Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 53. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 53. Psalm.

In diesem Psalm zeigt uns David durch den heiligen Geist das ganze, ungeheure sündliche Verderben, welches in einem jeden Menschen von Natur ist, er zeigt uns ferner, wohin dieses Verderben führt, aber auch, woher allein wir die rechte Hülfe zu hoffen haben. Wenn es da zuerst heißt: Die Thoren sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott, so wird das zwar nicht von allen Weltkindern mit der Zunge ausgesprochen, aber in ihrem Herzen denken sie es doch und das zeigt sich in ihrem Leben, denn sie leben ohne Gott in der Welt. Wenn sie nicht wirklich dächten in ihrem Herzen: Es ist kein Gott, so könnten sie nicht ohne Gott leben; weil sie aber ohne Gott leben, so ist das der deutliche Beweis, daß sie an keinen Gott glauben. Fragt man sie: Glaubst du an einen Gott? so bekommt man die Antwort: Wer wollte nicht an Gott glauben? Ich glaube an einen Gott, der Alles geschaffen hat und der der Höchste und Heiligste ist. Fragt man dann weiter: Wie kannst du dieses und jenes thun? - so sieht man, daß die Worte ihres Mundes anders sind, als der Wandel ihrer Füße und der Glaube ihres Herzens. Sie glauben wirklich nicht an Gott, sonst könnten sie nicht ein Leben der Sünde und Schande führen. Ihr Glaube an Gott ist derselbe Glaube, den die Teufel auch haben und zittern Jak. 2,19; und dieser Glaube hat keinen heilsamen Einfluß auf ihr* Leben. Denket euch z. B. wenn der Dieb wahrhaftig glaubte, daß Gott bei ihm stände, würde er wohl stehlen? Wenn der Hurer und Ehebrecher wahrhaftig glaubte, daß Gott bei ihm stände, würde er wohl huren und ehebrechen? Wenn ein Mensch wirklich glaubt, daß Gott ihn sieht und hört, würde der in Gottes Gegenwart anfangen zu toben und zu fluchen? würde der die leiseste Lüge aussprechen können? Warum lügen, stehlen, huren, fluchen, toben die Leute? Bloß weil sie in ihrem Herzen sprechen: Es ist kein Gott. Woher kommt diese furchtbare Glaubenslosigkeit, die nur durch eine aufrichtige Bekehrung weggenommen werden kann? David sagt: Das kommt von der Erbsünde. Denn er fährt fort im Psalm: Sie taugen nichts, und sind ein Greuel geworden in ihrem bösen Wesen. Da ist Keiner, der Gutes thut. Gott schauet vom Himmel auf der Menschen Kinder, daß Er sehe, ob Jemand klug sei, der nach Gott frage. Aber sie sind Alle abgefallen, und allesammt untüchtig geworden.' Da ist Keiner, der Gutes thue, auch nicht Einer. Diese allgemeine Glaubenslosigkeit ist also die Folge der Erbsünde, die zu allen Menschen hindurchgedrungen ist. Seit dem Fall Adams werden alle Menschen in Sünden empfangen und geboren; von den sündlichen Eltern erben sie die Sünde, und diese Sünde hat sie durch und durch zum Greuel gemacht, daß sie nichts taugen, daß an einem jeden natürlichen Menschen kein gutes Haar ist. Denn da sie aus sündlichem Samen gezeugt sind, da sie in Sünden empfangen und geboren sind, wo soll denn das Gute herkommen? Der Vater, der sie gezeugt hat, ist ein Sünder, die Mutter, die sie geboren hat, ist eine Sünderin; sagt mir, wo soll das Gute herkommen? Es kann kein natürlicher Mensch Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen, denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf 1 Mos. 8,21. Paulus sagt deßhalb im Briefe an die Römer: Wir aber sind fleischlich unter die Sünde verkauft Röm. 7,14. Wir thun nicht bloß nichts Gutes, sondern wir können nichts Gutes thun, ja wir wollen nichts Gutes thun von Natur; wir sündigen nicht bloß, sondern wir können und wollen nichts anders, als sündigen, und der Prophet hat Recht, wenn er sagt: Das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt. Von der Fußsohle bis aufs Haupt ist nichts gesundes an uns, sondern Wunden, Striemen und Eiterbeulen, die nicht geheftet, noch verbunden, noch mit Oel gelindert sind Jes. 1,5-6. Das ist unser sündliches Verderben. Wenn David sagt: Gott schauet vom Himmel auf der Menschen Kinder, daß Er sehe, ob Jemand klug sei, der nach Gott frage; und er antwortet darauf: Aber sie sind Alle abgewichen und allesammt untüchtig; da ist Keiner, der Gutes thue, auch nicht Einer. So sehet daraus, daß sich noch niemals ein Mensch aus sich selbst bekehrt hat. Hat sich ein Mensch bekehrt, so hat ihn Gott erst durch tausendfaches Anklopfen, Ziehen und Locken, oder Drohen und Strafen dahin bringen müssen; es denkt auch Keiner von Natur daran. Da sind die vielen Millionen Heiden, nach Gott fragen sie nicht, wenn sie nur den Bauch voll haben, dann sind sie zufrieden. Kommen Missionare zu ihnen, die können zehn Jahre predigen, ehe sich Einer bekehrt; aber ohne die Predigt des Evangeliums fällt es keinem einzigen ein, sich zu bekehren. So geht es heute noch mitten in der Christenheit, wo das Wort Gottes nicht gepredigt wird oder wo keine gottselige Bücher gelesen werden, da bekehrt sich Niemand. Wohin führt dies denn nun, dieses grauenvolle Verderben, diese große Glaubenslosigkeit, dieser schreckliche Abfall? Der führt zu einem solchen Zustande, daß es auf Erden weiter nichts geben würde, wenn Gott nicht ein Einsehen gethan hätte, als Krieg Aller gegen Alle. Leider gibt es doch noch Krieg, Unfrieden, Zank und Streit genug auf Erden, trotz des Christenthums, und das kommt eben daher, weil Alle durch die Erbsünde verderbt sind, nun suchen Alle das Ihre und nicht was Christi Jesu ist Phil. 2, 21. Darum sagt David weiter: Wollen denn die Uebelthäter sich nicht sagen lassen, die mein Volk fressen, daß sie sich nähren? Sekt, meine Lieben, das ist die Folge von der Erbsünde, wenn die Menschen sich nicht bekehren: Sie fressen Gottes Volk, daß sie sich nähren. Denn wo die Sünde herrscht, da findet man, daß die Leute keinen andern Gott kennen, als den Bauch. Ihre Absicht und Zweck ist, daß sie sich nähren, an Himmel und Seligkeit denkt Keiner. Wie wollen sie sich nähren? Auf die bequemste Weise, ohne die geringste Anstrengung, ohne Schweiß, auf Kosten Anderer. Man findet, da die Menschen getheilt sind in zwei Klassen, nämlich in Arme und Reiche, in Vornehme und Geringe, aber Sünder sind sie alle, - man findet Folgendes: Die Reichen und Vornehmen unterdrücken die Armen und Geringen, und die Armen und Geringen empören sich gegen die Reichen und Vornehmen, die Reichen und Vornehmen bestehlen und betrügen die Armen und Geringen, und die Armen und Geringen bestehlen und betrügen die Vornehmen und Reichen, und das thun sie um des Bauches willen. Wie werden die Armen von den Reichen behandelt? Sie lassen sie für sich arbeiten und geben ihnen so wenig wie möglich dafür. So sind an vielen Orten die Fabrikarbeiter die Sklaven ihrer Herren, die ihnen den Lohn nach Willkühr geben. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend müssen sie arbeiten, ja oft auch am Sonntag und dann bekommen sie so viel, daß sie kaum davon leben können, den ganzen Profit streichen die Herren in ihre Kasse und verprassen denselben in Wohlleben. Ebenso machen es die Gutsbesitzer mit ihren Gutsunterthanen, die unter ihrer Botmäßigkeit stehen, und die, wenn sie nur können, zu Tausenden auswandern, um ihren Tyrannen zu entfliehen. Was ist davon die Folge bei den Armen und Geringen? sie hassen die Reichen und Vornehmen. Während sie z. B. auf ihren Krankenbetten liegen und kaum etwas haben, womit sie sich erquicken können, führen