Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 60. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 60. Psalm.

Es geht diesem 60. Psalm in der Regel wie es einst dem HErrn Jesu erging, als Er auf Erden wandelte, denn Er war der Allerverachtetste und Unwertheste. Auch dieser Psalm ist so verachtet und unwerth, daß die meisten Menschen ihn nicht ansehen und viel weniger noch mit Andacht beten. Sie meinen, daß der so in den Psalter hinein geschneit sei, und daß er recht gut hätte heraus bleiben können. Wie die thörichte Menschen sind, die Jesum verachten, so sind auch die thörichte Menschen, welche diesen Psalm verachten und beide sollten sich was schämen. Kann etwas unwerth sein, was in der Bibel steht? darf etwas verachtet werden, dem Gott einen Platz in Seinem Worte anweiset? Ihr sehet aus der Ueberschrift des Psalms, daß derselbe noch zu den güldenen Kleinoden gerechnet wird, und was David für ein güldenes Kleinod achtet, das sollten wir unwerth halten? Alle diese Psalme, die überschrieben sind „Ein güldenes Kleinod Davids,“ sind lauter Angstpsalme, die er in der Noth seiner Seele gebetet hat, wo ihm das Wasser bis an die Seele ging und er nirgends Hülfe finden konnte, als bei dem HErrn, seinem Gott. Wenn es weiter heißt: Auf einem güldenen Rosenspann vorzusingen, oder wie es sonst auch wohl wieder gegeben werden kann: Von der Lilie des Zeugnisses vorzusingen, so wird damit die Melodie angegeben, wornach er gesungen werden sollte. Wie wir im Gesangbuche Gesänge haben, die überschrieben sind: Herzlich thut mich verlangen, oder: Auf meinen lieben Gott, oder: Wenn wir in höchsten Nöthen sein, nach welcher Melodie diese Gesänge gesungen werden sollen, so sollte dieser Psalm nach der Melodie: Von der Lilie des Zeugnisses, im Tempel gesungen werden. Die Gelegenheit, bei welcher David diesen Psalm gesungen hat, wird uns Vers 2 angegeben, da heißt es: Da er gestritten hatte mit den Syrern zu Mesopotamien, und mit den Syrern von Zooa; da Joab umkehrte, und schlug der Edomiter im Salzthal zwölftausend. Was zuerst das Geschichtliche betrifft, so merket, daß David mit diesen eben genannten Siegen endlich alle seine Feinde überwunden hatte; die Philister, Ammoniter und Moabiter hatten sich mit denen zu Mesopotamien verbunden, und alle diese Feinde waren niedergelegt und überwunden. Aber wie kann es denn ein Angstpsalm sein, da David doch so herrliche Siege erkämpfet hatte? die Angst war vorbei, die Noth war vorüber, David war Sieger geblieben. Ja das war er auch und dafür hatte er Gott gedankt, wie wir am Schlüsse des Psalms lesen. Aber als er seine Feinde niedergelegt und besiegt hat, da überdenkt er die vorige Zeit seiner Regierung, er denkt an die Angst und Noth, die er ausgestanden hat und daraus ist dieser Psalm hervorgegangen, aus dem Andenken an die erlebte Noth und Angst und an die erfahrene Hülfe und Rettung. Stellet euch einmal recht vor, wie es in Israel war, als David den Königsthron bestieg, was da allenthalben im Volke für Jammer und Elend herrschte. David klagt zu Anfang dieses Psalms: Gott, der Du uns verstoßen und zerstreuet hast, und zornig warst, tröste uns wieder. Der Du die Erde bewegt und zerrissen hast, heile ihre Brüche, die so zerschellet ist. Denn Du hast Deinem Volke ein Hartes erzeiget, Du hast uns einen Trunk Wein gegeben, daß wir taumelten. So klagt er von dem Zustande, in welchem Israel war, als er König wurde. Und es war wirklich so, Gott hatte Sein Volk verlassen, Er zürnte demselben und hatte einen Taumelkelch über sie ausgegossen. Der letzte König, Saul, war gestorben den scheußlichen Tod eines Selbstmörders und das ganze Israel hatte die schmählichste Niederlage von den Philistern erlitten. Weiter, als Saul die Augen zugethan hatte, da regten sich all' die äußern Feinde, und wer sollte ihnen widerstehen? Da war wohl der König David, aber in ganz Israel war Bürgerkrieg, David herrschte nur über den Stamm Juda, die andern Stämme hatten Isboseth zum Könige erwählt. In dieser Zeit trat David seine Regierung an und fand nichts, als Jammer und Elend, in seiner Nähe den schrecklichen