
Jak. 1, 5

'Ein bißchen stark! Uns zuzumuten, daß uns Weisheit und Verstand mangelte!' möchte mancher denken, der sich selbst für weise hält. Aber Weisheit hängt mit weisen zusammen. Hast du den geheimen Takt, der dich stets den rechten Weg weist? Bist du ein von Gott zurechtgewiesener Wanderer, der nun ohne Angst vor neuem Verirren alle Tage gewisse Tritte vorwärts tun kann? Wie bange sind wir, einen falschen Weg zu wählen! Doch der bange Mensch wird eher bitten lernen um Gewiesen-werden von oben. Das ist schon der Anbruch der Weisheit, daß man offen wird für Gottes Winke - einerlei, ob er sie uns durch ruhiges Überlegen der Umstande, andere Menschen oder Bibelsprüche gibt. In wie viel Not meines Lebens durfte ich es nicht erfahren, daß die erste Stufe der Erhörung meiner Bitte um Weisheit die Stille der Seele brachte, wo sich schon die trüben Wasser setzten und klar wurden. Betete ich weiter, gab es als zweite Stufe die völlige Willigkeit zum Gehorsam, und dann pflegte die dritte nicht mehr fern zu sein, wo Gott mir einen kleinen Schritt vorwärts zeigte. War der getan, tat sich die Nebelwand auseinander, und sein Weg lag sonnenbeglänzt vor mir.

Gerade weil ich das so oft erlebt habe, lieber Vater im Himmel, will ich nicht mehr auf mich trauen, sondern allein auf dich. Du sollst es sein, von dem ich meine Weisung erwarte. Gib deinem Kinde deine Winke und die Lust, dir zu gehorchen! Herr, ich bitte um Weisheit. Amen.

Kapitel 3

„Wer aber in keinem Worte fehlet, der ist ein vollkommener Mann.“
Jak. 3, 2

Wer wagt das von sich selbst auszusagen! Kein Wort falsch, kein Wort vorschnell, kein Wort übertrieben, kein Wort lieblos - nein, solche Menschen findet man nicht. Wohl habe ich welche kennengelernt, die aus Angst, mit einem Wort zu fehlen, sich angewöhnt hatten, ganz still zu schweigen. Ist das richtig? Dann fehlten ihnen auch die freundlichen, tröstenden, bekennenden, werbenden Worte. Nun, dann ist dieser Ausspruch nur zu unserer Demütigung geschrieben. Aber Sündenerkenntnis allein bessert noch nicht; sie lähmt sogar, wenn sie allein auftritt, alle Bemühung auf Änderung. Dasselbe helle Licht bestrahlt auch den einzigen, in des Munde kein Betrug erfunden und der in keinem Wort gefehlt hat: Jesus. Unsere Fehlerhaftigkeit und seine Reinheit muß zusammengebunden werden durch den Glauben, daß er gekommen sei, um uns von der Sünde zu scheiden. Beide Stücke sind nun notwendig: Erkenntnis meines Mangels und Nähe seines Reichtums. Das kann eine Hilfe werden. Denn Zunge und Herz gehören zusammen: die Zunge kann nicht gereinigt werden, wenn das Herz nicht anders wird.

Lieber Herr Jesus! Nimm dich unserer Armseligkeit und Schwäche an! Vergib unsere bösen Worte und lege uns statt dessen deine Worte in den Mund. Laß im Grunde unserer Seele, von innen heraus, die Genesung durchbrechen, bis wir dir ganz gehören mit Herz und Mund! Amen.

