Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 111. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 111. Psalm.

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Dieser Psalm enthält eine deutliche Weissagung auf das heilige Abendmahl; lasset uns denselben Vers für Vers durchnehmen und sehen, was uns Gott darinnen sagen will. Ich danke dem HErrn von ganzem Herzen, so heißt es zuerst in unserm Psalm. Da zeigt David, der Knecht Gottes, wovon sein ganzes Herz voll ist, nämlich von Lob und Preis gegen den HErrn. Das ist ihm noch nicht das rechte Danken, wenn man bloß mit den Lippen etwas herplappert, nein, er kennt nur ein rechtes Danken, welches mit dem Herzen geschieht und dann auch von den Lippen überströmt, denn weß das Herz voll ist deß geht der Mund über. Er hat auch Recht, der Mann Gottes. Wer das erkennt, was Gott an ihm gethan, der muß Gott danken aus Herzensgrund, aber er muß auch den Dank aussprechen, denn stumm kann sein Mund nicht bleiben, so wahr der Dank im Herzen ist. O merkt euch das, meine Lieben, Dank, der bloß von den Lippen kommt, und nicht aus dem Herzen, das ist kein rechter Dank und Dank, der bloß im Herzen ist und nicht über die Lippen will, das ist auch kein rechter Dank. Darum kann auch kein wahrer Christ ohne Dank und Gesang einen Tag leben. Es geht nicht, daß man das Dankgebet im Herzen läßt, heraus gesprochen und gesungen muß es werden. Wo beides geschieht, da ist erst das rechte Danken, da ist gleichsam Leib und Seele bei einander: Der innere Herzensdank und das Ausströmen des Dankes über die Lippen. Wollte Gott, daß dieses Wesen erst einmal aufhörte, Alles im Herzen abmachen zu können. Warum thun das die Christen so gern? Um ja der Welt keinen Anstoß zu geben, wie sie sagen. Scheußlich ist Lippengeplapper ohne Herzensgebet, aber Herzensgebet ohne Bekenntniß des Mundes ist auch nicht recht. Beides gehört zusammen: Herzensgebet und Bekenntniß des Mundes, und wo beides ist, da ist erst wahres, ganzes Christenthum. Er fügt weiter hinzu: Ich danke dem HErrn von ganzem Herzen im Rathe der Frommen und in der Gemeinde. Welches ist der Rath der Frommen und welches ist die Gemeinde der Frommen? Daß das einerlei ist, könnt ihr euch leicht denken, denn es gibt nicht zwei Klassen von Frommen, eine Klasse, die mehr gilt und eine die weniger gilt als die andere. Mit diesen Worten meint der Psalm die Kirche. Sein dankbares Herz treibt ihn in die Kirche, da muß sein Herz den Dank aussingen und ausströmen. Er gehört zu den Leuten, die ohne die Kirche nicht leben können, die am liebsten im Rathe der Frommen und in der Gemeinde sind. So ist es auch von jeher bei den aufrichtigen Christen gewesen, ihr liebster Platz ist die Kirche. Ein wahrer Christ kann sich nicht trennen von der Kirche, in derselben ist er festgewachsen mit allen Fasern seines Herzens. Als einst David fliehen mußte vor Saul und deßhalb im Lande der Philister sich aufhielt, da hat er sich nie beklagt, daß er Hunger und Kummer leide, daß er auf hohen Felsen und in tiefen Thälern hausen müsse, aber das beklagt er, daß er nicht zu den Gottesdiensten des HErrn kommen kann. O wann werde ich dahin kommen, seufzt er, daß ich schaue die schönen Gottesdienste des HErrn? Ps. 42. All' sein Bitten und Beten geht dahin, daß er doch wieder seinen Fuß in das Haus des HErrn setzen möge, um daselbst anzubeten, wo die Gemeinde des HErrn anbetet. Es ist jetzt anders geworden in der Welt, als die Bibel lehrt und als es bei den alten Christen gewesen ist. Ihr wißt, es ist noch nicht lange her, da war in Hannover eine Versammlung zusammen berufen, die nennt man Vorsynode. Zu derselben gehörten eine Menge Prediger und eine eben so große Menge Laien, und sie sollten nun über eine neue Kirchenverfassung für die lutherische Kirche im Königreich Hannover berathen. Dabei sollte auch über die Wahl eines neuen Kirchenvorstandes berathen werden und