Kapff, Sixtus Carl von - Am Sonntag Exaudi

Kapff, Sixtus Carl von - Am Sonntag Exaudi

Text: 1. Petr. 4,8-11.
So seid nun mäßig und nüchtern zum Gebet. Vor allen Dingen aber habt unter einander eine brünstige Liebe; denn die Liebe deckt auch der Sünden Menge. Seid gastfrei unter einander ohne Murmeln. Und dient einander, ein Jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade GOttes. So Jemand redet, dass er es rede als GOttes Wort. So Jemand ein Amt hat, dass er es tue als aus dem Vermögen, das GOtt darreicht; auf dass in allen Dingen GOtt gepriesen werde durch JEsum Christum, welchem sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

„Seid ihr mit Christo auferstanden, so sucht, was droben ist, da Christus ist sitzend zu der Rechten GOttes; trachtet nach dem, das droben ist, nicht nach dem, das auf Erden ist.“ Dieses Wort ergeht an uns aus dem Himmel heraus, in welchen JEsus eingegangen ist bei seiner Himmelfahrt. Wo Er ist, da sollen auch wir sein, aber nicht erst in der Ewigkeit, sondern heute schon soll unser Geist bei Ihm, ja in Ihm sein, wie Er alle Tage bis an der Welt Ende bei uns, ja in uns sein will. Zu solchem Leben in der Gemeinschaft JEsu ermahnt unser Text durch die Worte: seid mäßig und nüchtern zum Gebet, nicht bloß zu dem förmlichen Gebet, sondern zu dem Gebetsleben, das als fortwährender Umgang mit GOtt unseren ganzen Wandel verklärt und heiligt. Solches Gebet und Gebetsleben ist das wahre Suchen nach dem, was droben ist; es ist die Erhebung über alles Irdische, bei der wir zwar in der Welt, aber nicht von der Welt sind und der Höhe des Apostels nachstreben, auf der er sagte: „Unser Wandel ist im Himmel.“ Eine solche Gesinnung allein wird der Ewigkeitssegnungen der Himmelfahrt JEsu recht teilhaftig; denn wollen wir JEsu nachfahren in den Himmel und in seine Herrlichkeit verklärt werden, so muss es schon in diesem Leibesleben bei uns zur geistlichen Himmelfahrt kommen, so dass der Himmel unsere Heimat ist, auch wenn wir noch lange hierunten in der Fremde pilgern müssen. Nur bei solcher geistlichen Himmelfahrt ist es möglich, so zu leben, wie unser Text es gebietet, so in brünstiger, allgemeiner Liebe, selbst gegen Fehlende und Irrende und Fremde, so in einem hingebenden Gottesdienst, der Alles tut in der Gegenwart GOttes und so, dass in allen Dingen GOtt gepriesen werde. Besonders auch die Verfolgungen und Leiden, die nach unserem Evangelium über die Gläubigen kommen, vermag nur ein himmlisch gesinnter Geist zu überwinden. Aber solch himmlische Gesinnung wirkt nur der heilige Geist, den JEsus im Evangelium seinen Jüngern verheißt und dessen Ausgießung über alles Fleisch das kommende Pfingstfest uns aufs Neue verkündet. Wie sehr wir dieses Geistes bedürfen, und wie ernstlich wir also in dieser Vorbereitungswoche um den Pfingstgeist beten und für seine Mitteilung uns zubereiten müssen, werden wir um so mehr einsehen, wenn, wir erwägen, was nach unserer Epistel zu der geistlichen Himmelfahrt gehört, zu der sie uns ermahnt und die bei uns die Frucht der Himmelfahrt JEsu sein soll. Wir betrachten daher

Die geistliche Himmelfahrt,

- bei wem und wie sie geschehe, - was sie für unser irdisches Leben wirke.

HErr JEsu, wirke jetzt in uns Allen kräftiglich durch deinen heiligen Geist, dass wir versetzt werden in das himmlische Wesen und ewiglich bleiben in dir. Amen.

I.

Wie die geistliche Himmelfahrt geschehe, sagt unser Text mit der kurzen Hauptermahnung: „seid mäßig und nüchtern zum Gebet.“ Gebet und Gebetsleben ist die geistliche Himmelfahrt, die täglich bei uns geschehen soll und kann, und durch die wir in einem fortwährenden Zusammenhang mit der unsichtbaren Welt bleiben können, so dass wir es wagen dürfen, etwas von dem auf uns anzuwenden, was JEsus sagt in den Worten: „Niemand fährt gen Himmel, denn der vom Himmel herniedergekommen ist, nämlich des Menschen Sohn, der im Himmel ist.“ JEsus war fortwährend mit seinem Geist im Himmel, und wie Er schon in seinem zwölften Jahr gesagt hatte: „ich muss sein in dem, das meines Vaters ist,“ so konnte Er in seinem ganzen Leben sagen: „glaubt mir, dass ich im Vater und der Vater in mir ist.“ Dieses göttliche Leben JEsu ist unser Vorbild. Konnte Er auf der Erde doch immer im Himmel sein, so müssen wir es auch sein können; denn in JEsu ist uns der Himmel aufgetan und Er hat gesagt: „wo ich bin, da soll mein Diener auch sein.“ Ist Er gen Himmel gefahren, so werden auch wir es einst können, so wir im Glauben mit Ihm Eins geworden sind. Denn Er hat gesagt: „ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten.“ Dabei aber dürfen wir nicht vergessen, dass JEsus sagt: „Niemand fährt gen Himmel, denn der vom Himmel herniedergekommen ist.“ Wie das von JEsu galt, so kann es in einem geringeren Sinn auch von uns gelten. Freilich in dem Sinn, wie Er vom Himmel herniedergekommen ist, kann es kein Mensch sein: aber doch muss, damit wir Christo in den Himmel nachfahren dürfen, auch in uns ein Leben sein, das vom Himmel herniedergekommen ist. Das ist das Leben der Wiedergeburt, die nach dem Griechischen „Geburt von Oben herab“ heißt, Geburt aus GOtt durch die Mitteilung seines heiligen Geistes. Nur ein solches aus GOtt gezeugtes Leben des Geistes in uns taugt in den Himmel. Fleisch und Blut kann das Reich GOttes nicht ererben. Einem unbekehrten Menschen wäre es im Himmel nicht einmal wohl. Nur was von GOtt kommt, kommt wieder zu GOtt. Daher setzt die Ermahnung unseres Textes: „seid mäßig und nüchtern zum Gebet“ schon viel voraus. Sie ist ja auch nicht an Heiden gerichtet, sondern an bekehrte Christen, in denen der heilige Geist ein neues Leben erweckt hatte. Ehe das geschehen ist, verstehen wir nicht recht zu beten. Daher sagt JEsus: „es kann Niemand zu mir kommen, es sei denn, dass ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat.“ Der Vater zieht die Seelen durch die vorbereitenden Wirkungen seines Geistes, der ihnen die Welt entleidet und ein Verlangen nach GOtt und nach dem Himmel in ihnen erweckt, dass sie keine Ruhe mehr haben in ihrem alten Wesen und über ihr Sündenelend betrübt seufzen um Gnade und Licht. Solche in sich selbst und in der Welt nichts mehr suchende Seelen finden durch den Glauben an JEsum Vergebung und Friede und können so mit Freudigkeit zum Vaterherzen GOttes herzutreten und wieder Alles von GOtt hoffen, wahrend sie vorher Alles von GOtt fürchten mussten. Da allein ist wahres Gebet möglich, nämlich ein solches Gespräch mit GOtt, wie das Kind mit seinem Vater redet, ein Umgang der Seele mit GOtt und mit JEsu, da sie ihrem HErrn Alles sagt, was in ihr ist, Ihn um Alles anspricht, dessen sie bedarf und Kraft und Leben aus Ihm zieht, als ob Er vor Ihr stünde, um seine himmlischen Wirkungen in sie überströmen zu lassen. Solches Gebet ist eine Himmelfahrt des Geistes desto mehr, je mehr die Mäßigkeit und Nüchternheit da ist, die unser Text verlangt, je mehr wir vom Irdischen frei und in das reine Reich des Geistes und in GOtt eingekehrt sind. Nicht bloß leibliche Unmäßigkeit im Essen und Trinken zieht den Geist herab in das Fleisch, auch alle unordentlichen Gemütsbewegungen, Affekte, Leidenschaften, Wünsche und Begierden stören den Geist und verhindern seinen Aufschwung zum Himmel. So lange noch irdische Gedanken und Bilder uns erfüllen, so lange sinkt der Geist, wenn er im Gebet sich zu GOtt aufschwingen will, wie ein in die Höhe geworfener Stein wieder zur Erde nieder und statt mit GOtt zu reden, redet Er mit sich selbst, rechnet mit solchen, denen er feind ist, denkt an allerlei irdische Dinge, Geld, Güter, Kleider, Vergnügungen, Zerstreuungen; von solchen Dingen los zu sein, das ist die wahre Nüchternheit des Geistes, ohne die ein rechtes Gebet nicht möglich ist. Da gilt es, wie JEsus sagt, mit Gewalt das Himmelreich zu sich zu reißen, mit Gewalt die irdischen Gedanken zu unterdrücken und mit aller Macht des Geistes in GOtt einzudringen. Dabei haben wir nicht allein mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern auch nach Ephes. 6. mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Der Satan wirft böse Gedanken wie feurige Pfeile in das Herz und sucht es in seiner Nüchternheit wie zu berauschen. Da kann es gehen, wie bei Schiffen auf dem Meere, in die der Blitz fährt mit der Wirkung, dass die Magnetnadel von ihrer beständigen Richtung nach Norden geradezu nach Süden gedreht wird, wodurch dann der Steuermann irre wird und gerade wieder dahin zurückfährt, von wo er ausgegangen. So wird oft unser Geist bei der Himmelfahrt im Gebet plötzlich durch einen bösen eitlen Gedanken, der wie ein Blitz hereinfährt, umgekehrt und von der Richtung auf GOtt abgelenkt in irdische Dinge hinein, von denen er doch ausgegangen war. Deswegen sagt Petrus: „seid mäßig und nüchtern zum Gebet.“ Wenn unser Geist frei und von zerstreuenden Gedanken los sich zu GOtt erhebt, mit GOtt redet, aus GOtt Kraft und Leben anzieht, so ist das eine geistliche Himmelfahrt, bei der wir nicht mehr auf der Erde, sondern im Himmel sind. Von solchen Erhebungen kehren wir zwar immer wieder zur Erde zurück, um auf ihr zu arbeiten, zu lernen, zu essen, zu schlafen, mit anderen Menschen umzugehen und was sonst die irdischen Bedürfnisse erfordern, zu tun und zu leiden: aber über das Alles muss sich ein Licht höherer Verklärung aus der geistlichen Himmelfahrt des Gebetslebens verbreiten, damit alles Natürliche dem Geist diene und nichts von dem Zusammenhang mit der oberen Welt, mit dem Reich des Geistes und mit GOtt trenne. Das meint Paulus mit den Worten: „betet ohne Unterlass.“ Mit der Hand am Pflug, aber mit dem Herzen im Himmel, mit dem Leib auf der Erde, aber mit dem Geist in GOtt - das ist das Leben eines Geistesmenschen, und solche geistliche Himmelfahrt - ja solches im Himmel Sein- das kann uns die Erde zum Himmel machen. Daher wollen wir

II.

betrachten, was die geistliche Himmelfahrt für unser irdisches Leben wirke. Das sagt uns unsere Epistel. Brünstige Liebe, Geduld mit Sündern, Gastfreundlichkeit gegen Fremde, Dienstfertigkeit gegen Jedermann, Gewissenhaftigkeit im Amt und Beruf, besonders im Reden von geistlichen Dingen, kurz ein Wandel zu GOttes Ehre, das soll nach unserem Text die Frucht unserer Vereinigung mit GOtt und unseres Zusammenhangs mit dem Himmel sein. Wäre das nicht, würden wir von Himmelfahrt des Geistes im Gebet bloß reden und nach der Form beten, und Alles, was zur äußerlichen Frömmigkeit gehört, tun, aber unser Leben bliebe, wie es von Natur ist, lieblos, kalt, selbstsüchtig, fleischlich, irdisch, so wäre unser Gebet und alle fromme Form bloße Heuchelei. Die Probe unseres ganzen Christentums ist immer der Wandel. Daran kann es aber nicht fehlen, wenn es wirklich zu der geistlichen Himmelfahrt gekommen ist, in der die Seele das Irdische als eitel und vergänglich, das Himmlische allein als wesentlich erkennen lernt. Wie die Sonne Alles hell macht, so weit sie strahlt, und wie sie durch ihren Lichtglanz Allem eine andere Gestalt gibt, so dass Dinge, die in der Nacht ganz dunkel und düster aussehen, im Sonnenlicht schön glänzen, so macht die Sonne der Gerechtigkeit, die im Leben wiedergeborenen Seelen leuchtet, alles darin hell und klar. Diese Sonne der Gerechtigkeit ist JEsus Christus, der zur Rechten GOttes erhöhte Heiland und König der ganzen Welt. Wer mit Ihm in dem Umgang steht, in den eine geistliche Himmelfahrt uns bringt, der wird dadurch in die Art JEsu mehr und mehr verklärt und das höchste Gesetz seines Lebens wird ihm: „lasst uns Ihn lieben, denn Er hat uns zuerst geliebt, „ Er hat sein Leben für uns gelassen am Kreuze, Er hat alle unsere Feinde überwunden und im Himmel uns eine Stätte bereitet, so dass wir in Ihm nun Alles haben. Das erfüllt mit solcher Liebe zu Ihm, dass wir nicht mehr ohne Ihn leben können. Und je mehr der Geist GOttes diese Liebe in uns lebendig macht, desto mehr wird die geistliche Himmelfahrt in der Vereinigung mit JEsu unser irdisches Wesen und Leben so verklären, wie unsere Epistel es verlangt. „Vor allen Dingen habt untereinander eine brünstige Liebe.“ Das ist das Grundgesetz für eine mit JEsu im Glauben vereinigte Seele. Johannes sagt: „Ihr Lieben, hat uns GOtt also geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben.“ Niemand hat GOtt jemals gesehen; so wir uns untereinander lieben, so bleibt GOtt in uns und seine Liebe ist völlig in uns. Hier ist als Bedingung einer rechten Gemeinschaft mit GOtt, ja eines innerlichen Schaums GOttes die Bruderliebe dargestellt. Das erfahren wir auch im Leben. Es ist kein eindringendes Gebet, kein freier Aufschwung zum Himmel möglich, wenn wir nicht lauter in der Liebe stehen. Ja, Johannes sagt sogar: „wer seinen Bruder hasst, der ist in Finsternis und wandelt in Finsternis, und weiß nicht, wo er hingeht, denn die Finsternis hat seine Augen verblendet.“ Daher bringen es so Viele in ihrem Christentum nicht weiter, weil sie zu viel Widrigkeit gegen Andere in sich aufkommen lassen, zu wenig vergeben und nachgeben. Umgekehrt aber fehlt es am Vergeben und Nachgeben und an der rechten Liebe, weil das Herz nicht genug in der geistlichen Himmelfahrt steht, nicht genug in GOtt ist, und so nicht recht Kraft aus Ihm anzieht. Je mehr wir in GOtt sind, desto mehr sind wir in der Liebe und je mehr in der Liebe, desto mehr in GOtt, denn GOtt ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in GOtt und GOtt in ihm. Die Hauptentschuldigung der Lieblosigkeit sind die Fehler Anderer. Diesen Vorwand schneidet Petrus ab durch die Worte: „die Liebe deckt auch der Sünden Menge, „ d. h. eine aus GOtt stammende Menschenliebe trägt auch die Fehler, Beleidigungen, Widrigkeiten, ja selbst die Sünden Anderer mit Geduld, wie GOtt seine Sonne aufgehen lässt über die Bösen und Guten, und lasst regnen über Gerechte und Ungerechte.

Solche auch Sünder tragende Liebe ist uns dann möglich, wenn wir bei unserer geistlichen Himmelfahrt oder Erhebung zu GOtt unsere eigenen Sünden und täglichen Untreuen mit tiefer Beugung erkennen und es uns so recht groß wird, dass GOtt uns nicht verwirft, sondern seine Gnade täglich neu über uns sein lässt bei so großer Unwürdigkeit. Je größer vor GOttes Angesicht unsere eigene Sünde uns erscheint, desto kleiner erscheinen uns die Sünden Anderer, und je kleiner unser Ich uns vor GOtt wird, desto mehr werden andere Menschen uns gelten auch mit ihren Schwachheiten, und wir werden uns freuen, wenn wir Anderen etwas sein können und Dienste leisten, deren sie bedürfen. Dahin gehört die Gastfreundschaft, von der unser Text spricht, die geschehen soll ohne Unzufriedenheit über Unbequemlichkeit, und das Dienen mit der Gabe, die ein Jeder empfangen hat. Je mehr wir alle Dinge im göttlichen Licht betrachten, desto mehr erscheint uns auch das Geringste, das wir haben, als GOttes Gabe, die wir nicht von uns selber haben und daher nicht bloß für uns selbst, sondern auch für Andere. Daher sagt unser Text: „dient einander, ein Jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnaden GOttes.“ Manches denkt: mit was sollte ich dienen können, ich habe keine Gaben, ich bin nicht reich, nicht gelehrt, nicht verständig und geschickt, von mir kann Niemand etwas brauchen. Aber es ist kein Mensch, der nicht auch etwas hat, womit er Anderen dienen kann. Hast du auch nicht viel Verstand, so hast du doch kräftige Arme, gesunde Füße, mit denen du Anderen zu Gefallen oder für die Sache GOttes einen Gang tun, eine Handarbeit verrichten kannst. Handdienste für kleinere leibliche Bedürfnisse sind zwar unscheinbarer als Kopfdienste, aber oft sind sie ebenso notwendig und du kannst doch damit deine Liebe beweisen. JEsus will sogar einen Becher frischen Wassers, das du einem der Seinigen aus Liebe am Brunnen holst, nicht unbelohnt lassen. Wie viele solcher geringen Dienste kann auch der Geringste leisten! So können selbst unsere Kinder Anderen dienen, können Aufträge besorgen und mancherlei kleine Geschäfte verrichten, können für die Mission oder für Arme stricken, nähen und dergleichen, können Kranken etwas vorlesen, Sprüche oder Liederverse hersagen und so Kranke trösten und erquicken. Wir meinen oft, wir können nichts leisten, weil wir nicht wollen, weil wir zu bequem, zu lieblos, zu eigennützig sind. Und wenn wir auch äußerlich nichts tun können, so können wir doch für Andere und für die Reichssache GOttes beten und so durchs Gebet viel wirken. Je mehr wir das tun, desto mehr werden wir einsehen, dass Alles, was wir sind und haben, von GOtt ist und wir nur Haushalter darüber sind, und wir werden da desto uneigennütziger, dienstfertiger und hingebender sein, je mehr wir in täglicher Himmelfahrt des Geistes alles Irdische, also auch all das Unsere für gering und dagegen das Himmlische allein als groß und wesentlich ansehen lernen.

Solcher Sinn wird uns treiben, immer mehr für den Himmel zu leben und zu trachten, dass in allen Dingen unseres ganzen Wandels GOtt gepriesen werde durch Christum, durch Erfüllung unseres allgemeinen Christenberufs, wie unseres besonderen Lebensberufes und Amtes. Da können auch die unscheinbarsten Pflichten und Geschäfte oft am meisten ein Gottesdienst zur Ehre des HErrn sein, z. B. eine geringe Rede, die aber nach unserem Text als ein Wort GOttes gesprochen wird aus GOttes Geist, in GOttes Furcht, zu GOttes Ehre; ein solches Wort in Versammlungen, im täglichen Umgang, auf der Straße gesprochen, kann oft mehr GOtt preisen und verherrlichen, als die schönste Rede menschlicher Beredtsamkeit, in der nicht GOtt, sondern Menschenehre gesucht wird. GOttes Ehre suchen wir, wenn wir Alles tun mit dem Gefühl, dass wir von uns selbst nichts sind und nichts vermögen, das GOtt gefallen könnte, und dass Alles, was wir tun, nichts ist gegen das, was wir Ihm schuldig sind. Dazu gehört freilich eine Selbstverleugnung, die gerne nichts sein will, damit GOtt ihr Alles sei.

