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Heliand - 62 - Golgatha.

Heliand - 62 - Golgatha.

Da ward den Juden übergeben aller Guten Bester,
Den Haßern in die Hände, in herbe Bande,
In enge, genöthigt, wo ihn die Neidharte,
Die Feind empfiengen, Volk ihn umdrängte,
Der Meuchler Menge. Der mächtige Herr
Ertrug in Geduld was ihm that das Volk.
Da ließen sie ihn geißeln, eh sie ihn an Leib
und Leben straften, spien ihm unter die Augen,
Schlugen zum Hohn ihm mit schnöden Händen
An seine Wangen, die Wichte, nahmen sein Gewand,
Und legten ein rothes Laken ihm an.
Noch anderes übte der Abscheulichen Abgunst:
Ein Hauptband hießen aus harten Dörnern
Die Würger winden, es dem waltenden Christ
Aufs Haupt zu heften. Dann giengen sie hin,
Grüßten ihn als König, die Kniee vor ihm beugend,
Den Nacken neigend: nur zum Hohn geschah es
Doch Alles ertrug der theure Fürst,
Der mächtige, aus Minne zu der Menschen Geschlecht.
Dann ließen sie wirken mit scharfer Waffe,
Aus hartem Baume hauen und zimmern
Ein Kreuz die Knechte, und geboten dem Christ,
Dem seligen Gotteskind, es selber zu führen:
Dahin must es tragen der theure Herr,
Wo er sündenlos sollte verbluten und sterben.
Frohlockend folgte das Volk der Juden,
Da sie den mächtigen Christ zur Marter führten.
Da hörte man herbe, harmvolle Dinge:
Weinend dahinter giengen Weiber mit Schluchzen:
Die guten Männer klagten, die von Galiläa
So fern ihm gefolgt waren, um ihres Fürsten Tod
In schweren Sorgen. Da sprach' er selber,
Der Gebornen Edelster, da er um sich schaute:
„Weint nicht, ihr Leute, laßt euch nicht
Meine Hinfahrt härmen; weinet, ihr Helden,
Um eure Sünden, beseufzt sie mit Thränen,
Mit Zittern und Zagen. Die Zeit wird kommen,
Da sich die Mütter noch freuen mögen,
Die Frauen der Juden, denen Leibesfrucht fehlte
Ihr Leben lang. Dann werdet ihr der Laster
Grausig entgelten. Wohl begehret ihr dann,
Daß die hohen Berge brechend euch hüllten,
In der Tiefe begrüben. Der Tod wär allen dann
Lieber in diesem Lande, als solches Leid
Ferner zu erfahren, wie diesem Volk dann kommt.“

Nun ward auf dem Grieße zum Galgen errichtet,
Auf dem Felde oben von dem Volk der Juden
Ein Baum auf dem Berge, den Gebornen Gottes
Am Kreuz zu quälen. Kaltes Eisen schlugen sie,
Neue Nägel, nietscharf unten,
Mit harten Hämmern ihm durch die Händ und Füße,
Bittere Bänder. Sein Blut rann zur Erde
Von dem Theuern triefend; doch rächt' er die That nicht,
Die grimme, an den Juden, sondern Gott den Vater
Bat er, den mächtigen, daß er den Männern drum
Nicht zürnen wolle: „Sie wißen nicht was sie thun.“ -

Nun wollten die Weigande des Christs Gewänder
Unter sich theilen, die tapfern Knechte
Des Mächtigen Kleider. Die Kämpen mochten
Ueber den Leibrock lange nicht einig werden:
Zuletzt beschloßen sie, das Looß zu werfen
Wer ihn haben sollte, den heiligen Rock,
Das wonnesamste aller Gewänder.

Da hieß der Herzog über dem Haupte Christs
Am Kreuze kund zu thun, der König der Juden wärst,
Jesus von Nazareth, der da genagelt stünde
An den neuen Galgen aus Neid geheftet
An des Baumes Stamm. Ihn baten die Leute
Das Wort zu ändern, das ihm zu Willen sei,
Da er selber gesagt, daß sein die Gewalt sei
Als der Juden König. Da sprach des Kaisers Bote,
Der herbe Herzog: „Es steht über seinem Haupt
Nun weislich geschrieben, und ich will es nicht ändern.“

