Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 51. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 51. Psalm.

Vers 1-11.

Dieser 51. Psalm ist bekanntlich der Psalm, welcher in der lutherischen Kirche von uralten Zeiten her bei jeder Beichte gebetet und gelesen wurde; das ist der Psalm, welcher von frühe an den Konfirmanden auswendig zu lernen aufgegeben wird, daß sie ihn wissen müssen, wenn sie zur Beichte kommen; und so ist dieser Psalm mit dem ganzen Wesen der lutherischen Kirche so eng verwachsen, daß man weder öffentlich, noch sonderlich, weder in der Kirche, noch auf dem Krankenbette eine Beichte kannte, wo dieser Psalm nicht gebetet wurde. Fing man diesen Psalm an zu beten, so bewegten sich aller Leute Lippen, womit sie zeigten, daß sie ihn auswendig konnten. Aber wie in der theuren lutherischen Kirche leider so vieles anders geworden ist, so ist es auch in diesem Stücke anders geworden. Es gibt viele lutherische Christen, denen kannst du den 51. Psalm vorbeten, ihre Lippen rühren sich nicht zum Mitbeten, weil sie ihn nicht können, einzelne Sprüche wissen sie wohl daraus z. B. Schaffe in mir Gott ein reines Herz rc., aber das ist auch Alles; es gibt viele lutherische Kirchen, in denen der 51. Psalm bei der Beichte nicht mehr gebetet wird. Die Konfirmanden lernen ihn nicht mehr auswendig; das ist ja auch nicht nöthig, wenn sie nur in irdischen Sachen klug sind, in geistlichen Sachen dumm zu sein, das gilt für keine Schande, denn das sind ja nur lumpige göttliche Dinge. Wenn man sich früher daran erbaute, daß man die Leute den 51. Psalm beten sah, um so größer ist nun der Kummer, daß ihn jetzt beinah Keiner mehr auswendig weiß. Und ihr, versammelte Christen, wißt ihr den Psalm auswendig? Ich glaube, wenn ihr ihn einzeln beten solltet und Keiner euch etwas zusagen könnte, die meisten von euch blieben stecken; und ist das nicht eine Schande, so groß wie sie nur sein kann? Es ist dieser Psalm aber auch ein recht wunderbarer Psalm, so recht dem David durch den heiligen Geist in das Herz und in den Mund gegeben. Wer Worte suchen wollte in seiner Buße und Beichte, ich meine, der könnte keine bessre finden, als diese, mit welchen David gebeichtet hat. David hat diesen Psalm gebetet, als der Prophet Nathan zu ihm kam, da er war zu Batseba eingegangen; also nach seinem scheußlichen Ehebruch mit Batseba, da Nathan ihm seine Sünden unter die Augen gestellt hatte und er dadurch zur Buße erweckt war 2. Sam. 12. Es ist eine merkwürdige Geschichte, die Geschichte von Davids Sündenfall, und man kann recht daraus sehen, wie oft eine unbedachtsame Handlung den Menschen ins Verderben bringt. War einer fromm, so ist es David gewesen, heißt er doch der Mann nach dem Herzen Gottes; und doch ist er ein stinkender Ehebrecher und ein bluttriefender Mörder geworden. Wie war das möglich? Und als er so tief gefallen war, da ging er fast ein ganzes Jahr ohne Buße, Reue und Leid dahin, lebte mit dem ehebrecherischen Weibe und sein Gewissen sagte ihm nicht, daß er ein Ehebrecher sei. Ja, der sonst so milde David wurde ein grausamer Wütherich; er ließ seine Feinde, die Kinder Ammon, unter eiserne Sägen und Hacken legen, ließ sie in glühenden Ziegelöfen verbrennen 2 Sam. 10. Aber das ist so Satans Art und Weise, er greift immer weiter nach, wenn man ihm einmal den kleinen Finger gegeben hat und man ist vor keiner Sünde mehr sicher. Da, zur rechten Stunde, schickte Gott den Propheten Nathan, und der mußte ihm seine