Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 54. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 54. Psalm.

David hat diesen Psalm gebetet zu der Zeit da er sich in der Wüste aufhalten mußte, als er von dem Könige Saul verfolgt wurde. Er hatte ja nicht bloß die Stadt Gibea, wo Saul wohnte, verlassen müssen, sondern er war aus allen bewohnten Städten des Landes Israel vertrieben worden und mußte sich nun zehn Jahre lang in der Wüste, auf den Bergen und in den Klüften einen Zufluchtsort suchen, er war wie ein gejagtes Rebhuhn auf den Bergen. Während dieser Zeit verfolgte ihn Saul unablässig und suchte Gelegenheit ihn in seine Hände zu kriegen. Aber Gott, dem David vertraute, ließ das nicht zu, sondern schützte ihn so mächtig, daß er den Händen Sauls entrann. Nicht allein mit Gewalt und Macht wurde er verfolgt, es standen auch allenthalben Verräther, die David gern in Sauls Hände ausliefern wollten, weil sie ihn haßten um seiner Frömmigkeit willen. Zu diesen Verräthern gehörten auch die Bewohner von Siph. Zwei Mal kamen sie zu Saul und sagten, David ist bei uns, und zwei Mal kam Saul, ihn zu greifen; aber der HErr hatte es Seinem Knecht David zeitig genug gesagt, daß er nun entfliehen konnte. Eine solche Verrätherei ist auch die Ursache dieses Psalms. Die Einwohner von Siph hatten Saul sagen lassen: Komm, David ist bei uns, - und Saul machte sich auch auf den Weg dahin. Aber David hatte den HErrn gefragt, ob die Leute zu Siph ihn auch verrathen würden? und der HErr antwortete ihm: Sie werden dich nicht bloß verrathen, sie haben dich schon verrathen. In solchem nahen Umgange stand David mit dem HErrn. Er fragte den HErrn und der HErr antwortete ihm. So reden die Kinder Gottes mit Gott und so redet Gott mit Seinen Kindern. Sagt das einmal den Weltkindern, ihr werdet die Antwort bekommen: Gott kann nicht sprechen. Und lieber reden die Leute solche scheußliche Gotteslästerung, als daß sie zugeben, daß Gott mit den Menschen redet. Ist es nicht die größte Thorheit und Lächerlichkeit, Gott hat den Menschen die Sprache gegeben und Er soll nicht sprechen können? Gott hat die Menschen das Reden gelehrt und Er soll selbst nicht reden können? Es steht einem Dabei der Verstand still: Gott, der Urheber der Sprache soll selbst keine Sprache haben? Laß dir das erst einmal rauben, daß Gott reden kann und du hast Alles verloren, denn dann hast du keine Bibel mehr. Kann Gott überhaupt nicht reden, so gibt es keine Bibel, denn die Bibel besteht aus Worten, die Gott geredet hat. Dann hat aber auch alle wahre Religion aufgehört. Als nun David die Antwort von Gott bekommt, daß die Siphiter ihn verrathen haben, was soll er nun machen? soll er sich mit Gewalt gegen König Saul setzen? oder soll er sich in dessen Hände geben? Gegen König Saul sich mit Gewalt setzen, das geht nicht, denn Saul ist der Gesalbte des HErrn, ist sein König und auch gegen einen schlechten König darf sich der Fromme nicht setzen, denn alle Rebellion ist vom Teufel. Wenn Gott uns nach Seinem weisen Rath einen schlechten König setzt, so sollen wir diesen König als eine Strafe Gottes annehmen und ihm gehorsam sein, nur das eine Stück ausgenommen, daß wir uns durch nichts bewegen lassen etwas gegen Gottes Wort zu thun. Also gegen Saul sich setzen mit Gewalt, das durfte David nicht, und sich dem König ausliefern, das ging auch nicht, denn Gott hatte David bereits zum König gesalbt und Saul als solchen verworfen. Da sagt David zum HErrn: Ich kann mir nicht helfen, meine Hülfe ist zu Ende, nun muß Deine Hülfe anfangen; - und da betet er ein solch kindlich gläubiges Gebet, das die Erhörung an der Stirn trägt. Er sagt zu Gott, daß Er ihn solle erretten durch Seinen Namen und ihm Recht schaffen durch Seine Gewalt. Meine Gewalt ist aus, will er sagen, nun brauche Deine Gewalt, mit meinem Namen ist es zu Ende, nun brauche Deinen Namen. Ihr müßt übrigens nicht denken, daß David dieses Gebet aus Feigheit und Schwachheit gebetet habe.

