Hofacker, Wilhelm - Am Osterfest. Erste Predigt.

Hofacker, Wilhelm - Am Osterfest. Erste Predigt.

Es war ein wunderlicher Krieg,
Als Tod und Leben rungen;
Das Leben, das behielt den Sieg,
Es hat den Tod verschlungen.
Die Schrift hat verkündet das,
Wie Ein Tod den Andern fraß;
Ein Spott aus dem Tod ist worden.
Hallelujah!

Dies, meine Lieben, ist der muntere und lebensfrische Freuden-Psalm, mit welchem der teure Gottesmann Luther, dieser kräftige Zeuge vom Tode und von der Auferstehung Jesu Christi, den heutigen Festtag begrüßt. Es ist gleichsam ein Siegesgesang nach einer heißen und entscheidenden Schlacht. Freilich, es war auch ein furchtbarer Krieg, der geführt, ein wunderlicher Riesenkampf, der gekämpft wurde. Die zwei größten Mächte der sichtbaren und unsichtbaren Welt haben ihre Kräfte mit einander gemessen; Tod und Leben sind mit einander in die Schranken getreten; und es schien bereits, der Tod habe den Sieg davongetragen und das Leben zu Boden gestreckt und unter seine Füße gebracht. Denn bereits wurde im Heerlager der Finsternis Triumph geblasen und ein Siegesfest gefeiert; bereits wurden zum trefflichen Gelingen eines Meisterstücks der Bosheit und Arglist Glückwünsche angenommen, bereits Anstalten getroffen, um durch aufgestellte Wachen. und angebrachte Hoheratssiegel den Sieg vollständig zu machen. Auf das Häuflein der Getreuen aber war Angst und lähmender Schrecken gefallen; Mut und Hoffnung war ihnen dahingesunken, ihre Reihen waren auf allen Seiten zum Weichen gebracht; denn der Herzog des Lebens lag unter den Toten. Aber was geschah? Wie es kein seltener Fall ist in weltlichen Kriegen, dass ein Feldherr, der den Sieg schon in Händen zu haben glaubt, ihn doch urplötzlich sich wieder entrissen sieht; so ist es hier erfolgt. Das Leben, das behielt doch den Sieg und hat den Tod verschlungen. Keine noch so große Steinmasse und Soldatenwache; kein noch so ehrwürdiges Siegel und Hoheratsverbot konnte Den aufhalten, der das Leben in sich selber hat; und mit Einem Schlag waren alle Klugheitsplane und alle Kriegslist des Feindes zunichte gemacht. Ein Engel aber vom Himmel stand da als ein Sieges-Bote Seiner unüberwundenen Macht und Herrlichkeit. Nun galts vom Siege zu singen in den Hütten der Gerechten; die Hand des HErrn behielt ja den Sieg; nun galts die Harfen von den Trauerweiden zu holen und ein Triumphlied anzustimmen zur Ehre Dessen, der tot war, nun aber lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit; nun galts die Wehmuts- und die Schmerzens-Tränen sich vergolden zu lassen zu Tränen des Dankes, der Freude und himmlischer Wonne im Glanze der Auferstehungs-Sonne, die in majestätischem Siegesgange am dritten Tage über Jerusalems Höhen emporstieg. Und dies ist nun auch uns erlaubt, am heutigen Freuden- und Jubeltag der Christenheit. Die Welt freut sich in diesen Tagen auf fleischliche Weise; kommt! wir wollen uns freuen auf geistliche Weise! Die Welt singt und spielt und tanzt ihren Götzen nach ihrem Brauch; wir wollen singen und spielen dem HErrn in unserem Herzen nach apostolischem Christenbrauch, mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen lieblichen Liedern! Der Auferstandene ist es wert, dass Ihn unsere Lippen preisen und unsere Seelen Ihm entgegenjauchzen. Stimmt mit mir den 1. Vers des 160. Liedes an: Lobt den HErrn ihr Gotteskinder!

