Kapff, Sixtus Carl von - Am Sonntag Reminiscere.

Kapff, Sixtus Carl von - Am Sonntag Reminiscere.

Text: 1 Thess. 4,1-7.
Weiter, liebe Brüder, bitten wir euch, und ermahnen in dem HErrn JEsu (nachdem ihr von uns empfangen habt, wie ihr sollt wandeln und GOtt gefallen), dass ihr immer völliger werdet. Denn ihr wisst, welche Gebote wir euch gegeben haben durch den HErrn JEsum. Denn das ist der Wille GOttes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Hurerei, und ein Jeglicher unter euch wisse sein Fass zu behalten in Heiligung und Ehren, nicht in der Lustseuche wie die Heiden, die von GOtt nichts wissen, und dass Niemand zu weit greife, noch vervorteile seinen Bruder im Handel; denn der HErr ist der Rächer über das Alles, wie wir euch zuvor gesagt und bezeugt haben. Denn GOtt hat uns nicht berufen zur Unreinigkeit sondern zur Heiligung.

Unsere Epistel enthält eine sehr ernstliche Ermahnung zur Keuschheit. Ja, der Apostel setzt darein vornehmlich die Heiligung, die er als unseren eigentlichen Beruf und als den Hauptwillen GOttes hervorhebt. Diese Ermahnung passt besonders in die gegenwärtige Fasten- oder Passionszeit, in der wir durch bußfertige und gläubige Betrachtungen uns den vollen Segen des Leidens und Todes JEsu zueignen sollen. Nichts hindert daran so sehr, als die Unkeuschheit, die alle guten Gedanken im Herzen erstickt und durch böse Gedanken den ganzen Wandel verderbt. Alles, was zum christlichen Leben gehört, Glaube, Liebe, Hoffnung, Heiligung, Gebet, Geduld, himmlischer Sinn, - alle diese göttlichen Pflanzen gedeihen nur in der reinen Luft der Keuschheit. Nun ermahnt Paulus am Anfang unseres Textes, wir sollen so handeln, dass wir GOtt gefallen. GOtt gefallen - das will viel sagen. Dazu gehört ein GOtt-ähnliches, JEsu-ähnliches Leben, frei von den Befleckungen des Fleisches und Geistes, im Glauben, in der Liebe, in weltüberwindender Heiligung. Und darin sollen wir nach unserem Text immer völliger werden, wie das kananäische Weib im heutigen Evangelium immer völliger wurde im Glauben, und so den HErrn überwand und durch Ihn den Satan, dass der HErr ihr gnädig und der Teufel von ihrer Tochter ausgetrieben wurde. Das Alles aber - das Völligerwerden im Glauben und in der Heiligung, das Erlangen der Gnade und Lebenskraft JEsu und das Überwinden des Teufels - das Alles ist unmöglich, so lange das Herz durch unkeusche Neigungen noch verunreinigt ist.

So wenig ein Baum wachsen kann, der vom Wurm innerlich zernagt wird, so wenig kann ein Christ im Geistlichen wachsen, wenn er der Fleischeslust Macht über sich lässt. Deswegen sind wahre Christen so selten. Es ist unglaublich, welche Macht die Fleischeslust ausübt über unser verdorbenes Geschlecht, und wie sie bei Unzähligen dem inneren Menschen die Nerven und Sehnen abschneidet, dass er geistlich tot auf dem Boden der Erde liegen bleibt und dem himmlischen Ziel nicht mehr zuwandeln kann. Man möchte Blut weinen über den Jammer, in den man bei genauerer Kenntnis der Menschheit hineinsieht. Immer mehr greift dieses Verderben um sich, wie ein Krebsschaden, der unser Geschlecht in vielen seiner edelsten Glieder zerfrisst. Wollust und Geiz - das sind die zwei Hauptfeinde unserer Zeit; es ist, als hätte der Satan damit einen Taumel- oder Zauberkelch eingeschenkt, durch den er immer mehr Seelen vergiftet und dem ewigen Tod übergibt. Da gilt es, mit allem Ernst auf das Wort unseres Textes zu merken: „Das ist der Wille GOttes: eure Heiligung, dass ihr meidet die Hurerei und alle Unreinigkeit.“ Da zeigt Er uns, dass Keuschheit das erste und wesentlichste Stück der Heiligung sei. Da unsere ganze Epistel davon handelt, so wollen wir bei diesem hochwichtigen Gegenstand stehen bleiben. Auch unter uns ist solche Ermahnung nötig. Hier in der Kirche und in den Versammlungen und sonst nach dem Schein, da ist Alles fromm und keusch. Aber wie Manches geht im Finsteren vor, in der Einsamkeit, in der Nacht! Wie befleckt sind bei Manchen die Gedanken, und wie schleicht so verborgenes Gift durch die Adern! Wer darf auftreten und sagen: „Ich bedarf keiner Ermahnung zur Keuschheit!“ Darum sei unsere Betrachtung heute, was unsere Epistel ist:

