Hofacker, Wilhelm - Am dritten Weihnachts-Feiertage, dem Gedächtnißtage des Evangelisten Johannes.

Hofacker, Wilhelm - Am dritten Weihnachts-Feiertage, dem Gedächtnißtage des Evangelisten Johannes.

Text: Joh. 21, 1 -14.

Darnach offenbarte sich Jesus abermal den Jüngern an dem Meer bei Liberias. Er offenbarte sich aber also. Es waren bei einander Simon Petrus, und Thomas, der da heißet Zwilling, und Nathanael von Cana aus Galiläa, und die Söhne Zebedäi und andere zween Seiner Jünger. Spricht Simon Petrus zu ihnen: ich will hin fischen gehen. Sie sprachen zu ihm: so wollen wir mit dir gehen. Sie giengen hinaus, und traten in das Schiff alsobald, und in derselbigen Nacht fingen sie Nichts. Da es aber jetzt Morgen ward, stand Jesus am Ufer; aber die Jünger wußten es nicht, daß es Jesus war. Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten Ihm: nein. Er aber sprach zu ihnen: werfet das Netz zur Rechten des Schiffs, so werdet ihr finden. Da warfen sie, und konnten es nicht mehr ziehen vor der Menge der Fische. Da spricht der Jünger, welchen Jesus lieb hatte, zu Petto: es ist der HErr. Da Simon Petrus hörete, daß es der HErr war, gürtete er das Hemde um sich, (denn er war nackend) und warf sich in das Meer. Die andern Jünger aber kamen auf dem Schiff (denn sie waren nicht ferne vom Lande, sondern bei zweihundert Ellen) und zogen das Netz mit den Fischen. Als sie nun austraten auf das lind, sahen sie Kohlen gelegt, und Fische darauf, und Brod. Spricht Jesus zu ihnen: bringet her von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt. Simon Petrus stieg hinein, und zog das Netz auf das Land voll großer Fische, hundert und drei und fünfzig. Und wiewohl ihrer so viele waren, zerriß doch das Netz nicht. Sprüht Jesus zu ihnen: kommt und haltet das Mahl. Niemand aber unter den Jüngern durfte Ihn fragen: Wer bist du? denn sie wußten es, daß es der HErr war. Da kommt Jesus, und nimmt das Brod, und gibt es ihnen. desselbigen gleichen auch die Fische. Das ist nun das dritte Mal. daß Jesus geoffenbaret ist Seinen Jüngern, nachdem Er von den Todten auferstanden ist.

Zwischen dem Gegenstande des vorgestrigen Festes und der Begebenheit, die unser heutiges Evangelium uns vor Augen malt, liegt ein dreiunddreißigjähriger Zwischenraum in der Mitte. Geburt und Auferstehung Christi berühren hier einander; der große Kreis des Lebens Christi schließt sich so, indem Anfang und Ende sich zu Einem Ganzen die Hände reichen. Dort begrüßen wir das neugeborne Jesus-Kind, hier tritt der Auferstandene in Herrlichkeit vor unsere Blicke; dort ist nicht Raum für Ihn in der ärmlichen Herberge des verachteten Bethlehem, hier zeigt sich uns Der, der aller Himmel Himmel erfüllet mit Seiner Gottes-Macht und Königs-Glorie; dort ist nichts als Niedrigkeit, Armuth und Knechts-Gestalt, hier erscheint der siegreiche Bezwinger und Bewältiger des Todes, der Fürst des Lebens; dort steht der HErr an der Pforte Seiner Erniedrigungs-Laufbahn, hier aber an den Stufen des Thrones der Herrlichkeit, den Er besitzen soll von Ewigkeit zu Ewigkeit. Große, herrliche Vollendung, in deren Vorhöfen nun unser theurer Bürge und Versöhner angelangt ist! Nur noch einmal tritt Er in sichtbarer Gestalt vor unsere Blicke, um dann auf immer in die Unsichtbarkeit und Unverweslichkeit des ewigen Lebens sich aufzuschwingen; nur noch einmal tritt Er als der holde Menschen-Sohn unter Seine versammelten Jünger, um sie zu segnen und mit der Botschaft des Friedens zu entlassen in alle Welt. Und dann fährt Er auf zu Seinem Gott und ihrem Gott, zu Seinem Vater und ihrem Vater, um das herrliche Königreich einzunehmen, das Seiner harret, und das gerade und richtige Scepter zu ergreifen, das Er auch bis heute in Seiner allmächtigen Hand geführt hat mit Gerechtigkeit und Gericht, mit Gnade und Barmherzigkeit.