es wurde gefragt: Wer ist fähig, Mitglied des Kirchenvorstandes zu sein? Da sagten die Prediger mit Ausnahme eines einzigen, daß nur ein Mann, der treu und fleißig die Kirche und das heilige Abendmahl besuche, Mitglied des Kirchenvorstandes sein könne. Nun erhuben die Laien ihre Stimme, die doch alle Christen sein und das Wohl der Kirche fördern wollten, und sagten: Es ist nicht nöthig, daß nur der ein Mitglied des Kirchenvorstandes sein kann, der fleißig zur Kirche und zum heiligen Abendmahl kommt. Wollte man jenen Grundsatz durchführen, dann würden die besten und ehrenvollsten Leute vom Kirchenvorstande ausgeschlossen. Da habt ihr die Heiden mitten in der Kirche. Kirchengehen und Abendmahlgehen gehört nicht mehr zum Christenthum, sondern nur Rechtschaffenheit. Da kann denn ein Heide Kirchenvorsteher werden, ein Jude kann Kirchenvorsteher werden, ja meinetwegen, ein Türke kann Kirchenvorsteher werden. Was sagt seit alten Zeiten die lutherische Kirchenordnung zu dieser Frage? Sie sagt: Nur die, die fleißig zur Kirche gehen, die fleißig Gottes Wort hören und die Sakramente gebrauchen, nur die sind Glieder der Kirche, und die das nicht thun, kann man auch nicht als Christen anerkennen. Und man sollte denken, zum Kirchenvorsteheramte gehörte doch auch Zugehörigkeit zur Kirche. Ihr sehet, man ist eifrig darüber aus die Kirche des HErrn aufzulösen und sie mit Füßen zu zertreten, denn es soll weiter nichts mehr gelten als der äußerlich rechtschaffene Wandel. Was heißt das? Nach Einigen ist das ein rechtschaffener Wandel, wenn man nicht stiehlt, nach Andern, wenn man nicht mordet. Fluchen und Donnerwettern, das ist nicht schlimm, Huren und Ehebrechen, das ist auch nicht schlimm; zuletzt behauptet am Ende noch jeder Spitzbube, er sei auch ein rechtschaffener Mann. Und solche Leute sollen Kirchenvorsteher werden? - Meine Lieben, es sieht traurig aus in unserer Zeit, und ich bin überzeugt, wenn es zur Aufrichtung des neuen Kirchenvorstandes kommt, daß in vielen Gemeinden kein Gewicht darauf gelegt wird, ob einer treu zur Kirche und zum heiligen Abendmahl kommt, sondern nur darauf wird man sehen, ob die Leute Geld haben, ob sie ein bisschen vornehm sind und ob sie zu den sogenannten rechtschaffenen Leuten gehören. Und wenn nun solche Leute gewählt sind, was werden die Pastoren dazu sagen? Die meisten werden still schweigen, weil sie sich fürchten und viel zu feige sind etwas dagegen zu sagen. Ein treuer Pastor kann nur Glieder der Kirche in den Kirchenvorstand aufnehmen; und werden ihm von den sogenannten Rechtschaffenen welche aufgedrängt, so muß er sagen, das geht nicht, entweder die oder ich muß weichen. Thut das der Pastor nicht, so ist er kein treuer Mann. Warum ist denn die Kirche des HErrn dem Frommen so außerordentlich viel werth, warum das Höchste, was er hier auf Erden hat? Der Psalm sagt, aus folgenden Gründen: Groß sind die Werke des HErrn; wer ihrer achtet, der hat eitel Lust daran. Was Er ordnet, das ist löblich und herrlich; und Seine Gerechtigkeit bleibet ewiglich. Da sind also zwei Stücke angegeben, weßhalb die Kirche dem frommen Christen so über alles theuer ist: 1. die Werke des HErrn und 2. die Ordnungen des HErrn. Beides, die Werke und die Ordnungen des HErrn lernst du in der Kirche kennen und sonst nirgends. Welches sind die Werke des HErrn? Es gibt deren drei, denen alle andern untergeordnet sind: Die Schöpfung, das Werk Gottes des Vaters, die Erlösung, das Werk Gottes des Sohnes und die Heiligung, das Werk Gottes des heiligen Geistes. Das sind die drei großen Hauptwerke des HErrn, die in der Kirche den Menschen bekannt gemacht werden. Außerhalb der Kirche kann Keiner etwas Bestimmtes und Wahres über die Schöpfung wissen. Was die Vernunft von der Schöpfung zusammenbringt, das sind in der That solche Faseleien, daß man sie kaum aussprechen mag. Ich will nur Eins anführen, woran ihr die Weisheit