Harms, Ludwig - Betstunden vor Weihnachten 1863 (Joh. 14, 23. 24).

Harms, Ludwig - Betstunden vor Weihnachten 1863 (Joh. 14, 23. 24).

Die Gnade unseres HErrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Laßt uns beten: Lieber HErr Jesu Christe, wir kommen auch heute Abend wieder zu Dir mit der Bitte, daß Du uns recht bereiten wollest, Weihnachten zu feiern im Geist und in der Wahrheit. Du wollest uns aus Deinem heiligen Worte durch Deinen heiligen Geist selbst lehren, wie unsere Herzen bereitet sein müssen, um Dich recht zu empfangen. So bereite uns durch Deinen heiligen Geist und gieb uns Kraft, daß wir wirklich die Seligkeit erlangen, die Du dem bringst, in dessen Herz Du durch den Glauben wohnest und durch die Liebe fest eingewurzelt und gegründet bist, daß wir in der That und in der Wahrheit sagen können: So wie Du einst im Fleische in Bethlehem in der Krippe geboren wurdest, so wirst Du im Geist in unserm Herzen geboren. Lieber HErr Jesu, es ist nicht auszusprechen das Wunder der Gnade, daß Du, großer Gott, unser Bruder geworden bist; wollen wir dies Wunder ausdenken, so vergehen unsere Sinne und es bleibt uns nichts übrig, als niederzuknieen und anzubeten dies unausdenkliche Wunder der Liebe. Aber, HErr, daß wir dies recht erfahren möchten in unserm Herzen, das ist es, was Du uns als Weihnachtsgabe und „Segen geben wollest. Alles Andere laß uns für Schaden und Dreck achten gegen dies Eine: Unser Jesus wohnt in unserm Herzen. Hilf, daß wir sagen können: Du, Jesus, bist mein Jesus; gieb, daß ich ganz Dein eigen sei; Du in mir und ich in Dir. Amen.

Text: Ev. Johannes 14, 23-24. Wer Mich liebet, der wird Mein Wort halten, und Mein Vater wird ihn lieben, und Wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen, Wer aber Mich nicht liebet, der hält Meine Worte nicht.

Wir haben gestern mit einander den Spruch betrachtet, daß Christus nur wohne in unserm Herzen durch den Glauben und daß Er durch die Liebe fest eingewurzelt und gegründet sein müsse; daß also nur derjenige, der in der That und Wahrheit sagen kann: Ich glaube an Jesum von ganzem Herzen und ich liebe Jesum von ganzem Gemüth, Jesum wirklich in seinem Herzen aufgenommen habe. Ja, wir haben gesehen, daß ohne solchen Glauben und ohne solche Liebe aller Gebrauch der Gnadenmittel ein ganz vergeblicher und unnützer sei. Was der Apostel da gesagt, das führt unser HErr Jesus in dem eben vorgelesenen Spruche weiter aus, indem Er sagt: Wer Mich liebt, der wird Mein Wort halten. Gestern haben wir gehört, daß Jesus in einem Herzen wohnt, das an Ihn glaubt und Ihn lieb hat. Nun tritt die Frage an uns heran: Woran kann ich erkennen, daß ich an Jesum glaube und Ihn lieb habe? Denn beides, der Glaube sowohl als die Liebe, sind etwas Innerliches; deßhalb kann man es nicht sehen, ob Einer an Jesum glaubt und Ihn lieb hat; denn gerade weil der Glaube und die Liebe im Herzen verborgen sind, so sind sie unsichtbar; ob ich wirklich an Jesum glaube und Ihn lieb habe, das kann Keiner sehen. Nun täuscht man sich aber so leicht, andere Menschen täuschen sich auch leicht, und die Worte, die geredet werden, sind oft Lüge und Heuchelei. So muß ich und Andere einen sichtbaren Beweis haben, daß Jesus wirklich in meinem Herzen durch den Glauben wohnt und durch die Liebe fest eingewurzelt und gegründet ist. Dieser Beweis ist der: Wer Mich liebt, der wird Mein Wort halten. Sagst du: Ich glaube an Jesum und habe Jesum lieb, so sage ich: Beweise mir, daß du an Jesum glaubst und Ihn lieb hast, aus daß ich die Wahrheit deiner Worte mit den Augen sehen kann. Und da giebt es keinen anderen gültigen Beweis, als den: Liebst du Jesum, so hältst du Sein Wort, das heißt mit andern Worten, du bist Ihm gehorsam. Den Gehorsam kann ich sehen; sehe ich, daß ein Christ dem HErrn Jesu gehorsam ist, so weiß ich, daß er an Jesum glaubt und daß er Jesum lieb hat. Sehe ich diesen Gehorsam nicht, so muß ich eben so fest und entschieden sagen: Es ist nicht wahr, daß du an Jesum glaubst und daß du Jesum lieb hast; wie der HErr auch am Schlüsse unsers Textes sagt: Wer aber Mich nicht lieb hat, der hält. Meine Worte nicht. O, darum prüfe sich doch ein Jeder, dem es wirklich ernst ist, selig zu werden, dem es darum zu thun ist, daß Jesus in seinem Herzen wohne, an diesem Worte. Bist du Jesu gehorsam? - ist das nicht der Fall, so ist all dein Glaube Einbildung und alle deine Liebe Schnickschnack. Es kam einst ein Jüngling zu Jesu, der redete den Heiland an mit den Glaubens- und Liebesworten: Guter Meister, was muß ich thun, daß ich das ewige Leben ererbe? Da sagt der HErr zu diesem Jüngling: Verkaufe Alles, was du hast, gieb es den Armen und komm und folge Mir nach. Da stand die Sache auf der Probe. Glaubte der Mensch wirklich an Jesum, liebte er Ihn wirklich als seinen Heiland, dann war gar keine weitere Frage, so wie er das Wort hörte aus dem Munde des Heilandes, so ging er hin, verkaufte seine Güter, gab den Erlös den Armen und folgte Jesu nach. Aber das that er nicht. Hat der an Jesum geglaubt, hat er Ihn lieb gehabt? Nein, denn wäre das der Fall gewesen, so hätte er Alles darangegeben, um Jesu Willen zu erfüllen. Da ist der Zöllner Matthäus ein ganz anderer Mann. Der sitzt an seiner einträglichen Zollbude, Jesus kommt des Weges und sagt zu ihm: Komm, folge Mir nach! Augenblicklich verläßt Matthäus seinen Beruf und seine Güter und folgt Jesu nach. Sehet, der Mann hatte den Heiland lieb, denn er that, was Jesus sagte. Jesus tritt in das Haus des Zöllners Zachäus und dieser ist unbeschreiblich selig über den werthen Gast und sagt: Siehe, HErr, die Hälfte meiner Güter gebe ich den Armen, und so ich Jemand betrogen habe, das gebe ich ihm vierfältig wieder. Hatte der den Heiland lieb? Ja, denn er that, was der Heiland gern wollte und war bereit, Alles für Ihn aufzuopfern.

Oder sehet an das Ende des Apostel Petrus. Er war auf den Wunsch der Christen in Rom bei einer großen Christenverfolgung unter Nero aus Rom geflohen, um sich, wie die Christen wünschten, der Gemeine zu erhalten. Auf dem Wege nach Ostia begegnet ihm der HErr Jesus mit einem Kreuz auf der Schulter. Petrus begrüßt seinen lieben Heiland und fragt Ihn: Wo gehst Du hin? Nach Rom, daß Ich abermals gekreuzigt werde, war die Antwort; und augenblicklich verschwand der HErr. Jesus wollte damit dem Petrus Seinen Willen kund thun, daß er nicht fliehen, sondern in Rom sterben sollte. Hat Petrus den HErrn lieb? Ja, denn er thut, was Jesus von ihm verlangt Er kehrt zurück nach Rom, wird dort gegriffen von den Kriegsknechten und unter Loben und Preisen stirbt er den Kreuzestod. Sehet, der liebte den HErrn Jesum, denn er hielt Sein Wort. Oder sehet an die heiligen Apostel, als sie in Jerusalem predigten. Jesus hatte zu ihnen gesagt: Ihr sollt Mein Wort predigen; das thaten sie auch. Da wurden sie vom hohen Rath ins Gefängniß geworfen und den andern Tag vor Gericht geführt, wo ihnen gesagt wurde: Ihr sollt nicht also predigen, denn ihr wollt das Blut dieses Mannes über uns bringen. Was antworteten sie da? Wir können es nicht lassen, denn Er hat es uns befohlen; und wer sind wir, daß wir Ihm ungehorsam sein sollten? Darauf wurde ihr Rücken blutig geschlagen; sie aber lobten und priesen den HErrn dafür, und augenblicklich gingen sie wieder in den Tempel und predigten von Jesu. Hatten die Jesum lieb? Ja, denn sie thaten, was Jesus ihnen befohlen hatte. Wer Jesu nicht gehorsam ist, der glaubt nicht an Ihn und liebt Ihn nicht, dessen Sprechen von Glauben und Liebe ist aber auch weiter nichts als Heuchelei.

Da lese ich z. B. in der Schrift: Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist. So Jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Denn Alles, was in der Welt ist, nämlich Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. Wenn ich dies Gotteswort lese und ich glaube an meinen HErrn Jesum und habe Ihn lieb, so wird sich das augenblicklich zeigen darin, ob ich von Stund an den Abschied gebe der Fleischeslust, der Augenlust und dem hoffärtigen Leben; oder ob ich denke, diese und jene Sünde kann ich noch wohl beibehalten. Das letztere aber ist ein deutliches Kennzeichen, daß kein Glaube und keine Liebe da ist. Wenn du liesest: Segnet die euch fluchen, liebet die euch hassen, thut wohl denen, die euch beleidigen und verfolgen; und nun, nachdem du dieses Wort des HErrn gelesen hast, segnest du nicht die dir fluchen, liebst nicht die dich hassen rc., ist da die Liebe Christi in dir? Nein, denn du bist nicht gehorsam dem Worte Christi; du kannst nicht einmal aus Gehorsam gegen Jesum die Bitterkeit und Feindschaft aus deinem Herzen bringen; und du willst sagen: Ich liebe Jesum, ich glaube an Jesum! Wenn du das Wort des HErrn hörst, das Er zu dir spricht: Haltet euch nicht selbst für klug, und in einer anderen Stelle: Brich dem Hungrigen dein Brot und den, der im Elend ist, führe in dein Haus; was willst du dann sagen, wenn du dich selbst für klug hältst als einer, der alle Weisheit mit Löffeln gegessen hat? Wenn du dem Hungrigen nicht dein Brot brichst, und den, der im Elend ist, nicht in dein Haus führst; - kannst du dann sagen, daß du Jesum lieb hast und an Ihn glaubst? Da ist ein Christ, der die Hungrigen speist, die Nackten kleidet, die Traurigen tröstet und sich so der Elenden, Armen und Kranken annimmt. Wenn man fragen will: Hat der Christ Jesum lieb, glaubt er an Ihn? so kann man dreist antworten: Ja wahrhaftig, er hat Jesum lieb, denn er vergilt dem HErrn Jesu, was Er an ihm gethan hat. Zeige, daß du Jesum lieb hast und an Ihn glaubst durch treuen Gehorsam, d. h. indem du Alles thust, was Er haben will und Alles lässest, was Er verboten hat in Seinem heiligen Worte. Wenn du dadurch deinen Glauben beweisest und zwar aus dem Grunde: Der HErr hat es geboten, darum thue ich es, der HErr hat es verboten, darum lasse ich es, so ist es Wahrheit, daß du Jesum lieb hast; sonst gehe mm aber mit deinem Glauben und mit deiner Liebe, es ist eine Lüge, daß du an Jesum glaubst und Ihn lieb hast. Alle, die an Jesum glauben und Ihn lieben, die nehmen es genau mit Jesu Wort. Sie fragen nicht darnach, was Menschen dazu sagen, oder ob es ihrem Fleische gefällt; sie haben nur Einen Grund, nämlich den: Der HErr hat es gesagt. Thust du, was der HErr dir sagt, weil du an Ihn glaubst, dann wird das selige Wort bei dir erfüllt: Der Vater wird ihn lieben und Wir, der Vater, Ich und der heilige Geist, die hochgelobte Dreieinigkeit, werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen; und zwar aus dem Grunde, weil der Christ seinen wahren Glauben und seine wahre Liebe durch treuen Gehorsam beweist. Bei einem solchen Christen hat Jesus Lust zu wohnen.

Laßt uns niederknieen und beten: Lieber HErr Jesu Christe, kein Menschenherz kann selig sein, in welchem Du nicht wohnst, kein Menschenherz kann sich Deiner freuen, in welchem Du nicht bleibst. Nun hast Du uns eben gezeigt, daß, wer dich lieb hat, der wird Dein Wort halten, und Dein Vater wird ihn lieben, und Dein Vater, Du und der heilige Geist, wollen kommen und Wohnung bei einem solchen Menschen machen. O, darum bitten wir Dich, HErr Jesu, Du wollest uns geben ein gehorsames Herz, ein Herz, das in Bezug auf Thun und Lassen nur nach dem Einen fragt: Was sagst Du, mein HErr Jesus? Was Du sagst, das will ich thun, und was Du verbietest, das lasse ich, weil Du es gesagt hast, einerlei, ob es dem eigenen Herzen angenehm oder unangenehm ist, einerlei, ob es den Menschen gefällt oder nicht. HErr, wir bitten Dich: diesen kindlichen Gehorsam schenke uns. Und wir bitten Dich um so inniger darum, weil wir uns anklagen müssen, daß es mit diesem Gehorsam nicht bei uns steht, wie es sollte; wir sind so selbstsüchtig und voller Eigenliebe. O, laß uns dies Wort unser Lebenlang begleiten: Liebet ihr Mich, so haltet Mein Wort. Wir wollen nun gleich den Anfang damit machen; so laß denn auch an uns die Verheißung in Erfüllung gehen: Mein Vater liebt ihn, und Wir wollen kommen und Wohnung bei ihm machen. O, welch ein seliges Herz ist das, darin Du wohnst; das kann sagen: HErr, wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde; wenn mir auch Leib und Seele verschmachten, so bist Du, Gott, doch allezeit meines Angesichts Hülfe, mein Trost und mein Theil. HErr, gieb uns den kindlichen Gehorsam, damit Deine Einkehr in unser Herz und mit derselben ein seliges Weihnachten. Amen.

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