Kapitel 4

„Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein.“
Jak. 4, 4

Kann man wirklich Jesum beliebt machen? Kann man sich selbst durch Jesus in der Welt beliebt machen? Früher habe ich das geglaubt und manche schmerzliche Enttäuschung erlitten. Was uns zeitweise bei der Welt beliebt machte, war unsere Eigenart: Begabung, Witz, Leidenschaftlichkeit und Begeisterungsfähigkeit. Sobald Jesus an irgend einer Stelle mit seiner Eigenart in unserm Leben zum Durchbruch kam, gab es lange Gesichter oder man machte kurzen Prozeß und schloß die Herzen zu. Bei vielen Unterhaltungen in der Eisenbahn oder in der Gesellschaft konnte ich ganz genau die Grenze bestimmen, bis wohin die Welt mich liebte und lobte und wo die Verstimmung anfing. Für schwache Herzen, die gern ihrer Umgebung nach dem Munde reden, liegt hier eine große Gefahr vor: einen gefälschten Jesus zum Vorzeigen bei sich zu tragen. Der echte Jesus stößt die Unbußfertigen heute noch wie damals vor den Kopf. Daher kommt man allmählich dahin, auf die Freundschaft der Welt zu verzichten. Wenn wir nur nicht zu gleicher Zeit diese feindselige Welt lieben müßten, um sie retten zu können. Da sind Grenzen, die man fühlen, aber nicht bestimmen kann.

Herr, mach uns frei von aller Welt, damit wir ihr recht dienen können als scharfes Salz und süßes Lieht! Entschädige du uns durch deine Liebe für alles, was wir durch die Feindschaft der Welt verloren haben. Wir sind dein. Amen.

„Widerstehet dem Teufel, so flieht er vor Euch.“
Jak. 4, 7

Der Teufel hat mit seiner Versuchung nur solange ein Interesse an uns, als wir ihm im Sichgehenlassen, im Auslebenwollen unserer Sinnlichkeit oder in hochmütiger Verblendung eine bequeme Angriffsfläche bieten. Solange wir gar nicht an einen wirklichen Widerstand denken, sondern uns mit der Möglichkeit der betreffenden Sünde beschäftigen, hat er die besten Hoffnungen. Sobald wir aber das drohende Unrecht als solches anerkennen, und Angst vor unserer Schwachheit uns überkommt und wir uns nur eine Sekunde an den gegenwärtigen Jesus wenden, wird sein Sieg zweifelhaft. Vielleicht versucht er jetzt noch einen letzten Sturmangriff, eine Überrumpelung durch den Betrug der Sünde. Sind wir aber im Gebetszusammenhang mit Jesus, so fangen dessen Lichtkräfte an zu wirken. Jetzt ist der Augenblick der Entscheidung gekommen, von dem ein Dichter sagt: „Nur heute laß dich nicht fangen, so bist du hundertmal entgangen.“ Jetzt merkt der Böse, daß ihm heute gerade entschlossener Widerstand entgegengesetzt wird, und alsbald flieht er. Treue im Zusammenschluß mit Jesus verscheucht das Böse, wie der Morgenwind die Nebelfetzen zerreißt.

Darum bitten wir dich, du Meister unseres Lebens, Herr Jesus, bleib du bei uns und laß uns in solchen gefährlichen Augenblicken nicht allein. Dann wird der eine erfahrene Sieg die Bahn ebnen dem nächsten, und aus den Siegen wachsen heilige Gewohnheiten hervor. Amen.

Kapitel 5

„So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis auf die Zukunft des Herrn. Siehe, ein Ackersmann wartet auf die köstliche Frucht der Erde und ist geduldig darüber, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen.“
Jak. 5, 7