der weisesten Philosophen erkennen könnt. Sie haben nämlich gesagt, es könne gar nicht von einer Schöpfung der Welt die Rede sein, denn die ganze Welt habe ursprünglich bestanden aus lauter Stäublein. Fragt man sie, wo diese Stäublein hergekommen sind, so antworten sie: Das wissen wir nicht. Diese Stäublein nun haben so lange in der Luft herumgekugelt, bis aus dem einen Häuflein die Erde, aus dem andern die Sonne rc. geworden ist. Die Bäume, Pflanzen, Blumen rc. sind dann von selbst aus der Erde gewachsen, ja sogar auch die Menschen, die sind besonders aus den dicksten Dreck- und Sumpflöchern hervorgekommen. Anfangs haben sie allerdings auf allen Vieren gehen müssen, haben sich dann aber allmählich aufgerichtet und das Gehen auf beiden Füßen gelernt. Man weiß in der That nicht, was man zu dieser Weisheit sagen soll. Daß Gott die Welt geschaffen hat mit einem Worte Seines Mundes, daß Er die Menschen geschaffen hat nach Seinem Ebenbilde, daß Er erhält, was Er geschaffen, daß Er Alles ordnet und regiert, von dem allem hat noch nie ein Mensch etwas gewußt, der außerhalb der Kirche steht. Nur durch Gottes Wort in der Kirche lernt man das alles kennen. Eben so wenig kann Einer etwas wissen von dem Werke der Erlösung außerhalb der Kirche. Wie könnte das auch Einer wissen ohne Gottes Offenbarung, daß Gott Seinen Sohn in die Welt gesandt hat, daß dieser eingeborne Sohn Gottes, unser lieber HErr Jesus Christus, sich für uns todt geblutet hat und daß Er mit Seinem Leiden und Sterben uns verlorne und verdammte Sünder erlöset, erworben und gewonnen hat? Und wie kann Einer außerhalb der Kirche etwas wissen von dem wunderbaren Werke der Heiligung, daß der heilige Geist kommt und lehrt uns glauben an Jesum Christum, unsern Heiland, daß Er uns zu Gottes Tempel macht und uns Kraft gibt, dem Teufel zu entsagen und den Weg Gottes zu gehen. Ebenso wunderbar sind die Ordnungen des HErrn. Damit wird hingewiesen auf die Ordnungen der Gnadenmittel, die in der Kirche sind. Es soll den Menschen gepredigt werden das Wort Gottes, sie sollen durch die heilige Taufe wiedergeboren werden zu. Gottes Kindern, sie sollen im heiligen Abendmahl gespeist und getränkt werden mit dem wahren Leibe und Blute Jesu Christi zum ewigen Leben. Was wären wir ohne Predigt, Taufe und Abendmahl? Arme, elende Kreaturen. Durch diese Gnadenmittel aber sind wir so reich, daß wir auffahren mit Flügeln wie die Adler, laufen und nicht müde, wandern und nicht matt werden. Unter diesen Ordnungen hebt der Psalm die herrlichste hervor, das heilige Abendmahl, in dem er sagt: Er hat ein Gedächtniß gestiftet Seiner Wunder, der gnädige und barmherzige HErr. Er gibt Speise denen, so Ihn fürchten; Er gedenkt ewiglich an Seinen Bund. Ja, Er hat ein Gedächtniß gestiftet Seiner Wunder, der gnädige und barmherzige HErr. Da sieht dein Auge beim heiligen Abendmahl nichts als Brot und dieses Brot ist der Leib Christi, da sieht dein Auge beim heiligen Abendmahl nichts als Wein, und dieser Wein ist das Blut Christi, denn der HErr hat gesagt von dem Brot: Das ist Mein Leib, und von dem Wein: Das ist Mein Blut. Und indem du Christi Leib und Blut genießest, empfängst du Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit. Zu diesem Abendmahl kannst du immer eilen, so oft du Vergebung der Sünden und Kraft zum göttlichen Leben gebrauchst. Und ewiglich soll es bleiben, selbst im Himmel hört es nicht auf, da soll ich neu trinken das Gewächs des Weinstocks in Jesu Reich mit allen Auserwählten vom Morgen und Abend, von Mittag und Mitternacht. Aber merket, diese Speise ist nur für die da, die Ihn fürchten. Darum ist in der Kirche die Ordnung, daß alle offenbar Ungläubigen und Unbußfertigen abgewiesen werden sollen vom heiligen Abendmahl. Freilich wissen wir es ja, daß kein Prediger ein Herzenskündiger ist und daß darum immer noch heimliche Heuchler unter den Abendmahlsleuten sich befinden, aber