Text: Matth. 28, 1-10.
Am Abend aber des Sabbats, welcher anbricht am Morgen des ersten Feier-Tages der Sabbaten, kam Maria Magdalena und die andere Maria, das Grab zu besehen. Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des HErrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein von der Tür und setzte sich darauf. Und seine Gestalt war wie der Blitz und sein Kleid weiß als der Schnee. Die Hüter aber erschraken vor Furcht und wurden als wären sie tot. Aber der Engel antwortete und sprach zu den Weibern: Fürchtet euch nicht; ich weiß, dass ihr Jesum, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier; Er ist auferstanden, wie Er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, da der HErr gelegen hat; und geht eilend hin und sagt es Seinen Jüngern, dass Er auferstanden sei von den Toten. Und siehe, Er wird vor euch hingehen in Galiläa, da werdet ihr Ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt. Und sie gingen eilend zum Grabe hinaus, mit Furcht und großer Freude, und liefen, dass sie es Seinen Jüngern verkündigten. Und da sie gingen, Seinen Jüngern zu verkündigen, siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: seid gegrüßt. Und sie traten zu Ihm und griffen an Seine Füße und fielen vor Ihm nieder. Da sprach Jesus zu ihnen: fürchtet euch nicht; geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie gehen in Galiläa, daselbst werden sie mich sehen.

Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Türe? Diese Frage beschäftigte das bekümmerte Gemüt der Frauen, welche nach dem Sabbat in der Frühstunde des Morgens sich aufgemacht hatten, um zum Grabe zu gehen, und dort mit Spezerei und Salben dem Leichnam des geliebten Toten die letzte Ehre zu erweisen in Seiner stillen Kammer. Ein eben so schwerer Stein, wie vor dem Grabe, lag vor ihrer Herzens-Türe, ein Sorgenstein, ein Kummerstein, so groß und gewichtig, dass sie selber unmöglich im Stande waren, ihn hinwegzuwälzen. Dafür aber hatte bereits eine andere, eine unsichtbare Hand gesorgt, eine Hand, die treuer und stärker war, als sie ahnten und glaubten. Wer beschreibt ihr Staunen, als sie beim Hinzunahen den Stein vom Grabe hinweggeschleudert, die Waffen der Wächter umher zerstreut, die Todespforte geöffnet und einen Engel in strahlendem Gewand hier still und feierlich Wache halten sahen? wer fasst ihre wachsende Verwunderung, als sie den Friedensboten sich anreden und die Kunde zu ihren Ohren dringen hörten: ihr sucht den Lebendigen bei den Toten; Er ist auferstanden; seht die Stätte, da Er gelegen war. Lauter als dieses mündliche Zeugnis redete das leere Grab, in das Er sie blicken, und die offene Türe, durch die Er sie eintreten hieß. Wahrlich! mochte das Grab auch noch so gewöhnlich, unscheinbar und niedrig ihnen vorkommen, es erweiterte sich doch ihrem staunenden Blicke und ihrem überraschten Glaubensauge zu einer Vorhalle des Himmels, zu einer Pforte der Herrlichkeit Gottes. Dies muss aber auch uns das leere Grab Christi werden, wenn wir es mit dem erleuchteten Auge der Erkenntnis, die von Oben stammt, betrachten.

Und darum stellen wir uns im Geiste an die offene Grabestüre des Auferstandenen.

Im Lichte des Wortes Gottes verklärt sie sich uns

  1. zu einer Ehrenpforte Seines Triumphes.
  2. Zu einem Friedensbogen himmlischer Huld und Gnade.
  3. Zu einem Lebenstor der Auferstehung für unsern Geist und unsern Leib.

I.

Wenn wir uns an die offene Grabestüre des Auferstandenen stellen, so gewahren wir, dass ein Sieger durch sie gegangen sein muss. Darauf deuten die weggeworfenen Waffen der Wächter, darauf ihre auf den Boden darniedergestreckten Leiber, darauf der ungewöhnliche Bote vom Himmel, der den nahenden Frauen den größten aller Siege verkündet. Darum betrachten wir die offene Grabestüre mit allem Fug und Recht als die Ehrenpforte eines herrlichen Sieges, eines preiswürdigen Triumphes.