Jedoch, obgleich der HErr von den Seinigen schied und ihnen Seine sichtbare Nähe entzog, so ist Er deßwegen doch nicht von Seinem Häuflein geschieden; Er ist nahe einem Jeglichen unter Seinen Gläubigen; Er kennet die Seinen und ist bekannt den Seinen; Er nennt sie bei ihrem Namen und sie vernehmen Seine treue Hirten-Stimme; sie sehnen sich nach Ihm in ihrer Armuth und Schwachheit, und Er offenbart sich ihnen in Seiner überschwenglichen Huld, in Seiner heilenden und stillenden Nähe. Darum sind wir, die wir 1800 Jahre später leben, nicht verkürzt gegen die Jünger, die in Seinem Angesicht des Vaters Klarheit, in Seinem Auge Gottes Freundlichkeit, in Seinen Zügen den milden Schimmer eines ewigen Erbarmens erblicken, und in Seinen Worten Worte des Lebens, voll Geist und Kraft vernehmen durften! Nein! Er ist noch alle Tage bei den Seinigen bis an der Welt Ende. Wären die Ohren unseres Gemüthes Seinem Geiste offener, wir würden öfter Seine Stimme vernehmen. Schlügen wir sehnsüchtiger die Augen des Glaubens nach Ihm auf, Er würde uns öfter begegnen mit Seiner Huld und Kraft. Dürsteten und hungerten wir inbrünstiger nach Ihm und Seiner Gerechtigkeit, o gewiß wir würden noch kräftigere Züge aus dem Becher der göttlichen Gnade thun und lebendiger erfahren, wie freundlich der HErr ist; Sein verborgenes Manna würde uns öfter speisen, das lebendige Wasser, das in's ewige Leben quillet, würde uns noch öfter erquicken. Ja zögen wir häufiger und ernstlicher an der Glocke des Gebets; gewiß aus den verborgensten Tiefen der Ewigkeit würde Er sich aufmachen, um uns zu helfen und zu segnen, zu erquicken und zu trösten, zu ermuthigen und zu stärken. Denn Er ist nicht fern von einem Jeglichen unter uns. Auch unser heutiges Evangelium kann uns davon einen lieblichen und stärkenden Beleg an die Hand geben. Wir betrachten nach Anleitung desselben die Offenbarung des auferstandenen Jesus unter Seinen Jüngern als ein Bild Seiner Offenbarung im Herzen der Seinigen.

An das galiläische Meer oder an den See Tiberias versetzt uns unsere heutige Text-Geschichte. Dort treffen wir sieben Apostel versammelt, Johannes und Jacobus, Petrus und Thomas und Nathanael und zwei Andere, die unser Text nicht nennt, deren Einer aber wahrscheinlich Andreas, der Bruder Petri, war. Sie waren im Gehorsam gegen das Wort des Heilandes nach Seiner Auferstehung von Jerusalem nach Galiläa gegangen. In lieblicher, trauter Gemeinschaft waren sie beisammen. Die große Umwälzung, die sie in den letzten Tagen beim schmachvollen Tode des Heilandes und bei Seiner siegreichen Auferstehung erlebt hatten, hatte sie erst recht verbrüdert und verbunden; der gemeinsame Glaube an den Einen HErrn, der todt war und nun wieder lebendig worden war, hatte um ihre Herzen ein noch festeres und engeres Band geschlungen, und in der Einen großen Liebe zum gekreuzigten und auferstandenen Meister hatten sie erst jetzt den rechten und innersten Mittelpunkt der brüderlichen und gegenseitigen Liebe gefunden. Wie sein und lieblich mochte es wohl sein, wie diese Brüder bei einander wohnten! wie mag ihnen die Erinnerung an das, was sie in der jüngsten Zeit durchlebt haben, ihre Zeit verkürzt haben! Wie manche Stelle am See Genezareth mag ihnen ein Wort oder eine That ihres HErrn in's Gedächtniß zurückgerufen haben, die sie jetzt erst recht begriffen und in ihrer wahren Tiefe erfaßten, und wie Vieles werden sie sich zu erzählen gewußt haben von ihrem großen, angebeteten Meister, was Sein theures Bild immer wieder in lebenskräftiger Frische ihnen vor die Seele rief. So, meine Lieben! wurden sie fähig und empfänglich, daß der HErr der Herrlichkeit Sich ihnen offenbarte, und Seine freundliche Nähe ihnen kund werden ließ. Denn da kehrt der Heiland, der Friedens- und Lebens-Fürst, gerne ein, wo man im Frieden und in der Einigkeit des Geistes beisammen wohnt, wo Ein Glaube die Herzen verbindet, wo Eine Liebe auf dem Herzens-Altare flammt, wo der Geist K am liebsten mit Ihm beschäftigt und der Wellenschlag des Gemüths auf Ihn zu seine Richtung nimmt, wo Er der große Gegenstand ist, der die Geister in Anspruch nimmt und erfüllt. O wären unsere Häuser solche Wohnstätten Eines Geistes, des Geistes des Glaubens und der Liebe, wären sie solche Schauplätze des Verlangens und der Sehnsucht nach Ihm, und kehrten unsere Herzen in treuer Hingabe und Liebe sich Ihm zu, wie die Sonnen-Blumen stets den Strahl der Sonne suchen und ihr sich zuwenden - gewiß! unsere Häuser und Hütten könnten bei aller Niedrigkeit und Unscheinbarkeit dennoch salomonische- Tempel werden, darinnen der Friedens-König wohnt und Seine Herrlichkeit offenbaret; und unsere armen, todten, finsteren, kalten Herzen könnten Gefäße der Gnade und Wahrheit, göttlicher Kraft und himmlischen Segens werden, erfüllet mit Früchten der Gerechtigkeit, die durch Jesum Christum geschehen Gott zu Lob und Ehre!

Nicht unversehens und unvorbereitet offenbarte der HErr Seine Herrlichkeit. Er wartete eine günstige Gelegenheit ab, um sich den Seinigen in Seiner ganzen freundlichen Milde darzustellen. Petrus sprach: ich will hin fischen gehen. Die Andern schlossen sich ihm an und sprachen: so wollen wir mit dir gehen. Der Vorschlag des Apostels zeugte, von einem gedemüthigten Herzen, in das die rechte Beugung und die wahre Niedrigkeit zurückgekehrt war. Jetzt war nicht mehr die Rede von den Stühlen der Macht und Herrschaft, darauf die Jünger Israel richten wollten; jetzt stritten sie nicht mehr darüber, wer der Größte sei im Himmelreich, jetzt waren sie nicht mehr neidisch auf die Söhne einer Salome, weil diese mit Christo in Seinem Reiche zur Rechten und zur Linken Seines Thrones glänzen wollten. O nein! sie waren zum ächten Demuths-Sinn zurückgekehrt, und ein Apostel Petrus schämte sich nicht, die Fischerstangen und die Netze wieder zur Hand zu nehmen, wie nachher ein Paulus sich nicht schämte, durch seiner Hände Arbeit als Teppichmacher seines Lebens spärliche Bedürfnisse zu befriedigen.

