Kapff, Sixtus Carl von - Am ersten Epiphanien-Sonntag.

Kapff, Sixtus Carl von - Am ersten Epiphanien-Sonntag.

Text: Röm. 12, 1-5.
Ich ermahne euch, lieben Brüder, durch die Barmherzigkeit GOttes, dass ihr eure Leiber begebet zum Opfer, das da lebendig, heilig und GOtt wohlgefällig sei, welches sei euer vernünftiger Gottesdienst. Und stellet euch nicht dieser Welt gleich, sondern verändert euch durch Verneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen möget, welches da sei der gute, der wohlgefällige und vollkommene Gotteswille Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist. Jedermann unter euch, dass niemand weiter von sich halte, denn sich's gebühret zu halten, sondern dass er von ihm mäßiglich halte, ein Jeglicher, nachdem GOtt ausgeteilt hat das Maß des Glaubens. Denn gleicher Weise, als wir in Einem Leibe viele Glieder haben, aber alle Glieder nicht einerlei Geschäfte haben; also sind wir Viele Ein Leib in Christo, aber unter einander ist Einer des Andern Glied.

Wir haben in der letzten Zeit schöne Feste feiern dürfen, Advent, Weihnachten, Neujahr und das Fest der Erscheinung Christi zum Heil aller Völker der Erde. Große, ewige Wahrheiten sind durch das Wort GOttes uns verkündiget worden. Nun fragt es sich aber auch, welches die Frucht dieser Wahrheiten sei in unsern Herzen und in unserem Wandel. Es wäre doch gar zu traurig, wenn wir so viele Gnade GOttes vergeblich empfingen, und wenn unsere Festfreude eine bloß äußerliche gewesen wäre oder bloße Gefühlssache, ohne Frucht für die Ewigkeit. Unsere Epistel zeigt uns, welche Wirkung die Wahrheiten unseres seligmachenden Glaubens bei uns haben sollen. Nachdem der Apostel in den elf ersten Kapiteln des Briefs an die Römer die großen Heilslehren auseinandergesetzt und den Ratschluss GOttes zu unserer Seligkeit enthüllt hatte, so geht er mit dem zwölften Kapitel, dessen Anfang unsere Epistel bildet, über zu dem zweiten Hauptteil seines Briefes und der christlichen Lehre überhaupt, nämlich zur Lehre von der Heiligung, von den Früchten des wahren Glaubens im Wandel. Heilslehre und Heiligungslehre gehören zusammen, wie Wurzel und Baum, Baum und Frucht. Die Rechtfertigung und Beseligung des verlorenen Sünders durch den Glauben an den für uns geborenen und für uns gestorbenen Christum - das ist die heilige Wurzel, aus welcher der neue Lebensbaum über die Menschheit sich ausbreitet, dass sie in Christo erneuert werde zu dem, was sie in Adam verloren, zum reinen und heiligen Bilde GOttes. Das Heil in Christo teilen und heiligen, und so mit GOtt vereinen. Ohne Heil gibt es keine Heiligung und ohne Heiligung kein Heil. Deswegen folgt auf die Heilslehre der bisherigen Festzeit, wovon der erste Theil des Briefs an die Römer handelt, nun die Heiligungslehre, die in den Episteln der heute beginnenden Epiphanien-Sonntage aus dem zweiten Teil des Römerbriefs uns vorgehalten wird. Die heutige Epistel zeigt uns, als schöner Schlussstein unserer Festbetrachtungen, den Grund und das Wesen der Heiligung; in den folgenden Episteln werden sodann die einzelnen Zweige der Heiligung dargelegt. Der Hauptinhalt unserer heutigen Epistel ist: dass wir um der Barmherzigkeiten GOttes willen uns GOtt opfern und in seinem Willen leben solle, als Glieder des Leibes Christi. Das ist dann das geistliche Priestertum, der vernünftige Gottesdienst, der bei uns allezeit, auch in der Alltäglichkeit unseres Berufes, fortdauern soll, auch wenn unsere Feste vorübergegangen sind. Von diesem Leben in der Mäßigung oder von diesem wahren Gottesdienst wollen wir weiter reden und betrachten:

Was zu dem Gottesdienst der GOtt gefälligen Opfer gehöre,

  1. dass wir in uns selbst und in der Welt kein Heil mehr suchen,
  2. dass wir Christum als das vollkommene Opfer uns ganz zueignen,
  3. dass wir dem vollkommenen Gotteswillen uns ganz hingeben.