Eine Ermahnung zur Keuschheit. Wir sehen

  1. was uns von der Unkeuschheit abschrecke,
  2. was uns zur Keuschheit bewege,
  3. was uns dazu helfe.

Allmächtiger GOtt, heilige unsere Herzen durch deine göttliche Liebe, die Du wie eine Sonne in uns leuchten und wärmen lassen wollest, dass alle Finsternis und alles Eis unserer unreinen sündlichen Natur Dir weichen müsse und es heller Tag werde in unseren Herzen. Erwecke uns jetzt durch deinen heiligen Geist zu neuem Eifer in der Heiligung, ohne welche Niemand Dich schauen kann, und mache, dass Du uns mehr seist als die ganze Welt mit aller Lust und Herrlichkeit. O verkläre Dich und dein heiliges Leben in uns, durch JEsum Christum, unseren HErrn. Amen.

I.

Was vor der Unkeuschheit uns zurückschrecke, sagt unsere Epistel mit mehreren Worten. Zuerst nennt Paulus dieses Laster eine Lustseuche der Heiden, die von GOtt nichts wissen. Mit dem Einen Wort „Lustseuche“ ist die Hauptsache gesagt über jede Art von Unkeuschheit, in Gedanken, Worten und Werken, durch Ehebruch, Hurerei, Unzucht außer oder in der Ehe und durch Befleckung mit geheimen Sünden am eigenen Leib. Das Alles nennt Paulus Lustseuche, nach dem Griechischen: krankhafte Leidenschaft der Lust. Damit ist die Sklaverei der Unkeuschheit bezeichnet, so wie ihre höchst verderblichen Wirkungen für Leib und Seele. Ein unreiner Mensch ist in einer Sklaverei, die als die schändlichste Entwürdigung unserer Natur zu betrachten ist. Unaufhörlich steigen wüste Gedanken und Bilder in ihm auf, wie Kröten in sumpfigem Wasser, und verwüsten seine Seele, dass er untüchtig wird für edlere Gedanken, für schönere Gefühle und für das, was die höchste Ehre eines Menschen ist, für das Beten.

Oft seufzt der Geist in tiefer Scham und möchte los sein von den Banden, die ihn anketten an das, was nur Schande und Elend bringt. Aber je länger ein Mensch der Fleischeslust nachgegeben hat, desto fester wird er verstrickt, und es geht, wie Oetinger sagt: „Leidenschaften in ihm haften, der Gewohnheit Lohn.“ Es ist, als ob die Gedanken, die man oft in sich bewegt, einen körperlichen Eindruck zurückließen, der als eine Macht, wie Paulus sagt, als ein Gesetz in den Gliedern wirkt, und der Seele eine Stimmung beibringt, in der sie meint, sie könne nicht anders, als der Lust folgen. Niemand mehr, als unkeusche Menschen müssen seufzen: „ich weiß nicht, was ich tue; denn ich tue nicht, das ich will, sondern das ich hasse, das tue ich“ - gegen die Stimme des Gewissens und des Geistes GOttes. Wie in der Krankheit der Leib sich unwillkürlich bewegt durch Gichter, Krämpfe, Erbrechen und dergleichen, so wirkt in einer unreinen Seele die Leidenschaft als blinder Naturtrieb und macht den Menschen zum Tier.

So schrecklich das ist, was wir von den armen Negersklaven lesen, von ihren blutigen Ketten, von ihren durch Schläge und Misshandlungen aller Art zerquälten Gliedern, so ist solches Elend doch noch besser, als die Sklaverei eines Menschen, der durch Lüste in Irrtum sich verderbt und die Begierden nicht mehr beherrschen kann, die sein Herz und dann auch seine Zunge und seine Glieder verwüsten.