die offenbaren Heuchler dürfen nicht zugelassen werden. Und nun, meine Lieben, könnt ihr das eben Gehörte von den Werken und Ordnungen des HErrn, wodurch uns der einzige Weg zur Seligkeit gezeigt wird, könnt ihr das für euch allein behalten? Nimmermehr! Darum setzt der Psalm hinzu: Er läßt verkündigen Seine gewaltigen Thaten Seinem Volk, daß Er ihnen gebe das Erbe der Heiden. Es sollen die Werke und Ordnungen des HErrn nicht nur dem Volke Gottes, sondern auch den Heiden gepredigt werden, auf daß die auch in die Kirche eingehen können, denn die ganze Erde soll voll werden von der Erkenntniß des HErrn. Und die Christen, welche die Werke und Ordnungen des HErrn kennen, sollen nicht aufhören zu beten und zu arbeiten für die Mission. Ich kann es mir nicht denken, wie Einer ein Christ sein kann ohne dem Werke der Mission zu dienen, ich kann es mir nicht denken wie Einer selbst den Weg zum Himmel gehen kann ohne den Millionen Heiden, die noch in Finsterniß und Schatten des Todes sitzen zu helfen, daß sie auch auf den Weg zum Himmel kommen. Darum muß jeder Christ nicht nur ein Missionsfreund, sondern auch ein Missionshelfer sein. Es soll das Erbe der Heiden der Kirche gegeben werden, aber nicht also wie jetzt Schleswig-Holstein, wo man mit Kanonen, Flinten, Säbeln rc. gegen die Dänen zu Felde zieht. Der Christ geht mit geistlichen Kanonen gegen das Erbe der Heiden: Mit Gottes Wort und Sakramente und mit dem Gebet; die irdischen Kanonen wollen wir den Weltkindern überlassen. Nachdem der Psalm das gesagt, fährt er nun fort: Die Werke Seiner Hände sind Wahrheit und Recht; alle Seine Gebote sind rechtschaffen. Sie werden erhalten immer und ewiglich, und geschehen treu und redlich. Die Werke des HErrn, welche Seine Hand verrichtet, sind lauter Treue und Wahrheit, sie geschehen zu der Seligkeit der Menschen, darum sorgt Er dafür, daß sie treulich und redlich ausgeführt werden. Seht das an dem Werk der Heldenbekehrung. Gott sorgt dafür, daß Boten über Boten hinausgesandt werden, den Heiden das Evangelium zu predigen; und wenn Gott das thut, dann heißt es bei den Heiden: Er sendet eine Erlösung Seinem Volk; Er verheißt, daß Sein Bund ewiglich bleiben soll. Heilig und hehr ist Sein Name. Das ist es, worauf Alles hinaus geht: Erlösung. Das Menschengeschlecht soll erlöset werden aus der Gewalt des Teufels und aus der Macht der Sünde. Wenn das Menschengeschlecht erlöset ist, wenn es den Weg Gottes geht, dann soll es den heiligen und hehren Namen Gottes verherrlichen, durch Loben und Danken ewiglich. Daher faßt David den Schluß zusammen in die Worte: Die Furcht des HErrn ist der Weisheit Anfang; das ist eine feine Klugheit, wer darnach thut. deß Lob bleibt ewiglich. Die Furcht des HErrn ist der Weisheit Anfang, ja so ist es. Wenn du nur erst den HErrn, deinen Gott fürchtest, dann wirst du auch bald bußfertig werden. Nur der fürchtet Gott, der aus dem göttlichen Gesetze seine Sünden erkannt hat. Hat man das erreicht, dann gehet man weiter und sucht Vergebung der Sünden. So ist die Furcht Gottes der Weisheit Anfang. Das Erste muß immer sein: Erkenntniß der Sünde durch das Gesetz, dann folgt das Zweite: Vergebung der Sünden durch den Glauben an Gottes Gnade. Es ist dasselbe, was Paulus im Briefe an die Galater sagt: Das Gesetz ist ein Zuchtmeister auf Christum. Hat das Gesetz dieses Amt ausgerichtet, dann sucht man die Gnade. Und wo? Nirgends anders als in der Kirche. In der Kirche wird das Gesetz gepredigt, dadurch Erkenntniß der Sünde kommt; in der Kirche wird die Gnade verkündigt, dadurch man Glauben lernt; in der Kirche werden die Sakramente verwaltet, dadurch man die Kraft zum Glauben empfängt. Das nennt der Psalm eine feine Klugheit, wer dabei bleibt, deß Lob bleibt ewiglich. Amen.

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Vorlesung am Gründonnerstag 1864.
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