O tiefbeschämende Demuth, heilige Einfalt des Geistes, wie spricht sie das Verdammungs-Urtheil aus über unsern verwöhnten Hochmuths- und Fleisches-Sinn, wie wird der unzufriedenen Ueppigkeit und gottlosen Verschwendungs-Sucht unserer Tage durch sie der Stab gebrochen! Aber siehe da! der Fischfang mißlang, und ob sie gleich die Nacht hindurch gearbeitet hatten, am Morgen nach durchwachter Nacht, nach Verschwendung ihrer Kräfte mußten sie es mit bedenklichen Blicken einander eingestehen: wir haben vergeblich gearbeitet, wir sind so arm als zuvor. Wie aber jener vereitelte Fischzug am Anfang ihrer Gemeinschaft mit dem HErrn Christo den Weg zu ihrem Herzen gebahnt hatte, so sollte auch diese Verlegenheit die Brücke sein, auf der sie der Offenbarung ihres Meisters zugeführt würden. So ist's bis auf den heutigen Tag geblieben. Noth und Bedrängniß sind Vorboten Seiner helfenden Hand, und haben dem HErrn schon weit mehr Herzen geöffnet, als das sanfte Pochen des Geistes an den Pforten des inwendigen Menschen. Es ist vielleicht eine Krankheit oder eine andere Trübsal, was uns mitten in unserem Laufe aufhält, und uns den weiteren Weg. verrennt; wir müssen inne halten, das rollende Rad unserer Entwürfe und Plane, dessen Umschwung unsern inneren Menschen betäubt hatte, wird zum Stehen gebracht; die klare Besonnenheit und der rüstige Ueberblick über unser Leben kann sich wieder geltend machen; wir fühlen die Züchtigungen des Geistes wieder, den wir so oft betrübt, wir blicken in den Abgrund unsers inneren Verderbens; wir sehnen uns nach Heilung und Genesung, und, siehe da! der treue Arzt der Seelen kann heilend und erneuernd in's Mittel treten. Oder ein geliebtes, theures Haupt, das uns so lieb ist, wie unsere eigene Seele, wird auf das Krankenbett geworfen, wir müssen einen Isaak auf den Altar Gottes legen; das Herz blutet uns, aber der HErr verlangt das Opfer; und ob sie auch mit tausend Fasern an das Herz gewachsen wäre, die theure Seele sinkt in die Nacht des Todes. Da thränt das Auge, aber es schaut nach Oben, und das Herz findet mehr als es verloren, es findet Den, in dem alles Andere steht, Den, der uns mehr sein kann, als Vater und Mutter, Bruder und Schwester, Gatte und Gattin, Kind und Freund, und der wiederkehrende Friede und die stille, selige Wehmuth heilt das verwundete Herz, und macht es genesen zum ewigen Leben. Oder wir haben vergeblich gearbeitet und Nichts errungen; unsere Erwerbs-Quellen sind versiegen gegangen, die Zuflüsse unseres äußeren Fortkommens sind am Vertrocknen, wir blicken mit stiller Trauer auf uns und diejenigen, die uns der HErr anvertraut hat; es will uns bange werden, wir sehen keinen Ausgang, kein leitendes Gestirn, in uns ist's trübe und der frohe Glaubens - Ausblick fehlt, und um uns ist Alles verriegelt und verschlossen. Aber aufwärts bleibt doch noch eine Straße frei, sie ist zwar enge, aber sie führt in's Geraume; dahin richten sich nun die Hoffnungs-Blicke und unser Auge begegnet dem Auge des ewigen Erbarmens; der Helfer in aller Noth blicket besänftigend und beruhigend in unsere Leidens-Nacht hinein, wir sehen in Ihm Den, der die Schlüssel - Davids hat, und auch im Träumen uns aus dem Gefängniß führen kam. Der Glaube kann seine Schwingen wieder rühren, und mit einem kostbaren, unbezahlbaren Gewinn gehen wir aus dem Gedränge hervor; wir haben den HErrn erkannt und Seine rettende Hand. So bahnt Verlegenheit und Noth Ihm den Weg.