Wißt ihr denn nicht, daß David Saul, als er in der Höhle schlief, in seiner Hand hatte? Wißt ihr nicht, daß David in das Lager Sauls ging, als dieser schlief, und ihm seinen Wasserbecher und Spieß nahm? Er wollte seine Macht und Kraft nicht gebrauchen, obgleich er sie hatte. Nun legt er sich bloß auf das Bitten: Stehe Du mir bei und hilf mir. Als er so gebetet hat, da sagt er weiter, warum er der Erhörung bedürfe: Denn Stolze setzen sich wider mich, und Trotzige stehen mir nach meiner Seele, und haben Gott nicht vor Augen. Seine Feinde, namentlich Saul, sind so ganz und gar in Gottlosigkeit ersoffen, daß sie nach Gott gar nicht mehr fragen. Stolz, Trotz und Gottesvergessenheit hat sich ihrer bemeistert; als Stolze fragen sie nicht nach Gottes Willen, als Trotzige thun sie ihren eigenen Willen. Und weil sich Solche gegen mich stellen, darum mußt Du mir helfen. Bedenkt es recht, er will sich nicht helfen, denn dieser Stolze und Trotzige ist sein Oberherr, darum soll Gott ihm helfen. Und ob nun Saul gleich ein mächtiger König ist und ob er in Israel zu befehlen hat, so fürchtet sich David doch nicht, denn er hat gebetet und weiß gewiß, daß Gott sein Gebet erhört. Das ist ja das Wesen des frommen Menschen, daß er glaubt, Gott erhört mein Gebet; und das kennzeichnet den gottlosen Menschen, daß er nicht glaubt, Gott erhöre sein Gebet. Der Fromme glaubt an den lebendigen Gott, der Gebet erhört; der Gottlose hat einen todten Gott und der kann kein Gebet erhören. Aber das ist so traurig, die wahren Beter sind unter den Gläubigen so selten, wie die weißen Raben unter den schwarzen. Die meisten Beter plappern mit dem Munde und ihr Herz ist nicht dabei. Wie sie in ihrer Scheinheiligkeit sagen, legen sie die Erhörung in Gottes Hand und dann brüsten sie sich noch mit ihrer Demuth, während es doch nichts anderes ist als Unglaube. Nun spricht David weiter: Siehe, Gott stehet mir bei, der HErr erhält meine Seele. Mag Saul noch so stolz und trotzig sein und sich nichts aus Gott machen, David soll er doch nicht antasten, denn Gott hilft ihm und erhört ihn. Und das weiß er so gewiß, daß er sagt „siehe“, - als ob er es schon mit den Augen sieht -, siehe Gott steht mir bei. Nachdem er so im Glauben gebetet hat, da kann es nicht anders sein, er muß erhört werden; denn wann ist es geschehen, daß Gott ein gläubiges Gebet unerhört gelassen hat? Als Elias betete, da verschloß Gott den Himmel und es regnete drei Jahr und sechs Monate nicht 1. Kön. 17,1; und als er wiederum betet?, da gab Gott Regen 1. Kön. 18,41-46. Gott erhört Gebete, das ist gewiß; es kommt nur darauf an, daß man im Glauben betet. Darum sagt David: Siehe, Gott steht mir bei, der HErr erhält meine Seele; und setzt hinzu: Er wird die Bosheit meiner Feinde bezahlen. Er wird meinen Feinden den Lohn geben, den sie verdient haben. Ja, Du wirst sie verstören in Deiner Treue. Und gerade so hat es Gott gethan: Saul hat Er verstört, David hat Er errettet, Saul hat Er verstört, denn nachdem Saul von den Philistern verwundet war, stürzte er sich selbst in sein Schwert und starb 1. Sam. 31,3-5. Wohin ist seine Seele gefahren? In die Hölle. Aber der fromme David ist erhöhet worden auf den Thron Sauls 2. Sam. 5,1 u. ff. Sehet, so hat Gott die Feinde bezahlt, gerade wie sie es verdient haben und das Gebet Davids hat Er erhört. Darum will David dem HErrn ein Freudenopfer bringen und sagt: So will ich Dir ein Freudenopfer thun, und Deinem Namen, HErr, danken, daß er so tröstlich ist. Ja, er hat alle Ursache dazu, denn wer so von Gott bewahrt wird, wie ein Augapfel im Auge, wer so von Gott auf der Hand getragen wird, der hat reichlich Ursache. Gott ein Freudenopfer zu bringen, ja sich selbst dem HErrn mit Leib und Seele zu opfern. Und wahrlich, des HErrn Name ist ein tröstlicher Name, denn der HErr erhört Gebet, darum kommt alles Fleisch zu Ihm Ps. 65,3. Er hat gesagt: Wer zu Mir kommt, den will Ich nicht hinausstoßen Joh. 6,37; und: Thue deinen Mund weit auf. Ich will ihn füllen Ps. 81,11. Es ist als ob der HErr sagen will: Du kannst Deinen Mund gar nicht weit genug aufthun, du kannst gar nicht genug bitten. Ich wollte dir gern noch mehr geben. Dazu bedenkt, daß wir weiter nichts sind als eitel arme Sünder, die nichts verdient haben als Strafe und Verdammniß; dadurch wird es dann eine gnädige Erhörung. Nun heißt es zum Schluß: Denn Du errettest mich aus aller meiner Noth, daß mein Auge an meinen Feinden Lust siebet. Wie ist es doch so köstlich, daß die heilige Schrift kein einziges Wort vergißt. Denn das muß ich felsenfest wissen, daß Gott in aller Noth hilft, daß all' mein Gebet erhört wird. Da komme ich nicht auf den Gedanken: Was ich jetzt bete, ist wohl zu klein oder zu groß vor Gott, es ist wohl zu sehr aus dem Himmel oder zu sehr von der Erde; davor schützt das Wort: In aller Noth. Nun ist es einerlei, ob ich Gott in geistlicher oder irdischer, in großer oder kleiner Noth zu bitten habe. Er hilft in aller Noth, nichts ist ausgeschlossen. Nun habe ich das volle Vertrauen: Was ich meinen Gott bitte, das gibt Er mir. Amen.

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