Höchster Priester, der Du dich
Selbst geopfert hast für mich,
Lass doch, bitt' ich, noch auf Erden
Auch mein Herz dein Opfer werden.
Trage Holz auf den Altar
Und verbrenn' mich ganz und gar,
O Du allerliebste Liebe,
Wenn doch nichts mehr von mir bliebe!

Amen.

I.

„Ich ermahne euch, lieben Brüder, durch die Barmherzigkeit GOttes, wörtlich: durch die Barmherzigkeiten, d. h. um der reichen Erbarmungen GOttes willen, die Er in Christo an uns getan hat, dass ihr eure Leiber begebet zum Opfer, das da lebendig, heilig und GOtt wohlgefällig sei.“ Mit diesen Worten verlangt der Apostel, dass wir das bloße Naturleben aufgeben und nichts mehr aus, in und für uns selbst sein wollen, sondern unsern alten, Menschen mit seiner Eigenliebe, Selbstsucht, Hochmuth und Lust kreuzigen lassen, wie die Opfertiere im alten Testament getötet wurden zur Feier des Gottesdienstes. Indem der Apostel sagt, wir sollen unsere Leiber als heilige Opfer darstellen, so zeigt er uns, dass unser ganzer Mensch nach Geist, Seele und Leib, nach dem Innern und Äußern, besonders nach den niederen, der Erde angehörigen Theilen und Verhältnissen unseres Wesens absterben soll dem Tierischen, Sinnlichen und Kreatürlichen. Das M nicht ohne ein Opfer. Wie das Feuer die Opfer verzehrte, dass das Verbrannte als Räucherwerk zum Himmel auffuhr, zum süßen Geruch vor dem HErrn, so muss unsere Natur in dem Feuer der göttlichen Liebe und im Schmelztigel der Buße verbrannt werden, das ist ein lebendiges, heiliges, GOtt wohlgefälliges Opfer Meine Liebes- und Geistesstamme aufsteige zu dem HErrn.

Unsere Natur ist nicht lebendig, nicht heilig, nicht GOtt wohlgefällig, sondern tot, unheilig, GOtt missfällig. Es sagt Paulus zu den Ephesern: „Ihr wäret tot durch Übertretung und Sünden, in welchen ihr weiland gewandelt habt nach dem Lauf dieser Welt und nach dem Fürsten, der in der Luft herrschet, nämlich nach dem Geist, der zu dieser Zeit sein Werk hat in den Kindern des Unglaubens, unter welchen wir auch Alle weiland unsern Wandel gehabt haben in den Lüsten unseres Fleisches, und taten den Willen des Fleisches und der Vernunft und waren auch Kinder des Zorns von Natur, gleichwie auch die andern.“ Diese unreine, dem Satan und der Welt zum Opfer gewordene, im Fleisches- und Vernunftwillen gefangene Natur steht in innerer Abkehr von GOtt, denn „fleischlich gesinnt sein ist eine Feindschaft wider GOtt, und die fleischlich gesinnt sind, mögen GOtt nicht gefallen.“ Darum soll diese Natur in geistlichem Sterben dem HErrn geopfert werden.