Sünden vor die Augen stellen in dem Gleichniß von dem reichen und armen Mann 2. Sam. 12,1-4. Als Nathan die Geschichte erzählt hatte, begehrte er des Königs Urtheil darüber zu hören, - und erzürnt ruft David aus: Der Mensch soll des Todes sterben! Nathan antwortet: Du hast dein eigenes Urtheil gesprochen, du bist der Mann. Du hast dem Uria sein einziges Schäflein genommen, hast es geschlachtet durch Ehebruch und den Uria hast du tödten lassen durch das Schwert der Kinder Ammon. Da antwortete David: Ich habe gesündigt wider den HErrn. Das haben Tausende dem David nachgemacht, daß sie gehuret, die Ehe gebrochen und getödtet haben; aber das haben ihm Wenige nachgemacht, daß sie reuig ihre Sünden bekannten. Als David seine Sünden bekannt hatte, da sagte Nathan zu ihm: So hat dir der HErr deine Sünden vergeben; und darauf betete David diesen 51. Psalm, worin sich die Bitte um Vergebung und der Dank für die Erhörung findet. Das findet sich immer bei den wahren Betern: Die Bitte um Erhörung und der Dank für die Erhörung. Aber wie hat ein so frommer Mann, wie David, in eine so gräuliche Sünde fallen können? Hört was die heilige Schrift darüber sagt. David war im Kriege mit den Kindern Ammon; und in den damaligen Zeiten rückte man nicht zum Kriege aus, wenn recht viel Schnee und Eis lag, wie in den grausamen Christenzeiten, davon wir neulich bei dem Dänischen Kriege ein Beispiel gehabt haben; sondern man rückte im Frühling aus und meinte, man hätte an den Kriegsplagen genug und brauchte nicht noch die Eis- und Schneeplagen dazu. Die Frühlingszeit war die Zeit, wo die Krieger auszuziehen pflegten. David mußte diesen Krieg führen, denn die Kinder Ammon halten sich an dem Volke Gottes versündigt. Darum wurde das Heer gesammelt unter seinem Feldhauptmann Joab. Als nun die Zeit des Ausmarschierens kam, da sagte David: Mein lieber Joab, du kannst dieses Mal allein ausziehen mit dem Heer, ich aber will zu Hause bleiben. In den alten Zeiten nämlich gingen die Könige selbst mit in den Krieg, jetzt schicken sie ihre Generäle hin; sie haben Zeit in die Bäder zu reisen, aber nicht in den Krieg zu ziehen. Nun David sagt: Joab, ziehe nur hin in den Krieg, ich will dieses Mal zu Hause bleiben; und dadurch ist er ein Ehebrecher geworden. Wäre er mit in den Krieg gezogen, hätte er mit gekämpft, dann wären ihm die Hurengedanken vergangen. Jetzt bleibt er zu Hause, sitzt auf seinem Palast, da braucht er nur ein schönes Weib zu sehen und die Hurengedanken waren da. Wo aber solche Gedanken nicht durch den Glauben bekämpft werden, da folgt die That mit raschen Schritten nach. So war es auch bei David. Von seinem Palaste aus sah er die Batseba, die Hurengedanken stiegen in seinem Herzen auf, er ließ ihnen Raum, schickte hin und ließ Batseba holen und das Wort der Schrift erfüllte sich hier: Die Lust, wenn sie empfangen hat, gebieret sie die Sünde Jak. 1,15. Ja, Müßiggang ist aller Laster Anfang. David war durch Nathan zur Erkenntniß seiner Sünde und zur Bereuung derselben gekommen, und das ist das Große, woran man erkennen kann, daß er doch noch ein Kind Gottes geblieben ist. Er sucht keine Ausflüchte, sondern bekennt reuig seine Sünde. Er muß sich zu der Gnade und Barmherzigkeit Gottes wenden, und das thut er auf die rührendste Weise. Er betet: Gott, sei mir gnädig nach Deiner Güte, und tilge meine Sünden nach Deiner großen Barmherzigkeit. Von Rechtfertigung oder Entschuldigung finden wir da keine Spur; er ist nichts als ein