Freilich erkennt das Herz Anfangs in der Noth oft den HErrn noch nicht; Er ist ihm noch nicht enthüllt, und ein verborgener Freund. So gieng es ja auch den fischenden Jüngern. Jesus stand zwar am Morgen nach jener Nacht am Ufer des See's, aber die Jünger wußten es nicht, daß es Jesus war; ihr Herz ahnte noch nicht, daß ihr geliebter HErr und König ihnen so nahe sei: aber Er kannte sie, und das treue Auge Seiner Liebe und Seines Wohlgefallens ruhte auf ihnen. Er stand von ferne, und vielleicht hätten sie ihn in ihrer Blindheit noch lange so stehen lassen, hätte nicht Er sie angeredet, um dadurch sie in das Netz Seiner Liebe zu ziehen. Sehet da! die Treue unseres theuren Hohenpriesters und Seligmachers; Er geht den Seinen nach; Er weiß sie zu finden; Er läßt sie nicht alleine; Er ist ihnen nahe, gerade dann, wenn sie es am wenigsten vermuthen, - gerade dann, wenn sie durch unendliche Zwischenräume sich von Ihm getrennt wähnen, - gerade dann, wenn sie in Noth und Verlegenheit und in Bedrängniß sind, - gerade dann, wenn sie Seiner am nothwendigsten bedürfen; und wenn sie Ihn auch nicht erkennen wollen, wenn sie zu blöde oder zu blind dazu sind, an Seine Nähe zu glauben, wenn sie fremd und scheu an Ihm vorüber gehen. Er wird darum nicht müde, ihnen sich zu nähern, Er redet sie an, Er stellt sie zur Rede, fragend und rathend weiß Er an ihr Herz zu kommen, und aus unscheinbaren Fäden ein Seil der Liebe zu flechten, das zur seligen Offenbarung Seiner Gnade hinüberführt. Meine Lieben! sind nicht auch solche unter uns, denen sich Jesus in unbekannter Gestalt genähert hat, denen es erst nachher wie Schuppen von den Augen fiel, daß Er es war, der mit ihnen geredet hat? Ich denke doch, daß solche unter uns sind, die davon etwas zu sagen wissen. Stand noch kein fragender, kein rathender Fremdling vor unserer Herzensthüre? lispelte uns noch an keinem Abende eine leise Stimme die Frage in's Ohr: wie lebtest du heute? wem dientest du heute? Wisset, der uns so fragte, es ist Jesus, der Unbekannte gewesen! Oder wenn die Jahre zu ihrem Ende eilten, wie das gegenwärtige jetzt, ist nicht ein unbekannter Richter schon vor unserer Seele gestanden, der die Wagschale erhob, um uns zu wägen nach göttlichem Gewicht? Wisset, der unbekannte Richter ist Jesus gewesen, der Herzenskündiger! Oder wenn der ernste Hammer der Zeit-Begebenheiten an unsere Seelen pochte, und wir zur Einsicht gelangten, daß nur der bestehen werde, der seinen Beruf und seine Erwählung festgemacht habe, ist da nicht auch schon eine fragende, Gestalt vor unsere Seele getreten, die nach dem Vorrath von Oel forschte, den wir in unsere Glaubens-Lampen gießen könnten? Wisset, der unbekannte Fragende ist Jesus gewesen. Oder hat uns nicht auch schon eine geheime Freundes-Stimme gerathen, den schmalen Pfad einzuschlagen, der zum Leben führet, und uns nicht mit Fleisch und Blut zu besprechen, sondern zuzufahren, und nicht zu rasten und zu ruhen, als bis wir durchgebrochen seien zur seligen Freiheit der Kinder Gottes? Wisset, es war Seine treue Hirtenstimme, die uns dazu ermunterte, Sein sanfter Stab war's, mit dem Er uns berührte, Sein Geist, mit dem Er uns verfolgte.

O höret Seine Stimme, so lange es noch heute heißt, und verstocket Eure Herzen nicht, denn heute ist die angenehme Zeit, heute ist der Tag des Heils!

Als der unbekannte Fremdling die Jünger fragte, ob sie nichts zu essen haben, da gestanden sie Ihm ihre Noth und ihre Armuth, sie verhehlten Ihm nicht, daß sie vergeblich gearbeitet und nichts gefangen haben. Und so rieth Er ihnen, das Netz zur Rechten auszuwerfen, und erfreute sie mit herrlicher Hülfe und Offenbarung Seiner göttlichen Macht. Durch ein Wunder Seiner allmächtigen Gnade ward auf einmal ihrer Verlegenheit ein Ende gemacht. Denn den aufrichtigen Seelen läßt es Gott gelingen und den Demüthigen gibt Er Gnade; denen, die in Offenheit und aufrichtiger Einfalt nach Seiner Hülfe sich sehnen, wird auch geholfen, und sie werden überschüttet mit den Reichthümern Seines Hauses.

Wo ist eine Noth, die Er nicht heben, wo eine Drangsal, die Er nicht mildern könnte? Wo ist ein Herz, das zaghaft werden dürfte, weil Sein Arm zu kurz wäre, zu helfen? Wo ist eine Seele, die zweifeln dürfte, daß auch für sie Rath und Kraft zu finden wäre bei Dem, der da heißet Rath und Kraft und Ewig-Vater und Friede-Fürst? Drückt dich dein Sünden-Elend darnieder, lastet Schuld und Verdammniß ungetilgt auf deinem Innern, o so eile doch zu dem Arzt deiner Seele, lege Ihm dein ganzes Herz zu Füßen, klage Ihm alle deine Noth, halte nichts zurück, was auf dir lastet. Gewiß, so gewiß Seine Worte Wahrheit sind, Er wird mit Seiner Hülfe dir erscheinen, mit Seiner Gnade dir begegnen, - du wirst Sein Wort vernehmen, das allmächtig durch die Seele dringt: Ich tilge deine Missethaten wie eine Wolke und deine Sünde wie einen Nebel! Ja Er wird sich dir offenbaren und zu dir sprechen: kennest du mich nicht, der Ich doch dein Versöhner, und dein Heiland bin? deine Sünden haben Mich so zerschlagen, deine Uebertretungen so verwundet. Aber darum bist du Mein; in meine Hände bist du gezeichnet. Oder bist du in Trauer darüber, daß dein inneres Leben so bruchstückartig ist, daß du noch so, weit hinter dem vorgesteckten Ziele zurückbleibst; bist du gedemüthigt und gebeugt über deinen Mangel an einem starken, zuversichtlichen Glauben, an einer festen und unbeweglichen Hoffnung und an einer brennenden, aufopfernden Liebe zu dem HErrn und zu den Brüdern, - o nahe dich doch dem Throne Seiner Gnade, enthülle Ihm deines Herzens wahre Gestalt, fasse Ihn bei Seinen gnadenreichen Verheißungen, die fester stehen als die Berge Gottes, bitte um Salbung mit dem Heiligen Geist, um neue Anfachung deiner Liebe, um neue Kräftigung deines inwendigen Menschen und um eine neue Versiegelung deines Gnadenstandes. Siehe! de: Auferstandene wird gewiß zu deiner Rechten treten und sprechen: stehe auf und lebe! Er wird neuen Lebens-Odem dir einhauchen und dich umgürten mit neuer Kraft und anthun mit neuer Stärke, und zu in sagen: Fahre auf mit Flügeln wie ein Adler, du sollst laufen und nicht müde werden, du sollst wandeln und nicht matt werden. Denn Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Oder drückt dich ein andrer Kummer; seufzest du unter denen, die den Frieden hassen; mußt du dich leiden unter einem verkehrten und unschlachtigen Geschlecht; wirft dich der ungebrochene, widerspenstige Geist darnieder, der deine Umgebung beherrscht, kränket dich ihre Lieblosigkeit und Kälte; - o so eile doch zum Liebenswürdigsten unter allen Menschen-Kindern, dessen Liebe Alles vergessen machen, dessen Gnade Alles versüßen, dessen Kraft Alles erleichtern, dessen allmächtige Hand Alles zum Besten lenken kann. Hoffe auf Ihn, Er wird's wohl machen. Zuletzt, zuletzt, zuletzt triumphiret doch Sein hoher Rath.

Sind wir schwach, der HErr hat Stärke,
Sind wir arm, der HErr ist reich;
Wer ist unserm König gleich?
Unser Gott thut Wunderwerke.
Sagt, ob Der nicht helfen kann,
Dem die Himmel unterthan?

An der augenscheinlichen, herrlichen Hülfe, welche den Aposteln widerfuhr, da sie eine große Menge Fische in ihren Netzen beschlossen, giengen ihnen ihre Augen auf; jetzt erkannten sie, daß es der HErr sei, und der Jünger, den Jesus lieb hatte, flüsterte es zuerst dem Petrus zu: es ist der HErr! Es ist der HErr! - so wiederhallte es in allen ihren Herzen; Es ist, der HErr! - so jubelten ihre Seelen. O der lieblichen Ueberraschung, die ihnen jetzt bereitet wurde; o der überschwenglichen Freude, die jetzt ihr Inneres durchzuckte. Alle Fasern ihres Wesens kamen in bebende Schwingung, alle Pulse pochten höher, und ihr Herz feierte einen Vorsabbath des ewigen Lebens. O der lieblichen Ueberraschung, die uns hienieden schon zu Theil werden kann, wenn mit Sieges-Klarheit durch alle Umwölkungen und Nebel unsers Innern der göttliche Friedens-Gedanke hindurchbricht: Es ist der HErr, der dich erlöset, der dich erworben, der dich gewonnen hat; Er hat sich aufgemacht, dir Sein Heil zu offenbaren und mit Huld und Liebe dir zu begegnen.

O der lieblichen Ueberraschung, wenn nach bangen Nächten der Sorge und irdischen Kummers nach und nach durch die Verkettung aller Umstände, durch die genaue Beziehung der kleinsten Nebendinge zum erreichten Zwecke, es klar und hell in die Augen springt: das hat der HErr gethan, es ist ein Wunder vor unsern Augen. Freilich die lieblichste aller Ueberraschungen wartet noch unser. Dann, wenn wir erwachen zum ewigen Leben, wenn das Todes-Thal hinter uns liegt, wenn uns das Licht der Ewigkeit mit seinem unvergänglichen Glanze aufgehen wird, und ein seliger Engel uns anbetend Den zeigen wird, der auf dem Stuhle sitzt als erhöheter Menschensohn und HErr der Herrlichkeit, da werden auch alle unsere Pulse höher schlagen, da wird jeder Athemzug ein Hallelujah und jede Bewegung ein Loblied sein, und Ein geretteter Sünder wird in tiefer Beugung und heiliger Freude dem Andern das Lamm zeigen und ihm zurufen: Es ist der HErr, den wir nicht sahen und doch lieb hatten, nun aber schauen dürfen von Ewigkeit zu Ewigkeit, wie Er ist; es ist der HErr, der nun abwischt alle Thränen von unsern Augen und uns leitet zu den lebendigen Wasser-Brunnen. Es ist der HErr!

Als nun Petrus vernahm, daß es der HErr sei, da gürtete er das Hemd um sich und stürzte sich in's Meer, um in hastiger Eile, schneller als auf dem langsam segelnden Boot, schwimmend seinen geliebten HErrn und Meister zu erreichen. Sehet da! wiederum den rüstigen Petrus, der immerdar der Erste war, wenn es galt, sich für Christum zu entscheiden, der im Namen aller Uebrigen voll Muth und Freudigkeit bekannt hatte: HErr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Freilich, es trieb ihn noch etwas ganz Besonderes zu Jesu hin, sein tiefer Fall und die große Vergebung, die ihm zu Theil geworden war. Ihm war viel vergeben, darum liebte er auch viel. Die Freude trieb ihn stürmisch vorwärts, Den von Nahem zu begrüßen, der Seine unendliche Barmherzigkeit und göttliche Gnadenfülle an ihm verherrlicht hatte. Das ist die rechte Art und Signatur der Seelen, denen Barmherzigkeit widerfahren ist: ihr Inneres wird in heiliger Liebe und in anbetendem Dank dem Mann der Liebe und der Schmerzen entgegengerissen, der sie mit Seinem Heile umfangen; sie haben keine Ruhe und keinen Frieden als im Element Seiner gnadenreichen Nähe, sie haben nur Eine Passion, nur Ihn, nur Ihn. Wie die Magnet-Nadel nur nach Norden weist, und wenn sie auch erschüttert wird, dennoch stets zittert und nicht ruhen kann, als bis sie ihre alte Richtung wieder gewonnen hat, so sucht ihr Herz nur Ihn zu gewinnen, und in Ihm erfunden zu werden. Denn sie wissen aus innigster, viel erprobter Erfahrung, daß es Wahrheit ist:

Ach, mein HErr Jesu! Dein Naheseyn
Bringt großen Frieden in's Herz hinein,
Und Dein Gnaden-Anblick macht uns so selig,
Daß auch's Gebeine darüber fröhlich
Und dankbar wird.

Die Jünger landeten, und der HErr hielt das Mahl mit ihnen, dankend brach Er das Brod, und gab ihnen auch die Fische, und ihre Herzen wurden froh, daß sie den HErrn sahen. Eine Stunde des Segens wurde ihnen zu Theil durch Seine freundliche Milde und herablassende Huld, eine Stunde seliger Gemeinschaft mit Ihm, dem Haupte, und unter einander, als Seines Leibes Glieder.

So stehet Er auch vor unserer Thür und klopfet an; wer nun Seine Stimme höret und Ihm die Thüre aufthut, zu dem wird Er eingehen, und das Abendmahl mit ihm halten, und er mit Ihm.

Darum wen da dürstet und hungert nach dem Brod des Lebens und nach dem Wasser, auf das ewiglich nicht mehr dürstet, - er nahe herzu, Christus will ihn erquicken, und ihn schmecken lassen die Güter der zukünftigen Welt. Und wie auch ein gefallener Petrus dort nicht m Ihm zurückgestoßen wurde, und wie auch ein zweifelnder Thomas nicht mit Vorwürfen, seines früheren Unglaubens halber, von Ihm empfangen wurde, wie in Seinem großen hohenpriesterlichen Herzen Raum für sie Alle war, - so dürfet ihr Alle kommen, die ihr nach Ihm euch sehnet, nichts soll euch scheiden von Seiner Liebe, nichts euch den Weg zu dem Brunnen des Heils versperren; ihr sollet Leben und volles Genüge finden!

So komme denn, wer Sünder heißt,
Und wen sein Sünden-Gräu'l betrübet,
Zu Dem, der Keinen von sich weist,
Der sich gebeugt zu Ihm begiebet.
Wie? willst du dir im Lichte stehen
Und ohne Noth verloren gehen?
Willst du der Sünde länger dienen,
Da, dich zu retten, Er erschienen?
O nein! verlaß die Sündenbahn!
Dein Heiland nimmt sich deiner an.

Amen!

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