Humburg, Paul - Die ganz große Liebe - Unerhört

Humburg, Paul - Die ganz große Liebe - Unerhört

„Er wollte nicht hineingehen.“ (V. 28)

Als das Gedränge und der Reigen erscholl im Vaterhaus, weil der Verirrte heimgekehrt und wiedergefunden war, werden sich alle im Hause hinzugedrängt haben. Wer irgend nur konnte, war gern im Festsaal und freute sich mit. Nur der ältere Bruder wollte nicht mit dabeisein. So etwas soll ich Bruder nennen? Einen solchen Menschen soll ich wieder an meines Vaters Tisch begrüßen? Ich danke! Ich will ihn nicht einmal sehen.

Das war wohl das beste für ihn, dass er nicht hineinging. Wäre er in den Saal gegangen, so hätte er sich wahrscheinlich noch viel mehr geärgert, geärgert über das Feierkleid und über den Fingerreif und über die neuen Schuhe und über das geschlachtete Kalb und das Festmahl, besonders wenn er es noch hätte sehen müssen, dass schließlich leise und zaghaft und dann immer freudiger auch der Gefeierte selbst mit angefangen hat, zu singen und fröhlich zu sein. Er hätte es wohl nicht gemerkt, dass sein Bruder erst da Mut bekam, mit einzustimmen, als sie bei Psalm 103 gerade an die Stelle kamen „der dir alle deine Sünden vergibt und heilet alle deine Gebrechen“. Da konnte der Heimgekehrte sich nicht mehr halten. Da musste er mitsingen.

Gut, dass der Ältere nicht hineinging. Er hätte sich krank geärgert. „Ja, ja, erst drauflos geprasst und alles Geld vertan und dann so einfach nach Hause kommen und wieder am Tisch des Vaters sitzen, als wäre nichts geschehen, und von Gnade singen! Nein, ich gehe nicht hinein! Das passt mir nicht.“ Man will gar nichts Genaueres darüber hören. Menschen, die so weit abgeirrt und so in Sünde waren, die wollen jetzt von Vergebung und Gnade und Gotteskindschaft singen – unerhört! Ich will sie nicht sehen noch hören.

Unerhört! Ganz richtig, unerhörte Gnade! Die kann freilich nur der verstehen, der sie selbst erfahren hat. „Er wollte nicht hineingehen.“ Er blieb draußen. Ich fürchte, solche Leute werden ewig draußen bleiben.

„Da ging der Vater heraus und bat ihn.“ Das ist wohl das schönste Wort im ganzen Gleichnis. Das ist unerhörte Gnade, die ganz große Liebe. Das ist Gottes Liebe. Eines elenden und verkommenen und verlorenen Sohnes sich annehmen, das ist Liebe und Gnade. Aber wir können das fast noch eher verstehen – denn da spricht doch auch das Mitleid etwas mit –, als dass der Vater um diesen harten und selbstgerechten, unsympathischen, scharfen Mann sich so müht. Das ist übermenschlich, das ist göttlich. Das ist unerhört!

Hier haben wir das herrlichste Wort in dieser ganzen herrlichen Geschichte vom verlorenen Sohn. Will einer je es wissen, was Liebe ist, dann soll er stehenbleiben vor diesem Wort: „Da ging sein Vater heraus und bat ihn“, den harten Mann, der sich nicht freuen will über die Heimkehr des verlorenen Bruders. Dann soll er sich einschließen mit diesem Wort in der Stille: „Da ging sein Vater heraus und bat ihn.“ Über diesem Wort soll er seine Knie beugen, mit dieser Stelle seine Tränen trocknen, wenn ihm die Augen übergegangen sind. Das ist Gott. Das ist die Liebe: „Da ging sein Vater heraus und bat ihn.“

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