Sünder und will nichts anders sein als ein Sünder. Die Sünde ist geschehen, wird sie nicht weggenommen, so muß er zum Teufel fahren und ist ewig verloren. Von nichts anderm als von Gnade und Barmherzigkeit kann hier die Rede sein! er kann die Sünde nicht abbezahlen, weder mit guten Werken noch mit Geld, aus Gnaden muß sie weggenommen werden. Das ist wahre Reue, das ist wahres Leid, wenn der Mensch um die Wegnahme der Sünde fleht und bittet, weil er weiß, daß er sonst verloren ist. Darum kann er nicht eher aufhören mit Schreien, als bis ihm entweder Erhörung zu Theil geworden ist, oder bis ihm der Tod den Mund schließt. Wird er erhört, so ist das Loben und Danken die Folge, wird er nicht erhört, so muß er vergehen in seiner Noth. Ist Jemand ins Wasser gefallen und er kämpft nun mit den Wellen, so hörst du ihn so lange schreien um Hülfe, bis er gerettet ist, oder bis ihm der Tod den Mund stopft. Ebenso ist es mit dem, der in der Buße steckt. Wie ist es aber möglich, daß der heilige und gerechte Gott Sünden wegnehmen kann, muß Er sie nicht vielmehr strafen? Allerdings; und doch weiß David einen Ausweg, den er anzeigt mit den Worten: Wasche mich wohl von meiner Missethat und reinige mich von meiner Sünde. David weiß etwas von dem Blute Christi, darum sagt er: Wasche mich wohl von meiner Missethat. Flußwasser und Thränen, Ochsen- und Bocksblut wäscht keine Sünden ab; aber das theure Blut Christi reinigt von Sünden, davon wir singen in unserer Kirche: Dein Blut, der edle Saft, hat solche große Kraft, daß auch ein Tröpflein kleine die ganze Welt kann reine und aus des Teufels Rachen, frei, los und ledig machen. Und mit diesem Blute Christi begehrt David gewaschen zu sein. Denn daß er Christi Blut kennt, das zeigt er im 22. Psalm, wo er betet: Sie haben Christi Hände und Füße durchgraben; und Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen? Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde; und dieses Blut kann David ganz rein waschen. Warum er aber nicht eher wieder aufhören kann mit dem Geschrei und Gebet um Vergebung der Sünden, als bis er Erhörung gefunden, das zeigt er in den folgenden Worten an: Denn ich erkenne meine Missethat, und meine Sünde ist immer vor mir. So lange ihm seine Missethat immer vor Augen steht, hat er keine ruhige Stunde, lauter Zittern, Angst und Qual quält ihn Tag und Nacht. Darum hört er nicht eher auf mit Schreien und Rufen, als bis Gott ihm hilft. - An Dir allein habe ich gesündigt, und übel vor Dir gethan, auf daß Du Recht behaltest in Deinen Worten und rein bleibest, wenn Du, gerichtet wirst. Zwar hat er Uria getödtet und mit Batseba Ehebruch getrieben; aber seine Sünde an Uria und Batseba ist doch eine Sünde an Gott, denn Gott hat gesagt: Du sollst nicht tödten, Du sollst nicht ehebrechen. So ist er ein Mörder und Ehebrecher nicht bloß gegen den, an dem er die Sünde verübt hat, sondern auch gegen den, der das Gesetz gegeben hat, gegen Gott. Willst Du, Gott, mich verdammen, so hast Du Recht dazu; aber Gnade kannst Du mir gewähren durch Christi Blut, denn dadurch ist Deine Gerechtigkeit befriedigt. Sagt mir, wenn David so zu Gott spricht, hat da seine Sünde nicht noch einen tiefern Grund, als den vorhin angeführten? Er hatte allerdings gesündigt durch Faulheit; aber das würde nicht so sehr geschadet haben, wenn nicht noch ein tieferer Grund vorhanden wäre. Diesen Grund führt David nun an: Siehe, ich bin aus sündlichem Samen gezeugt, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen. Siehe, Du hast Lust zur Wahrheit, die im Verborgenen liegt; Du lässest mich wissen die heimliche Weisheit. Also, daß David so bald und so schwer siel, das hat seinen Grund in der Erbsünde. Mit der Erbsünde ist er, wie jeder andere Mensch geboren, und damit ist jedem Menschen die Möglichkeit zu allen Sünden gegeben; wer da nicht beständig wacht, der fällt in ihre Stricke. Es ist so, wie Gott zu Kain sagt: Die Sünde ruht vor deiner Thür; aber laß ihr nicht den Willen, sondern herrsche über sie 1. Mose 4,7. Ja, die Sünde ruht auch vor deiner Thür, wie ein unbändiges Thier und wachst und betest du nicht, so packt sie dich wie ein grimmiger Löwe und zerreißt dich. David ist von einem sündigen Vater gezeugt und von einer sündigen Mutter geboren, und durch die eigene Sünde, die er nun dazu gethan, ist er durch und durch sündig geworden. Das ganze Haupt ist matt, das ganze Herz ist krank; von der Fußsohle bis zum Scheitel ist nichts Gesundes an ihm zu finden Jes. 1,5-6. Ist es aber so mit uns, dann meine doch Keiner, daß er vor einer Sünde sicher sei, daß es eine Sünde gebe, der unsere Natur widerstrebe; fähig bist du zu allen Sünden, auch zu Mord und Ehebruch. Das ist die heimliche Weisheit, die verborgene Klugheit, die nur die Kinder Gottes wissen, daß die Sünde aus der Erbsünde kommt. Darum wachet und betet, daß aus der Möglichkeit der Sünde nicht die Wirklichkeit werde, und daß die Sünde, die vor unserer Thür ruhet, nicht die Herrschaft in euch gewinne. Ist dieses das eine Geheimniß, die eine verborgene Weisheit, daß jeder Mensch durch die Erbsünde zu jeder Sünde fähig ist, so gibt es noch eine zweite heimliche Weisheit und die wird in den Worten ausgedrückt: Entsündige mich mit Ysop, daß ich rein werde; wasche mich, daß ich schneeweiß werde. Da weist David hin auf den einigen Quell aller Sündenvergebung, auf das Blut Jesu Christi, das ist die zweite verborgene Weisheit, die nur das Kind Gottes weiß und die allen Weltkindern verborgen ist. Wie kann denn Ysop Sünden wegnehmen? Es weist uns das hin auf das jüdische Opfer. War das Opfer geschlachtet, welches Gott und Menschen versöhnen sollte, dann wurde das Blut aufgefangen, in einer goldenen Schale, worin ein Ysopstengel lag. Dann nahm der Hohepriester die goldene Schale mit dem Blut und Ysopstengel und ging in das Allerheiligste, besprengte den Gnadenstuhl und versöhnte so Gott, dann besprengte er das Volk im Vorhofe mit dem Blut und versöhnte so das Volk. Diese Versöhnung aber bewirkte nicht das Blut der Thiere, sondern das Blut Christi, worauf jeder gläubige Israelit blickte. Nachdem David der Vergebung der Sünden theilhaftig geworden ist, so geht nun das alte Freudenleben wieder an; denn wo Vergebung der Sünden ist, da ist Leben und Seligkeit. Er sagt: Laß mich hören Freude und Wonne, daß die Gebeine fröhlich werden, die Du zerschlagen hast. Verbirg Dein Antlitz von meinen Sünden, und tilge alle meine Missethat. Gleich wie ein Weib, wenn sie gebiert, Traurigkeit hat, so ist doch alle Traurigkeit vorbei, wenn der Mensch zur Welt geboren ist Joh. 16,21. Der Mensch, welcher in der Buße steckt hat Traurigkeit; hat er aber Vergebung der Sünden, so ist alle Traurigkeit weg und Friede und Freude im heiligen Geist erfüllt sein Herz! - Dankt Gott, daß ihr in Christo Vergebung der Sünden habt, und werdet wieder artige Leute, die den 51. Psalm auswendig lernen, auf daß so etwas nicht wieder vorkomme, daß ihr diesen Psalm nicht wißt. Amen.

