Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 61. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 61. Psalm.

Dieser Psalm enthält ein Gebet, welches aus der allertiefsten Noth hervorgegangen ist, denn er fängt an mit den Worten ,. Höre, Gott, .Mein Geschrei, und merke auf Mein Gebet. Wenn das Beten so stark wird, daß ein Geschrei daraus wird, dann hat die Noth, aus welcher man betet, den allerhöchsten Grad erreicht und daher kommt es, daß das Beten zu einem Schreien wird. So heißt es z. B. von Mose, als er einst mit den Kindern Israel vor dem rothen Meere stand, hinter ihm war die Heeresmacht der Egypter, zu beiden Seiten die hohen, steilen Felswände, und das Volk, welches seinem Untergange unter den grimmigen Fäusten der Egypter entgegen sah, weil kein Ausweg zu finden war, das Volk wollte Mose tödten. Da betete Moses zu dem HErrn, und der HErr sagte: Mose, was schreiest du so? Sage doch dem Volke, daß es weiter zieht 2. Mose 14,15. Da ist auch aus dem Beten ein Schreien geworden. Wer ist es denn, der in diesem Psalm schreiet, dessen Beten sich bis zum Schreien steigert? Ist es vielleicht der König David? Geschrieben hat er diesen Psalm, Angst hat er auch erfahren, vielleichtmehr als andere Gläubige des Altentestaments. Und dennoch ist er es nicht, der hier schreiet, sondern es ist der Messias, der HErr Christus, in dessen Namen David diesen Psalm betet. Der hier spricht: Höre, Gott, Mein Geschrei, und merke auf Mein Gebet, das ist Niemand anders, als der verheißene Christus. Der ist freilich in Angst und Noth gewesen, die alles Denken übersteigt, denn der mit allen Sünden und Schanden der Welt beladen war, hat eine Last getragen, die kein Anderer tragen konnte; und diese Last und Noth hat Sein Gebet zu einem Schreien gemacht, z. B. als Er in Gethsemane auf dem Angesichte lag, davon der Apostel Paulus Hebr. 5 sagt: Er hat in den Tagen Seines Fleisches Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Thränen geopfert zu dem, der Ihm von dem Tode konnte aushelfen; und ist auch erhöret, darum, daß Er Gott in Ehren hatte. So hat Er gerufen und geschrien, weil unsere Sünden auf Ihm lagen und Ihn in die tiefste Höllenangst brachten. Und wer in seinem Herzen erst einmal etwas versteht von dem Worte des HErrn in Gethsemane: Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch an Mir vorüber; und von dem andern auf Golgatha: Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen? der weiß, was solches Schreien ist. Es heißt weiter: Hienieden auf Erden rufe Ich zu Dir, wenn Mein Herz in Angst ist, Du wollest Mich führen auf einen hohen Felsen. Denn Du bist Meine Zuversicht, ein starker Thurm vor Meinen Feinden. Ehe Jesus auf die Erde kam, hat Er gar nicht beten können, denn als Er vor Seiner Menschwerdung im Himmel wohnte, da war Er nur Gott und darum brauchte Er nicht zu beten.

