Heermann, Johannes - Heptalogus Christi - Das fünfte Wort.

Heermann, Johannes - Heptalogus Christi - Das fünfte Wort.

Text: Joh. 19, 28.
JEsus spricht: Mich dürstet.

Andächtige Herzen! Als die Israeliten den Simson gebunden hatten mit zwei neuen Stricken, ihn gefangen führten und bis gen Lehi kamen, da jauchzten die Philister zu ihm zu; aber der Geist des HErrn gerieth über ihn und die Stricke an seinen Armen wurden wie Faden, die das Feuer versenget, daß die Bande an seinen Händen zerschmolzen. Und er fand einen faulen Eselskinnbacken; da reckte er seine Hand aus und nahm ihn und schlug damit tausend Mann. Darüber gerieth er in großen Durst und sprach: Du hast solch groß Heil gegeben mir durch die Hand Deines Knechts; nun aber muß ich Durstes sterben, und in der Unbeschnittenen Hände fallen. Da spaltete GOtt einen Backenzahn in dem Kinnbacken, daß Wasser heraussprang; und als er trank, kam sein Geist wieder und ward erquicket.

Ebenso meldet auch hier der Evangelist von CHristo, dem rechten Nazarener, Heiligen und Verlobten GOttes, daß, als Er die höllischen Philister, Seine und unsre Feinde am Kreuz geschlagen und überwunden, Er über Durst geklagt habe. Wenn ein fleißiger Arbeiter sich in der großen Sommerhitze den Tag über abgemattet, empfindet er Durst und begehrt sich mit einem frischen Trunk zu laben. CHristus Jesus ist der gerechte Knecht GOttes, der sich höchstes Fleißes um unsre Seligkeit bemüht und so heftig gearbeitet hat, daß Ihm der blutige Schweiß darüber ausgebrochen. Seine Kraft war ihm verdorret wie ein Scherben und Seine Zunge klebte an Seinem Gaumen vor großer Verschmachtung. Darum klagt Er über Durst.

So ermuntert euch denn zu rechter Andacht, daß wir nach diesem Wort betrachten

JEsu großen Durst, darüber Er am Kreuz geklagt hat.

Ach HErr Hilf, ach HErr laß wohl. gelingen. Amen.

Da fragen wir billig zuerst, wie und warum hat deinen und meinen Heiland in Seinem schmerzlichen Leiden gedürstet? Es ist geschehen natürlicher Weise. Denn weil Er beides innerlich und äußerlich an Seinem Leibe große Schmerzen ausgestanden, indem Ihn das Feuer des göttlichen Zorns unsrer Sünden halben ausgedörrt, Ihm auch das Geblüt nicht nur in einzelnen Tropfen, sondern ganz häufig und mildiglich entflossen, daß ihm all Kraft und Saft vertrocknet war, wie es im Sommer dürre wird; siehe, so fordert Er in solcher Mattigkeit vor Seinem Ende noch einen kräftigen Labetrunk, damit Er Sein verschmachtetes und zerschmolzenes Herz ein wenig erfrische, und schreiet: Mich dürstet. Wird denn auch Sein Begehr erfüllt? Der Evangelist antwortet: Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm und legten ihn um einen Ysop und hieltens Ihm dar zum Munde. Ach mein frommer HErr JEsu, wie jämmerlich ist dies, daß man Dir auch in Deiner äußersten Mattigkeit einen Labetrunk, ja nur ein frisches Wassertrünklein versagen darf, da man doch solches keinem verurtheilten, armen Sünder abschlägt. König Salomo vermahnt aus Mitleid: Gebet stark Getränke denen, die umkommen sollen und Wein den betrübten Seelen, daß sie trinken und ihres Elends vergessen. Aber hier ist Niemand, der solchem Rath folgen wollte. Ein Kriegsknecht läuft hinzu, füllt einen Schwamm mit saurem Essig, steckt ihn auf ein Rohr und hält Dirs zum Munde. Damit sollst Du Dein verschmachtetes Herz laben. Er spricht Dir noch dazu einen höhnischen Segen: Laß sehen, ob Elias anspannen und Ihn mit Seinem Feuerwagen abholen und gen Himmel fahren wird. Hierüber klagst Du, HErr JEsu, billig: Die Schmach bricht mir mein Herz und kränket mich. Ich warte, obs Jemand jammerte, aber da ist Niemand; und auf Tröster, aber ich finde keine. Sie geben mir Galle zu essen und Essig zu trinken in meinem großen Durst.