Vers 12-21.

In der ersten Hälfte dieses Psalms hatte David mit großem Ernst und herzlicher Reue Gott um Vergebung der Sünden angefleht und da alles aufrichtige Gebet erhört wird und Gott nie solches Gebet unerhört lassen kann, weil Er versprochen hat, es zu erhören, so können wir gewiß wissen, daß David die Vergebung der Sünden empfangen hat. Daran zweifeln, das hieße nichts anders, als an Gottes Wahrhaftigkeit zweifeln. Gott hat gesagt: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgethan Matth. 7,7; und: Rufe Mich an in der Noth, so will Ich dich erretten, so sollst du Mich preisen Ps. 50,15. Habe ich das auf. richtig gethan, so müßte Gott ein Lügner sein, wenn Er mich nicht erhören wollte. So wenig, wie ich an der Wahrhaftigkeit Gottes zweifeln kann, so wenig zweifle ich daran, daß Gott mein Gebet erhört; ich würde damit ja die scheußliche Sünde begehen, Gott einen Lügner zu nennen. Nachdem nun David Vergebung erhalten hat, so ist er damit nicht fertig, er flehet weiter: Schaff' in mir Gott ein reines Herz und gib mir einen neuen gewissen Geist. Daran sehet ihr eine Probe und ein Kennzeichen des gläubigen Gebets um Vergebung der Sünden und der daraus folgenden Ueberzeugung, daß die Sünden wirklich vergeben sind, daß man gelobt: Ich will mich ernstlich bessern. Wer das nicht will, der hat alles gelogen, was er von Vergebung der Sünden gebetet hat, der ist ein Schuft und ein Heuchler. Wer zur Beichte geht und will sich nicht bessern, sondern in seinen Sünden bleiben, der ist ein Lügner, denn seine Sünden sind ihm gar nicht leid, sie reuen ihn nicht und doch sagt er's. Darum heißt es jedesmal in unserm Beichtgebet: Ich will mich durch die Kraft des heiligen Geistes ernstlich bessern. Darum heißt es in der Bibel: Wer seine Sünde bekennt und läßt, dem wird sie vergeben 1 Joh. 1,9. Merke dir, willst du die Sünde nicht lassen, willst du nicht davon frei werden, so ist deine Beichte Lüge und Heuchelei gewesen und Vergebung der Sünden hast du nicht bekommen. David will sich bessern, da er Vergebung der Sünden empfangen hat, darum spricht er: Schaff' in mir Gott ein reines Herz, und gib mir einen neuen gewissen Geist. Will ich mich bessern, aus meinem alten Herzen kann die Besserung nicht kommen, ich muß ein neues Herz haben. Will ich gewisse Tritte thun auf den Weg zum Himmel, so muß ich einen gewissen Geist haben. Um solche Gaben aber will der HErr gebeten sein, und dieses Gebet muß Er erhören, denn Er hat ausdrücklich gesagt in Seinem Worte, daß Er uns den heiligen Geist geben will und durch denselben Alles, was wir zur Seligkeit nöthig haben. Ich will euch den Tröster senden, den Geist der Wahrheit, der soll euch in alle Wahrheit leiten, so hat Sein eigener Mund gesprochen. Beten wir um ein reines Herz und um einen neuen, gewissen Geist, so ist diese Bitte nur dann erhört, wenn uns Gott den heiligen Geist gibt, daß der uns vollbereite, stärke, kräftige und gründe. Nun kannst du nicht mehr sagen: Wer will mein schmutziges Herz in ein reines umwandeln, wer will mir für meinen alten Geist einen neuen geben? - der heilige Geist will es, denn Er hat Kraft genug dazu. Darum bete mit ganzer Treue täglich um den heiligen Geist. Aber wenn du nun also betest um den heil. Geist und du empfängst Ihn auch, wird Er lange bei dir bleiben, oder wird Er nicht bald wieder von dir weichen müssen? Ich glaube nicht, wenn du heute um den heiligen Geist gebetet hast, daß du heute, noch viel weniger morgen ohne Sünde bleibst; eben hast du gebetet um den heiligen Geist und nun sündigst du schon wieder, ja die Sünde klebt dir täglich an und macht dich träge. Muß da nicht der heil. Geist weichen und fern von dir bleiben? Ja, wenn du hättest sündigen wollen, dann hätte der heil. Geist weichen müssen, denn dann sündigst du auf Muthwillen. Auf Muthwillen sündigen, das nennt die heilige Schrift oft auf Gnade sündigen. Wer aber noch auf Gnade sündigen kann, der ist noch kein bekehrter Christ. Ich muß treu gegen die Sünde kämpfen, das muß bei mir fest stehen: Ich will nicht sündigen; sündige ich dann doch, - was leider täglich noch viel geschieht, - so kann ich Gott ganz getrost um Vergebung der Sünden bitten, und Er wird solches Gebet nicht unerhört lassen. Sündigst du nicht auf Muthwillen, sündigst du nicht auf Gnade, so kannst du, trotz deiner vielen Sünden doch täglich das Gebet vor den HErrn bringen: Verwirf mich nicht von Deinem Angesicht, und nimm Deinen heiligen Geist nicht von mir. Kannst du zum HErrn sagen: Du weißt, daß ich nicht sündigen will, Du weißt, daß ich Deinen heiligen Geist nicht betrüben will, aber die Sünde hat mich übereilt und ist aus Schwachheit geschehen, vergib es mir, lieber HErr; dann bist du noch nicht aus der Gnade gefallen. Hat David so gebetet: Verwirf mich nicht von Deinem Angesicht, trotzdem, daß mich die Sünde täglich träge macht; nimm Deinen heiligen Geist nicht von mir, trotzdem, daß mir die Sünde täglich anklebt, so kann er nun weiter bitten um ein freudiges Herz. Und das thut er mit den Worten: Tröste mich wieder mit Deiner Hülfe, und der freudige Geist enthalte mich. Hat Gott nun unser Gebet erhört, muß Er denn nicht ein inniges Dankgebet erwarten? Was wäre ich doch für ein Mensch, wenn ich Gott für solche Gnade nicht danken wollte? Darum mit der Bitte um Vergebung der Sünden muß verbunden werden das tägliche Dankgebet. David ist noch nicht fertig. Es muß nothwendig in dem Herzen eines bekehrten Menschen, der Vergebung der Sünden empfangen hat und dafür dankbar seinen Gott preiset, dieses Gebet folgen, welches bittet um Kraft, an der Seligkeit anderer Menschen mit thätig zu sein. So macht es auch David: Denn ich will die Uebertreter Deine Wege lehren, daß sich die Sünder zu Dir bekehren. Weiß ich, was für ein schrecklich verdammter Mensch ich war ohne Vergebung der Sünden, weiß ich, was für ein überschwenglich seliger Mensch ich bin durch die Vergebung der Sünden, so ist es mir nicht möglich, andere Menschen zur Hölle laufen zu sehn, ohne sie zu warnen. Kannst du das ruhig mit ansehen, so ist es nicht wahr, daß du ein bekehrter Christ bist. Du hast weder die Schmerzen der Buße, noch die Schrecken der Hölle, noch die Seligkeit der Vergebung der Sünden erfahren. Ich glaube, das wird den meisten Christen den Hals brechen am jüngsten Tage, daß sie die Leute den Weg zur Hölle laufen sehen und sagen ihnen nicht, wie man in den Himmel kommt. Da sehen sie z. B. die vielen hundert Millionen Heiden, die ohne Jesum zur Hölle laufen; thun sie nun, was sie können, um diese Heiden in den Himmel zu bringen? Ja, sie thun gewaltig viel; die meisten beten nicht einmal