Nur so ist es möglich, GOtt in allen Dingen zu preisen, oder wie Paulus gebietet, Alles zu tun zur Ehre GOttes und JEsu. Das ist ein hohes Ziel, eine schwere Aufgabe, an der wir unser ganzes Leben lang zu lernen haben. Unsere Natur ist von der Art, dass auch bei unseren besten Werken unser Fleisch etwas für sich sucht, einen Nutzen, einen Ruhm, wenigstens Lob von uns selbst, dass wir mit Selbstgefälligkeit unserer Tugend und Weisheit, unseres Vorzugs vor Anderen uns freuen. Selbst das, worüber wir am wenigsten uns, sondern am meisten GOtt die Ehre geben sollten, dass wir beten dürfen und im Gebet gesegnet werden, selbst das kann uns mit selbstgerechten Gedanken erfüllen, und während unser Geist weiß, dass Alles nur von GOtt ist, kann das Fleisch denken: du kannst doch recht beten, du musst doch bei GOtt recht wohl daran sein, so können's Andere doch nicht, wie du. O wie viel gehört dazu, dass wir in allen Dingen GOtt preisen! Man könnte fast meinen, es sei unmöglich, es so weit zu bringen. Aber was sagt JEsus: „alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt,“ und Paulus: „ich vermag Alles durch den, der mich mächtig macht, Christum.“ Wenn es durch die Gemeinschaft mit Christo zur rechten Himmelfahrt des Geistes bei uns gekommen ist und täglich kommt, dann kann und will der Geist Christum in uns so verklären, dass wir lernen, was Paulus von sich sagen konnte: „so lebe nun nicht Ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes GOttes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dargegeben.“ Dann nur ist es möglich, in allen Dingen GOtt zu preisen, auch in Leiden und Trübsalen mit stiller Geduld Ihm die Ehre zu geben. So konnte es jener arme Leineweber, den der HErr mit der schrecklichen Krankheit des Gesichtskrebses heimsuchte. So lange er's vermochte, arbeitete er mit aller Treue; als es ihm nicht mehr möglich war, bot ihm eine christliche Frau regelmäßige Unterstützung an. Er lehnte es aber ab, da er sich mit dem begnügen wollte, was ihm seine früheren Kunden geben. Die Frau musste ihm durch eine Nachbarin ihre Gaben aufnötigen, diese aber wollte endlich nicht mehr zu ihm gehen, weil ihr der Anblick des Kranken gar zu entsetzlich und der Geruch in seinem elenden Zimmer gar zu widerlich sei. So hatte der Arme einige Wochen nichts erhalten und seine Gattin musste außer dem Hause das Allernötigste kümmerlich zu verdienen suchen. Da kam die Wohltäterin selbst zu ihm, ihre Gaben zu bringen. Aber welch ein Jammer zeigte sich ihr! Da lag der Unglückliche auf seinem elenden Schmerzenslager, Augen, Nase und ein Teil des Mundes waren weggefressen. Aber keine Klage, kein Seufzer war von dem stillen Dulder zu hören. Voll Geistes sagte er zu der Frau: „ich schmecke und sehe die Freundlichkeit meines GOttes und Heilandes. GOtt ist meine Zuversicht und Stärke, und meine Hilfe in den großen Nöten, die mich getroffen haben, „ So ging sein Mund über von lauter Lob- und Danksprüchen. Er sagte, all sein Leiden sei leicht und nicht wert der Herrlichkeit, die nun bald an ihm offenbar werden solle, und ging immer wieder aufs Lob GOttes über. Als die Frau fragte, ob ihn kein Prediger besuche, sagte er: „Ach nein, wie könnte ich es einem zumuten; der Geist GOttes ist aber so geschäftig an meinem Herzen, dass ich keines menschlichen Trostes bedarf; auf meinem langen Krankenlager ist mir die Zeit noch nie lang geworden.“ Mit sichtbarer Freude sang er mehrere Verse eines Liedes, das er selbst auf seine Umstände sehr passend gemacht hatte.

Das Alles wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht der Geist dieses treuen Jüngers JEsu im Himmel gewesen wäre, während, sein Leib in der Gluthitze der Armut und Schmerzen litt. O liebe Seelen, wer sehnt sich nicht auch einen solchen himmlischen Sinn zu haben! Das wissen wir, dass es uns nie wahrhaft wohl sein kann, so lange wir unsere Heimat nur auf dieser Erde oder gar in sündlichem Genuss und Besitz haben. GOtt ist unser Element, der Himmel unsere Heimat. Da nur findet unser ewiger Geist Ruhe, und in diese Friedens-Heimat will der Pfingstgeist uns versetzen, darin uns aufs Neue recht einheimisch machen. Darum wollen wir in dieser Woche recht ernstlich beten um eine reichliche Ausgießung des heiligen Geistes über uns, über alle unsere Hausgenossen, über unsere ganze Gemeinde, ja über alle Menschen. Auch jetzt rufen wir:

Komm, o komm, du Geist des Lebens, Wahrer GOtt von Ewigkeit!
Deine Kraft sei nicht vergebens, Sie erfüll' uns jederzeit,
So wird Geist und Licht und Schein In dem dunkeln Herzen sein.
Amen.

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autoren/k/kapff/kapff_exaudi.txt · Zuletzt geändert: von aj
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