JEsus sagt das mit den Worten, „dass wir uns selbst verleugnen sollen, „ d. h. tun und leben, als ob diese Natur, die in Allem sich selber sucht und sich selber liebt, nicht in uns wäre. Das heißt die Natur zum Opfer bringen, sich selbst nicht mehr lieben, wie JEsus sagt, sein eigen Leben hassen, den Eigenwillen aufgeben, auf eigene Würdigkeit, Weisheit, Gerechtigkeit verzichten, nach dem Gebot unseres Textes von sich selber nichts halten, als so viel GOtt uns Glauben und geistliches Leben gegeben hat. Soll das so schwer sein? Was ist denn so Vortreffliches an diesem Ich, dass wir seine Ansprüche so viel gelten lassen? Ein von GOtt abgefallenes Geschöpf, vor dem ganzen Geisterreich verächtlich geworden, aus dem Leben in GOtt versunken in sündliche Befleckungen aller Art, in tierisches, ja satanisches Wesen, aus der Freiheit in eine Sklaverei, da man tun muss, was man nicht will, und doch nicht tun kann, was der Geist innerlich wollte, ein unreines Wesen, dessen Liebe auf Dinge geht, die nur Unfriede und Tod bringen, ein sich selbst widersprechendes, sein eigen Glück immer wieder zerstörendes Wesen, voll fleischlicher und ungöttlicher Gedanken, zu allem Bösen geneigt, jeder Verführung fähig, - was ist denn an diesem Wesen zu lieben?

Und was hat es denn für eine Hoffnung in sich selbst? Seine Tugenden? Die sind nichts vor dem heiligen GOtt. Seinen Verstand? Der ist finster ohne GOtt. Seinen guten Willen? Der ist vom Bösen bemeistert und ohne Kraft und Leben. O gewiss, in einem solchen Ich kein Heil mehr zu suchen, das kann nicht schwer sein für einen Geist, der ein bleibendes, ewiges Glück sucht, das nur in GOtt zu finden ist.

Ebenso aber ist auch in der Welt kein Heil mehr zu suchen. Deswegen sagt unser Text: „Stellet euch nicht dieser Welt gleich, „ wörtlich: nehmet nicht die Gestalt und Art des gegenwärtigen Weltlaufs an. „Denn, „ sagt Johannes, „Alles, was in der Welt ist, nämlich des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben ist nicht vom Vater, sondern von der Welt, „ von der ungöttlichen, den Tod in sich tragenden Vergänglichkeit; denn die ganze Welt und alle ihre Lust vergeht, und nichts bleibt, als Reue, Angst und Schaden für Leib und Seele in Zeit und Ewigkeit. Wer hat denn je in der Welt gefunden, was er suchte? Lasst sie herkommen, die Herren der Welt, die alle Ehre und Würde erlangten, wonach ihr stolzes Herz lüftete. Sind sie befriedigt worden? Haben sie nicht mit Salomo zuletzt gerufen: „Es ist Alles ganz eitel!“ Und die Reichen der Erde, die Alles genießen und alle Tage herrlich und in Freuden leben, sind sie zufrieden im tiefen Grund ihrer Seelen? Und die eitlen Leute und die Hoffärtigen, und die, so mancherlei Götzen haben in der Welt, in Gütern, Kleidern, Gesellschaften und Menschenfreundschaften, haben sie Ruhe und bleibt ihnen nichts mehr zu wünschen? O! ein unaussprechlicher Schmerz, eine nie gestillte Sehnsucht nach etwas Besserem durchgeht alle Menschenherzen, so lange nur die Erde ihre Heimat und der Himmel ihnen ein fremdes Land ist. Alles, was der Weltlauf Großes aufbaut, ist bald wieder zerfallen; was er von Glück und Freude verheißt, das ist bald als düsterer Nebel wieder zerronnen. Davon legte ein berühmter Mann unserer Zeit, der berühmte Dichter Goethe, ein merkwürdiges Zeugnis ab. Er besaß alle Herrlichkeit der Welt, Reichtum, Ehre und Lust in vollem Maße. Deutschland vergötterte, Fürsten verehrten ihn:' aber er sagt in einem Brief an einen Freund (Eckermann): „man hat mich immer als einen vom Glück besonders Begünstigten gepriesen, und ich will den Gang meines Lebens nicht schelten; aber im Grund ist es nichts als Mühe und Arbeit gewesen, und ich kann wohl sagen, dass ich in meinen 75 Jahren keine vier Wochen eigentliches Behagen gehabt, es war das ewige Wälzen eines Steins, der immer von Neuem gehoben sein wollte.“ Lavater sagt: „Christus oder Verzweiflung.“ So Jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters, und wo diese Liebe nicht ist, da ist kein Friede und keine wahre Freude. Deswegen sollte es nicht schwer sein, sich selbst und die Welt zu verleugnen, das, was den Tod bringt, fliehen, und das, was allein Leben gibt, ergreifen, weswegen unser Text sagt: „Verändert euch durch Verneuerung eures Sinnes.“

Aber wie können wir das? „Kann auch ein Mohr seine Haut wandeln oder ein Pardel seine Flecken? Können wir Gutes tun, da wir des Bösen gewohnt sind?“ (Jerem. 13, 23.) Wir können es nicht, wir können uns nicht erneuern, so wenig, als die Erde selbst sich verjüngen kann aus des Winters Erstarrung. Aber GOtt macht Alles neu, GOtt schafft neues Leben und Christus ist die Erneuerung unserer Menschheit, durch die wir von Grund aus erneuert und geheiligt werden. Daher sehen wir als Haupterfordernis zu GOtt gefälligem Gottesdienst,

II.

dass wir Christum a)s das vollkommene Opfer uns ganz zueignen. Paulus gründet in unserem Texte alle seine Ermahnung auf das, was GOtt in Christo an uns getan hat. Er ermahnt „durch die Barmherzigkeiten GOttes, d. h. um der vielfachen und unbegreiflich großen Erbarmung willen, die GOtt durch JEsum uns erzeigt hat. Diese Liebe des Vaters und Sohnes, die im Werk der Erlösung so wunderbar hervorleuchtet, sie treibt uns, ein Opfer GOttes zu werden, wie JEsus sich geopfert hat für uns. Unser ganzer Werth ruht überhaupt nur in JEsu, daher unser Text sagt: „wir sollen nur so viel auf uns halten, als wir Glauben von GOtt haben, nur so viel, als wir Christum ergriffen haben.“ Nur Er macht uns zu einem GOtt gefälligen Opfer, nur Er heiligt unser Leben zu einem vernünftigen Gottesdienst. Haben wir in demütiger Buße erkannt, dass unser Natur-, Welt- und Fleischesleben nicht taugt vor GOtt und um den Himmel uns betrügt, haben wir unser eigen Leben GOtt zum Opfer gebracht, so kann eine neue, GOtt gefällige Persönlichkeit nur dadurch uns gegeben werden, dass Christi Leben in uns verklärt wird. Denn Christus allein ist das vollkommene Opfer, lebendig, heilig und GOtt wohlgefällig. Wie die Opfer des alten Bundes als Vorbilder auf Christum ohne Wandel sein mussten, d.h. ohne Makel und Gebrechen, vollkommen in ihrer Art, so war JEsus im höchsten Grade vollkommen, ohne Tadel, da Er nie eine Sünde tat, ja von keiner Sünde wusste, sondern in Allein nur den Willen seines Vaters erfüllte, und ein reines Menschenleben in vollkommener Gottähnlichkeit darstellte. Dieses Leben hat Er als Versöhnungsopfer an unserer Statt in den Tod gegeben, so dass der Vater uns, deren Haupt Er ist, ansehen will, als wäre unser Leben wie das Seine, und so, dass Christus die Erneuerung unserer menschlichen Natur, die in seiner Person geschehen ist, auf uns Alle übergehen lassen kann.

