Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 50. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 50. Psalm.

Dieser Psalm handelt von dem wahren Gottesdienst, und gibt uns damit an, weshalb die Kirche den Juden genommen und den Heiden gegeben ist, nämlich weil die Juden aus dem wahren Gottesdienst einen falschen gemacht hatten, durch ihren Hochmuth und durch ihre Selbstgerechtigkeit. Gott hatte anfänglich das Volk Israel zu Seinem Volk erwählt, hatte unter innen Seine Kirche und Seine Gottesdienste gestiftet. Wären die Kinder Israel bei dem HErrn geblieben, so hätten sie Sein Volk bleiben sollen; weil sie aber Seinen Bund nicht hielten, darum mußten sie aufhören, Sein Volk zu sein, und die Kirche mußte den Heiden gegeben werden. In dem ersten Theil dieses Psalms wird uns angegeben, wozu der HErr die Kirche des Volks Israel bestimmt hatte; aber es wird uns auch angezeigt, daß das Volk Israel diese Bestimmung nicht erfüllt hat, und daher die Nothwendigkeit geleitet, daß die Kirche andern Völkern gegeben werden mußte. Die Kirche des alten Testaments ist noch nicht die wabre vollkommene, aber sie soll die wahre, vollkommene Kirche vorbereiten. Zwei Punkte sind es besonders, die von der Kirche des alten Testaments ausgesagt werden: Erstens: Der schöne Glanz Gottes sollte aus Zion ausbrechen, und zweitens: Durch ihren Opferdienst sollte auf Jesum, das alleinige Opfer für die Sünden der Welt hingewiesen werden. Wenn sie diese beiden Stücke erfüllt hätte, dann sollte sie in die Kirche des neuen Testaments verklärt werden, aus dem alten Volke Gottes sollte das neue Volk Gottes werden; so wäre nicht bloß der schöne Glanz Gottes in der alttestamentlichen Kirche ausgebrochen, sondern das Volk Israel wäre mit eingegangen in den schönen Glanz Gottes; sie hätten nicht bloß Jesu Ankunft vorbereiten sollen, sondern sie hätten mit Jesu einziehen können in die neutestamentliche Kirche. Aber weil sie das nicht thaten,-so mußte die Kirche den Heiden gegeben werden; sie wollten nicht, daß der schöne Glanz Gottes ausbrechen sollte aus Zion, sondern sie wollten ihn in Israel behalten; sie wollten nicht, daß der Opferdienst in Christo erfüllt werden sollte, sondern daß der Opferdienst bliebe, wenn Christo käme. Sagt, meine Lieben, was macht uns selig, das Gesetz oder das Evangelium? Nicht wahr, das Gesetz verdammt uns, das Evangelium macht uns selig! Wenn du die zehn Gebote ansiehst, die verdammen dich alle, denn du bist ein Uebertreter derselben. Nun ist das alte Testament die Offenbarung des Gesetzes, des Gesetzes, das dich nicht selig machen kann; darum mußt du durch etwas anders selig werden, und das ist das Evangelium. Dieses Evangelium lehrt, daß Jesus Christus kommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen 1. Timoth. 1, 15, und daß das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, rein wäscht von allen Sünden. 1. Joh. 1,7. Was sollten die alttestamentlichen Opfer? Wohl sollten sie hinweisen auf Jesum, aber nicht die Sünden wegnehmen, denn das konnten sie nicht. Wie albern und dumm ist es, zu glauben, daß Ochsen- und Bocksblut Sünden wegnehmen können. Darum sagt auch Gott: Meinst du, daß ich Ochsen- und Bocksblut trinken will? Alle Thiere gehören Mir: Die Vögel unter dem Himmel, die Fische im Meere, das Gewürm in der Erde, die vierfüßigen Thiere auf dem Lande. Also die Thieropfer können nicht selig machen, können die Sünde nicht wegnehmen. Aber wozu sind sie denn eingesetzt, Gott