Jonas, Justus - Anfang der Predigt über der Leiche Herrn Dr. M. Luthers

Jonas, Justus - Anfang der Predigt über der Leiche Herrn Dr. M. Luthers

gehalten in der St. Andreaskirche zu Eisleben am 19. Febr. 1546 und nachher wiederholt zu Halle.

Lieben Freunde! Wir haben christliche Ursache, daß wir diese Predigt thun vom Tode und Absterben unsers lieben Vaters Dr. Martini, der da mit ganzem Ernst und allen Treuen der ganzen Christenheit und allen Kirchen deutscher Nation aufs höchste tröstlich gewesen, und euch hier zu Halle sonderlich geliebet und Gutes gegönnet; durch welchen ein sehr großer Theil in aller Welt bekehrt worden ist. Heute sind es sieben Wochen, daß der theure Mann Dr. Martin Luther zu Eisleben in seinem Vaterlande kurz vor drei Uhr nach Mitternacht in Christo seliglich entschlafen ist. Da ich den andern Tag nach seinem Abschiede von dieser Welt habe zu St. Andreas in der Kirche zu Eisleben eine Predigt gethan, als die Leiche mitten in die Kirche gesetzt, wahrlich mit heißen Thränen, und darum auch diese Predigt thue, fromme christliche Herzen zu erinnern, was sie für einen hohen Schatz eine Zeitlang an diesem trefflichen theuern Manne gehabt und was sie an ihm verloren haben. Und ist dazumal dieselbige Predigt in drei Stücke getheilt: Erstlich, von der Person Dr. Martin Luthers und von seinen Gaben und hohem Verstand in geistlichen hohen Sachen, so der theure Mann gehabt. Zum andern, wie wir den Mann Dr. Luther, der uns die neun und zwanzig Jahre über wider die Lügen des Pabstes und der Mönche, wider das Reich des Teufels geschrieben, gekämpft und gefochten hat, werden am jüngsten Tag gewißlich wieder sehen und hören in ewiger Freude und Seligkeit. Zum dritten, eine Vermahnung, gethan und angezeigt, daß der Tod Herrn Dr. Martin Luthers werde gewißlich, wie aller Propheten Tod, eine sonderliche Kraft und nachfolgende Wirkung hinter sich haben.

Vom ersten Stücke, von der Person und den herrlichen Gaben Dr. Martin Luthers hätten wir ja viel zu sagen; können es nicht alles ausrichten, darum wollen wir hier geschweigen seines scharfen Ingenii und trefflichen scharfen hohen Verstands, den der liebe Vater Dr. Martin, seliger und christlicher Gedächtniß, von seiner Jugend auf in seinem achtzehnten und zwanzigsten Jahre gehabt. Ich habe von vielen Leuten gehört, die von Jugend auf mit ihm umgegangen, die bezeugten, daß sie trefflicher Ingeniums nicht gesehen noch erfahren, denn in dem Dr. Martin, unter welchen einer, Dr. Lang und Dr. Staupitz zu Erfurt gewesen; denn sie haben es erfahren, dieweil sie täglich mit ihm umgegangen sind. Item so hat auch der Dr. Mellerstadt, der dazumal, da die Universität zu Wittenberg fundirt ist worden, Rector gewesen, gesagt: „Habt mir Acht auf den jungen Mönch, Magister Martin Luther, er hat so einen trefflichen scharfsinnigen Verstand, dergleichen mir nicht all mein Lebenlang vorgekommen; es wird gewiß ein vortrefflicher Mann aus ihm werden.“ Wie denn auch geschehen. So hatte auch Dr. Martin Luther viele andere reiche Gaben, und war ein trefflicher, gewaltiger Redner. Item ein überaus gewaltiger Dolmetscher der ganzen Bibel; es haben auch die Canzleien zum Theil von ihm gelernt recht Deutsch schreiben und reden. Denn er hat die deutsche Sprache wieder recht hervor gebracht, daß man nun wieder kann recht Deutsch reden und schreiben, wie das viel hoher Leute müssen zeugen und bekennen. Von denselbigen natürlichen und hohen Gaben will ich nichts sagen, sondern weise alle gottesfürchtige Herzen und Christen in seine Bücher, Postillen und Commentarien. Da werden sie finden, daß sie einen trefflichen Redner, Prediger und rechten Bischof an dem Manne gehabt. Wollte Gott, Deutschland hätte der Leute und Bischöfe nur sehr viel; man bedürfte ihrer wahrlich wohl!

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