Wie solche Sklaverei zum schreiendsten Unrecht gegen Andere verleitet, sagt unser Text mit den Worten, die Luther übersetzt: „dass Niemand zu weit greife, noch vervorteile seinen Bruder im Handel;“ nach dem Grundtext aber gehören die Worte auch zur Warnung vor Unkeuschheit, und sagen, es soll doch Niemand einen Anderen übertreiben, durch starke Gefühlserregung für sich und seine unreinen Absichten gewinnen, um ihn so auch in Unkeuschheit hineinzuziehen. Der Sklave der Fleischeslust dringt sich durch betrügliche Ränke Anderen auf, sucht sich auf alle Art gefällig zu machen und Andere wie zu bezaubern, dass sie seiner Lust dienen. Ach! welche Schleich- und Sündenwege gibt es da, wie werfen solche unreinen Menschen sich weg und erniedern sich zu Sklaven, und bringen auch Andere um ihre Freiheit und Ruhe, um häusliches Glück und um Gesundheit. Denn solche innere Lustseuche wird gewöhnlich auch eine äußere Seuche. Seht den Gichtbrüchigen an, der, am ganzen Leib gelähmt, kaum mehr einen Fuß und eine Hand bewegen konnte, und totenblass in peinlicher Scham vor JEsum getragen wurde. Was hatte ihn so elend gemacht? Ohne Zweifel die Unkeuschheit. Seht so manche Aussätzige, denen das faule Fleisch in Stücken vom Leibe fiel; seht Herodes Agrippa, der, von Würmern gefressen, elendiglich seinen Geist aufgab; seht so viele Hunderte, deren Jugendfrische früh verwelkte, die Jahrelang einen siechen Leib als unerträgliche Last herumschleppten und dann ohne Hoffnung in ein schauerliches Grab sanken, - was hat sie getötet? Die Unkeuschheit. Wie ein giftiger Wurm zerfrisst sie das Herzblatt des Lebens, verderbt die edelsten Kräfte und Säfte des Leibes, zerrüttet die Nerven, diese Werkzeuge der Seele, und raubt die Frische, die Heiterkeit und Tatkraft, ohne die das Leben eine Wüste ist. So geht schon in diesem Leben das Wort unseres Textes in Erfüllung: „Der HErr ist Rächer über das Alles.“ Furchtbar straft GOtt die Unkeuschheit oft schon in diesem Leben. Wie Noah über seinen unzüchtigen Ham einen Fluch aussprach, der von Geschlecht zu Geschlecht fortwirkte; wie die Sodomiter in Feuer und Schwefel verbrannt wurden; wie die Hurer in Israel eine Pest traf, dass 23.000 fielen auf Einen Tag und tausend fraß das Schwert; wie Simson durch seine Unkeuschheit seine starke Kraft verlor und seine Augen und Freiheit und Leben; wie David für seinen Ehebruch verjagt wurde von Absalom unter Spott und Schmach, und wie der verlorene Sohn in die bitterste Schmach und Armut geriet: so ist noch heute, die Strafe der Unkeuschheit Schimpf und Schande für die Sünder und ihre Familien, Armut und Elend, Krankheit, und zwar Krankheit oft für mehrere Geschlechter, so dass elende Kinder ihre Erzeuger anklagen. Und das letzte Ende ist ein hoffnungsloser, verzweiflungsvoller Tod.

Und wie wird GOtt sich als Rächer erweisen, wenn die unreine Seele den unreinen Leib verlassen und ohne Hülle in schrecklicher Blöße hinübertreten muss vor den Richterstuhl Dessen, der Augen hat wie Feuerflammen! Was muss es sein, wenn nichts mehr die hässliche Gestalt des inneren Menschen zudeckt, wenn seine schändlichen Gedanken und Bilder vor dem ganzen Geisterreich ihn verklagen, wenn der gerechte Richter das Urteil spricht, das schon Paulus ankündigte mit den Worten: „Lasst euch nicht verführen (als ob es nämlich GOtt nicht so genau nähme), weder die Hurer, noch die Abgöttischen, noch die Ehebrecher, noch die Weichlinge (d. h. die geheime Sünden treiben an ihrem eigenen Leibe), noch die Knabenschänder werden das Reich GOttes ererben“ (1 Kor. 6).