Ehrenpforten werden ja auch sonst gewöhnlich in der Welt errichtet, wenn Sieger und Helden irgendwo einen feierlichen Einzug halten. Da lässt man es an nichts fehlen, um solche Triumphbögen recht geschmackvoll zu verzieren und durch allerhand sinnbildliche Darstellungen den Sieger und seine Siege zu verherrlichen. Da erheben sich schlanke Säulen, die zum Himmel emporstreben; da gibt es grünes Laubgewinde, welches sich an denselben hinanrankt, um den unverwelklichen Ruhm des Gefeierten zu bezeichnen; da gibt es auch passende Inschriften, welche seine Großtaten aufzählen und die Schlachten nennen, die er geliefert, und die Siege, die er erfochten; - kurz, es ist Alles darauf berechnet, seinen Ruhm zu erhöhen und ihn als Helden zu begrüßen. In dieser Art haben wir nun freilich in Josephs Garten keine Ehren-Pforte vor uns; eine niedere, unscheinbare Türe, welche zur Felskluft führt, ist Alles, was wir hier gewahren; sinnige Kunst und großer Aufwand scheint sich daran nicht verewigt zu haben; auch hätte der Blüten- und Farbenreichtum des Lebens zum Grabestor des Todes nicht gut gepasst. Aber doch ists eine Ehrenpforte, wie die Welt noch keine gesehen hat, höher, herrlicher und gewaltiger als alle Triumphbögen, die je Menschenhand errichten konnte und in der Tat und Wahrheit wert, dass wir sie alle Jahre und alle Tage mit den Gewinden dankbaren Glaubens und kindlicher Freude umgeben und das Immergrün unserer Hoffnung daran sich hinaufranken lassen zur Ehre und zum Preise des großen Sieges, dessen Gedächtnis sie uns verkündigt. Denn welch' ein Sieg ist das, der durch die offene Grabestüre des Auferstandenen verewigt wird? Wir können gleichsam vier Inschriften daran lesen; durch eine jede derselben wird uns ein Hauptfeind bezeichnet, den der HErr in der heißen Riesenschlacht Seines Todes und Seiner Auferstehung bezwungen und darniedergeworfen hat. Die erste Inschrift gilt dem Sieg über die Sünde und lautet: wer will verdammen? Christus ist hier, der da gestorben, ja vielmehr der auch auferweckt ist und vertritt uns. Die zweite Inschrift gilt dem Sieg über den Tod und lautet: Tod! wo ist dein Stachel? Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern HErrn Jesum Christ. Die dritte Inschrift gilt dem Sieg über die Hölle und lautet: Er hat das Gefängnis gefangen geführt und ist hinuntergefahren in die untersten Örter und hat gepredigt den Geistern im Gefängnis und hat nun die Schlüssel des Todes und der Hölle. Die vierte Inschrift gilt endlich dem Sieg über den Fürsten dieser Welt und lautet: der Gewappnete wusste seinen Palast zu bewahren; aber es ist ein Stärkerer über ihn gekommen und dieser hat ausgezogen die Fürstentümer und die Gewaltigen und hat sie zur Schau getragen öffentlich und einen Triumph aus ihnen gemacht durch sich selbst. So lauten diese vier Sieges-Inschriften und wir sollten uns nicht freuen, wenn wir unsere größten Feinde in den Staub getreten, unsere erbittertsten Widersacher überwältigt sehen? Ja, wir dürfen auf diesen Sieg getrost uns berufen und zur Sünde sprechen: du darfst mich nicht mehr verklagen, denn meine Schuld ist getilgt. Wir dürfen zum Tode sagen: du kannst mich nicht mehr schrecken, denn der Stachel ist dir genommen. Wir dürfen der Hölle entgegenrufen: deine Strafen machen mir nicht mehr bange; denn dein Feuer ist gelöscht. Ja, wir dürfen dem Feinde unserer Seligkeit selber es vorhalten: dein Reich und deine Macht ist zu Ende, denn du bist gerichtet. Die Rechte des HErrn ist erhöht, die Rechte des HErrn behielt den Sieg.

Eine solche Sieges- und Ehrenpforte ist aufgerichtet. Und wie heißt nun der Sieger selbst, der durch sie den Einzug hält? Durch irdische Ehrenpforten ziehen Helden im Land- und Seekriege ein, nachdem sie ihre Schlachten geschlagen, die Feinde bezwungen und den Frieden erstritten haben. Ihre Brust ist mit Sternen und Orden bedeckt, ihr Haupt mit Ruhm und mit Ehre geziert, ihr Wagen mit Gefolge und mit Kriegern umgeben. Aber wie erfochten sie ihre Siege? wie gewannen sie ihre Lorbeerkränze? Gegen Ströme von Blut haben sie sie eingetauscht; auf Leichenfeldern sind sie gewandelt, in tausend und abertausend Familien haben sie Jammer und Wehklage gebracht; mit Hunderttausenden zogen sie aus, mit Zehntausenden kehren sie heim. Ist's auch so bei unserem Sieger, der durch die Ehrenpforte Seines Grabes tritt? Nein! allein zog Er in den Streit, allein hat Er die Bitterkeit des göttlichen Zorns geschmeckt, allein hat Er sich den Geschossen und Todespfeilen der göttlichen Gerechtigkeit ausgesetzt und siehe! wen bringt Er nun mit aus der siegreich gewonnenen Riesenschlacht? eine Schar, die Niemand zählen kann, aus allen Nationen und Sprachen und Geschlechtern; die vielen Tausende, denen Er in Seiner Liebe zu mächtig geworden; die vielen Starken, die Ihm zur Beute und zum Raube wurden, nachdem Er Sein Leben zum Schuldopfer gegeben; die vielen Kinder, die Ihm aus Seiner Blutsaat geboren wurden, wie der Tau aus der Morgenröte; der unabsehbare Zug aller derer, die Ihm der Vater zum Lohne Seiner Arbeit gegeben. Sie sind in Seinem Gefolge; und wie einst Jakob bei der Rückkehr ins Vaterland zum Preise Gottes ausrufen konnte: mit diesem Stab ging ich über den Jordan und siehe! nun bin ich zwei Heere geworden: so konnte der Heiland, der den Hirtenstab der Liebe am Kreuze niedergelegt und ihn im Grabe gegen den Königszepter einer unvergänglichen Herrlichkeit eingetauscht hat, ausrufen: allein stieg Ich hinab in die Todesgruft und mit einer Heerschar vollendeter Gerechten kehre Ich wieder; sie haben Mir Arbeit gemacht mit ihren Sünden und Kampf mit ihren Übertretungen, aber nun sind sie die Errungenschaft Meines Gehorsams und das Erbteil Meiner reichlich und herrlich belohnten Todesmühe. Und fassen wir den Überwinder der Welt näher ins Auge, so müssen wir sagen, dass Er ein Recht hat an solche Errungenschaft. Es glänzen zwar keine Sterne auf Seiner Brust, aber Er trägt dennoch die Ehrenzeichen Seines Gehorsams und Seiner Liebe an Seinem heiligen Leibe; der Seitenstich, den die Lanze des Kriegsknechtes Ihm versetzte, die vier Wunden, die Ihm unsere Missetaten schlugen - sie sind die Denkmale Seiner bis zum Tod des Kreuzes erniedrigten Versöhnerstreue; ihrer schämt Er sich auch auf dem Throne der Herrlichkeit nicht; sie sind Sein Schmuck, Seine Ehre und Sein Ruhm vor allen Engeln und Teufeln; in ihnen prangt Er vor dem Vater und allen Seinen Erlösten. Ein solcher Sieger zieht voran und uns ist es erlaubt, in Sein Gefolge uns einzureihen und Seinem Triumphpaniere nachzufolgen. Denn es soll Wahrheit werden, was im 110. Psalm Ihm zugesichert wurde: nach Deinem Sieg soll Dir Dein Volk williglich opfern im heiligen Schmuck. Stellen wir uns unter die Schar Seiner Streiter, die im Glauben und Gehorsam Ihm huldigen: so dürfen auch wir mit Ihm einziehen durch die Ehrenpforte Seines Triumphes; Sein Kampf ist dann unser Kampf, und Sein Sieg unser Sieg und auch uns gilt die trostreiche Verheißung: Alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt, und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.

II.

Aber auch zu einem Friedensbogen himmlischer Huld und Gnade verklärt sich uns die offene Grabestüre des Auferstandenen. Denn ein Gnadenbote vom Himmel verkündigt den bekümmerten Frauen den Frieden des Osterfürsten, und Er selbst, der Widererwachte, tritt als der Herzog unserer Seligkeit vor sie hin und entbietet ihnen den Gruß himmlischen Friedens und ewigen Lebens.

Als die Zorneswogen der Sündflut einst verrauscht waren, und das Archenschiff Noahs, auf Ararat angelandet, dort festen Grund gefunden hatte: da brachte die ausgesandte Taube das Ölblatt des Friedens. Und als Noah nun wirklich aus der Arche ging und die aus dem göttlichen Gericht verjüngt wieder auftauchende Erde betrat: da stand ein Friedensbogen in den Wolken, durch welchen es ihm feierlich bestätigt und besiegelt wurde, dass solche Zorngerichte nicht mehr einbrechen und der Segen des Höchsten vom neuerstehenden Schauplatz Seiner Huld sich nicht mehr wenden werde. Die Zorneswellen waren verrauscht und die Missetaten der alten Welt hinweggeschwemmt. Zum Zeichen aber, dass die göttliche Liebe auf Erden wieder ihren Einzug halte, stand der Friedensbogen da in majestätischer Farbenpracht, still es verkündend, dass die Gnade das Zepter wieder führe und eine ewige Huld im Regimente sitze. Aber siehe da! einen noch viel herrlicheren Friedensbogen schaut dort der Glaube über Josephs Grab emporgewölbt; und der Auferstehungstag des HErrn ist uns Bürge, dass von Neuem die Quellen des Heils und der Gnade sich ergießen und die Sonne einer unvergänglichen Liebe der Menschheit scheinen werde. Am Karfreitag war gleichsam der große Gerichtstag der Menschheit; die Zorngewitter der ewigen Gerechtigkeit waren losgebrochen; die Dunkelheit und Finsternis, welche sich auf die Erde lagerte, während der heilige Mittler am Kreuze hing, waren die sichtbaren Zeichen, dass über Seinem Haupte die Schale des Zorns nun ausgegossen werde. Aber nur Ihm, dem Einen, galten alle Gerichte, Ihm, der von Gott und von Menschen verlassen am Kreuze hing und von ihrer Last erdrückt, mit großem Geschrei endlich unterging. Die ganze Sünderwelt war mit und in Ihm zugleich untergegangen; ihre Missetat und Sünde war durch Seinen Gehorsam bis zum Tod vollkommen aufgewogen; in Ihm und mit Ihm waren Alle gestorben (2. Kor. 5,14.). Am dritten Tage aber tauchte eine neue Schöpfung siegprangend wieder empor; in dem Einen großen Versöhner, der da tot war, nun aber wieder lebte, war die ganze Menschheit wiedergeboren, erneuert und verherrlicht vor das Angesicht des Vaters gestellt, und in Seiner geöffneten Grabestüre stand nun über Ihm und Seinem ganzen Versöhnungs-Werke ein Friedensbogen aufgerichtet, der der ganzen Welt es verkündigen sollte: die Sünde ist wahrhaftig getilgt, das Opfer Christi ist ein vollgültiges Opfer, die Kluft zwischen Gott und den Menschen ist vollkommen ausgefüllt; die Missetat versiegelt, die ewige Gerechtigkeit wiedergebracht und das Wohlgefallen des Vaters ruht nun ungeschmälert und unverkümmert auf Allen, die in Christo Jesu sind; sie sind Ihm angenehm in dem Geliebten; Er schaut sie an im reinen Bilde des ewigen Mittlers und im herrlichen Schmuck des neuen Lebens, das sie von Ihm zum Lehen tragen. Ja, am Friedensbogen der Auferstehungspforte kann nun jedes erleuchtete Menschenauge die ewig gültige Inschrift lesen: Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber Meine Gnade soll nicht mehr weichen und der Bund Meines Friedens soll nicht mehr hinfallen, spricht der HErr, der Erbarmungsreiche. Unter diesen Friedensbogen ewiger Vaterhuld und freier Gottes-Gnade, der in der Auferstehung Christi aufgerichtet ist, dürfen wir nun als Kinder des neuen Bundes uns stellen und von dem wunderbaren und freundlichen Licht, das von dort her auf uns fällt, uns bestrahlen und erquicken lassen. Ein Vaterantlitz leuchtet ja über uns; ein Vaterauge wacht über uns; und eine Vaterhand segnet uns mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Christum. Hier am offenen Grabe Christi erblüht uns die Gewissheit der Vergebung unserer Sünden, hier die Freude über unsere ewigen Kindschafts- und Erbschaftsrechte, hier der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der Friede mit Gott und in Gott, und wir dürfen mit dem gottinnigen Spener sprechen:

Was will uns nun schaden
Wenn Gott selbst zu Gnaden
Uns bei sich gebracht?
Lasst uns Christum loben,
Gott hat Ihn erhoben
Aus des Todes Nacht.
Jesus lebt!
Er selbst begräbt
Unsere Schuld in Seinem Grabe;
Fried' ist Seine Gabe!

Ja, noch mehr! Nicht bloß Frieden mit Gott und Frieden in Gott hat uns der HErr als heilige Ostergabe aus Seinem Grabe mitgebracht; nein! Sich selber, den ewigen Friedensfürsten konnte Er erst dadurch uns wahrhaftig und wesentlich mitteilen, dadurch erst Sich selbst als die höchste und seligste Gabe, als Geist und Leben uns schenken und einverleiben. Ehe Er durch die enge Pforte des Todes hindurchgewandelt war, ehe Er im Grabe die gröbere, sterbliche Hülle abgestreift hatte, war Er an Raum und Zeit gebunden und auch Seine Wirksamkeit unter den Jüngern war an Seine leibliche und persönliche Gegenwart geknüpft. Mit Seiner Auferstehung ab begann Seine Verklärung ins himmlische Wesen; bald da, bald dort konnte Er nun aus der Unsichtbarkeit in die Sichtbarkeit heraustreten, bald da, bald dort Seine Nähe und Seine Herrlichkeit offenbaren; wie Er denn gleich am Auferstehungstage einer Maria Magdalena, einem Petrus, den beiden Wanderern nach Emmaus und doch alsobald wieder dem ganzen versammelten Jüngerkreise in Jerusalem erschien. Die Verbindung mit den Seinigen wurde dadurch freier und ungehinderter; aber zugleich auch näher, lebendiger und inniger. Denn auch verschlossene Pforten wusste Er zu öffnen, auch durch verriegelte Türen einen Durchgang sich zu bereiten. Aber überall, wo Er erschien und sich kund gab, war Er die zarte, die treue, die huldvolle, die sorgsame Liebe; überall erscholl Sein Herz und Geist erquickendes Losungswort: Friede sei mit Euch, und wie Er die Seinen geliebt hatte vom Anfang und geliebt hatte bis ans Ende, so liebte Er sie nun von Neuem als Sein teuererworbenes Eigentum mit ewiger, unendlicher Liebe.

Wer wollte nun noch klagen und trauern, da aus der geöffneten Grabestüre ein allezeit naher, ein mit Kräften des Lebens reichlich gesalbter Friedensfürst herausgetreten ist? Wer wollte noch zagen und weinen, da ein so treuer und freundlicher Heiland durch die Welt schreitet und unter den goldnen Leuchtern Seiner Gemeinde wandelt und als Freund Seine Erlösten besucht in ihrer Einsamkeit, erfreut in ihren Kümmernissen, kräftigt in ihren Anfechtungen, mit linder Hand ihnen die Tränen von den Wimpern wischt, und oft, wenn wir Ihn am weitesten entfernt glauben, den huldvollen Friedensgruß ertönen lässt, der alle Klagen verstummen und unsern Mund frohlocken macht?

Ja, wir haben an Ihm einen allgegenwärtigen und lebendigen Friedenskönig, und die gläubige Seele, die Ihn kennt, darf freudig und getrost bekennen:

Ach, mein HErr Jesu! Dein Nahesein
Bringt großen Frieden ins Herz hinein,
Und Dein Gnadenanblick macht uns so selig,
Dass auch's Gebeine darüber fröhlich
Und dankbar wird.

Wir sehn Dein freundliches Angesicht
Voll Huld und Gnade wohl leiblich nicht;
Aber unsere Seele kann's schon gewahren:
Du kannst dich fühlbar genug offenbaren,
Auch ungesehn!

III.

Einen Friedensbogen himmlischer Huld und Gnade sieht der Glaube am Grabe Christi aufgerichtet, aber auch noch ein Lebenstor zur Auferstehung für unsern Geist und unsern Leib dort geöffnet.

Ein versiegeltes Todestor glaubten die Frauen beim Hineintritt in den Garten zu finden; eine Todespforte, die sich hinter ihrem Meister geschlossen, um Ihn nie wieder herauszugeben. Aber sie fanden ein Lebenstor, durch das der Lebensfürst bereits Seinen Rückweg in die Welt wieder gefunden und aus dem Er unvergängliches Wesen zurückgebracht hatte. Gehört aber nicht gerade dies zu den schon oftmals wiederholten Erweisungen des Auferstandenen, dass Er die Todestore in Lebenstore verwandelt? Denkt zurück an unser liebes Deutschland! Was war es, ehe Luther Hand ans Werk der Reformation legte? Es glich einem Kirchhofe voll Moders und Totengebeine; es war voll Aberglauben und Menschensatzung. Nur ehrwürdige Trümmer, Denkmale einer schöneren und besseren Kirchenzeit standen noch da, still und groß, an die alte apostolische Kirche erinnernd. Aber drunten schliefen die Geister den eisernen Todesschlaf, in welchen Unwissenheit und Priesterherrschaft sie gebettet hatte. Eine undurchdringliche, himmelanstrebende Zwingmauer war um sie her aufgeführt aus päpstlichen Gesetzen und Bullen; Wächter waren aufgestellt, die jedwede Lebensregung argwöhnisch belauschten und selbst dem Worte Gottes keinen Zugang mehr gestatteten; am großen Todesportal aber war ein großes Priester-Insiegel angebracht mit der furchtbaren Drohung: wer es breche und löse, sei des Todes schuldig! Ach! wenn die Engel des Friedens über das Leichenfeld Deutschlands hinflogen, da jammerte es ihre Seele und sie blickten ostwärts, ob der Tag noch nicht anbreche und der Morgenstern noch nicht aufgehe über der weiten und ausgedehnten Gräberwelt. Christus schien damals begraben zu sein, um nie wieder zu erwachen. Aber Er ist wieder erwacht; die Todespforte wurde von Ihm machtvoll gesprengt, jenes Priestersiegel zerbrochen; und Luther, das teure Rüstzeug, dem Christus zum Leben geworden war, nahm die Posaune des Evangeliums an den Mund, und ließ es so helle klingen durch alle deutschen Gaue, dass die Schläfer erwachten und die Toten auferstanden zum neuen Leben. Und nun kann man auf unser Vaterland hinweisen und sprechen: siehe da! die Stätte, da Christus gelegen war!

Hast du nicht schon Ähnliches erfahren, geliebter Mitchrist, in deinem eigenen Leben? Glich nicht schon manchmal dein Herz einem Grab, da kein Leben, keine Inbrunst, keine Andacht, kein Friede, keine Freude, sich mehr regen wollte? Du empfandest keinen Geschmack am Worte Gottes, keinen Drang zum Gebet, dein inneres Lebensmark schien dir vertrocknet; in den innern Herzensgemächern hausten die Würmer der Selbstanklage und du fühltest die Skorpionenstiche eines verdammenden Gewissens; du pochtest vielleicht ungeduldig an deine eigene Todes-Pforte, sie wollte sich aber nicht öffnen; du rütteltest vielleicht an den Schlössern, die deinen Geist gefangen hielten, aber sie wollten sich nicht auftun; du warest lebendig begraben. Aber hast du nicht auch schon erfahren, dass, wenn die vom HErrn bestimmte Zeit herbeigekommen war, die Riegel sich von selber zurückschoben, die Pforte sich von selber öffnete und Jesus Christus zu dir hereintrat, und deinen Unglauben und deines Herzens Blödigkeit zu Schanden machte? Hast du da nicht nach solchen Erfahrungen das Wort Seines Mundes um so süßer vernommen: Ich lebe und du sollst auch leben! Du bist mein, und nichts kann und darf dich scheiden von meiner Liebe? Und wenn du auf dein eigenes Herz zurückblicktest, musstest du nicht sagen: siehe da! die Stätte, da der HErr geschlummert hat!

Aber glaubt ihr wohl, der große Lebensfürst, der unserem Geiste also zu friedsamer Auferstehung hilft und schon hienieden ihn so manches Lebensfest begehen lässt, werde den Leib der Sterblichkeit im Tode lassen, ohne ein Lebenstor ihm zu erschließen zur Auferstehung in der Herrlichkeit? Hat Er doch Seinen eigenen verklärten Leib mitgebracht aus der Todesgruft; schämt Er sich ja doch selber nicht, den Leib, der die sichtbare Hülle Seiner Gottheit war, in die Verklärung Seiner gottmenschlichen Person aufzunehmen; darum kann und wird Er mit den Gliedern Seines geistlichen Leibes nicht anders handeln. Unsere Kirchhofstore sind Todestore; wer dort hineingetragen wird, kommt nicht mehr zurück. Der Erde muss gegeben werden, was von der Erde ist; die erblasste Hülle wird eingesenkt; die Todesgruft wird zugeriegelt und unser letzter Feind drückt sein schauerliches, bleiches Modersiegel auf unser Angesicht. Aber glaubt Ihr wohl, das sei das Ende vom Trauer-Lied der Zeit? glaubt Ihr, damit habe nun unser Leib seine vom Schöpfer ihm verordnete Bestimmung erreicht? Nein! so wenig Christi Tagewerk mit Seinem Tode zu Ende war, so wenig unsere Gesangbücher mit den Passionsliedern schließen können, so wenig kann das der letzte Zielpunkt eines Gefäßes sein, das die Herrlichkeit Jesu Christi in sich schloss. In den Gräbern der Gerechten walten Lebens- und Vollendungskräfte; und wenn einmal der Fuß des großen Osterfürsten auch über sie hinwandeln wird, dann wird auch der Staub wieder leben und was in Schwachheit und Unehre gesät ward, in Kraft und Herrlichkeit auferstehen. Ja, wir glauben nicht bloß an die Unsterblichkeit unserer Seele, an die Fortdauer unseres Geistes; nein! wir glauben eine Auferstehung unseres nichtigen Leibes zur Ähnlichkeit des verherrlichten Leibes Christi; denn also spricht der Mund des HErrn: so der Geist des, der Jesum von den Toten auferweckt hat, in euch wohnet; so wird derselbige, der Ihn erweckt hat, eure sterblichen Leiber lebendig machen, um deswillen, dass Sein Geist in euch wohnt (Röm. 8, 11.).

Zu hohen und herrlichen Dingen ist also in Christo auch unser irdisches Hüttenhaus bestimmt; darum haltet es in Zucht und in Ehren, entweiht den Tempel Gottes nicht, sondern heiligt euren Leib wie eure Seele, denn beide sind Gottes. Einmal soll's auch von unsern Todes-Grüften heißen: seht da! die Stätte, da ihr Leib gelegen war. Die Verwesungs- und Erniedrigungsstätte unseres äußeren Menschen wird dann sich wandeln in die Geburtsstätte unverweslichen Lebens und geistleiblicher Herrlichkeit.

Christus ist der Erstling unter denen, die da schlafen. Er aber wird Alle, die Ihm eingepflanzt wurden zu gleichem Tode, in der Kraft Seines unauflöslichen Lebens mit sich führen. Darum frohlocke heute unser Glaube und unser Herz freue sich Gottes, unseres Heilandes! Wir erblicken mit Dank und heiligem Beben in der geöffneten Grabes-Tür des Wiedererwachten das Lebenstor der Auferstehung für unsern Geist und unsern Leib.

Heil! Jesus Christus ist erstanden!
Aus den zersprengten Todesbanden
Tritt siegverkläret Gottes Sohn!
Es rauschen durch die Himmelsbogen
Des Hallelujah Stromeswogen
Und Friede glänzt um Gottes Thron!
Heil dem, der ewig liebt,
Und Allen Leben gibt
Jesu Christo,
Und unserm Gott!
Des Todes Not
Ist aufgelöst in Morgenrot!
Amen.

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autoren/h/hofacker_w/hofacker_w_ostern_1.txt · Zuletzt geändert: von aj
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