Es ist leichter, geduldig sein, wenn einem eine bestimmte Grenze gezeigt wird, bis zu der dieses geduldige Warten nur dauern soll. Aber wie der Landmann nichts tun kann, um die Ernte zu beschleunigen - er muß warten, bis sie reif wird -, so sollen wir die köstliche Frucht unserer Arbeit, unseres Lebenswerkes auch mit Geduld erwarten - denn das Ende solchen Wartens wird Freude sein; alles menschliche Zerren und Treiben hilft nichts dazu, sondern kann nur schaden. Möchten doch viele liebe Gläubige unserer Tage diese Lektion lernen, ehe ihre krankhafte Ungeduld viel Unheil angerichtet hat. Im Morgenlande brauchte der Weizen im Herbst einen Regen, damit das von der Sommersglut hart gebrannte Feld gepflügt und besät werden konnte. War der Same gut aufgegangen, mußte der Frühjahrsregen kommen; nach demselben wuchs der Halm schnell, und in wenig Monaten konnte die Ernte folgen. Im Geistlichen ist ein Regen niedergegangen zu Pfingsten zur Entstehung der Gemeinde, oder bei deiner Bekehrung; der zweite Regen, den die Ernte noch nötig hat, muß noch kommen. Uns scheint, als ob er schon in Geistesbewegungen einsetzt in aller Welt; an andern Stellen rauscht es, als wollte es sehr regnen!

Herr, ich hör' von gnäd'gen Regen, die du ausgießt mildiglich, Regen, die das Land bewegen - sende Tropfen auch auf mich. Amen.

„Betet füreinander.“
Jak. 5, 16

Muß man das immer wieder sagen? Unwillkürlich frage ich mich: was gibt's denn für starke Hemmungen der Fürbitte, daß die Mahnung dazu in den Briefen der Apostel so oft wiederkehrt? Einwände des Verstandes, Gründe der Wissenschaft werden es dazumal so wenig gewesen sein, als sie es heute eigentlich sind, die den Betern ihr Schwert aus der Hand nehmen. Nein, es sind Trägheit und Selbstsucht, die am allermeisten lähmen. Oder ist's nicht wahr, daß wir, wenn uns eine dringende Not traf, mit großem Eifer für uns beten? Aus Selbstsucht überwinden wir die Trägheit. Wenn wir den Bruder wirklich ehrlich lieb haben, dann ist's uns sofort leichter, seinen Schmerz auch als unsern zu empfinden und mit Inbrunst für ihn zu beten. Also der Mangel an Liebe ist schuld. Aber Bruderliebe ist der einzige Beweis für unsere Liebe zum Heiland. Sie muß also bei uns in Blüte stehen, wenn unser Glaube echt ist. Wollen wir so anfangen: zuerst wirklich glauben an die Vergebung der Schuld. Wem viel vergeben ist, der liebt viel. Jetzt wendet sich unser Lieben auf Jesus, und er liebt uns wieder. Dann muß die nächste Folge sein, daß wir die Brüder besser lieben, und diese bessere Liebe treibt die Trägheit aus und drängt zur Fürbitte.

O, Herr Jesu, mach uns treuer im Lieben und Beten, damit in der unsichtbaren Welt Riegel zurückgeschoben werden und deine Segensfluten niederströmen auf deine Beterschar. Segne unsere Brüder und durch ihr Wachstum uns. Amen.

„Betet füreinander.“
Jak. 5, 16

Warte nicht, bis dein Nächster über seiner eigenen Zerfahrenheit und Zerklüftung bekümmert zu dir kommt und dir mit abgewandtem Blick leise sagt: „Bete für mich!“ Lange vorher sagt es dir dein Heiland schon; lange vorher wartet er darauf, daß deine Liebe so rein von selbstsüchtigen Gedanken werde, daß sie mit Sehnsucht und heißem Drang für den andern eintreten kann. Du bist dann erst dazu geworden, was man in der unsichtbaren Welt von dir erwartet. Diese geistliche Reife erschließt dir dort neue Rechte, neue Ansprüche, so daß du auf solches Guthaben hin kommen darfst und dich einsetzen für jenen andern. Gläubige Fürbitte fällt dort, wo man die Schicksale formt, als eine Einzahlung von Liebe und Güte ins Gewicht. Gott kann sie nicht übersehen; irgendwie gestaltet sie das Ergehen des andern um. Entweder wird die Tür des Glaubens dem Zaudernden noch länger offen gehalten, oder deine Fürbitte hebt ein Verhängnis auf, das sonst über ihn kommen müßte. Ach der unerkannten Macht von der Heil'gen beten!