Dadurch ist Christus das vollkommenste Opfer geworden. Er hat sich geopfert GOtt und uns, Er hat sich für die geopfert, die keiner Liebe wert, ja seine Feinde waren, und hat so sich erwiesen als die unendliche, allgenugsame Liebe, und folglich als die höchste Vollkommenheit, denn GOtt ist die Liebe und JEsus ist das Ebenbild GOttes als die sich opfernde Liebe, als die Liebe, die Eins ist mit GOtt und die auch uns Eins machen will mit GOtt. Als solches vollkommene Opfer sagt JEsus: „Ich suche nicht meine Ehre, nicht meinen Willen, sondern des Vaters Ehre und des Vaters Willen, der mich gesandt hat. Der Sohn kann nichts von ihm selbst tun, denn was er stehet den Vater tun. Wie mich mein Vater gelehrt hat, so rede ich. Ich tue allezeit, was Ihm gefällt. Ich heilige mich selbst für sie, auf dass auch sie geheiligt seien in der Wahrheit.“ So hat Er sich GOtt und uns geopfert, seine Gottheit hat Er der Menschheit geopfert und seine Menschheit hat Er GOtt geopfert, auf dass Alles versöhnet und zur Wiedervereinigung mit GOtt gebracht würde.

Dieses heilige Opfer nun sollen wir uns zueignen, dass sein Leben unser Leben werde. Das geschieht durch wahren und lebendigen Glauben und durch eine Hingabe an Christum, bei der wir all' das Unsere Ihm opfern, unsern Willen, unsere Liebe, unser Leben, dagegen all' das Seme uns zueignen, seine Heiligkeit, seine Weisheit, seine Gottgleichheit, so dass wir verkläret werden in sein Bild und teilhaftig seines Wesens. So nur, wenn Christus in uns ist, können wir lebendige, heilige, GOtt gefällige Opfer sein; denn außer Ihm gibt es für uns kein Leben, keine Heiligkeit, lein Wohlgefallen GOttes. Dem Vater gefällt nur der Sohn und was dem Bild des Sohnes gleicht, und heiliges, göttliches Leben kommt in uns nur durch den Sohn. Nur in seines Lebens Kraft können wir dann das leisten, worin wir selbsttätig sein Leben in uns nachbilden und die Wurzel des Glaubens in unserem Wandel zur schönen Frucht bringen sollen, nämlich

III.

dass wir dem vollkommenen Gotteswillen uns ganz hingeben. So lange noch der Eigenwille in uns herrscht, so lange sind wir keine GOtt gefälligen Opfer, wenn wir auch wirklich als Gläubige uns Christum ganz zueignen. Ja, wenn Jemand sich lasset dünken, er diene GOtt, und hält nur seine Zunge nicht im Zaum, sondern verführet sein Herz, lässt es im Fleischeswillen denken, reden und handeln, des Gottesdienst ist eitel. So sagt Jacobus 1,26., und zeigt so, wie unser ganzes Leben oder nach unserem Text unser ganzer Leib bis auf das kleine Glied der Zunge hinaus ein Opfer GOttes sein soll. Opfer GOttes - das sind wir dann, wenn GOttes Wille unser Wille ist, Deswegen stellt unser Text als den Weg zur Entfernung von der Welt und zur Verneuerung unseres Sinnes das hin, dass wir prüfen sollen, welches da sei der gute, der wohlgefällige und der vollkommene Gotteswille. Der alte Storr macht unter diesen drei Eigenschaften des Gotteswillens folgenden Unterschied: den guten Willen GOttes erfülle der, der nur überhaupt redlich seinem Gewissen folge, wenn auch sein Gewissen noch ein irrendes, nicht genugsam berichtetes sei, wie bei den Schwachen in Rom; den wohlgefälligen tue, wer sorgfältiger prüfe, was an sich recht sei, was die Freiheit des Evangelii für eine Weise habe, wie die Starken in Rom es erkannten; den vollkommenen aber tue, wer um Anderer willen sich seiner Freiheit begebe. Wir können festhalten, dass der vollkommene Gotteswille ein höheres Maaß von Verleugnung, von Aufgeben auch des Erlaubten, ein zarteres Gemerk auf den Willen GOttes auch in den allerkleinsten Dingen erfordere, so dass wir von der Augenleitung GOttes uns auch im Geringsten beherrschen lassen, und mit einem recht himmlischen Sinn, über Welt und Zeit erhaben, sagen können: „so lebe nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir.“