Aber hienieden auf Erden rufe Ich zu Dir, da ist Er Mensch geworden und nun kann Er beten. Gott kann nicht beten, der kann nur Gebet erhören. Wenn ihr das bedenkt, der im Himmel nicht beten konnte, weil Er selbst wahrer Gott ist, der hat sich so tief erniedrigt, daß Er Mensch geworden ist und nun beten kann, so müßt ihr erkennen, daß keine andere Liebe dieser Liebe gleich ist. Du wollest Mich führen auf einen hohen Felsen. ^Das hat Gott der Vater auch gethan. Ihr habt schon vorhin aus Ebr. 5 gehört die Worte: Und Er ist auch erhöret, weil Er Gott in Ehren hatte. Gott hat Ihn auf einen Felsen erhöhet. Zwar sterben mußte Er, sonst hätten wir nicht erlöst werden können, verdammt werden mußte Er, sonst könnten wir nicht selig werden; aber aus Tod, Grab, Hölle und Verdammniß ist Er zurück gekehrt auf den Thron der Herrlichkeit, denn Er hat Glauben gehalten bis an's Ende. Er konnte auch nicht anders, Er mußte wohl Glauben halten, denn in der Verbindung der reinen Menschheit mit der reinen Gottheit war Sünde nicht möglich. Nachdem Er Sein Herz vor Seinem Vater ausgeschüttet hat, setzt Er hinzu: Ich will wohnen in Deiner Hütte ewiglich, und trauen unter Deinen Fittigen. Da sehet ihr schon hindurch blicken aus der Angst Seines Schreiens den Triumph Seiner Gottheit und Herrlichkeit. So gewiß ist Er Seiner Sache, daß Er weiß, der schwerste aller Kämpfe muß zum Siege führen, der Abfall von Gott ist Mir nicht möglich und Sünde kann von Mir nicht geschehen. Ein wahrer Christ, ich sage, ein wahrer Christ, muß das auch sagen können: Wenn ich jetzt sterbe, so weiß ich gewiß, daß ich selig werde; wer das nicht sagen kann, den kann ich nicht für einen wahren Christen erkennen, sondern er ist ein erbärmlicher Scheinchrist, wie jetzt so viele es sind. Denn wenn ich nicht sagen kann: Wenn ich jetzt sterbe, so werde ich gewiß selig, was hat mir denn das Christenthum eingebracht? Geld und Gut, Wohlleben und gute Tage, Ehre und einen großen Namen gibt mir das Christenthum nicht und das verlange ich auch nicht vom Christenthum, aber die Seligkeit verlange ich davon. Ein jeder wahrer Christ muß sagen können: Wenn ich jetzt sterbe, so werde ich gewiß selig. Das kann der Christ aber nicht von der Zukunft sagen, weil bei ihm ein Abfall leider möglich ist; bei Christo aber war ein Abfall nicht möglich, denn Er war ohne Sünde nach Seiner Gottheit und Menschheit. Dieser feste, unwandelbare Entschluß: Ich will wohnen in Deiner Hütte ewiglich, ist ein solcher, den Jesus fassen mußte, weil Er ohne Sünde war. Und da sehet ihr, was wahre Freiheit ist. Wahre Freiheit ist nicht das, was der häßliche alte Landeskatechismus so nennt, nämlich, daß man das Gute erwählen und das Böse verwerfen kann; sondern das ist wahre Freiheit, daß ich nichts anders, als das Gute erwählen kann. Dieser Freiheit sollen wir auch einst theilhaftig werden auf der neuen Erde. Wird mir da gefügt: Hier ist ein Gebot Gottes, willst du es halten? - ich kann nur antworten: Ja ich will es halten, und das ist die wahre Freiheit! ich will es nicht halten, das kann ich nicht mehr sagen. Weiter: Denn Du, Gott, hörest Meine Gelübde; Du belohnest die wohl, die Deinen Namen fürchten. Was sind das für Gelübde, die Jesus Seinem Gott und Vater versprochen hat? O unser HErr Jesus hat Seinem Vater viele Gelübde gegeben, und das hauptsächlichste Gelübde ist das, was schon im 40. Psalm ausgesprochen ist: Ich will predigen die Gerechtigkeit in der großen Gemeinde; siehe, Ich will Mir Meinen Mund nicht stopfen lassen, HErr, das weißt Du. Das ist Sein Hauptgelübde, den Namen Gottes, der durch den Sündenfall unbekannt geworden ist, wieder auf Erden zu predigen, auf daß die Menschen errettet werden aus den Ketten des Teufels und sich bekehren zu ihrem Gott durch Jesum Christum, unsern HErrn. Deßhalb heißt es weiter: Du gibst einem Könige langes Leben, daß Seine Jahre währen immer für und für, daß Er immer sitzen bleibe vor Gott. Erzeige Ihm Güte und Treue, die Ihn behüten. Da sehet ihr Jesu Gottheit klar ausgedrückt, das kann nur von diesem Einen Könige gesagt werden. Wohl hat König David 40 Jahre regiert und Salomo auch 40 Jahre, ja der König Assa 50 Jahre, aber da war es auch zu Ende. Von diesem Könige heißt es, daß Seine Jahre währen für und für, denn dieser König ist der Messias, Jesus Christus, der sich nach Seiner Himmelfahrt auf den Thron Gottes gesetzt hat und nun regieren wird, bis daß alle Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt sind. Sehet, meine Lieben, welch ein Wechsel in diesem Psalm; zu Anfang hieß es: Höre, Gott, Mein Geschrei, und merke auf Mein Gebet, und nun schließt er mit dem Jubelton: Daß Seine Jahre währen immer für und für. Mit Gebet und Schreien fängt der Psalm an, und mit Freude und Jubel schließt er. Aus dem schreienden Messias ist der siegende Messias geworden, aus dem betenden Messias ist der Messias geworden, der Gebet erhört. Darum heißt es weiter: Erzeige Ihm Güte und Treue, die Ihn behüten; so will Ich Deinen Namen lobsingen ewiglich, daß Ich Meine Gelübde bezahle täglich. Das ist wiederum ein Stück, was wir schon im 40. Psalm gehabt haben, der ja auch ein messianischer Psalm ist. Als Jesus Sein Leiden antreten wollte, da betete Er zu Seinem Vater:, Du aber, HErr, wollst Deine Barmherzigkeit von Mir nicht wenden; laß Deine Güte und Treue allewege Mich behüten. Denn es hat Mich umgeben Leiden ohne Zahl, es haben Mich Meine Sünden ergriffen, daß Ich nicht sehen kann; ihrer ist mehr denn Haare auf Meinem Haupt, und Mein Herz hat Mich verlassen. Ebenso hier im 61. Psalm. Sagt, meine Lieben, was ist alles andere gegen die Erlösung? Wer einmal angefangen hat Gott Lob und Preis zu sagen für die Erlösung, der hält es der Mühe nicht werth, Gott um andere Dinge zu bitten, denn alles andere kann ich entbehren, aber nicht die Erlösung. Habe ich keine Speise, so kann ich höchstens verhungern und dann komme ich zu Jesu. Habe ich alle Tage Schmerzen, nun ja, wie bald ist das vorbei, Höllenschmerzen sind es nicht. Weiß man aber die große Gabe der Erlösung recht zu schätzen, dann dankt man auch für die kleinen und die kleinste ist des Dankes werth. Wer den Heiland gefunden hat, der kann mit Paulo sprechen; Jesus Christus gestern und heute, und derselbe in alle Ewigkeit Ebr. 13, 8. Amen.

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