Hier stehe ich vor dir, mein Gott, und flehe für mein Weib und meine Kinder, meine mitverbundenen Gläubigen, meine Kranken, meine Angefochtenen, meine besonderen Freunde und erbittertsten Gegner: Herr, erbarme dich! Amen.

„Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.“
Jak. 5, 16

Woher denn bei uns, Gebetsfreunde, bisweilen die Unlust zum Beten? Wenn nicht körperliche Ursachen vorliegen (die man bei etwas Aufmerksamkeit meistens vermeiden kann), oder eine bestimmte Anfechtung des Bösen sich dahinter versteckt, meine ich den Hauptgrund im halb unbewußten Leben der Seele suchen zu müssen. Unser Bewußtsein ist doch immer nur ein kleines Stück von der Oberfläche; was uns im Augenblick nicht bewußt ist, bildet den eigentlichen Bestand unseres Seelenlebens. Wenn dort alte Schuld, neue Untreue, Verstimmung gegen andere Menschen, Empfindlichkeit, Geld- oder Ehrliebe vorherrschen, gibt das einen Luftdruck, der dem Gebet an der Oberfläche des Bewußtseins schädlich ist. Läßt man sich dadurch abhalten zu beten, wächst dort im Dunkel die Abneigung. Also zwing dich nie zum Gebet vor Menschen; aber zwing dich täglich zum leisen anhaltenden Beten vor Gott! Ernstlich, d.h. wir meinen im Augenblick wirklich das, was wir erbitten. Bittest du um Geld, mußt du ehrlich auch geben wollen, bittest du um Gesundheit, mußt du auch das deine dazu tun; bittest du um Erbarmen für andere, so mußt du ihnen auch Erbarmen zeigen.

Lieber Vater im Himmel, wir Armen bitten um deinen Reichtum! Schenk' uns den Heiligen Geist, vollkommene Freude und Kraft zum Lauf nach dem Ziel. Ohne dich verkümmern wir. Darum nimm dich unseres Betens an und mach es gesund und stark und wahr. Amen.

„Elias war ein Mensch, gleich wie wir.“
Jak. 5, 17

Wir sind gleich bei der Hand, zu sagen, wenn wir von Taten oder Tüchtigkeiten anderer hören: „Ja, das waren auch ganz andere Leute.“ Bald sollen es ihre Gaben sein, bald die Zeitverhältnisse, die wir wie einen Schild vorhalten, wenn man Ähnliches von uns verlangt. All dergleichen Mittelchen, mit denen wir uns selbst entschuldigen wollen, schlägt hier das eine Wort uns aus der Hand: „gleich wie wir!“ Was, gleich wie wir und dann so ungleich im Gebetseifer, in der Gebetskraft und in den Gebetserhörungen? Wo steckt da der Fehler bei uns? Bitte, denk jetzt nicht gleich an massive Erhörungen im Gebiet des Auffallenden, damit man prahlen könnte vor andern, sondern an dein heutiges Gebet um Hilfe gegen eine bestimmte Sünde oder Sorge. Laß das Beispiel des Elias auf diesem einen Punkte sofort wirksam werden. Hänge dich mit der ganzen Wucht deiner Seele, mit der ganzen Kraft deines Glaubens an diesen Gebetshebel; was gilt's, die Last muß sich heben, die Wirkung muß eintreten. Ein Mensch gleich wie wir - laß die Antwort darauf ein Gebetssieg, gleich wie der des Elias, sein.

Herr, unser Gott, du bist heute derselbe wie damals, und wir sind Menschen, wie Elias es war. Fache unsere Gebetsfunken durch deinen Geist an, daß die hellen Flammen herausschlagen. Du willst gebeten sein, wir wollen beten - Herr, hilf uns beten! Amen.

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