Seelen, die so mit ihrem ganzen Willen in GOtt leben, sind wohlgefällige Opfer. Als Vorbilder von ihnen wurden im alten Bund die Brandopfer ganz verbrannt, auch musste das Feuer des Brandopferaltars ohne Unterlass fortbrennen, ferner mussten die Opfer durchaus ohne allen Fehler sein, so wie auch die Speiseopfer ganz ohne Sauerteig, dagegen mit Oel gesalbt und mit Salz gesalzen waren. So sollen wir vom Sauerteig unserer selbstsüchtigen Natur frei und geweiht sein mit dem Freudenöl des Geistes, und gesalzen mit dem beißenden und reinigenden Salz der Buße und Selbstverleugnung, mit dem würzenden Salz der himmlischen Weisheit und mit dem Bundessalz der göttlichen Liebe. Salzbund hieß im Alten Bund ein unauflöslicher, ewiger Bund, weil von alten Zeiten her bei Stiftung eines festen Bundes Salz und Brod gegessen wurde. In solch' unauflöslichem Bunde sollen wir stehen mit GOtt in Christo als solche, die ihren Willen ganz GOtt geopfert haben.

Als solche Opfer werden wir unser Leben zu einem heiligen Gottesdienst werden lassen, der allein der rechte vernünftige Gottesdienst ist. Der heidnische Götzendienst ist im höchsten Grade unvernünftig, ebenso der Götzendienst des Mammons und der Welt; die Opfer der Juden aber waren äußerlich und das Volk blieb dabei in seiner Sünde, aber die Opfer des Neuen Bundes sind lebendig; aus dem Tod der Natur fließt da das wahre Leben des Geistes, und der Geist übt einen Gottesdienst im Geist und in der Wahrheit, und so nach der höchsten Vernunft nicht mit toten äußerlichen Formen, nicht in Werkheiligkeit und Eigengerechtigkeit, sondern in geistlichem Leben nach GOttes Willen und in Wahrheit eines GOtt geheiligten und von GOtt erleuchteten Herzens.

Auch der äußere Gottesdienst, Gebet, Bibellesen und öffentliche Andacht ist da geheiligt durch die innere Stellung des GOtt suchenden und in GOtt als dem höchsten Gut sich freuenden Herzens. Die großen Gotteswahrheiten erfüllen da den Geist mit beständigem Lobe GOttes, täglich feiert er einen fröhlichen Christtag, eine herrliche Erscheinung des ewigen Lichtes, einen zum Tode weihenden Karfreitag, ein der Auferstehung entgegenführendes Osterfest, eine selige Himmelfahrt des Gebets, ein heiliges Pfingstfest der Ausgießung des Geistes und so allezeit einen lieblichen Sabbath in der Ruhe des HErrn und in seliger Hoffnung der Herrlichkeit, die an uns soll geoffenbart werden. Dieser fortgehende Gottesdienst ist durch die Gebote angezeigt: „Betet ohne Unterlass; Alles was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut Alles in dem Namen des HErrn JEsu und danket GOtt und dem Vater durch Ihn. Ihr esset oder trinket, oder was ihr tut, so tut es Alles zu GOttes Ehre. Singet und spielet dem HErrn in eurem Herzen und saget Dank allezeit für Alles GOtt und dem Vater in dem Namen unseres HErrn JEsu Christi.“

Herzen, in denen so GOttes Wille regiert, sind nicht nur Opfer, sondern selbst Priester, geistliche Priester im Segen des Hohepriestertums JEsu, gekleidet in die Kleider des Heils und in den Rock seiner Gerechtigkeit, den Namen Jehovah jetzt noch nicht an der Stirne, aber im Herzen tragend, und täglich sich selbst und die Welt opfernd und für sich und die Welt betend zu dem ewigen Hohepriester. Solche geistliche Priester sind , auch selbst ein Heiligtum GOttes, ein heiliger Tempel, worin der Vater samt dem Sohne wohnet im heiligen Geist, ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk des Eigentums, lebendige Steine des himmlischen Zions (1 Petr. 2, 9.).