Dem denke ein wenig nach, christliche Seele. Wer klagt hier über seinen Durst? Traun es ist der Sohn des hochgelobten GOttes, das Ebenbild des himmlischen Vaters, durch den Alles gemacht ist, was gemacht ist; Der ists, in dem die Gottheit leibhaftig wohnt. Der ists, welcher Brunnen quellen läßt in den Gründen, daß die Wasser zwischen den Bergen hinfließen, daß alle Thiere auf dem Felde und das Wild seinen Durst lösche. Als Hagar in der Wüste irre ging bei Bersaba, das Wasser in ihrer Flasche aus war und nun samt ihrem Söhnlein hätte verschmachten müssen, siehe, da that ihr der HErr die Augen auf, daß sie eine Quelle sah und sich mit dem Knaben erquicken konnte. Was that Er den Kindern Israel, da sie in der Wüste vom Durste sehr geplagt wurden? Er hat ihnen zweimal aus dem Felsen ein quellendes Wasser springen lassen. Dem Propheten Elia übersandte der HErr durch einen Engel ein geröstet Brot und Kandel voll Wassers, damit er sich in seiner Flucht erquickte. Als der König von Israel, der König von Juda und der König von Edom wider die Moabiter zum Streit ausgezogen waren und sieben Tagereisen vollbracht, da hatte weder Kriegsheer noch Vieh etwas zu trinken. Und siehe, der HErr gab ihnen ohne Regen und Wind wunderbarer Weise Wasser vollauf. Ja auf der Hochzeit zu Kana in Galiläa machte CHristus aus Wasser den köstlichsten Wein. Und hier leidet Er selber Durst und kann Nichts mehr überkommen als einen Schwamm mit Essig. Daraus soll Er sich Kraft saugen und sich laben. Ach das ist ja schmerzlich.

Doch aber, meine Seele, ist es nicht vergebens geschehen, denn durch diesen Seinen natürlichen Durst hat Er dich erlöst vom ewigen Hunger und Durst. Augustin sagt: Mit Essig ist Er getränkt, auf daß Er uns trunken machte von der Süßigkeit himmlischer Wonne und ewiger Freude. Unsre ersten Eltern hatten von der verbotnen Frucht des Paradieses genascht. Um solcher Sünde willen sollten sie samt ihren Nachkommen mit ewigem Hunger und Durst in der Hölle gequält werden. Auch du, meine Seele, als Adams und Evas Kind, solltest gestoßen werden in die Grube, da kein Wasser ist. Du, du solltest allda durch die Hitze des Zorns GOttes in alle Ewigkeit ausgebrannt und beim höllischen Feuer geschmäht werden, auch nicht das geringste Tröpflein Wassers bekommen, deine Zunge in solcher Flamme damit zu kühlen. - Aber Lob und Dank sei Dir ewiglich, allerliebster HErr JEsu, daß Du diesen Durst empfunden. Nun hast Du für mich bezahlt und weil ich in dieser Welt bin, soll ich aus dem frischen Brünnlein Jakobs mit Deinem herzerquickenden Trostwort in aller Kreuzhitze gelabt werden, wie Du selber sagst: Ich will euch trösten, wie Einen seine Mutter tröstet; und nach meinem Tode komm' ich zur Gesellschaft der Auserwählten, von denen geschrieben steht: Sie wird nicht mehr hungern noch dürsten; es wird auch nicht auf sie fallen die Sonne oder irgend eine Hitze. Denn das Lamm mitten im Stuhl wird sie weiden und leiten zu dem lebendigen Wasserbrunnen. Sie werden trunken von den reichen Gütern Deines Hauses und Du tränkest sie mit Wollust als mit einem Strom, denn bei Dir ist die lebendige Quelle.

Darnach hat auch CHristus erwiesen mit diesem Durst, daß Er ein wahrer natürlicher Mensch sei. Die Valentinianer geben vor, es hätte zwar der Sohn GOttes einen menschlichen Leib an sich genommen, aber er sei unserm Leibe ungleich gewesen, denn Er hätte ihn mit sich vom Himmel gebracht und sei mit demselben nur grade durch den züchtigen Leib Mariä gegangen, wie Wasser durch eine Röhre. Die Manichäer haben behauptet, CHristus hätte gar keinen wahrhaften Leib gehabt, sondern Sein Leib sei nur ein Schatten oder Gestalt eines menschlichen Leibes gewesen. Aber dies ist der Wahrheit der heiligen Schrift stracks zuwider. ER ist ja in Allem Seinen Brüdern gleich worden. Er ward gleich wie ein andrer Mensch und an Geberden als ein Mensch erfunden, ausgenommen die Sünde; wie Er denn auch hier bitterlich über Seinen Durst klagt, als ein andrer abgematteter Mensch. Ihn hat gehungert, Er ist betrübt gewesen, hat geweint und gelitten Hohn und Spott und endlich den bittern Tod. Und solches Alles in Wahrheit. Daher klagt Er selber: Mir hast du, o Mensch, Arbeit gemacht in deinen Sünden und Mühe in deinen Missethaten. Tertullian sagt: Unser Glaube ist falsch, wo CHristus nicht wahrhaftig gekreuzigt, wahrhaftig gestorben und wahrhaftig wieder auferweckt ist.

Endlich hat auch CHristus durch seinen Durst gebüßt für das schädliche und schändliche Sauflaster, was sonderlich bei deutscher Nation in vollem Schwange geht. Was solche Trunkenbolde zu viel in sich schütten, das muß hier der HErr dein Heiland in Seinem Durste darben. Was solche Schlemmer in voller Weise unnütz verschwenden, das muß hier der HErr so theuer bezahlen. Zwar essen und trinken und zu Zeiten mit guten Freunden sich ergötzen ist unverboten, wenn es in der Furcht GOttes geschieht. Der Wein, zur Nothdurft getrunken, erfreut Leib und Seele und dient zur Gesundheit. Aber wenn du täglich in Saus und Braus, in Fraß und Quaß lebst wie der reiche Mann oder wie Pacuvius, der sich so rein absoff, daß er hinfiel als wäre er todt, und man mußte ihn gleichsam zu Grabe tragen, wenn man ihn ins Bett schleppte, und singen: „Er hat gelebt, er hat gelebt!“ das ist verboten von GOtt. Von Polemon, dem Sohn des Philostrat, schreibt Laertius, daß ob er wohl sonst allerlei Lastern, sonderlich aber dem Vollsaufen ergeben war; dennoch als er den Xenocrates von der Mäßigkeit fein reden hörte, hat er sich von seiner Schwelgerei bekehrt. O Mensch, ist noch ein einzig Fünklein Gottesfurcht in deinem Herzen, so wird vielmehr die herzzerreißende Klage Christi über Seinen großen Durst dir solch verdammte Völlerei benehmen, die ohnedies dir hochschädlich ist an Leib und Seele, an Glimpf und Ehr, an Hab und Gut, ja noch mehr an deiner ewigen Wohlfahrt. Sei nicht ein Weinsäufer, denn der Wein bringt viele Leute um. – Der Wein macht lose Leute und stark Getränk macht wild. Wer dazu Lust hat, der wird nimmer weise. Wie mancher versoffne Bruder muß endlich lassen die Schlüssel an der Thür stecken und mit leeren Händen aus seinem Hause ziehen! Und wie gehts endlich der armen Seele, die er mit solcher täglichen Völlerei beschwert und von allem Guten abzieht? Der gerechte GOtt sagt: Ich will sie mit ihrem Trinken in die Hitze setzen und will sie trunken machen, daß sie fröhlich werden und einen ewigen Schlaf schlafen, davon sie nimmer aufwachen sollen. - Sie werden das Reich GOttes nicht ererben, spricht St. Paulus. Was denn? Das ewige Feuer. In solche Schwemme gehören solche Säue. Augustin sagt: Ihrer Viele füllen hier in sich, was sie dort in der Hölle erst käuen müssen.

Zum Andern empfindet CHristus in Seinem Leiden Durst auf geistliche Weise. Ihn dürstet nach deiner und meiner Seligkeit. Er befreit uns vom ewigen Durst und Verdammniß durch die schwere Pein, die Er bisher für uns gelitten hat. So aber der strengen Gerechtigkeit nicht genug geschehen und das hohe Werk der Erlösung nicht ganz vollendet wäre, so dürfte und verlange ihn noch mehr zu thun. So gar begierig sei Er nach unsrer Wohlfahrt Hiervon hat Bernhard schöne Gedanken, wenn er spricht: Es ist nicht wohl glaublich, daß der HErr CHristus dies allein vom leiblichen Durst geredet, und blos natürlichen Trank begehrt habe, da Er wußte, daß Er bald sterben sollte; sondern wir glauben, daß Er viel mehr Herzensbegierde nach unsrer Seligkeit getragen. O HErr JEsu, was ist es, daß Dich dürstet? Dürstet Dich nach dem Heil unsrer Seelen, nach dem ewigen Heil der Menschen und nach unsrer Freude? - Und Augustin sagt: Daß CHristus am Kreuz gesprochen, Ihn dürste, damit hat Er nach dem Glauben der Ungläubigen begehrt. Das heißt ja: Meine Lust ist bei den Menschenkindern.

Hier wach auf, meine Seele! Ermuntre dich und denke doch der süßen Liebe deines HErrn Jesu nach. Fürwahr Er ist noch heute recht hungrig und durstig nach unsrer Seligkeit. Er will, daß allen Menschen geholfen werde und zur Erkenntniß der Wahrheit kommen. Das erweist Er ja genugsam, indem Er wartet mit großer Langmuth auf deine Bekehrung. O wie viel Menschen Leben auf dieser Welt, die das verfluchte Sündenrad getrieben haben viel Tage, Wochen und Jahre lang und in allerlei Sünden und Schanden gelebt! Und siebe, GOtt duldet sie noch immerzu. Warum? Trägt Er etwa an der Sünde Gefallen? Will Er das Böse nicht mehr strafen? Sieht und weiß Ers nicht? Oder ist Er zu schwach geworden, daß Er auf solche muthwilligen Sündenknechte nicht zuschlagen könnte? Ei das sei ferne solches zu denken. Gott ist allein gut und hasset das Böse. Wer böse ist, der bleibet nicht vor ihm. Er ist gerecht und will kein Böses ungestraft lassen. Er sieht auch in das Verborgne. So kann Er auch thun was Er will, im Himmel und auf Erden. Warum aber ist Er nicht kurz mit der Strafe hinter ihnen her? Darauf antwortet St. Petrus und spricht: Der HErr hat Geduld mit uns und will nicht, daß jemand verloren werde, sondern daß sich jedermann zur Buße kehre. Es war Dir, GOtt, nicht unmöglich, die Gottlosen im Streit den Gerechten zu unterwerfen und durch grausame Thiere oder sonst zu zerschmettern; aber Du richtetest sie mit der Welle und ließest ihnen Raum zur Buße, sagt die Weisheit. Und der heilige Augustin spricht: GOtt wartet auf unsre zeitlichen Seufzer, auf daß Er uns die ewigen erspare. Er wartet auf unsre Thränen, damit Er Seine Gnade ausgieße. Er wartet auf unsre Bekehrung, damit wir wieder zu Gnaden kommen.

Wie sollte dein Heiland auch nicht dürsten nach deiner Seligkeit? Er thut ja Seinen holdseligen Mund auf und ruft dich zu sich mit gar lieblichen Worten. Wer Ohren hat zu hören, der höre. So spricht der HErr dein Erlöser: Waschet und reiniget euch, thut euer böses Wesen von meinen Augen. Laßt ab vom Bösen und lernet Gutes thun. So kommt denn und laßt uns mit einander rechten, spricht der HErr. Wenn eure Sünde gleich blutroth ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe, soll sie doch wie Wolle werden. Bekehret euch zu mir aller Welt Ende, so werdet ihr selig. Bekehret euch doch von eurem bösen Wesen; warum wollt ihr sterben, ihr vom Hause Israel? kommt her zu mir Alle die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke. Ach lieber Mensch, wie sollte doch der HErr noch tröstlicher reden? Wie könnte Er dir tröstlicher rufen? Fürwahr Er hat Worte des ewigen Lebens; holdselig sind Seine Lippen.

Sollte den HErrn JEsum nicht dürsten nach deiner Seligkeit, da Er Dich so treulich warnt in Seinem Wort vor der zukünftigen Strafe? Man sagt sonst im Sprüchwort: ein guter Freund warnt Einen. Das that Jonathan dem David. Eben das thut dein beständiger Herzensfreund JEsus. Der läßt dir offenbaren die unaussprechliche Angst und Pein der Hölle, welche über die Teufel und Gottlosen ergehen wird. Der HErr thut Nichts, Er offenbarts zuvor Seinen Knechten, daß sie die Leute warnen. Ja Er befiehlt dem Propheten Ezechiel und spricht: Du Menschenkind, ich habe dich zum Wächter gesetzt über das Haus Israel: wenn du Etwas aus meinem Munde hörst, daß du sie von meinetwegen warnen sollst. Wenn ich nun zu dem Gottlosen sage: „du Gottloser mußt des Todes sterben,“ und du sagst ihm solches nicht, daß sich der Gottlose warnen lasse vor seinem Wesen, so wird wohl der Gottlose um feines gottlosen Wesens willen sterben, aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern. Warnest du aber den Gottlosen vor seinem Wesen, daß er sich davon bekehre, und er sich nicht will von seinem Wesen bekehren, so wird er um seiner Sünde willen sterben und du hast deine Seele errettet. - Welch eine treuherzige Warnungspredigt that Er durch Johannes den Täufer an das jüdische Volk mit diesen Worten: Thut rechtschaffne Früchte der Buße. Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum welcher Baum nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Warnte Er nicht treulich die erste Welt durch Noah, die Sodomiter durch Lot, die zu Ninive durch Jonas? CHristus selbst warnt Jerusalem vor der endlichen Zerstörung mit Worten und Thränen. Und noch heute vermahnt uns der treue GOtt nicht allein durch Seine Botschafter, die Prediger, sondern auch durch allerlei Kreuz, daß wir wohl sagen mögen: Du HErr strafst uns säuberlich und erinnerst uns mit Zucht, woran wir gesündigt haben, auf daß wir von der Bosheit los werden und an Dich HErr glauben.

Sollte unsern Heiland nicht dürsten nach unsrer Seligkeit, da Er uns bald zu Gnaden annimmt, wenn wir uns bekehren? Wie tröstlich redet der Prophet Joel: Zerreißet eure Herzen und bekehret euch zum HErrn eurem GOtt, denn Er ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte und reuet Ihn bald der Strafe. Wären nur zehn Gerechte gewesen in den fünf Königreichen Sodom, so wäre ihrer Aller verschont worden um der Zehn willen. Als David sprach: Ich habe gesündigt wider den HErrn, antwortete Nathan: So hat auch der HErr deine Sünde weggenommen. Heißt das nicht: Mich dürstet, o Mensch, nach deiner Seligkeit? Ach halt stille um GOttes willen, liebe Seele, die du begehrst selig zu werden. Siehe, CHristus wartet auf dich begierig, ruft dir liebreich, warnt dich treulich und ist bereit und ganz willig, dich in Sein ewiges Reich zu nehmen. Ach laß ihn nicht umsonst warten, rufen, warnen und Seine Gnadenhand ausstrecken; sondern weil Er einen solchen Durst, ein so herzliches Verlangen nach deiner Buße und Frömmigkeit, ja nach deiner ewigen Wohlfahrt trägt, und dich gern bei sich im Himmel hätte, - ei was wehrst du dich denn, daß du nicht wieder eine sehnliche und flehentliche Begierde nach Ihm und Seiner Himmelsfreude tragen und mit David sagen wolltest: Nach Dir HErr verlangt mich. Wie der Hirsch schreiet nach frischem Wasser, so schreiet meine Seele, GOtt, zu Dir! -

Der alte Kirchenlehrer Augustin sagt: es gibt vielerlei Durst. Es dürstet die Gerechten und die Sünder; jene nach der Gerechtigkeit, diese nach Wollust. Die Gerechten dürstet nach Gott, die Sünder nach Gold. Ja manchen Menschen dürstet immer nach Geld und Gut, die Seele bleibe wo sie wolle. Je mehr er dessen an sich gebracht, desto mehr er darnach trachtet. Des Gottlosen Augen werden Reichthums nicht satt. Er sperrt seine Seele weit auf und ist gleich wie der Tod, der nicht zu sättigen ist. Aber das Alles kann Niemand erretten vom Tage des Zorns. - Einen Andern dürstet immer nach Eminenz, Gewalt und Ehre und wollte gern hoch am Brett sitzen und das Oberschwimmen haben. Aber solche zeitliche Ehre ist sehr unbeständig. Den Dritten dürstet stets nach Bier und Wein. Wenn er des Morgens aus seinen Federn kriecht, ist seine Begierde nicht zu GOtt, nicht zum Gebet, sondern nur bald wieder seinen Magen und Kragen zu füllen. Aber, spricht Bernhard, nur für einen Augenblick ist, was dich ergötzt, aber für die Ewigkeit, was dich verletzt. Darum, liebe Seele, laß den Welt- und Geldleuten ihren Durst und Verlangen, du aber sage in deinem Herzen mit Augustin: Nach, Dir, HErr, dürstet mich; Du bist die Lebensquelle, sättige mich! Mich dürstet nach meinem Gott. -Hast du Gott im Herzen, so hast du Reichthum, Ehre und Freude.

Zum Dritten und letzten hat CHristus, dein Heiland, Durst gelitten in Seinem schmerzlichen Leiden auf vorbildliche Weise. Er hat nämlich hiermit abgebildet den Zustand seiner lieben Kinder und ihnen anzeigen wollen, daß sie nicht allezeit in dieser Welt eine fürstliche Tafel haben, nicht immer beim Weinfaß sitzen, in voller Schnabelweide gehen und Alles vollauf haben können; sondern daß Er sie auch zuweilen führen werde auf das dürre Berglein Golgatha und in Mangel und Noth, daß sie klagen werden: Mich dürstet und hungert. Das erfährt oft manch frommes Herz und muß sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? vertraut auch seinen Mangel andern Leuten und spricht: mich dürstet! Jetzt stößt mich eine Noth an, mein Vorrath ist hinweg, ich habe mit meinen Kindlein weder zu beißen noch zu brechen. Was wird ihm auf solche Klage dargereicht? O wie oft ein Schwamm voll Essig, wie CHristo. Man höhnt und spottet dein noch dazu und weist dich mit herben, essigsauren Worten ab.

Wenn dir nun, du betrübte Seele, solches widerfährt, was sollst und willst du machen? Aus diesem Klagewort Christi hole dir einen schönen Trost. Erinnere dich alsbald, daß eben dies auch deinem treuen Heiland am Kreuz begegnet ist. Also mußt du gleich werden Seinem Bilde, der ob Er wohl reich ist, ward Er doch arm um unsertwillen. Er hatte kein Brot in der Wüste ganzer vierzig Tage. Er hatte nicht, da Er Sein Haupt hinlegte. Ei was willst du dich denn quälen? Hat dein Heiland Hunger und Durst deinetwegen gelitten, wie kannst du dich denn weigern, Ihm zu Gefallen wiederum ein wenig Armuth und Mangel zu verschmerzen? Sonderlich da dir das Alles gar Nichts an deiner ewigen Seligkeit schaden kann. Du bist dennoch GOtt lieb, wenn du nur fromm bist, wärst du gleich der Allerärmste auf der ganzen Welt. Was hatte Jakob, als er in Mesopotamien zog? Trug er doch all sein Hab und Gut in der Faust. Das war sein Wanderstab, wie er hernach selber sagt: Da ich über diesen Jordan ging, hatte ich Nichts als diesen Stab. War nicht Joseph ein blutarmer Knabe, da er als ein verkaufter Knecht nach Egypten kam? Dies schadete ihm Nichts. Der HErr war dennoch mit ihm in Allem, was er vornahm. Elias der theure Gottesmann ward sehr dürre abgespeist. Wie gings Paulo, dem auserwählten Rüstzeug GOttes? Er sagts klar: Bis auf diese Stunde leiden wir Hunger und Durst. Dennoch waren sie alle bei Gott in Gnaden. Wer war Maria? Blutedel, gutarm! Doch war sie dem HErrn so lieb, daß Er sie zu Seines Sohnes Mutter erkoren hat. Wie gings Lazaro? Waren ihm doch die Brosamen versagt, die von des Reichen Tische fielen und nur von den Dienern mit Füßen getreten oder von den Hunden gefressen wurden. Nichts desto weniger ward seine Seele von den Engeln getragen in Abrahams Schoß.

Dessen tröste dich auch, du armes hochbedrängtes Herz und sprich mit David: Du HErr GOtt erfreuest mein Herz, ob Andre gleich viel Wein und Korn haben. Und mit St. Paulus: Ich bin gewiß, daß mich weder Hunger noch Blöße scheiden kann von der Liebe GOttes. Wie lange währt das Leben? Wie lange währt Deine Armuth? Dort wird dich der HErr führen zum frischen Wasser und dir voll einschenken. Da sollst du mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tische sitzen.

Alsdann wird erfüllt was der HErr sagt: Siehe meine Knechte sollen essen, ihr aber sollt hungern. Siehe meine Knechte sollen trinken, ihr aber sollt dürsten. Siehe meine Knechte sollen fröhlich sein, ihr aber sollt zu Schanden werden. Siehe meine Knechte sollen vor gutem Muth jauchzen, ihr aber sollt vor Herzeleid schreien und vor Jammer heulen.

Darnach merke hier auch die nothwendige Vermahnung. CHristus leidet Seinen Mangel und Durst mit Geduld und nimmt das saure Essigzehrlein an. Also, liebe Seele, werde nicht ungeduldig in deinem Hunger und Durst, Armuth und Elend. Murre ja nicht wider Gott, wenn dich schon die arge Welt mit Essig tränkt und deiner in der Noth spottet; sondern halte dem HErrn in Geduld stille und denke: wohlan, sei zufrieden meine Seele, ich will mir kein schweres Herz machen über meine Armuth. Der GOtt, welcher die Israeliten vierzig Jahre in der Wüste erhalten hat; der Gott, welcher dem hungrigen Elia durch einen Raben Speise zugetragen; der GOtt, welcher dem Daniel in der Löwengrube durch den Propheten Habakuk Speise bringen ließ; der GOtt, welcher so viel tausend Vögel, ja auch die jungen Raben speist, wird mich armes, hungriges Erdenwürmlein auch erhalten. Bin ich doch Seiner Hände Werk und ein Schaf Seiner Weide. Er hat eben sowohl den Armen wie den Reichen erschaffen. So ist Er auch mein Vater und weiß, was ich bedarf. Ist mein Vorrath gering, ei so ist Gott allmächtig und kann das Wenige segnen, daß es weit reichen muß. Das Mehl im Cad, das Oel im Kruge zu Zarpath war hinweg bis auf das letzte Gericht; dennoch weil es GOtt segnete, mußte es die ganze theure Zeit vorhalten. Wie tröstlich redet David: Der HErr wird ihre Speise segnen und ihren Armen Brots genug geben. Darum will ich, sagt Chrysostomus, den sorgen lassen für des Leibes Erhaltung, durch dessen Sorge er groß geworden. Und muß ich auch gleich in meinem Durst mit Essig d. h. in meiner Armuth mit geringer Speise vorlieb nehmen, ei so will ich dennoch von meinem Gott nicht wanken, sondern mit Jakob sprechen: Wenn mir der HErr nur Brot zu essen gibt und Kleider anzuziehen, so soll Er mein Gott sein.

Ein trockner Bissen, daran man sich genügen läßt, ist besser denn ein Haus voll Geschlachtetes mit Hader. Ich will mich zu meinem Gott wenden und mit Salomo beten: Zweierlei bitte ich von dir o HErr; das wollest du mir nicht weigern, ehe denn ich sterbe. Abgötterei und Lügen laß ferne von mir sein. Armuth und Reichthum gib mir nicht; laß mich aber mein bescheiden Theil Speise dahin nehmen. Ich möchte sonst, wo ich zu satt würde, verleugnen und sagen: wer ist der HErr? Oder wo ich zu arm würde, möchte ich stehlen und mich an dem Namen meines GOttes vergreifen.

Hier laßt auch euch ermahnen, ihr Reichen, die ihr von GOtt gesegnet seid. Wenn der Arme vor euren Augen oder vor eurer Thür steht, so denket, CHristus rede vom Kreuz herab und spreche: Mich dürstet. Denn was ihr den Armen thut, das nimmt CHristus an, als widerführe es Ihm selber; wie Er denn auch am jüngsten Tage zu euch sagen wird: Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mich gespeiset. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränket. Denn was ihr gethan habt Einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir gethan. Mancher wohlhabende Küßpfennig versagt dem Elenden eine kleine Gabe und ein Stücklein Brot, wie der filzige Nabal dem verjagten und geplagten David; oder ein geringes Knöchlein und Krüstlein, wie der reiche Freßwanst dem hungrigen Lazarus. Ja mancher verstopft wohl noch gar die Brunnen wie Holofernes denen zu Bethulien, daß auch nicht ein Tröpflein Hülfe zu den Armen, Verlassenen und Bedrängten herausfließen kann. - Du aber nicht also, du frommes und von GOtt gesegnetes Christenherz; denn der HErr im Himmel weiß dies Alles und will wiederum ein unbarmherzig Gericht ergehen lassen über den, der nicht Barmherzigkeit gethan hat. Brich dem Hungrigen dein Brot. Laß dein Brünnlein herausfließen und nimm dich der Heiligen Nothdurft an. Dessen wirst du wohl genießen. Wie sagt Sirach? Thue dem Dürftigen Gutes, so wird dirs reichlich belohnt werden, wo nicht von ihm, so geschiehts gewiß vom HErrn.

Lob und Dank sei Dir, HErr JEsu CHrist, Du Brunn des Lebens, daß Du durch Deinen Durst meine Schwelgerei gebüßt und mich vom ewigen Durst errettet hast. Ach tränke mich mit Deiner süßen Gnad' und Hülfe, und regiere mein Herz durch Deinen heiligen Geist, daß ich ein fein mäßig Leben führe, damit ich desto geschickter werde Dir zu dienen. Und weil dich dürstet nach mir und meiner Seligkeit, o so hilf, lieber HErr, daß ich auch selbst ein solch herzlich Verlangen nach Dir und Deiner Gerechtigkeit trage und mich stets um das Ewige bekümmere. Tröste alle betrübten Herzen in ihrer Armuth und versorge sie in ihrem Mangel. Und wenn ich nach Deinem Willen diese Welt verlassen soll, so nimm mich zu Dir in Dein Himmelreich, tränke und erquicke mich allda mit vollen Strömen Deiner ewigen Freud' und Wonne. Amen.

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