hat es doch selbst gethan? Seht, die Menschen vergessen leicht, was gut und heilsam ist und was ihnen zu ihrer Seelen Seligkeit gesagt ist, nämlich, daß nur ein Blut rein wäscht, das Blut des Sohnes Gottes, der Mensch werden sollte. Durch den alttestamentlichen Opferdienst sollte diese Lehre, daß Jesu Blut allein Sünden wegnimmt, lebendig und kräftig erhalten werden im Volke Israel. Bei jedem Thieropfer mußte sich der Israelit sagen: Wie jetzt das Blut des Thieres fließt, so fließt einst das Blut Jesu Christi, und das nimmt Sünden weg. Nicht durch das Thieropfer, sondern durch Christi Opfer, das sie im Geiste durch den Glauben schauten, hatten sie Vergebung der Sünden. Wären sie treu dabei geblieben, so hätten sie bei, Christi Ankunft das Thieropfer fahren lassen und Christi Opfer angenommen, und wären also Gottes Volk geblieben. Statt dessen wollten sie das Thieropfer behalten und dadurch gerecht werden; und das Blut Jesu Christi traten sie mit Füßen. Da konnte sie Gott in Seiner Kirche nicht mehr behalten, sie mußten hinaus. Wie sahen denn die Juden die Sache an? Sie meinten durch das Thieropfer sich mit Gott abfinden zu können, und blieben dabei unbekehrte und ungläubige Leute. Das war denn freilich für das Fleisch eine bequeme Religion. Wenn ich meiner Sünden eingedenk werde und ich will sie gern los sein, und gehe dann hin, schlachte ein Schaf und sehe dessen Blut fließen, das ist freilich eine bequeme Sündenvergebung, die kann ich für ein paar Thaler haben. Wer aber Jesu Opfer annimmt, der muß sick bekehren, und das ist unbequem für den alten Menschen. Diese Unbequemlichkeit wollen die Leute nicht, die ist ihnen zu mühsam, da muß man von diesem absehn und von jenem ablassen, da muß man dem Teufel, der Welt und der Sünde absagen; und weil das die Leute nicht mögen, so bekehren sie sich nicht. Sie wollen lieber ein Schaf, oder einen Ochsen schlachten, damit kommen sie leichter davon. Was ist nun die Folge davon? Der mächtige, heilige und gerechte Gott muß ein solches Volk wegstoßen und ihm Seine Gnade nehmen. Die Juden haben Jesum verworfen, darum hat Gott sie wieder verworfen. Der schöne Glanz Gottes ist ausgebrochen in Zion, aber in Zion ist er nicht geblieben, er ist zu den Heiden übergegangen. Wir haben das Thieropfer verworfen und das wahre Opfer angenommen, wir haben Jesum angenommen und glauben an Ihn. Aber, meine Lieben, da wir nun in diesem seligen neuen Testamente sind und darin den Himmel haben, - denn wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und Seligkeit, - so fordert Gott von uns den wahren Gottesdienst; und nun höret, worinnen derselbe besteht. Der Psalm sagt: Opfere Gott Dank, und bezahle dem Höchsten deine Gelübde. Und rufe Mich an in der Noth, so will Ich dich erretten, so sollst du Mich preisen. Im Darbringen der Dankopfer und nicht im Thieropfer besteht der wahre Gottesdienst. Diese Dankopfer sollst du jeden Tag bringen; aber thust du es auch? Wie ist es mit euch, versammelt sich jeden Morgen euer ganzes Haus zum Hausgottesdienst? singet ihr mit einander? leset ihr Gottes Wort? fallet ihr auf eure Kniee und betet mit einander? Das heißt Gott Dankopfer bringen. Wie ist's, wenn euch Gott den Tisch deckt, geht ihr mit Gebet zu Tisch und stehet ihr mit Danksagung vom Tisch auf? oder machet ihr es wie die Ochsen und Schweine, die auch nicht beten? Geht Keiner von euch eher zu Bette, als bis Andacht gehalten ist? Dankt ihr in der Abendandacht für alle