Heliand - 25 - Heilung des Gichtbrüchigen

Heliand - 25 - Heilung des Gichtbrüchigen

Mit seinen Gefährten
nach Galiläa ging da Gottes eigner Sohn,
zu den Freunden fahrend, die ihn vormals gepflegt,
als er unter Verwandten kindjung erwachsen war,
der heilige Heiland. Heerscharen Volks
umdrängten ihn dicht; mancher Degen war
selig ihm zugesellt. Einen Siechen trugen
auf den Armen etliche, ihn vor die Augen Christo
zu bringen, des Gebornen Gottes. Wohl braucht' er Hilfe,
daß ihn des Himmels Walter heilte,
der Menschen Mundherr. Er war seit manchem Tag
an den Gliedmaßen lahm; sein Leib vermochte
wenig zu wirken. Da war das Gewühl so groß,
sie konnten ihn nicht bringen, vor Gottes Gebornen,
nicht durchs Gedränge dringen, des Hilfebedürftigen
Schaden zu sagen. Da ging in einen Saal
der heilende Christ: die Haufen drangen nach,
eine mächtige Menge. Die Männer besprachen sich,
die den Gliederlahmen nun lange getragen
im Bette, wie sie ihn brächten vor Gottes Gebornen,
in das Gewühl hinein, daß der waltende Christ
ihn selber sähe. Da gingen die Gesellen
und huben ihn hoch auf des Hauses Dach,
durchschlugen die Saaldecke und senkten ihn an Seilen
herab in das Gemach, wo der Mächtige stand,
der Könige Kräftigster. Als er ihn kommen sah
durch des Hauses Decke, in ihren Herzen las er,
in der Männer Gemüt, sie hätten mächtigen
und lautern Glauben. Vor den Leuten sprach er da:
„Er wolle den Siechen von Sünden befreien
und ledig lassen.“ Da sprachen ihm entgegen
Gramherz'ge Juden, die auf des Gotteskindes
Worte lauerten: „Nicht so leicht geschehe das,
Grimmwerk vergeben möge Gott allein,
der Walter dieser Welt.“ Doch sein Wort hielt bereit
das mächtige Gotteskind: „An diesem Mann erweis' ich's,
den ihr siech liegen seht in diesem Saal,
vor Weh sich windend, daß Gewalt mir ward,
Sünden zu vergeben, den Siechen selbst
hier zu heilen vor euch, von meinen Händen unberührt.“
Da mahnt' alsbald der mächtige Herr,
den liegenden Lahmen, vor den Leuten gebot er ihm,
Allheil aufzustehen und auf die Achsel zu nehmen
des Bettes Bürde. Dem Gebote folgt' er
ungesäumt vor der Schar, und ging gesund hindann,
heil aus dem Hause. Mancher Heidenmann
gewahrt' es verwundert, und sprach, der Waltende selbst,
Gott, der Allmächtige, hätt' ihm gegeben
mehr Gewalt und Macht als der Menschen einem,
Kraft und Künste.

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