Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 82. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 82. Psalm.

Für alle Aemter und Stände der Christenheit enthält die heilige Schrift Vorschriften, wie man wandeln soll; darnach wird ein Jeder gerichtet und die Entschuldigung der Menschen gilt nicht: Ich habe es nicht gewußt. Warum haben sie ihre Nase nicht in die Bibel gesteckt? Es ist ihre Schuld, daß sie es nicht gewußt haben, denn Gott hat es geschrieben. Wie genau stehen z. B. im kleinen Katechismus in der Haustafel die Pflichten der einzelnen Stände und Aemter. So ist auch in unserm Psalm die Pflicht der Obrigkeit beschrieben, und keine Obrigkeit kann sich entschuldigen, daß sie Gottes Willen nicht gewußt habe. Gott wird die Entschuldigung durchaus nicht gelten lassen, denn die Obrigkeit hätte ihre Pflicht wissen können, sie ist also doppelt strafbar, weil sie Gottes Gebot übertreten und es nicht einmal der Mühe werth gehalten hat, in die Bibel hinein zu sehen. Nun heißt es zu Anfang in unserm Psalm: Gott stehet in der Gemeinde Gottes, und ist Richter unter den Göttern. Die Gemeinde Gottes ist die christliche Kirche, da stehet Gott und Alle, die zur christlichen Kirche gehören, sollen das Wort erfahren: Er wird richten. Eure Stellung in der christlichen Kirche, ihr Obrigkeiten, ist die allerverantwortlichste, aber der HErr hat euch klaren Wein eingeschenkt, ihr könnt wissen, was ihr thun sollt. Wie gut, daß Er das sagt, denn die Obrigkeiten sind regelmäßig so hochmüthig, daß sie sich nichts sagen lassen wollen: Sie sind Götter auf dieser Erde, sie halten sich für Götter und wollen dafür angesehen werden, nur den allmächtigen Gott wollen sie höchstens noch über sich haben, und das oft auch nicht einmal. Obrigkeiten sind Götter, denn sie allein haben, Gewalt; Prediger können predigen, strafen, ermahnen, aber nur mit Worten, weiter reicht ihre Macht nicht. Dagegen der Gerichtsvogt oder der Gerichtsdiener kommt mit Exekution: Diese Macht haben sie von Gott, aber sie sollen nicht meinen, daß sie Keinen über sich haben; der allmächtige Gott ist Richter unter den Göttern. Nun heißt es weiter: Wie lange wollt ihr Unrecht richten, und die Person der Gottlosen vorziehen? Schaffet Recht dem Armen und dem Waisen, und helfet dem Elenden und Dürftigen zum Recht. Errettet den Geringen und Armen, und erlöset ihn aus der Gottlosen Gewalt. Da wird uns gesagt, wie Obrigkeiten nicht handeln und wie sie handeln sollen. Zuerst kommen die schlechten, dann die braven Obrigkeiten. Die schlechten sind die Unrecht richten und die Person der Gottlosen ansehen. Sie entscheiden nach dem, was ihnen beliebt, für die Reichen gegen die Armen, für die Vornehmen gegen die Geringen, besonders gegen die, auf die sie einen Piek haben. Die beiden Hauptsünden der Obrigkeiten sind also Ungerechtigkeit und Parteilichkeit. Ach diese beiden Sünden nehmen immer mehr überhand, Wittwen, Waisen, Arme, Geringe werden unterdrückt, das Fett schwimmt oben, die Weltlichen bekommen Recht, die Geistlichen Unrecht. Dagegen heißt es: Schaffet Recht dem Armen und dem Waisen, und helfet dem Elenden und Dürftigen zum Recht. Errettet den Geringen und Armen, und erlöset ihn aus der Gottlosen Gewalt. Das sind brave Obrigkeiten, die das thun; etliche solche gibt es noch jetzt, aber selten, so selten wie eine weiße Krähe unter den schwarzen. Sie sehen sich als Stellvertreter Gottes an, und sind es auch; sie müssen den Leuten helfen, die von allen Leuten unter die Füße getreten worden. Wer macht sich noch etwas daraus eine Wittwe zu unterdrücken? Sie hat keinen Mann mehr, der ihr beistehen kann; eben so die Waisen ,die Armen, die Geringen, die keinen Versorger und Beschützer haben: Der natürliche Edelmuth, solche zu beschützen, ist ganz abgekommen. Wer paßt sich besser dazu, sich ausziehen und quälen zu lassen, als die Armen, Wittwen, Waisen und Geringen? Es ist empörend, wie mit ihnen umgegangen wird. Brave Obrigkeiten ducken gerade die Vornehmen, damit sie sich fürchten und die Geringen zufrieden lassen müssen. Wenn sie das thun, dann sind sie wirklich Gottes Bild auf Erden. Aber, heißt es weiter, sie lassen ihnen nicht sagen und achten es nicht. Es hilft nichts, daß man ihnen das sagt, eben weil die Obrigkeiten in ihrem Hochmuth immer hin im Finstern gehen, und für Rebellerei halten, wenn man ihnen die Wahrheit sagt. Der liebe Gott muß selbst vor ihnen ein Rebell sein, daher natürlich Seine Diener auch. Darum müssen alle Grundfesten des Landes fallen. Weil die Obrigkeiten meistentheils in kirchlicher und irdischer Hinsicht ungerecht richten, was kann denn bestehen? Z. B. eine geistliche Obrigkeit soll die Pfarrstellen und Schulstellen besetzen; statt nach Recht, geht es dabei nach Gunst und Gaben, sie setzen hier einen gottlosen Wolf und da einen gegen das Recht. Kann da die Kirche bestehen? Kann da das Land bestehen? Es geht Alles zu Grunde. Ein Spitzbube wird freigesprochen, der christliche Mann kommt ins Gefängniß. Je weiter es damit kommt, je mehr geht Kirche und Regierung zu Grunde. Zum Theil wissen die Obrigkeiten selbst nicht mehr was recht ist, und zuletzt gilt das Faustrecht, wo der Recht bekommt, der den dicksten Knüppel schwingen kann. Allein Einer ists, der recht richtet, der sagt: Ich habe wohl gesagt: Ihr seid Götter und allzumal Kinder des Höchsten; aber ihr weidet sterben wie Menschen, und wie ein Tyrann zu Grunde gehen. Die ungerechten Obrigkeiten graben sich selbst ihre Grube. Es wird die Zeit kommen, - Gott bewahre uns, daß wir sie nicht erleben! - wo die Könige vom Thron gestoßen und die Obrigkeiten an den nächsten Balken aufgehängt werden von dem erbitterten Pöbelvolk, das die Ungerechtigkeit endlich selbst nicht mehr ertragen will. Die Frommen thun das nicht, sondern klagen ihre Sache Gott und sprechen: Gott, mache Dich auf und richte das Land; denn Du bist Erbherr über alle Heiden. Und Er hetzt den gottlosen Pöbel gegen die gottlose Obrigkeit, sie zu richten, und dann wieder Einen unter dem Pöbel, um den zu strafen. So ist es in Frankreich geschehen, wo zuerst der Pöbel den König und alle Vornehmen umbrachte und dann selbst wieder von Napoleon unterdrückt wurde, wobei Alles wahrhaft teuflisch zuging. Gott ist der Erbherr über alle Heiden. Deßhalb betet für den König und die Obrigkeiten, daß Gott einen frommen König und fromme Obrigkeiten gebe, und dann auch für das Volk, daß es sich bekehre und fromm werde. Amen.

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