die Reichen ein Wohlleben; während sie kein Kleid haben, tragen die Reichen eins, woraus zehn gemacht werden können. Daß bei solchen Verhältnissen die Armen die Reichen hassen, kann nicht anders sein. Jetzt haben die Reichen noch die Gewalt; wird sich aber das Blatt einmal wenden, dann geht es den Reichen schlecht. Wenn der Reiche seinen Reichthum gebrauchte für die Armen, wie ein Vater für seine Kinder, wenn der Vornehme seinen Einfluß und vornehmen Stand brauchte für die Geringen, wie ein Vater für seine Kinder, dann müßten sie ja von den Armen und Geringen geliebt und geehrt werden. Weil sie aber die Armen und Geringen nur als Arbeitskräfte betrachten, so werden sie von ihnen gehaßt und verachtet. Nachdem David uns das gezeigt hat, daß die Erbsünde ohne Bekehrung zu einem Kriege Aller gegen Alle führt, so sagt er nun weiter, daß folgendes Verhältniß dadurch entsteht: Gott rufen sie nicht an. Da fürchten sie sich aber, wo nichts zu fürchten ist. Wenn die Armen Gott fürchteten, so würden sie die Reichen nicht berauben und bestehlen, und wenn die Reichen Gott fürchteten, so würden sie die Armen nicht unterdrücken und schänden. Vor dem Gott, der Seligkeit und Verdammniß gibt, fürchten sie sich nicht; aber wo nichts zu fürchten ist, da fürchten sie sich. Wie manche Menschen habe ich gesehen, die Gott nicht fürchteten und sich vor keiner Sünde scheuten, die aber, wenn ein Gewitter am Himmel stand, ihre Fenster mit Gardinen, Rollo's und Laden verschlossen, auch wohl ein Tuch vor die Augen banden, um den Blitz nicht zu sehen und ein Tuch um die Ohren, um den Donner nicht zu hören, oder sie krochen gar in den Keller; andere fürchten sich vor Gespenstern, vor Kobolden, vor Hexen, vor falschen Blicken; noch andere fürchten sich, wenn ihnen eine Herde Schweine begegnet, oder wenn ein Haft über den Weg läuft, oder wenn eine Eule über ihrem Hause schreit. Es gibt Menschen genug, die nicht am Abend an einem Kirchhof vorüber gehen, oder die gar nicht den Kirchhof betreten. Seht, vor Gott fürchten sie sich nicht, aber wo nichts zu fürchten ist, da fürchten sie sich. Sie haben aber auch alle Ursache, sich zu fürchten, denn Gott zerstreuet die Gebeine der Treiber. Du machst sie zu Schanden, denn Gott verschmähet sie V. 6. Vor Albereien fürchten sich solche Menschen, aber nicht vor Gott. Darum, meine Lieben, müssen wir uns bekehren zu dem HErrn, unserm Gott, auf daß wir von diesem sündlichen Verderben loskommen; und wollt ihr, daß es anders werde, so bedenkt was der letzte Vers unsers Psalms sagt: Ach, daß die Hülfe aus Zion über Israel käme, und Gott Sein gefangenes Volk erlösete! So würde sich Jakob freuen, und Israel fröhlich sein. Ja, die einzige Hülfe in dieser Noth ist die Hülfe aus Zion, die Jesus Christus, unser lieber Heiland, bringt. Wenn der kommt, der kann erlösen, durch den bekehren sich die Armen und Geringen und die Vornehmen und Reichen. Und die Vornehmen und Reichen, welche sich durch Jesum bekehren, sind dann nicht mehr Blutsauger und Tyrannen; und die Armen und Geringen, die sich durch Jesum bekehren, sind dann nicht mehr Rebellen und Empörer. Da wird aus dem Kriege Aller gegen Alle ein Friede Aller gegen Alle; Er versteht das Herz umzuwandeln, daß die Menschen neue Kreaturen werden. Dann sehen es die Reichen und Vornehmen als einen Vorzug von Gott an, die Väter und Wohlthäter der Armen und Geringen zu sein; und dafür werden sie von diesen auf den Händen getragen. Aber der Erlöser muß erst kommen, die Menschen müssen durch Buße und Glauben andere Menschen werden, dann können sie als neue Menschen leben und wandeln, Gott zu Ehren. Amen.

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