Bürgerkrieg der andern Stämme und in der Ferne die schnaubende Wuth der äußern Feinde. Er hatte Noth, sich gegen die elf Stämme zu wehren, und sollte auch noch die auswärtigen Feinde besiegen. Da hätten tausend Andere gesprochen: Wir wollen den Königsthron in Israel nicht, wollen lieber ein bequemes Leben führen. Warum sprach David nicht also? Weil der Glaube in ihm regierte und er Gott als ein Gläubiger gehorsam war. Gott hat ihn berufen, und da fragt er nicht, ist es auch bequem und angenehm? ihm genügt das, Gott hat mich berufen. Und wahrlich, der ist ein Schurke, der nicht gehorsam ist, wenn Gott ihn ruft. Darum sagt David: Du, Gott, hast mich zum Könige berufen und nun komme ich, Dir gehorsam zu sein. Eins ist es, daß er sich besonders getröstet, und welches ist dieses Eine? Gott redet in Seinem Heiligthum, deß bin ich froh. Weil Gott noch in Seinem Heiligthum redet, so ist noch Hülfe da. Mag denn auch alles Andere schwinden, unter diesem Panier muß ich siegen. In's Heiligthum will David gehen, und das sollen mit ihm thun, die den HErrn fürchten, der Sieg wird ihnen gewiß sein. Gott redet im Heiligthum, was heißt das? Noth ist die Kirche, das Haus Gottes und der Gottesdienst da, und wo das ist, da ist Gott selbst; da kann man Ihn fragen und Er antwortet, da kann man Ihn bitten und Er erhört. Merket euch, so lange wir noch Gottes Wort und Sakrament rein und unverfälscht haben, so lange hat es keine Noth, ob auch von allem Andern nichts zu spüren ist, es braucht Keiner zu zagen und den Muth sinken zu lassen. Und ob Alles an den Rand des Verderbens kommt, dem allmächtigen Gott ist es leicht zu helfen. So lange wir in der Kirche Gottes Wort und Sakrament haben, bleibt uns Gottes Hülfe; daran kann sich der Teufel wohl den Kopf einrennen, aber uns kann er nicht schaden, wir können ihm in die Zähne greifen, aber er muß uns unangetastet lassen. David sagt: Gott redet im Heiligthum, und was fehlt ihm da noch? Ist er schwach, so geht er in die Kirche und betet, und alles Gebet wird erhört; hat er hier und da gefehlt und gesündigt, was bei keinem Menschen ausbleibt, so geht er in die Kirche und Gott vergibt ihm die Sünden. Wollen seine Feinde zu groß und zu stark werden, er geht in die Kirche und betet: Mein Gott hilf mir! -was will denn das kleine Heer seiner Feinde gegen den allmächtigen Gott? Weiß er keinen Rath, so geht er in die Kirche und fragt Gott, und Gott antwortet ihm vom Gnadenstuhl. Das ist es worauf er vertrauet. Mag es noch so schrecklich aussehen, Gott redet noch im Heiligthum, und nun auf und daran, Gott muß den Sieg gewinnen. Als er so mit Gott den Königsthron bestiegen hat, was kann er da nach wenigen Jahren sagen? Höret: Ich will Sichern theilen, und das Thal Suchoth abmessen. Gilead ist mein, mein ist Manasse, Ephraim ist die Macht meines Hauptes, Juda ist mein Fürst. Moab ist mein Waschtöpfchen, meinen Schuh strecke ich über Edom, Philistäa jauchzet mir zu. Nun will ich nach dem Salzthal und Edom züchtigen; wer will mich in eine feste Stadt geleiten? Bist Du es nicht, mein Gott? Das ist sein Siegeslied. Vorher Bürgerkrieg im Lande, jetzt huldigt ihm ganz Israel; und was die auswärtigen Fürsten anbetrifft, die sind alle niedergeschlagen. Das hat David ausgerichtet in wenigen Jahren mit seinem Gott; daß Gott noch im Heiligthum redet, das hat ihm die Kraft dazu gegeben. So lange Gott noch im Heiligthum redet und du weißt, daß dieser Gott dein Gott ist, so lange brauchst du nicht zu zagen. Aber das ist das Leiden: Wer hat heut zu Tage noch einen lebendigen Gott? sie beten alle, mit wenigen Ausnahmen, die todten Götzen an; wer hat noch den lebendigen Glauben? Gott sei es geklagt, beinah Keiner. Daher können sie Gott nicht fragen und Gott kann ihnen nicht antworten. Habe ich den Glauben an den lebendigen Gott, so kann ich mit David sagen: Mit Gott wollen wir Thaten thun; Er wird unsere Feinde untertreten. Da kann nie Verzagtheit mein Herz ergreifen, denn aus dem Glauben quillt der Heldenmuth, der Alles überwindet und nicht überwunden werden kann. Amen.

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