empfangene Gnade? flehet ihr um Gottes ferneren Segen? befehlt ihr euch Seinem Schutze? Das heißt Gott Dank opfern. Ach, meine Lieben, in vielen Häusern fehlt das Dankopfer noch immer ganz; und wer in diesen Häusern noch beten will, der thut es für sich allein. Das Tischgebet ist an vielen Orten ganz abhanden gekommen, man schämt sich, bei Tisch zu beten. Ja es geht so weit, ist man durch Gottes Gnade endlich dahin gekommen, das Tischgebet wieder einzuführen, und es kommt vornehmer Besuch, so wird das Beten gelassen, weil man sich schämt vor dem vornehmen Mann oder vor dem vornehmen Weibe. Und wo noch Morgen- und Abendandacht gehalten wird, da fehlt bald der Eine, bald der Andere. Wo ist der Hausvater? Der ist spazieren gegangen. Wo ist die Hausmutter? Die liegt noch im Bette. Wo ist der und der? Der bleibt in seiner Stube und kommt nicht. Ist es nicht scheußlich, so zu betrügen unter dem Schein der Frömmigkeit? Wo bleibt da die Frömmigkeit? Ferner: Bezahle dem Höchsten deine Gelübde. Sollen wir denn noch dem HErrn Gelübde thun? Welch eine dumme Frage! Wir haben dem HErrn schon Gelübde gethan. Hast du bei deiner Taufe nicht versprochen, dem Teufel, der Welt und der Sünde zu entsagen? - weitere Gelübde brauchen wir nicht. Diese Gelübde bezahle nun, d. h. halte treu und ehrlich, was du gelobt hast. Weiter, wo du irgend etwas hast, das dir fehlt und mangelt, gehe zu deinem Gott im Gebet; thust du das treu, so ist das ein Zeichen davon, daß du ein Kind des neuen Testaments bist. Ein Kind sucht Alles bei seinem Vater, vor ihm schüttet es sein Herz aus; so macht es auch der Christ vor seinem himmlischen Vater, und der hat gesagt: Rufe Mich an in der Noth, so will Ich dich erretten, so sollst du Mich preisen. Der wahre Christ setzt sein Vertrauen nicht auf Menschen, nicht auf Fürsten, auch nicht auf Aerzte, er setzt es allein auf Gott, und darum wird ihm geholfen; denn der HErr hat noch nie das gläubige Gebet unerhört gelassen. Dazu merke dir aber: Dieser innige Gebetsumgang mit Gott muß verbunden sein mit einem unanstößigen Wandel. Denn Gott ist ein heiliger Gott, darum haßt Er die Sünde; und wir sollen heilig sein, wie unser Gott heilig ist. Darum straft Gott in unserm Psalm so scharf und gewaltig die Heuchler, die das Wort Gottes wohl im Munde führen, aber im Wandel verleugnen. Er sagt: Du aber, du schändlicher Heuchler, was verkündigst du Meine Rechte, und nimmst Meinen Bund in deinen Mund, so du doch Zucht hassest, und wirfst Meinen Bund hinter dich? Hört man dich sprechen, so meint man, du bist fromm; sieht man aber deinen Wandel an, so läufst du mit den Ehebrechern, mit den Dieben, mit den Lügnern, du sitzest, wo gespottet und verläumdet wird, und du willst ein Christ sein, willst Meinen Bund in deinen Mund nehmen? Und wenn Ich dich nicht gleich strafe, so meinst du, daß Ich Gefallen habe an deinem gottlosen Wesen und machst es je länger je ärger; aber du sollst nicht lange triumphieren, Ich komme bald mit Meinen Gerichten. Das ist die größte Schande für einen Christen: Fromm sprechen und weltlich wandeln; durch nichts wird dem Reiche Gottes so viel Abbruch gethan, als wenn die Menschen sich heilig geberden und dann dem Teufel dienen. Und wie sehr das jetzt in der Christenheit überhand genommen hat, das sehet an den Punkten, die in unserm Psalm genannt werden. Erstens: Wenn du einen Dieb siehst, so läufst du mit ihm. Was, stehlen die Menschen jetzt mehr, als sonst? Ja, denn alle Augenblicke liest man in den Zeitungen, der und der ist mit der königlichen Kasse durchgegangen, der und der hat Bankerott gemacht, der und der hat Schulden gemacht und ist nach Amerika gegangen. Gehe einmal umher in den Dörfern und Städten, wo Christen wohnen und wo Gottes Wort noch im Schwange ist, gehe umher von Haus zu Haus und frage: Wer ist ohne Schulden? - Du wirst erstaunen, beinah alle haben Schulden. Die Gutsbesitzer und die Hofbesitzer, die Häuslinge, die Witwen und die Tagelöhner haben Schulden, ohne Schulden ist beinah Keiner. Warum? Weil die Menschen lauter Diebsgesindel geworden sind. Denn das ist nicht bloß Stehlen, wenn man in ein Haus bricht, sondern wenn man Schulden macht, die man nicht bezahlen kann, wenn man leihet, was man nicht wiedergeben kann. Wenn ich das zusammenzählen wollte, um was ich betrogen bin, meint ihr, daß es unter 3-4000 Thaler sein würde? Und das von meiner Gemeinde, von denjenigen, die meine Beichtkinder sind! So geht es allenthalben, kann auch nicht anders sein, denn wer kann das kostbare Zeug, die großen Reifröcke, den vielen Putz und Staat, die sechs bis acht Röcke im Schranke bezahlen? Und weil das Keiner kann, so werden Schulden über Schulden gemacht. Hat man kein Geld, so wird auf Borg genommen, ohne daran zu denken, wie man es bezahlen will; und das ist Spitzbüberei. Daraus sieht man, wie erbärmlich das Christenthum der Leute unserer Tage ist. Wollte ich doch lieber trocken Brot essen und Wasser trinken, als Schulden machen. Mancher überkommt Schulden von Vater und Mutter, und muß dann in den sauren Apfel beißen, sie abzubezahlen. Ist ein solcher ein wahrer Christ, so knappt er es sich am Munde ab und ruhet nicht eher, als bis die Schulden bezahlt sind. Meine Lieben, legt die Hand auf euer Herz und fragt euch, ob ihr auch Schulden habt. Zweitens: Du hast Gemeinschaft mit den Ehebrechern. Nächst der Diebssünde ist wohl keine so weit verbreitet, als die Hurensünde, und zwar die heimliche sowohl als die offenbare. Wir finden sie bei Vornehmen und Geringen, bei Jungen und Alten, bei Männern und Weibern. Die Vornehmen scheinen ordentlich zu meinen, daß sie ein Privilegium darauf haben, und die Geringen folgen ihrem bösen Beispiele. Unter hundert Menschen haben kaum zwei noch einen reinen Leib; der Eine hat in seiner Jugend gehurt und der Andere in seinem Alter, der Eine hat es heimlich gethan an seinem Leibe und der Andere öffentlich mit andern Menschen. Drittens: Du sitzest und redest wider deinen Bruder, deiner Mutter Sohn verleumdest du. Was ist verbreiteter, als das Klatschen. Denkt an die Thee- und Kaffeegesellschaften, denkt an die Wirthshaussitzer, - was thun die Leute da? Sie klatschen, sie machen ihrem Nächsten einen schlechten Namen. So sieht es aus in der Welt; sollte man da nicht Gott fragen, ob die Welt so noch lange bestehen könne? Zum Schluß des Psalms wird uns noch einmal gesagt, worin der wahre Gottesdienst besteht, nämlich: Wer Dank opfert, der preiset Mich; und das ist der Weg, daß Ich ihm zeige das Heil Gottes. Nun opfere Gott Dank! Fange damit am Morgen an und höre damit am Abend auf, und thust du das, dann zeigt dir Gott Sem Heil. Es ist wahr, was der alte Vers sagt: Mit Gott in einer jeden Sach' den Anfang und das Ende mach'. Mit Gott ist Alles wohl gethan, drum fang dein Werk im Namen Jesu an. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/harms_l/harms-der_psalter/harms_l_psalm050.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain