Hus, Jan - Am sechsten Sonntage nach Epiphanias.

Hus, Jan - Am sechsten Sonntage nach Epiphanias.

Matth. 13, 24-30.

Diese Rede unsers barmherzigen Heilands verstanden seine Jünger nicht und sie traten, als er sie vollendet hatte, wie uns Matth. 13, 36 berichtet, zu ihm und sprachen: Deute uns dieses Gleichnis vom Unkraut auf dem Acker. Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Der da guten Samen sät, ist des Menschen Sohn; der Acker ist die Welt; der gute Same sind die Kinder des Reichs; das Unkraut sind die Kinder der Bosheit. Der Feind, der sie sät, ist der Teufel. Die Ernte ist das Ende der Welt. Die Schnitter sind die Engel. Gleichwie man das Unkraut ausjätet und mit Feuer verbrennt, so wird es auch am Ende dieser Welt geschehen. Des Menschen Sohn wird seine Engel senden, und sie werden sammeln aus seinem Reich alle Ärgernisse und die da Unrecht tun, und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird sein Heulen und Zähnklappen. So erklärte der Heiland seine Rede und niemand kann sie besser erklären. Und würde es auch keine weitere Erklärung geben, so wird eine treue Seele sie doch verstehen und genug daran zu bedenken und zu erwägen haben. Darum sprach auch Christus, bevor er dieses Gleichnis vortrug: Wer Ohren hat zu hören, der höre.

Weil aber Christus hierbei nicht erklärte, was eigentlich das Himmelreich ist, so möge jeder wissen, dass er im Gleichnis das Himmelreich selbst ist. Denn er sagt, dass der, der da den guten Samen säet, des Menschen Sohn ist, und gleich im Anfange des Evangeliums spricht er: Das Himmelreich ist gleich einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte; darum meint er sich selbst in seinem Gleichnis. Ja, er hat wahrlich guten Samen gesät hier auf dieser Welt. Alles, was er erschaffen, war gut; die ersten Menschen Adam und Eva erschuf er ohne Sünde, in Heiligkeit und Gerechtigkeit. Aber der Feind kam und säte in sie den Samen des Ungehorsams, zuerst aber den Samen des Unglaubens. Denn Eva glaubte es Gott nicht, dass sie des Todes sterben müssten, wenn sie von der Frucht des verbotenen Baumes genießen würden. Darum sprach sie nach der heiligen Schrift zweifelnd: Wir könnten vielleicht sterben. Wenn also Christus sagt, dass der Teufel die Kinder der Bosheit gesät hat, so ist darunter nicht zu verstehen, dass er sie als solche erschaffen, sondern vielmehr durch seine List und Verführung dazu gemacht hat. Und indem er Unglauben, Irrtümer und allerlei Sünden in sie sät, macht er sie zum Unkraut auf dem Ackerfelde Gottes.

In den heiligen Evangelien ist oft die Rede vom Himmelreiche und wird daselbst dieses Wort nicht immer in einer und derselben Bedeutung genommen und gebraucht. Ich will es daher wegen künftighin zu machenden Anwendungen hierbei näher erklären.

Das Himmelreich bedeutet eigentlich an sich selbst die Vereinigung der Heiligen im Himmel mit Gott, der ihr König ist, mit dem sie verbunden die himmlischen Güter, das ist die ewigen Freuden, genießen werden, die aus seiner Erkenntnis kommen. In diesem Sinne versteht man gewöhnlich das Himmelreich. So kann es genommen werden, wenn wir nach Matth. 6, 10 beten: Dein Reich komme; das heißt, die Versammlung der Auserwählten werde voll, die mit dir im Himmel sein sollen. Auch wenn es bei Luk. 14, 15 heißt: „Da aber solches hörte einer, der mit zu Tische saß, sprach er zu ihm: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes,“ ist damit die Speise gemeint, womit man nach dem Tode gespeist werden wird.

Zum zweiten bedeutet das Himmelreich in der heiligen Schrift Christum, wie wir bei Luk. 17,20.21 darüber lesen: „Da er aber gefragt ward von den Pharisäern: Wenn kommt das Reich Gottes? antwortete er ihnen und sprach: Seht, das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ Das Reich heißt also Gottes, und damit wollte Christus gleichsam sagen: Ihr fragt euch, ob es im Himmelreiche Menschen geben werde; seht, ich bin unter euch, und gebe meinen Getreuen das Reich und ihr kennt mich nicht.

Zum dritten heißt das Himmelreich die Kirche, die auf dieser Welt ist, oder die Versammlung aller Christen, wie es bei Matth, 13,41 heißt: Des Menschen Sohn wird seine Engel senden, und sie werden sammeln aus seinem Reich alle Ärgernisse. Dazu sagt der heilige Gregor: Wir wissen, dass unter dem Himmelreich in der heiligen Schrift oft die Kirche der jetzigen Zeiten gemeint wird, von welcher es in der Schrift heißt: Der Herr wird seine Engel senden und sie werden aus seinem Reich alle Ärgernisse sammeln. Denn in jenem Reiche der Auserwählten und der Seligkeit, darin unbeschreiblicher Friede herrscht, werden keine Ärgernisse gefunden werden, die man sammeln könnte. So viel darüber der heilige Gregor.

Zum vierten bedeutet das Himmelreich die Wohnung der Auserwählten im Himmel, wie nach Matth. 20,20 die Mutter der Kinder Zebedäi Christum also bat: „Lasse diese meine zweien Söhne sitzen in deinem Reich, einen zu deiner Rechten, und den andern zu deiner Linken.“ Daraus ersieht man, dass das Himmelreich eine Wohnung oder Stätte heißt, wo Christus mit den Heiligen wohnt.

Zum fünften bezeichnet das Himmelreich die heilige Schrift, wie Christus nach Matth. 21,43 zu den Priestern und Schriftgelehrten sagt: „Das Reich Gottes wird von euch genommen. und den Heiden gegeben werden, die seine Früchte bringen.“ Das heißt, die heilige Schrift des Gesetzes wird euch genommen und den Christen gegeben werden, welche die heilige Schrift nützlich gebrauchen werden. Und nach Matth. 23,13 sagt Christus: „Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr das Himmelreich zuschließt vor den Menschen; ihr kommt nicht hinein, und die hinein wollen, lasst ihr nicht hineingehen.“ Dazu sagt der heilige Johannes Chrysostomus: Die Schrift zeigt das Himmelreich; die Pforte, dadurch man hineingeht, ist das Eingehen in die Schrift oder das Verständnis der Schrift, und dieses Verständnis verschließen die Priester, Schriftgelehrten und andere Heuchler vor den Menschen, indem sie mit aller Macht dahin arbeiten, dass die gemeinen Leute zur Kenntnis der Schrift nicht kommen. Sie selbst gehen nicht mit einfältigem richtigem Verstande hinein, und deshalb sehen sie es nicht gerne, dass die Menschen, die nicht Priester sind, die heilige Schrift kennen. Und sie wehren ihnen, wie Christus in den angeführten Worten sagt, dass sie nicht hineinkommen, das heißt, dass sie die heilige Schrift nicht lesen und sie also nicht verstehen. Dies tun sie zuerst aus dem Grunde, damit das Volk nicht wisse, wie sie leben sollen.

Zum zweiten wehren sie dem Volke die heilige Schrift zu lesen, dass dieses sie ihrer Sünden wegen nicht strafe.

Zum dritten, dass das Volk bei der Predigt ihre Irrtümer nicht merke und sie zur bessern Kenntnis der heiligen Schrift nicht nötige.

Zum vierten, weil sie fürchten, dass sie von den Laien nicht mehr so geehrt würden, wenn diese die heilige Schrift Lesen möchten.

Darum gibt ihnen Christus diesen schrecklichen Segen: Wehe euch! Denn wenn der Herr „Wehe“ ruft, zeigt er die ewige Verdammnis als Lohn der Todsünde an; und wehe denen, die nicht hineinkommen.

Auch unsre Doktoren, Magister, Priester, Schriftgelehrte und Heuchler halten die Schlüssel des Himmelreichs fest, wollen damit nicht auftun und wehren sich mehr denn die alten. Darum sagt auch ihnen Christus zum Gruße Luk. 11,52: Wehe euch Schriftgelehrten, denn ihr habt den Schlüssel der Erkenntnis. Ihr kommt nicht hinein, und wehrt denen, so hinein wollen. Und diese Worte Christi erklären seine früheren; zuerst sagte er nämlich, ihr schließt das Himmelreich zu, und nun: ihr schließt die Schrift zu, denn ihr habt den Schlüssel der Erkenntnis genommen, das heißt, den Sinn und das Verständnis der Schrift. Und es gibt deren heutzutage viele, die die Schrift kennen, aber nach ihren Lehren nicht leben wollen; auch mögen sie andre Menschen darin nicht lehren, und wer das will, dem wehren sie es.

Diese Erklärung des Himmelreichs möge sich jeder merken, und darüber entscheiden, welche von den angeführten Bedeutungen anzuwenden sei, wenn man das Wort in den Evangelien liest, damit man's recht verstehe.

Unser Evangelium sagt: Das Himmelreich ist gleich einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. Das heißt so viel: Christus, des Menschen Sohn, ist gleich einem Menschen, der guten Samen, als da ist der Weizen, auf seinen Acker säte. Der Ackersmann sät Weizen auf seinen Acker, und des Menschen Sohn, Christus, gute Menschen in seiner Kirche. Denn der Acker bedeutet die Welt, wie es Christus erklärt, und die Welt bezeichnet die Versammlung aller Menschen, oder die Menschheit insgesamt, wie Joh. 1,10 sagt: Er war in der Welt, und die Welt erkannte ihn nicht; was so viel bedeutet, als: die Bösen insgesamt erkannten Christum nicht im wahren Glauben. Der gute Same ist auch das Wort Gottes und der Glaube, denn beide bringen Kinder Gottes hervor. Und diesen Samen säte Christus auf den Acker der heiligen Kirche. Die Menschen waren zuerst ein gutes Ackerland, denn sie waren ohne Sünde von Gott erschaffen, aber einmal mit der Sünde befleckt, wurden sie ein unfruchtbarer Acker, der nur Disteln und Dornen trug. Durch den Samen Christi, das ist, durch sein heilig Wort, sind sie wieder Kinder Gottes geworden. Und darum sagt Christus: Der gute Same sind die Kinder des Reichs, oder: sind meine Kinder, die mir und der ewigen Seligkeit durch den Glauben und Liebe angehören.

Da aber die Leute schliefen, kam der Feind, das heißt, da die Prälaten und Priester faul waren, und wie der heilige Augustin sagt, den Acker Christi nicht behüteten, und da auch andre Leute schliefen, oder um ihre ewige Seligkeit sich nicht kümmerten, kam der Feind. Dieser Feind ist der Teufel, der Mörder von Anbeginn, der aus Neid stets ein Feind des Menschen ist. Und dieser Feind säte zuerst Unkraut auf das reine Ackerland, Adam und Eva, das von Gott mit Glauben besät war. Das Unkraut aber, das er säte, ist die Lüge, denn nach der Schrift 1. Mos. 3,4 sprach er zu dem Weibe: „Ihr werdet mitnichten des Todes sterben.“ Darin offenbarte er seine Klugheit, dass er es mit dem Weibe anfing, als Adam nicht mit ihr war. So pflegen es auch alle Bösewichter zu tun, wenn der Mann nicht bei seinem Weibe ist. Er fragte sie zuerst, um zu erfahren, ob sie in seine List willigen werde, und da er dies aus ihrer Antwort: „dass ihr nicht sterbt“, merkte, so antwortet er sogleich als Vater der Lüge: „Ihr werdet mitnichten des Todes sterben.“

Nachdem er das Unkraut also gesät, ging er, wie das Evangelium sagt, davon. Hierzu bemerkt der heilige Beda: Wenn der alte Feind den Menschen durch seine Versuchungen zum Falle gebracht hat, so verlässt er ihn auf einige Zeit, jedoch nicht etwa in der Absicht, um seiner Bosheit ein Ende zu tun, sondern damit er bald darauf wieder komme, und desto leichter zu einer neuen Sünde ihn versuche. Denn hat er einmal den Menschen zur Sünde verlockt, so betrachtet er ihn als gewiss und in seiner Macht, wie ein Fischer den Fisch, der in sein Netz gegangen; dann verlässt er ihn, um einen andern zu suchen. Und manchmal geht er davon, weil seine Versuchung an dem Widerstande des Menschen scheiterte und er ihn nicht überwältigen konnte; er kommt aber wieder zur gelegeneren Stunde, wenn sich der Mensch nicht in acht nimmt, um ihn desto leichter zu fangen, wie das Evangelium sagt: Da die Leute schliefen, kam der Feind und säte Unkraut, das heißt, da sich die Menschen nicht hüteten, kam der Teufel, versuchte und verdarb sie.

Da nun das Kraut wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut. Der Glaube bringt manche gute Frucht, wenn er auch vom Teufel verderbt ist; mancher Mensch fastet, gibt Almosen und betet, und steht doch nebenbei mit vollem Wissen in Todsünden! Was ist das aber für ein Glaube!

Darum traten die Knechte zu dem Hausvater und sprachen: „Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? Willst du denn, dass wir hingehen und es ausjäten?“ Die Knechte des Hausvaters sind die Heiligen und treuen Christen dieser Zeit, die mit vielen Bitten zu Gott um Abhilfe sich nahen, damit er die große Bosheit hinwegtue, die der Teufel in die jetzige Christenheit gesät hat. Aber unsre Prälaten halten sich am liebsten zu den Worten: „Willst du, dass wir hingehen, und es ausjäten?“ Sie wissen aber leider Unkraut vom Weizen nicht zu unterscheiden, und kennen also nicht, was von beiden besser ist; deshalb raufen sie mehr Weizen denn Unkraut aus. Denn sie verfolgen die Wahrheit mehr, denn das Unrecht, und halten die Wahrheit für Lüge und umgekehrt die Lüge für Wahrheit, und so wird an ihnen das Wort des Propheten Jesaias erfüllt, welcher 5,20 also spricht: Wehe denen, die Böses gut und Gutes böse heißen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen. Andre dieser blinden Führer sagen auch, dass es gar nicht schade, im Gegenteil gut sei, wenn man mit einem bösen Menschen viele gute töte, und ich habe sie dies mit dem Beispiele bestätigen gehört, dass man auch wegen eines einzigen Fässchens schlechter Heringe viele Fässer mit guten Heringen verbrenne, und so auch viele Ballen Tuch, wenn auch nur ein Stück davon angesteckt sei. Das haben sie auch dadurch bestätigt, dass sie beim Papst Johann XXII. eine Bulle erwirkten, worin dieser befiehlt, dass man die guten und schlechten Bücher des Magisters Johannes Wikleff verbrenne; denn diese Bücher ärgern sie sehr, weil sie darin wegen ihrer Simonie, Hochmut, Unzucht, Geiz und wegen andrer Laster gestraft werden; auch das schneidet tief in ihre Seele, dass sie darin Armenherren und Bettlerbeamte heißen, denn sie herrschen am liebsten gleich weltlichen Herren. Das aber brennt sie am meisten, dass die weltlichen Obrigkeiten nach Recht und in guter Absicht ihre weltlichen Güter ihnen nehmen können, und auch keinen Zehent zu geben brauchen, wenn sie ein ärgerliches Leben führen und von ihrer Bosheit nicht ablassen wollen. Und darum ist es kein Wunder, dass einige Doktoren und Domherren mit etlichen Pfarrern und Mönchen in einer Versammlung auf dem Prager Rathause, wobei sie in deutscher Sprache gemeinschaftlich verhandelten, jene Sätze als ketzerisch verwarfen; die meisten Magister und die ganze Schar der Lehrer und Studenten traten jedoch diesem Urteile nicht bei, sondern kamen im Kollegium in der gewöhnlichen Schule zusammen und wiesen da aus der heiligen Schrift nach, dass gedachte Doktoren mit ihrem Anhange die Wahrheit geradezu für Irrtum erklärt hätten. Sie luden sie deshalb in das Kollegium zu einer Unterredung ein, auf dass sie da mit der Schrift ihr Urteil begründen möchten, was sie jedoch nicht eingingen, denn sie hatten keine Stellen der heiligen Schrift für sich, womit sie ihr Urteil gegen die Wahrheit hätten rechtfertigen können. Und an alle dem war der Doktor Stephan Paleck schuld, ehedem, da er die Wahrheit liebte, mein treuer Freund und zweiter Stanislaus. Und sie alle erhoben sich gegen uns, weil wir die Bulle des Papstes mit dem Kreuzzuge gegen den König Ladislaus von Neapel nicht gutheißen wollten. Denn in der Bulle fordert der Papst alle, die Lust haben, Priester, Mönche und Nonnen zur Vernichtung des genannten Königs und zum Untergange aller derjenigen auf, die ihm untertan sind, oder sich zu ihm halten; überdies hat er ihn darin bis ins vierte Geschlecht seiner Nachkommenschaft verdammt, und trägt noch viele gotteslästerliche Dinge vor, so wie er allen Erlass ihrer Sünden und der ewigen Strafen erteilt, die an dem Kreuzzuge teilnehmen oder Geld dazu geben.

Der barmherzige Heiland ließ aber viele Magister, Priester und Laien diesen Trug der Sünde erkennen, weshalb sie aus vielfachen Beweggründen jene Bulle nicht billigen wollten. Einige haben sogar ihr Leben daran gesetzt, indem sie den Priestern widersprachen, welche öffentlich über die Bulle predigten, „dass der Papst der Gott dieser Welt ist, dass er die Sünden mit allen ihren Strafen nachlassen könne, wem und wie er nur wolle, und dass er auch mit eisernem Schwerte kämpfen könne, wie jeder andre weltliche Fürst und König“. Und darum wurden die treuen Bekenner der göttlichen Wahrheit: Martin, Johannes und Stanislaus enthauptet, und in Gottes heiligem Namen in Bethlehem begraben. Mehrere wurden noch eingezogen, gefoltert und eingekerkert. Und das berichte ich wie eine getreue Chronik, damit unsre Nachkommen im vorkommenden Falle dies wohl bedenken, dass andre vor ihnen um Christi willen ohne Furcht dem Tode sich geopfert haben. O, wie verständig war der Hausvater unsers Evangeliums, welcher nicht zuließ, dass seine Knechte das Unkraut ausjäteten; denn wie leicht hätten sie in der Meinung, dass sie das Unkraut ausjäten, den Weizen selbst ausgerauft.

Er sprach: nein, jätet nicht das Unkraut aus, auf dass ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, so ihr das Unkraut ausjätet. Diesen verständigen Rat befolgt man also heutzutage nicht mehr, man tut gerade das Gegenteil; den Weizen rauft man aus, und das Unkraut lässt man wachsen. Der Teufel hat sozusagen die ganze Welt mit Lügnern und Ablasskrämern reichlich besät, und diese sind die Schützlinge der Prälaten, Doktoren und der übrigen Priester; andre Leute müssen schweigen und dürfen gegen des Teufels Samen nicht den Mund auftun. Und so sind die Menschen in einen tiefen Schlaf verfallen, die einen aus Faulheit und die andern aus Furcht; und einige hat die Schlauheit des Teufels niedergetreten. Darum wird es dem Feinde leicht, so viel Unkraut unter den Weizen zu streuen. Es wird ihm dies aber vorzüglich dadurch leicht, weil die Bischöfe und Doktoren die heilige Schrift als alleinigen Schiedsrichter zwischen Wahrheit und Lüge nicht wollen gelten lassen; sie wollen allein richten, und richten wie die alten Bischöfe, Meister, Priester und Schriftgelehrten, welche unsern Herrn Jesum Christum mit falschen Zeugnissen verurteilten. Und so richten und verurteilen sie mit ihren unverschämten Satzungen treue Priester, die gegen ihre Simonie und Laster zeugen. Sie nehmen sich den Rat der heiligen Jungfrau und aller himmlischen Heerscharen nicht zu Herzen, dass wir tun, was Christus uns sagt. Der Herr Jesus befiehlt ihnen, dass sie nicht wie weltliche Fürsten herrschen, dass sie Gold und Silber nicht lieb haben, dass sie nicht verkaufen sollen, was sie von ihm umsonst empfangen haben, und nicht Unzucht treiben. Und in unserm Evangelium befiehlt er ihnen, dass sie beides, Unkraut und Weizen, wachsen lassen, und nicht in ihrer Verrücktheit und Bosheit Weizen mit Unkraut, Gutes mit Bösen vertilgen. Denn er allein, als der Allwissende und Unfehlbare, wird am jüngsten Tage seinen Engeln befehlen, dass sie das Unkraut sammeln und in Bündlein binden, damit es verbrenne. Er allein wird alsdann als gerechter Richter die Bösen an Händen und Füßen binden und in die äußerste Finsternis werfen lassen, damit sie ewig daselbst brennen. Aber den Weizen, seine Auserwählten, wird er in seine Scheuern, in die Wohnungen der himmlischen Seligkeit und Freude sammeln.

Hierbei ist noch zu merken, dass selbst das Unkraut dem Weizen einigermaßen nützlich ist, denn es windet sich um die Halme und stützt sie vielfach gegen den Wind, dass sie aufrecht stehen bleiben. Und anfangs kann man das Unkraut vom Weizen gar nicht gut unterscheiden, und würde man beim Ausjäten desselben den Weizen niederdrücken und dessen Gedeihen mannigfaltig schaden. So sind auch die Bösen den Guten, wenn sie darunter sparsam gesät sind, zur ewigen Seligkeit behilflich, denn sie stählen ihre Kraft im geistigen Kampfe gegen das Böse. Und würde es keine Bösen geben, so gäbe es auch keine Versuchungen und somit keine geistigen Kämpfe und Belohnungen. Das Böse ist der Probierstein des Guten, woran sich letzteres bewähren soll, um gekrönt zu werden. So gereicht die Vertilgung der Bösen nur zum großen Schaden der Guten selbst.

Darum spricht der höchste Herr und allweiseste Hausvater: Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte.

Zuweilen schickt es sich aber und ist es gut, dass weltliche Fürsten das Unkraut ausjäten; sie müssen dies jedoch in Übereinstimmung mit dem Worte Gottes tun, und dürfen nicht dabei menschlichen Satzungen folgen. Daher ist es sehr notwendig, dass sie im vorkommenden Falle die Sache reiflichst überlegen und fromme und im Worte Gottes erfahrene Männer zu Rate zu ziehen und eher Gnade und Nachsicht denn Strenge anwenden, auf dass sie dem Weizen selbst nicht schaden oder ihn gar ausraufen. Dem Petrus aber befahl Christus, dass er einen sündhaften Menschen wie einen Heiden und Zöllner meide, wenn nämlich seine Sünde offenbar ist und derselbe die heilige Kirche nicht hören und ihr nicht folgen will, aber er befahl nicht, dass er ihn foltere und morde.

Unsre Päpste und Petri Nachfolger haben sich zu Henkern und Scharfrichtern ausgebildet und durchgewunden; einen treuen Christen heißen sie einen Ketzer und verbrennen ihn.

O Herr Jesu Christ, bleibe bei uns für Zeit und Ewigkeit! Amen.

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autoren/h/hus/hus-am_6_sonntag_nach_epiphanias.txt · Zuletzt geändert: von aj
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