Da schlug zur Strafe der Juden Schar
Zwei böse Verbrecher zu beiden Seiten
Des Christ ans Kreuz, daß sie qualvollen Tod
Am Wolfsholz litten, ihren Werken zum Lohn,
Ihren leidigen Thaten. Die Leute sprachen rings
Der Hohnworte viel zu dem heiligen Christ
Mit beißendem Spott, da sie den Besten der Menschen
Am Kreuze quälen sahn. „Wenn du der König der Welt bist,
Der Sohn des Herrn, wie du selber sprachst,
So entnimm dich nun dem nöthenden Zwange,
Steig heil herab: dann wollen der Helden Söhne,
Diese Leute an dich glauben.“ Lästerung sprach ihm auch
Ein kecker Jude, der vor dem Kreuze stand:
Weh dieser Welt, wenn Du sie gewaltetest!
Du getrautest dich an Einem Tag zu zerstören
Das hohe Haus des Himmelskönigs,
Der Steinwerke stärkstes, und es erstehn zu laßen
Am dritten Tage, des sich doch noch nie
Der Frechste vermaß: nun sieh, wie du gefestigt stehst
Und schwer versehrt: du magst dir selbst nicht helfen
Aus scharfer Qual.“ Da sprach von seinem Kreuz
Auch der Schächer Einer, wie er von den Andern hörte,
Mit widrigen Worten (nicht war sein Wille gut,
Des Kämpen Gedanke): „Wenn du der König bist,
Christ, Gottes Kind, so komm herab vom Kreuz
Entschlüpfe den Seilen, und uns allen zusammen
Hilf und heil uns: wenn dir der Himmel gehorcht,
Dem Walter dieser Welt, so bewähr es an dem Werke,
Verherrliche dich hier!“ Da hub auch der Andre an,
Der am Hängeholz geheftet hieng
Mit entsetzlicher Qual: „Was sprichst du solch ein Wort,
Ihn herbe höhnend, und hängst am Kreuze geheftet,
Am Baum gebunden. Wir beide dulden
Den Schmerz für unsre Sünden: wir verschulden selber
So scharfe Strafe. Er steht hier ohne Fehl,
Aller Sünde frei, der selber nimmer
Frevel vollführte, nur durch des Volkes Haß
Willig in dieser Welt das Wehe duldet.
Ich will glauben an ihn und will den Landeswart,
Den Gebornen Gottes inbrünstig bitten -
Daß du mein gedenkest mit deiner Hülfe,
Der Berather Bester! Wenn du in dein Reich kommst,
So sei mir gnädig!“ Der Nothhelfer Christ
Erwiedert' ihm da: „Wahrlich, ich sage dir,
Noch heute sollst du im Himmelreiche
Mit mir zugleich das Licht Gottes schaun,
Im Paradiese, wie schwere Pein du nun leidest.“

Da stand auch Maria, die Mutter Christs,
Unter dem Baume bleich, wo ihr Geborner litt
In so furchtbarer Qual. Auch waren andre Frauen
Mit ihr in des Mächtigen Minne gekommen.
Da stand auch Johannes, der Jünger Christs,
Harmvoll bei dem Herrn; sein Herz war krank;
Sie betrauerten seinen Tod. Da sprach tröstend Christ,
Der mächtige zu der Mutter: „Nun will ich dich meinem
Jünger befehlen, der hier zugegen ist.
Ihm sei gesellt: für deinen Sohn sieh ihn an.“
Er befahl dem Johannes, sie gut zu pflegen,
Sie milde zu minnen wie eine Mutter,
Die Unbefleckte. In seine Obhut nahm er sie
Mit lauterm Herzen, wie sein Herz ihm gebot.

Da ward mitten am Tag ein mächtig Zeichen
Zu Wunder gewirkt über die weite Welt.
Als der Gottessohn an den Galgen erhoben war,
Der Christ an das Kreuz, da macht' es kund überall
Der Sonne Verschleierung: ihr schallendes Licht,
Ihr schönes, schien nicht mehr, sondern Schatten umfieng sie
Dumpf und düster: sein Dämmer wirkte
Aller Tage trübsten, gar traurig dunkeln
Ueber die weite Welt, dieweil der waltende Christ
Am Kreuze Qual litt, der Könige kräftigster,
Bis zur None des Tages. Der Nebel zergieng da,
Der Schatte zerschwang sich, Sonnenlicht schien wieder
Glänzend am Himmel. Da rief zu Gott empor
Aller Könige Kräftigster, wie er am Kreuze hieng
An den Armen gefeßelt: „Allmächtiger Vater!
Was verläßest du mich, mein lieber Herr,
Heiliger Himmelskönig, hältst mir deiner Hülfe
Fülle fern? Unter feinden steh ich hier
In entsetzlicher Marter.“ Die Menge der Juden
Verhöhnt ihn hämisch drum.

Nun hörten sie den heiligen Christ
Vor seinem Tode einen Trunk erbitten.
„Mich dürstet,“ rief er. Die Rotte säumte nicht,
Die wüthgen Widersacher: ihr Wille war gut
Wo sie ihm Bitteres herbei mochten bringen.
Bald hatten unsüßen Eßig mit Galle
Gemischt die Meinthäter und ein Mann stand bereit,
Ein schuldiger Schächer, dazu beschieden
Und angestiftet: der nahm in einen Schwamm
Das leidigste Getränk, an langen Schaft
Von Rohr gesteckt reicht' er ihn dem Gottessohn,
Dem mächtigen, zum Munde. Der erkannte die Meinthat,
Fühlte die Falschheit und wollte ferner
So Bittres nicht kosten.

Der Geborne Gottes rief laut
Zu dem himmlischen Vater: „In deine Hände befehl ich
Meinen Geist, in Gottes Willen. Er ist nun ganz bereit
Zu dir zu fahren, aller Völker Herr!“
Da neigt' er sein Haupt, den heiligen Odem
Entließ sein leiblich Theil.

Als der Landeswart
An dem Stamme starb, da wurde stracks
Ein Wunder gewirkt, daß des Waltenden Tod
Alles Sprachlose selbst verspüren sollte.
Bei seinem Abscheiden bebte die Erde,
Die starren Berge schütterten, harte Steine borsten,
Die Kiesel kloben. Klaffend riß der Vorhang
Mitten entzwei, der schon so manchen Tag
Wunderbar gewirkt in dem Weihhaus innen
Heil gehangen, daß der Helden Kinder
Nicht schauen sollten, was ihnen der Schleier
Heiliges hüllte. Nun sahen den Hort
Die Judenleute. Aus den Gräbern giengen
Die Entschlafenen hervor, die durch des Schöpfers Kraft
In ihren Leichnamen nun lebend erstanden
Aus offener Erde, und vor Augen erschienen
Den Menschen zur Mahnung. Das war ein mächtig Zeichen,
Daß da Christi Tod erkennen sollte
Das Sprach- und Fühllose, das nie zuvor gesprochen
Ein Wort in dieser Welt. Wiewohl nun die Juden
So Seltsames sahen, doch war ihr arger Sinn so
Verhärtet in ihrem Herzen, wieviel ihnen heiliger
Zeichen gezeigt ward, ihnen zeugt' er nicht beßern
Glauben an Christi Kraft, daß er der König wäre
Ueber die Erdensöhne. Doch sprachen Etliche,
Die des heiligen Leichnams hüten sollten,
In Wahrheit wär er des Waltenden Sohn,
Klärlich Gottes Kind, der da am Kreuze verschied,
Der Gebornen Bester. An die Brust auch schlugen
Viel weinende Weiber, die sein wunderbar Weh
Im Herzen härmte, um ihres Herren Tod
In schweren Sorgen.

Nun war Sitte der Juden,
Daß sie die Erhenkten am heiligen Tage
Länger nicht hängen ließen, wenn ihnen das Leben entwichen war,
Die Seele geschwunden. Da giengen schnöde Männer
Neidvoll näher, wo genagelt standen
Die schuldigen Schächer, die da scharfe Qual
Bei dem Erlöser litten. Sie lebten beide noch,
Bis jetzt die grimmen Judenleute
Ihnen die Beine brachen, daß sie beide zugleich
Das Leben ließen, ein ander Licht zu suchen.
Christ den Herren brauchten sie nicht umzubringen
Noch mit neuem Frevel, er lebte nicht mehr,
Seine Seele war entsandt auf sichern Wegen
Zu langwährendem Licht: seine Glieder kalteten,
Sein Geist war entwichen. Da gieng der Wüthigen Einer
Neidvoll näher, einen genagelten Speer
In den Händen haltend, stach herb mit der Spitze,
Ließ die scharfe Waffe eine Wunde schneiden,
Daß an derselben Seite dem Christ
Der Leib erschloßen ward. Die Leute sahen
Wie Blut und Waßer beide alsbald entsprangen
Aus der Wunde wallend, wie es sein Wille war
Und voraus geordnet den Erdenbewohnern
Zu ewigem Frommen: erfüllt war nun Alles.

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