So beschreibt unser Text im Allgemeinen das Wesen der Heiligung als eines Lebens aus, in und zu GOtt, wo sein Wille in Allem unser Wille, seine Liebe unser höchstes Gut, sein Reich unser höchstes Ziel ist.

Im Einzelnen zeigt sich ein solcher Gottesdienst der GOtt wohlgefälligen Opfer durch alle die Eigenschaften, durch welche der Wandel JEsu als heiliges Licht allen Zeiten strahlt. Von diesen Eigenschaften nennt unser Text nur noch zwei: „Demuth und Liebe. Wer in JEsu sein Ein und Alles gefunden, der wird nur so viel von sich halten, als er in JEsu geworden ist, und darum auch alle Ehre nur Ihm geben und Niemand verachten, sondern Alle lieben. Alle Gläubigen sind nach unserem Texte „Ein Leib in Christo, „ also unter einander Glieder. Wie die Hand für den Magen sorgt und der Magen für den Leib und die Augen und alle Sinne und Glieder für den Leib und alle seine Glieder, so soll im Leibe Christi ein Glied das andere lieben, nicht mit Worten, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit. Wie solches im Einzelnen des Lebens geschehen solle, davon werden wir in den folgenden Episteln weiter hören. Das ganze Leben wird durch die Liebe wie durch eine Sonne verklärt. Denn die Liebe ist das Band der Vollkommenheit, sie ist des Gesetzes Erfüllung und heiligt unsern ganzen Wandel. Ohne Liebe ist aller Gottesdienst eitel, der Glaube tot, die Hoffnung vergeblich, das Christentum ein Geschwätz, Weisheit und Gelehrsamkeit ein Nebel, Tugend ein bloßer Schein, und das ganze Leben trübe und finster. Dagegen in der Liebe leben, heißt in GOtt leben. Denn GOtt ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibet, der bleibet in GOtt und GOtt in ihm.

Nun, liebe Seelen, gewiss blicken wir Alle mit Wohlgefallen auf das schöne Bild des acht christlichen Lebens, wie wir es aus unserem Texte uns vorgehalten haben. Aber wie weit stehen wir noch zurück hinter der Vollkommenheit solcher lebendigen, heiligen und GOtt wohlgefälligen Opfer! Wie viele Flecken und Runzeln sehen wir an unserem inwendigen Menschen im Spiegel des göttlichen Wortes! Wie wenig wahre und uneigennützige Liebe, wie wenig Demuth und Hingabe, wie wenig Priestersinn und Himmelssinn, der sich selbst und die Welt verleugnet und in GOtt und für GOtt zu leben sich bemüht! Doch wollen wir den Muth nicht aufgeben. Was noch nicht ist, das kann noch werden. Der JEsus, der am Kreuze für uns gestorben ist, hat in sich selbst unsern alten Menschen gekreuzigt und in Ihm steht jeden Tag für redliche, GOtt verlangende Seelen das Heiligtum offen, in dem wir angetan werden mit Kraft aus der Höhe, die heiligen Gottesdienste des HErrn zu feiern und unser Leben in solchen Gottesdienst verklären zu lassen. Wenn wir Ihn nur recht herzlich lieben, so wird solche Liebe tun, was heute die Sonne tut, die den Schnee schmelzen macht. Die Liebe Christi entleidet uns die Welt und verwandelt unser Leben je mehr und mehr in sein Bild.

D'rum lass ich billig dies allein,
O JEsu, meine Freude sein,
Dass ich dich herzlich liebe,
Dass ich in dem, was dir gefällt
Und mir dein klares Wort vermeld't,
Aus Liebe mich stets übe,
Bis ich Endlich
Werd' abscheiden,
Und mit Freuden
Zu dir kommen,
Aller Trübsal ganz entnommen.

Amen.

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