In demselben Kapitel deutet er auf die Auferstehung hin, und lässt uns ahnen, dass durch Unkeuschheit der Auferstehungsleib verderbt werde, wie ein von Fäulnis angefressenes Saatkorn eine schlechte Saat und Frucht gibt. Ach, was wird da einmal die Ewigkeit aufdecken! Welch' abscheuliche Auferstehungsleiber werden am Gerichtstag aus den Gräbern hervorgehen, in die vielleicht unter viel Gepränge und Lob die Leiber der Unkeuschen begraben wurden. Wie Manches, das hier in Seide, Gold und Silber glänzt, wird dort als hässlicher Schatten- und Nachtleib der ewigen Pein übergeben! GOtt ist Rächer über das Alles. Irrt euch nicht, GOtt lässt Seiner nicht spotten; was der Mensch sät, das wird er ernten. Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten. Wer dagegen auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten. Dies führt uns auf die weitere Frage:

II.

Was ermuntert und bewegt uns zur Keuschheit? Nach unserem Text zunächst der Wille und Beruf GOttes. „Das ist der Wille GOttes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Hurerei, und ein Jeglicher unter euch wisse sein Fass, d. h. Gefäß, worin die Seele wohnt, also den Leib zu behalten in Heiligung und Ehren, nicht in der Lustseuche, wie die Heiden, die von GOtt nichts wissen.“ Das der Wille GOttes - darin liegt eine starke Macht. Ist das Wort und Gesetz eines irdischen Königs stark genug, uns von etwas abzuhalten, das wir gerne täten, wie viel mehr muss der bestimmte Wille und Befehl des allmächtigen Weltrichters uns bewegen, nach der Keuschheit zu trachten, die Er gebietet: „Ihr sollt heilig sein, denn Ich bin heilig; geht aus von der Welt und sondert euch ab, spricht der HErr, und rührt kein Unreines an: so will Ich euch annehmen und euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein.“ Und JEsus sagt: „Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden GOtt schauen.“ Als GOttes Sohn oder Tochter GOtt schauen und so verklärt werden in sein Bild - o, wen lockt und zieht das nicht an? Was ist alle Lust des Fleisches gegen die Seligkeit eines Kindes GOttes? Was sind die reizendsten Bilder und Gestalten dieser sinnlichen Welt gegen dem Schauen GOttes und JEsu und aller heiligen Engel, und so vieler tausend seligen Geister, in deren Umgang im Himmel die Seelen, die hier Keuschheit bewährt haben, eine überschwängliche Wonne genießen werden.

Das ist unser Beruf, wie unser Text sagt: „GOtt hat uns nicht berufen zur Unreinigkeit, sondern zur Heiligung.“ Unreinigkeit ist Sache der bösen, satanischen Geister; Reinheit und Heiligung ist die Zierde des Reiches GOttes, und dadurch GOtt ähnlich zu werden, das ist unser Ziel. Nur darin hat die Seele Ruhe und Frieden, während alle Unkeuschheit mit innerem Unmut und Unruhe erfüllt, da die befleckte Seele sich vor sich selbst und vor GOtt und Menschen schämt, und fühlt, dass alle wahre Ehre für sie verloren sei, daher auch unser Text sagt, in Heiligung und Ehren sollen wir unseren Leib bewahren. Der Unkeusche muss sich selbst verachten, mag den Tag nicht mehr ansehen und fürchtet die Nacht; er hasst das Leben und zittert vor dem Tod; er will nicht in den Himmel und schaudert vor der Hölle.

Solches Leben ertragen nach unserem Text nur Menschen, die sind wie die Heiden, die von GOtt nichts wissen. Sie übertäuben die Stimme der Ehre und des Gewissens im Herzen durch Abgötterei, die sie mit der sinnlichen Welt treiben, durch immer neue Zerstreuungen und Lustbarkeiten, unter denen der äußere Lärm den inneren der Seele überbietet, und wenn ein ernsterer Gedanke an GOtt und Ewigkeit ins Herz fällt, so wird er fortgeschickt und verlacht, damit ja die Fleischeslust nicht dadurch gestört wird.

Wie ganz anders bei Seelen, die vom Licht der Allgegenwart GOttes sich bestrahlen lassen, wie Joseph, der gegen alle Lockung mit festem Willen auf GOtt schaute und sagte: „Wie sollte ich so groß Unrecht tun und wider den HErrn, meinen GOtt, sündigen!“ Oder wie JEsus, der dem Satan, als er Ihm alle Herrlichkeit der Welt zeigte, die Antwort gab: „Hebe dich weg von mir, Satan, denn es steht geschrieben: du sollst anbeten GOtt, deinen HErrn, und Ihm allein dienen.“

So nach dem Beispiel JEsu uns mit GOttes Wort und dem Licht seiner Gegenwart zu waffnen gegen alle Lüste des Fleisches, dazu bewegt uns auch die große Liebe, die GOtt täglich an uns tut. Sollten wir Dem zu lieb, dem wir Alles zu verdanken haben, nicht auch die liebste Lust aufopfern können, wenn sie Ihm widerstreitet! Sollte Der, der tagtäglich mehr als Vater- und Muttertreue an uns tut, nicht mehr Recht an unser Herz haben, als die irdischen Gegenstände unserer Begierde oder Neigung, die einen Augenblick Lust, dann aber Tage und Jahre, ja ohne Bekehrung Ewigkeiten voll Angst uns bereiten. Und das hohe Glück, das die Seelen jetzt schon in Ihm genießen, und der selige Friede, den reine Herzen in sich tragen, und die Krone des ewigen Lebens, die im Himmel denen aufbehalten ist, die unter den schönen Früchten des Geistes auch die Keuschheit bei sich haben reifen lassen, die Herrlichkeit derer, die dort mit weißen Kleidern gekleidet sind und als Priester im Heiligtum dienen ohne Unterlass, ist das Alles nicht Trieb genug, alles unreine Wesen, das uns von GOtt und seinem Reich trennt, wie ein Feuer mit Wasser auszulöschen und dagegen reiner Keuschheit nach JEsu heiligem Vorbild uns zu befleißen! Ja, unser innerstes Sehnen seufzt zu JEsu mit unserem Liede:

O HErr! mach' in keuscher Glaubenstreue
Mich Dir gänzlich angenehm
Dass mich nicht als Kot ausspeie
Dort Dein neu Jerusalem;
Diese Tore, diese Gassen
Können nichts Unreines fassen,
Wer des Königs Haus will seh'n,
Der muss weiß gekleidet geh'n.

Aber woher nehmen wir diese weißen Kleider reiner Heiligkeit und unbefleckter Keuschheit? Wohl treibt uns Alles, sie uns anzueignen: aber wie wehrt sich das Fleisch um seine Macht; wie sind die Bande so stark, mit denen unsere Natur gefesselt ist an das Sinnliche, Sichtbare, Eitle! Wer muss da nicht seufzen: O ich elender Mensch, wer wird mich erlösen vom Leibe dieses Todes! Daher fragen wir

III.

was hilft uns zur Keuschheit? Tausende wissen die in unserem ersten Teil besprochenen verderblichen Folgen der Unkeuschheit und lassen doch nicht von ihr; Hunderte kennen die Beweggründe, die uns nach dem zweiten Teil zur Heiligung antreiben: aber sie bemühen sich nicht einmal darum, oder sie sagen: sie möchten wohl so sein, aber sie können eben nicht. Viele lassen da die Hände mutlos sinken, beseufzen ihre Schande und Schwäche, und fallen doch immer wieder in ihre sündliche Gewohnheit und Leidenschaft zurück. Daher ist es sehr wichtig, dass wir die Kraft recht kennen, die es uns leicht macht, in der Keuschheit JEsu treue und GOtt gefällige Nachfolger zu werden.

Diese Kraft muss eine göttliche sein, ein höheres Leben, das in die verdorbene Natur eingepflanzt wird. Wie man bei manchen Kranken, deren Geblüt schlecht ist, sagt, man müsse ihnen ein neues Blut machen, so muss ein neues Herzblut an die Stelle des von Unkeuschheit wie entzündeten und verderbten Blutes kommen. Solches Blut eines neuen Lebens ist das teure Blut JEsu Christi. Christus und sein Leben - das allein ist die rechte Hilfe gegen alle Unkeuschheit. Daher sagt Paulus in unserem Text: „Wir ermahnen in dem HErrn JEsu; ihr wisst, welche Gebote wir euch gegeben haben durch den HErrn JEsum.“ Da verweist er sie auf alles das, was er mündlich ihnen gepredigt hatte von Christo und seiner Liebe und seinem Tod und Leben für uns und von seinem heiligen Geist. Darauf gründet er seine Ermahnung zur Keuschheit. Wo nicht so durch Christum der Grund eines neuen Lebens gelegt wird, da haben alle die Vorstellungen, die nach unserem ersten und zweiten Teil zur Keuschheit treiben, keine rechte Kraft. Das Fleisch ist stärker als die Vernunft mit allen ihren Moral- und Klugheitsgründen; die Lust des Augenblicks vergisst die Vergangenheit mit allen ihren Erfahrungen und die Zukunft mit Himmel und Hölle. Christus allein ist eine Macht im Herzen, die Alles bezwingt, Seine Liebe ist stärker als der Tod, stärker als alle Lust und Liebe des Fleisches. Wer Christum angezogen hat, dem gilt das Wort: „Ist Jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur, das Alte ist vergangen, siehe, es ist Alles neu worden.“

Wie mag solches zugehen? Welches ist der Gang, den eine Seele gehen muss, um so durch JEsum gründlich kuriert und erneuert zu werden? Zuerst ist nötig, dass du dein Elend recht gründlich erkennst, die Regungen der Unkeuschheit nicht mehr entschuldigst, wie Alle tun, so lange sie von der bösen Lust noch gefangen sind. Da muss Finsternis Licht und sauer süß sein, und. was schreiende Sünde ist, wird Schwachheit, Naturtrieb, Erholung genannt. Unglaublich sind die Ausflüchte und Vorwände, mit denen sich die Seele entschuldigt; selbst das Hässlichste wird beschönigt, und wer sündigen will, dem gibt die vom Fleisch bestochene Vernunft tausend Gründe, die ihm die Befriedigung der unreinen Lust erlauben. Oft heißt's auch gotteslästerlich: ich kann nicht anders, ich bin so geschaffen; oft auch: der Teufel hat mich getrieben, da doch dem Teufel Jeder widerstehen kann, der nur ernstlich will, und da doch GOtt nimmermehr ein Versucher zum Bösen, und nur in unserem eigenen verderbten Fleisch und Blut der Grund aller Sünde zu suchen ist. Daher ist der Anfang zur Hilfe der Sinn Davids: „An Dir allein habe ich gesündigt.“ Alle Entschuldigungen muss die Seele als nichtig verwerfen, und den ganzen Gräuel der Unkeuschheit erkennen, - als Beleidigung des getreuen Schöpfers, Erlösers und Trösters, welchem untreu geworden zu sein uns mit tiefstem Schmerz, Scham und Reue erfüllen muss.

Wem dann so seine Sünde recht zur Sünde geworden ist, wer über die Erfahrungen, die er täglich an seinem unreinen Herzen machen muss, seufzt, der darf zu JEsu fliehen als zu dem großen Sünderheiland, der gesagt hat: „Wer zu mir kommt, den will Ich nicht hinausstoßen, „ der am Kreuz seine Arme ausspannt nach allen verlorenen und verdammten Sündern, und dessen Blut Alle, die sich Ihm ergeben, rein macht von aller Sünde. Im Glauben sein Verdienst ergreifen, sich, wie Luther sagt, zwar um der Sünde willen als ewig höllenwürdiges Teufelskind fühlen: aber um JEsu und seines Todes willen sich als GOtteskind glauben - das ist der Weg des Heils. Nur unter JEsu Kreuz werden die Seelen kuriert, nur sein Blut ist die Lebenstinktur, die unser ganzes Wesen durchgeht und durchdringt mit neuer Lebenskraft, und das in doppelter Wirkung, als versöhnend und als heiligend. Versöhnung, Abwaschung des Sündenaussatzes, Vergebung aller Befleckungen des Fleisches und des Geistes - das ist das erste Bedürfnis kranker Seelen. Und wie reich kommt da die Gnade GOttes ihnen entgegen! Wenn eine Seele in tiefster Scham sagt: meine Sünde ist größer, als dass sie mir vergeben werden könnte, so sagt der HErr: „Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe, soll sie doch wie weiße Wolle werden. Ich vertilge deine Missetat, wie eine Wolke, und deine Sünde, wie den Nebel. Wenn der Gottlose sich bekehrt von seinem Wesen und wandelt nach dem Wort des Lebens, so soll aller seiner Sünde, die er getan hat, nicht mehr gedacht werden, denn in die Tiefe des Meeres will Ich eure Sünden werfen, und du wirst vor Schande, vor freudiger Beschämung nicht mehr deinen Mund auftun dürfen, wenn Ich dir Alles vergeben werde, was du getan hast.“ So spricht der allmächtige GOtt, und deswegen starb sein eingeborener Sohn am Kreuz, - für uns, für mich, und dich, für die verworfensten Sünder, wenn sie nur Ihm sich ergeben. Diese Gnade JEsu anzunehmen, das ist das allererste und nötigste Heilmittel. Unser Ruf muss sein, wie der Davids, der dem heutigen Sonntag seinen Namen gab: „Reminiscere,“ gedenke an deine Barmherzigkeit, gedenke nicht der Sünden meiner Jugend und meiner Übertretung, gedenke aber mein nach deiner Barmherzigkeit.

Keine Sünde führt so zur Verzweiflung, wie die Unkeuschheit. Hat der Teufel die armen Seelen belogen, diese Sünde sei keine Sünde, so belügt er sie nach der Tat, es sei eine solche Sünde, die gar nie vergeben werden könne. Daher findet man in unserer Zeit so außerordentlich Viele, die nichts mehr glauben können; das seligste Evangelium vom ganzen Erlösungswerk JEsu und allen Früchten seines Lebens und Todes - es schwebt über manchen Seelen, wie die Wolken über der Erde, die kein Wasser geben. Sie seufzen und schreien nach Hilfe: aber sie können nicht glauben, dass JEsus auch für sie gestorben sei und auch ihnen noch helfen könne. Bei Manchen endet solcher Zustand der Anfechtung mit Verzweiflung, bei Anderen mit neuem Leichtsinn, in dem sie sich zu zerstreuen suchen, und so endlich mit Verstockung.

Aber er soll damit enden, dass die über ihr Sündenelend bekümmerten Seelen sich JEsu, als dem einzigen Arzt, zutrauensvoll in die Arme werfen, und demütig, kindlich annehmen, was in Gethsemane, auf Golgatha für sie geschehen ist. Und wenn ihnen vor sich selbst so ekelt, dass sie denken, GOtt könne sie nicht mehr anblicken, so sollen sie bedenken, dass alle Menschen vor GOtt unrein sind, und dass kein Einziger selig werden könnte, wenn GOtt uns nicht anschaute in Christo. Nicht in unserem Sündenwust blickt Er uns an, da wär's freilich ewig geschehen um uns: aber in Christo sieht Er uns an, um seines heiligen Sohnes willen liebt Er uns, das Geschlecht des Sohnes; und wer an JEsum glaubt, der wird durch sein Blut abgewaschen und gerechtfertigt, GOtt will ihn ansehen, als hätte er nicht gesündigt, und will ihm erstatten, was durch die Sünde verderbt und verloren worden ist, obwohl allerdings Manches unwiederbringlich verloren sein kann. Aber unter solches Gericht muss man sich beugen, und froh sein, wenn man nur aus der Hölle erlöst, des Himmels versichert und der Seligkeit gewiss geworden ist durch den heiligen Geist.

Wer so in Christi Blut Gerechtigkeit gefunden hat, den erfüllt die Liebe JEsu als neues Lebenselement, und so wird Christi Blut auch eine starke Kraft der Heiligung in ihm. Wie können wir das noch lieben, was Ihn das Leben gekostet hat! Was und wer in aller Welt kann uns lieber sein, als der, der sich unter unsäglichen Martern geopfert hat für uns! So dringt seine Liebe zu neuem Leben, und wer in innige Geistesgemeinschaft mit Ihm gekommen ist, wer Ihn angezogen hat im Glauben und in der Liebe, bei dem wird der „Christus für uns“ zum „Christus in uns,“ es geht von Christo ein neuer Lebensgeist in ihm aus, durch den Geist, Seele und Leib zum Tempel GOttes geheiligt wird. Da sind es dann nicht mehr wir, die zu kämpfen haben, da kämpft Christus und sein Geist in uns, die Gnade führt zu aller Zeit den schweren Streit. Und so oft Anfälle der unreinen Natur kommen, oder so oft von außen feurige Pfeile des Bösewichts ins Herz geschleudert werden, so ist der Glaube an JEsum der Schild, mit dem sie ausgelöscht werden. Seht jetzt den Schnee an, wie er schmilzt vor der kräftigen Sonne! Und wo ist er am meisten weggeschmolzen? An den Stellen, die gerade der Sonne zugekehrt sind; wo dagegen die Sonnenstrahlen bloß schief und schräg, oder wo sie gar nicht hindringen, da ist noch Schnee und Eis. So schmelzt Christus als die Sonne der Gerechtigkeit alles unkeusche Wesen in den Herzen, die sich Ihm gerade und rückhaltlos hingeben, so dass sie nicht mehr zu kämpfen, nur noch zu wachen nötig haben. Und wenn Versuchungen kommen, so hilft das Gebet, der Blick auf JEsu Kreuz und der Blick in des Himmels Herrlichkeit hinein - das hilft, die bösen Gedanken zu vertreiben und zu den Sündenbildern zu sagen: Weicht, JEsus mir gefällt Besser als die ganze Welt.

Was keine menschliche Kraft vermag, dazu stärkt der Heilige Geist durch die Macht der Liebe JEsu. Wo so der wahre Grund zur Hilfe gelegt ist, da erst wirken dann auch die anderen Hilfsmittel, die man sonst gegen die Unkeuschheit empfehlen kann, z. B. fleißige Arbeit, einfache Kost, große Mäßigkeit im Essen und Trinken, Vermeidung aller reizenden Dinge, als da sind Eitelkeit in Kleidern, leichtsinnige Bücher, Gemälde, Unterredungen und Gesellschaften, und Vorstellung der Folgen der Unkeuschheit und der Beweggründe zur Keuschheit, wovon wir im ersten und zweiten Teil sprachen. Das Alles ist gut und wirksam, nur wenn durch lebendigen Glauben an JEsum das Herz gereinigt, versöhnt, gerechtfertigt und geheiligt ist.

Daher können wir Alle gar nichts Besseres tun, als uns JEsu ergeben zu einem völligen und ewigen Eigentum, dass wir mit Paulo sagen können: „Nicht ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ Es kostet nur Glauben, redlichen, heilsbegierigen Glauben. Soll das schwer sein? Ist's dem Kranken schwer, den Arzt zu bitten um Arznei? Wer verdient mehr Zutrauen und mehr Liebe, als JEsus? Ihm sei unser Herz geheiligt, dass Er es ausziere mit dem Schmuck seiner reinen Keuschheit und Heiligkeit. Besonderes bitte ich um solche Hingabe an Ihn unsere liebe Jugend. Eine keusche und reine Jugend ist die Freude der Engel und das Wohlgefallen GOttes. Und herrlich ist die Ernte einer keuschen Saat in der Jugend, herrlich schon in der Zeit, unendlich herrlich aber in der Ewigkeit. Ach, was wird es sein, wenn der Leib, der ein Glied JEsu geworden ist, in der Ähnlichkeit des verklärten Leibes JEsu leuchten wird, wie die Sonne in der Herrlichkeit des Vaters!

Wer bemüht sich da nicht gerne, mit Hiob sagen zu können: „Ich habe einen Bund gemacht mit meinen Augen, dass ich nicht achtete auf eine Jungfrau, „ auf einen Jüngling, auf einen Mann, auf ein Weib, eingedenk des Wortes JEsu: „Wer ein Weib, oder umgekehrt, wer einen Mann ansieht, ihrer oder seiner zu begehren, der hat schon die Ehe gebrochen in seinem Herzen.“

O wie fordert das eine tägliche Erneuerung und beständige Wachsamkeit, dass doch Keines sich für zu gut halte, sondern vor sich selbst sich fürchte, und das Fleisch, das allezeit wider den Geist gelüstet, kreuzige mit seinen Lüsten und Begierden. Nicht grobe Sünden bloß schließen vom Reich GOttes aus, es gibt eine feinere Fleischeslust und eine Augenlust, die auch einen Tempel des Heiligen Geistes wieder verwüsten kann. Daher hört der Kampf nie auf, so lange wir im Fleisch sind, und wir müssen ernstlich wachen, dass wir doch nicht verlieren, was Christus uns gegeben. Daher müssen wir auf unsere innersten Gedanken merken, und keine Ruhe haben, bis es uns gelungen ist, die bösen Gedanken zu vertreiben durch göttliche Gedanken und unreine Bilder durch heilige Bilder von JEsu, von seinem Leben, Leiden und Sterben. Nur in der Glaubensburg, nur im beständigen Umgang mit JEsu sind wir stark gegen alle Anläufe des Teufels, gegen Versuchung und Anklagen, und können ihn zurückweisen mit dem Sinn:

Weich', weich', du Fürst der Finsternissen,
Ich bleibe mit dir unvermengt;
Hier ist zwar ein befleckt' Gewissen,
Jedoch mit JEsu Blut besprengt;
Weich', eitle Welt, du Sünde weich',
GOtt hört es, ich entsage euch. Amen.

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