jeden Tag für die Bekehrung der Heiden. Und wenn man ein Opfer sucht für die Mission, - die Leute, welche Tausende auf Zinsen haben, bringen ihre elenden Pfennige und Groschen dem lieben Gott. Von seiner Armuth gibt beinah Keiner, die Meisten geben von ihrem Ueberfluß. Doch du sagst vielleicht: Was geht mich die Heidenbekehrung an, das laß die thun, die Lust dazu haben. Ist ganz recht geredet, denn es ist besser, daß Einer mit Lust und Liebe an der Mission arbeitet, als Tausende mit Unwillen. Wollte Gott, daß die Leute, welche ihren Pfennig nicht gern der Mission geben, ihn doch lieber in der Tasche behielten; denn jede Gabe, die nicht gern gegeben wird, ist ein Fluch für den Geber. Aber wie ist es hier unter uns? Ihr Eltern, ermahnt ihr eure Kinder zur Seligkeit? Ich weiß viele Eltern, die geben ihren Kindern das irdische Brot, aber das geistliche Brot reichen sie ihnen nicht, dazu ist der Schulmeister und der Pastor da. Ihr Herrschaften, gebt ihr euren Dienstboten das geistliche Brot? Ach nein, die meisten von euch haben sie nur zum Arbeiten; vor der Sünde warnt ihr sie nicht, zu Gott führt ihr sie nicht; die ganzen Nächte können sie durchschwieren, das erlaubt ihr ihnen, wenn sie nur die Arbeit fertig bringen; sie sind euch weiter nichts, als Arbeitsmaschinen. Helft ihr eurem Nachbar auf den Weg zum Himmel? Ach, statt ihm zur Seligkeit zu helfen, führt ihr ihn immer weiter auf den Weg zur Hölle. Da sind Branntweinsäufer, - was bist du denn, wenn du dem Säufer den Branntwein verkaufst? Bekehrst du ihn dadurch, oder bringst du ihn in die Hölle? Siehst du, daß einer seine ganze Familie ruiniert durch Kartenspiel, machst du ihn denn auf seine Sünde aufmerksam? oder reizest du ihn noch gar zum Kartenspiel? Ach, meine Lieben, der HErr will haben, daß ich die Uebelthäter belehre, auf daß sie sich bekehren; und das soll nicht bloß der Schullehrer und Pastor thun, sondern jeder wahre Christ. Wer das unterläßt und mit gleichgültigem Herzen seinen Bruder zur Hölle laufen lassen kann, wie wird es dem am jüngsten Tage ergehen? - Noch Eins liegt David auf dem Herzen, und darum fängt er an zu rufen: Errette mich von den Blutschulden, Gott, der Du mein Gott und Heiland bist, daß meine Zunge Deine Gerechtigkeit rühme. Blutschuld ist eine schreckliche Schuld; schon mancher ist dadurch wahnsinnig geworden. Ich habe im Zuchthause einen Menschen gesehen, der hatte in seiner linken Hand ein Tuch und rieb damit die rechte Hand ab. Ich fragte ihn, was reibst du deine rechte Hand? Er antwortete: Ich will das Blut von der Hand wischen. Dieser Mensch hatte sich im betrunkenen Zustande geprügelt und bei der Prügelei hatte er mit einem Zaunknüppel einen Menschen todt geschlagen. Das war kein überlegter Mord, sondern ein Todtschlag aus Versehen. Ein und ein halbes Jahr mochten wohl nach jenem Morde vergangen sein, da wachte er eines Morgens wahnsinnig auf, und nun mußte er mit Stricken gebunden aus der Strafanstalt in eine Irrenanstalt transportiert werden. In diese Irrenanstalt saß er nun und rieb immer das Blut von seiner Hand und konnte es doch nicht wegbringen. O, es war schrecklich für den Mörder, aber nicht minder schrecklich für den, der ihm den vielen Branntwein gegeben hatte, denn der wäre auch bald wahnsinnig geworden. Aber er kam noch zur rechten Zeit zur Bekehrung, und nun schenkte er keinen Branntwein mehr, sondern beherbergte fremde Reisende, und dabei verdiente er mehr als zuvor. Menschen Blut klebt stark, darum Gott auch sagt: Wer Menschen Blut vergießt, deß Blut soll wieder durch Menschen vergossen werden 1 Mose 9, 6. David hat alle Ursache, so zu beten, denn hat er nicht Uria's Blut vergossen? Aber er hat sich zu dem rechten Mann gewandt: Gott, der Du mein Gott und Heiland bist, spricht er. Wenn der die Blutschulden nicht austilgen kann, so kann es Keiner. Hatte sich jener Mörder an Jesu gewandt, der hätte ihn auch heilen können; denn der vergibt alle Sünden, die zu Ihm gebracht werden. Sehet, meine Lieben, weil Gott Sünden vergibt, darum habe ich große Ursache, Seine Gerechtigkeit zu rühmen. - Aber überhebe dich nicht über David, sondern gedenke daran, was Matth. 5 geschrieben steht: Wer mit seinem Bruder zürnt, ist ein Mörder, und wer ein Weib mit unreiner Begierde ansieht, ist ein Hurer und Ehebrecher. Also bist du, du seiest, wer du seiest, David ganz gleich; gescholten und gezürnt hast du auch schon, von unreinen Gedanken und Begierden bist du. auch nicht frei, und hast darum alle Ursache, fleißig zu beten: Errette mich von den Blutschulden, Gott, der Du mein Gott und Heiland bist. Dann kannst du aber auch sagen:, HErr, thue meine Lippen auf, daß mein Mund Deinen Ruhm verkündige. Wie solltest du das Loben und Danken wohl lassen können, da dir Gott alle Heine Sünden vergeben hat! Und Er kann Sünden vergeben, Er hat ein anderes Tuch, die Blutschulden abzuwischen, als jener Wahnsinnige. Nun hat David noch Eins, was ihm auf dem Herzen liegt: Welche Opfer soll er Gott bringen? Gefallen denn Gott die Opfer? Die vorbildlichen gefallen Ihm nicht; denn wenn das bloße Thieropfer mir Vergebung der Sünden geben könnte, so wäre Vergebung der Sünden ein billiger Artikel. Da könnte ich mir für ein paar Thaler einen Ochsen kaufen, könnte den schlachten und opfern und also hätte ich Vergebung der Sünden. Aber es ist nicht möglich, daß man für Geld Vergebung der Sünden erlangen kann, noch daß mit Thierblut die Sünde abgewaschen wird. Darum sagt David: Du hast nicht Lust zum Opfer, ich wollte Dir's sonst wohl geben und Brandopfer gefallen Dir nicht. Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst Du, Gott, nicht verachten. Das sind die rechten Opfer, die Gott haben will. Wollt ihr Gott angenehme Opfer darbringen, so bringt ein Herz voll Reue und Buße, und ein Herz voll Dankbarkeit für die Gnade der Bekehrung. So mußt du kommen, daß du sagen kannst: Meine Sünde ist mir von Herzen leid und reuet mich sehr, dann bringst du ein geängstetes Herz, einen zerschlagenen Geist. Stehst du so von aller Selbstgerechtigkeit ab und willst nur Gnade, so mußt du weiter bringen die Opfer der Gerechtigkeit, die Brandopfer und die ganzen Opfer. Die Opfer der Gerechtigkeit bestehen darin, daß du dich täglich rein wäschest in dem Blute Christi; die Brandopfer, daß du Ihm täglich den Weihrauch des Lobens und Dankens bringst; und das ganze Opfer, daß du dich Ihm zum Eigenthum gibst mit allen Gliedern deines Leibes und mit allen Kräften deiner Seele. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/harms_l/harms-der_psalter/harms_l_psalm051.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain