Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 49. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 49. Psalm.

Vers 1-11.

Dieser Psalm beginnt mit den Worten: Höret zu, alle Völker, merket auf, Alle, die in dieser Zeit leben, beide, gemeiner Mann und Herren, beide, reich und arm mit einander. Mein Mund soll von Weisheit reden, und mein Herz von Verstand sagen. Wir wollen einen guten Spruch hören, und ein feines Gedicht auf der Harfe spielen. Wozu diese Aufforderung? Meine Lieben, erkennt doch aus diesen Worten wieder recht, was für einen Schatz wir an Gottes Wort haben. Diese Worte, die ihr eben gehört habt, können nur von Gottes Wort gesagt werden, während von menschlicher Weisheit, Klugheit und Sprüchen immer gesagt werden muß, sie passen wohl für den einen, aber nicht für den andern; das Wort Gottes aber ist auf ganz gleiche Weise für alle Völker der Erde, für die Vornehmen und Geringen, für die Armen und Reichen nothwendig zur Seligkeit. Und dazu ist das Wort Gottes nicht ein anderes für die Reichen und ein anderes für die Armen, sondern für die Reichen und Armen dasselbe, nicht ein anderes für die Engländer und ein anderes für die Franzosen, sondern für alle Völker auf dem Erdboden dasselbe. Das ist es, was die göttliche Weisheit und Klugheit von aller menschlichen Weisheit und Klugheit unterscheidet. Die menschliche Weisheit und Klugheit gilt nur für gewisse Personen und Stände, die göttliche Weisheit und Klugheit ist für alle Personen und Stände dieselbe. Man kann daraus recht sehen, wie die Klugheit und Weisheit aller klugen Menschen, auch verschiedener kluger Pastoren, zu Schanden wird. Viele meinen nämlich, ein Stadtprediger müsse ganz anders predigen, als ein Dorfprediger, ein Prediger für die Reichen und Gebildeten müsse ganz anders predigen, als ein Prediger für die Armen und Ungebildeten, für grobe Nerven müßte ganz anders gepredigt werden, als für feine Nerven. Die Leute kommen am Ende noch so weit, daß sie einen besondern Pastor anstellen für die Schneider, einen besondern für die Schuster, einen besondern für die Tischler, daß ja ein jeder sein richtiges Theil abkriegt. Gott sagt, die Predigt soll dieselbe sein für Stadtleute und für Dorfleute, für Vornehme und für Geringe, für Leute mit zarten Nerven und mit groben Nerven; denn die Predigt ist Gottes Wort, und deßhalb soll sie nicht bei verschiedenen Zuhörern verschieden sein. Es gibt für Sünder nur einen Weg zur Seligkeit, und dieser Weg kann nur dann mit Erfolg gepredigt werden, wenn allen die Buße zu Gott und der Glaube an Jesum verkündigt wird. Das merke dir und schreibe in dein Herz, daß das Wort Gottes Alle gleich macht, ob sie sonst auch noch so verschieden sind. Der Weg zur Seligkeit ist für Alle derselbe, wie der Weg zur Verdammniß auch für Alle derselbe ist. Dieses ist die göttliche Weisheit, die in unserm Psalm besungen werden soll. Von Weisheit will Davids Mund sprechen, ein fein Gedicht will er singen; das sollen die Menschen merken und sich dadurch zur Seligkeit unterweisen lassen. Was ist denn das für ein Lied? Er sagt weiter: Warum sollte ich mich fürchten in bösen Tagen, wenn mich die Missethat meiner Untertreter umgibt? Die sich verlassen auf ihr Gut, und trotzen auf ihren großen Reichthum. Da sehet ihr also erstens die große Wahrheit, daß ein jeder wahrhaft fromme Mensch nothwendig die Weltkinder zu seinen Untertretern haben muß. Das bekennt David, aber, sagt er, ob ich das schon weiß, als gemeine Wahrheit, warum sollte ich mich fürchten vor der Missethat dieser Leute; und ob es reiche, angesehene Leute sind, ich fürchte mich doch nicht; da sehet ihr die zweite große Wahrheit. Also erstens: Ein jeder wahrer Christ hat die Weltkinder zu seinen Feinden, und zweitens: Je vornehmer und reicher die Weltkinder sind, desto ärgere Feinde sind sie. Die Hauptfeinde der Christen muß man nicht suchen unter den Armen und Geringen, sondern die Hauptfeinde sind die Angesehensten, Vornehmsten und Ehrbarsten. Das kannst du aus der ganzen heiligen Schrift sehen; aber ich will nur ein einziges Beispiel anführen, das ist das Beispiel unsers HErrn Jesu Christi. Ihr wißt, das ganze Pöbelvolk hat gerufen: Kreuzige, kreuzige Ihn! Ferner, die Hohenpriester und Schriftgelehrten, die Pharisäer und Sadduzäer, Herodes und Pilatus waren Seine Feinde, denn sie waren Weltkinder; aber wer waren Seine Hauptfeinde? Waren es die Armen, die Bürger und Bauern, das Pöbelvolk? Nein, denn in der Bibel heißt es immer, wenn die Obersten und Schriftgelehrten Ihn tödten wollten: Sie fürchteten sich vor dem Volk. Und wenn der Pöbel über Ihn herfiel, so geschah es auf Anreizung der Pharisäer und Schriftgelehrten; sie haben den Pöbel wüthend gemacht, wie man einen Hund wüthend macht. So ist es auch bei David. Wer sind seine Untertreter? Die Vornehmen, die Reichen, die Ehrbaren, das sind seine Hauptfeinde, die meinen es am bösesten und am schlimmsten mit ihm. Wenn du das bemerkst, als ein wahrer Christ, daß dir besonders die vornehmen Weltkinder feind sind, so könntest du dich fürchten und sagen: Was soll aus mir werden, wenn die Reichen und Vornehmen meine Feinde sind? wo soll ich was verdienen? Das ist ganz gut, daß die Armen meine Freunde sind; aber die lassen nichts bei mir machen, die geben mir nichts zu verdienen. So könnten sich die Christen wohl fürchten, - aber doch nur dann, wenn sie auf das Sichtbare sehen. Der gläubige Christ sieht auf das Unsichtbare, dann braucht er sich nicht zu fürchten. Warum nicht? David sagt: Kann doch ein Bruder Niemand erlösen, noch Gott Jemand versöhnen; denn es kostet zu viel, ihre Seele zu erlösen, daß er es muß lassen anstehen ewiglich. Also deßhalb fürchte ich mich nicht, weil alle diese Leute mich nicht erlösen, nicht mit Gott versöhnen können. Wenn sie das nicht können, warum sollte ich mich denn vor ihnen fürchten? Ja, hinge meine Erlösung, meine Versöhnung mit Gott von ihnen ab, dann hätte ich alle Ursache, mich zu fürchten; denn selig wollte ich gern werden. Hätten sie meine Seligkeit in den Händen, so würden sie mir die nicht geben. So ist nun das der Trost: Was diese Leute mir entziehen können, ist alles nur irdisch und weltlich, und was sie mir geben können, ist auch nur irdisch und weltlich. Gesetzt den Fall, ich habe keine Butter, so thut ein Stück Brot auch dieselben Dienste, ich habe kein Bett, so thut ein Brett auch den Dienst, ich habe kein Fleisch, nun so gibt mir wohl ein Armer ein Stück ab. Dem leidenden Bruder zu helfen, das ist ja der Beruf und die Aufgabe des Christen. Bin ich krank und habe nichts zu essen, der Reiche kommt gewiß nicht und theilt sein Brot mit mir, aber der Arme thut es; der Reiche wacht gewiß keine Nacht bei mir, aber der Arme thut es. Sind die Reichen meine Feinde, so mag mir ein Stück Braten entgehen und ein seidener Rock fehlen; doch das schadet nicht. Gott Lob und Dank! meine Seligkeit hängt nicht von ihnen ab, erlösen kann mich Keiner von ihnen, dazu gehört ein Anderer und das ist mein hochgelobter Heiland Jesus Christus. Der ist freilich der Allerhöchste und der Allerreichste, aber auch zugleich der Allerniedrigste und der Allerärmste. Nun mögen die Reichen hingehen mit Allem, was sie mir schaden und entziehen können, das ist doch nur irdisch! meine Seligkeit kommt von Jesu, der da ist wahrer Gott und wahrer Mensch. Das ist mein Trost: Wirklich schaden können mir die Weltkinder nicht und wesentlich Gutes können sie mir nicht erweisen. Schaden kann mir nur Einer, das ist Gott, und Gutes kann mir nur Einer thun, das ist auch Gott. Darum fürchte ich nicht der Welt Feindschaft und suche nicht ihre Freundschaft; wenn ich nur meinen Gott habe, der mich erlöset hat und die ewige Seligkeit gibt, dann ist's genug. Laß die Leute noch so vornehm und reich sein, laß sie lange leben und die Grube nicht sehen, und ob sie hundert Jahr alt werden, so können sie mich doch nicht erlösen, sondern müssen eben so gern sterben, als die Narren. Eben so nackt und bloß müssen sie dahin fahren, als der Aermste unter den Armen. Und vor solchen Leuten sollte ich mich fürchten? Sehet, meine Lieben, das ist ein Stück von der hohen Weisheit, die alle Menschen wissen müssen zur Seligkeit. Danket Gott, daß das Höchste, was es gibt, eure Seligkeit, allein von Christo abhängt und nicht von Menschen. Hinge eure Seligkeit von Menschen ab, o ihr armen, armen Leute, ihr wäret ja verrathen und verkauft. Nun hängt sie von Christo ab, und da laß die Menschen machen, was sie wollen, die Seligkeit können sie dir nicht nehmen. Amen.

Vers 12-21.

An der ersten Hälfte dieses Psalms war uns gezeigt worden, daß der Mensch, der selig werden will, einen Erlöser haben müsse, daß kein Mensch ohne einen Erlöser selig werden könne. Es war uns aber auch gezeigt, daß wir diesen Erlöser nicht unter den Menschen suchen dürften; wir müssen den Erlöser anderswo suchen, als unter den Menschen, nur Gott kann unser Erlöser sein, und nur der Gott, der Mensch geworden ist, kein anderer. So haben wir gesehen, daß allein Jesus Christus der Erlöser der Welt ist, weil Er wahrer Gott und wahrer Mensch in einer Person ist, und Sein Blut für die Sünden der Welt vergossen hat. Seitdem nun Jesus auf Erden gepredigt wird, daß Er der einzige Heiland sei, seitdem verhält sich die Menschheit so, daß sie sich in zwei Theile theilt; die Einen sind die Irdischgesinnten, und die haben keinen Heiland nöthig; die Andern sind die Himmlischgesinnten, und die danken Gott, daß ein Erlöser da ist, und nehmen Ihn im Glauben an. Von diesen beiden Arten Menschen ist in dieser zweiten Hälfte des Psalms die Rede. Zuerst werden die Irdischgesinnten geschildert, welchen man Jesum noch so viel predigen kann, aber es prallt alles ab, welchen man den Heiland vor die Augen malen kann, und die doch keinen Heiland brauchen. David schildert sie mit folgenden Worten: Das ist ihr Herz, daß ihre Häuser währen immerdar, ihre Wohnungen bleiben für und für, und haben große Ehre auf Erden. Da beschreibt er diese Leute, wie sie leiben und leben. In ihrem Herzen ist nur Raum für das Irdische, wie der Psalm sagt: Daß ihre Wohnungen bleiben für und für, und daß ihre Ehre groß wird auf Erden. Sprich mit ihnen vom Himmel, sie werden nicht entzückt; sprich mit ihnen von der Hölle, sie werden nicht erschreckt; aber sprich mit ihnen von preußischen Thalern, von großen Höfen, von Pferden und Kühen, von feinen Röcken, da funkeln ihre Augen, da glühen ihre Wangen, da hüpft ihr Herz. Für das Irdische haben sie Sinn, das Geistliche ist ihnen gleichgültig. Ich habe früher in einer Stadt bei einem Bürgersmann, der ein sehr rechtschaffnes Leben führte, ein ganzes Jahr lang zur Miethe gewohnt. Wenn ich zu Hause kam, ging selten ein Tag vorbei, daß ich ihn nicht wenigstens auf einige Augenblicke besuchte; - man lebt ja gern mit seinen Hausgenossen in Frieden und Ruhe, und es ist schändlich, wenn Leute in einem Hause nicht einmal mit einander sprechen, sondern sich den ganzen Tag zu mucken. Dieser Mann hatte einen schweren Anfang gehabt, auf seinem Erbe lasteten Schulden über Schulden; doch er hatte durch Gottes Gnade, - was er aber nicht sagte, - sondern durch seine eigene Geschicklichkeit - was er immer sagte, - die Schulden abbezahlt und ein neues Haus gebaut.

Jedermann liebte ihn, weil er ein rechtschaffner Mann war. Tag für Tag erzählte er mir von seinem schweren Anfange und von seinem großen Glück; aber in allen diesen Erzählungen kam kein Wort vor von dem himmlischen, ewigen Hause. Wo er auf Erden wohnte und bleiben wollte, das wußte er, wie er seine Kinder erziehen wollte, daß sie rechtliche Menschen würden, davon sprach er. Als ich ihm sagte: Lieber Freund, von Ihrem irdischen Hause höre ich alle Tage, durch Gottes Segen haben Sie das alles fertig gekriegt und sind nun ein gemachter Mann; aber wenn sie nun sterben müssen, das Haus, die Färberei und die Kunden können sie doch nicht mitnehmen, wie wird es dann? - Da schwieg er erst still, und antwortete dann, was mir durch Mark und Bein drang: Daran habe ich mein Leben lang noch nicht gedacht. Müssen das die Meisten von euch nicht auch sagen? An das Irdische habt ihr wohl gedacht, aber an das Himmlische nicht. Wie ihr vor Gottes Gericht bestehen wollt, wenn Er euch heute abrufen würde, daran habt ihr noch nicht gedacht. Welches ist das Urtheil über solche Leute? Hört: Dennoch können sie nicht bleiben in solcher Würde, sondern müssen davon, wie ein Vieh. Diese Leute mit ihren schönen Häusern und mit ihrer großen Ehre bleiben nicht in ihrer Würde, sondern fahren dahin wie ein Vieh, ja wie ein Vieh, wenn sie sich nicht bekehren. Da liegt also der großmächtige Mensch, der nicht genug kriegen kann, ausgestreckt, wie ein todtes Vieh; aber das ist nur von seinem Leichnam gesagt, mit der Seele sieht es noch ganz anders aus. Die Seele des Viehes kann nicht verdammt werden; wie wird es mit der Seele eines solchen Menschen, wo bleibt die? Von seiner Seele heißt es: Sie liegen in der Hölle, wie Schafe, der Tod naget sie; aber die Frommen werden gar bald über sie herrschen, und ihr Trotz muß vergehen, in der Hölle müssen sie bleiben. So ist es also mit ihrer Seele. Alles was sie auf Erden lieb hatten, müssen sie hier lassen, ihre Häuser und Eigen bleiben hier, ihr Leichnam liegt da wie ein todtes Stück Vieh und ihre Seele geht in die Hölle. Da geht es ihnen wie dem reichen Mann, als der in der Hölle und in der Qual war Luc. 16, 19-31. Sie liegen in der Hölle, der Tod nagt sie alle Tage und kann sie doch nicht aufnagen und auffressen. Hier hatten sie in ihrem stolzen Uebermuth die Frommen unter den Füßen, da aber werden die Frommen bald über sie herrschen. Denn während sie in der Hölle bleiben, heißt es von den Frommen: Aber Gott wird meine Seele erlösen aus der Hölle Gewalt; denn Er hat mich angenommen. Wann werden die Frommen über die Gottlosen herrschen? Am herrlichen Auferstehungsmorgen. Wenn dieser Morgen anbricht, dann stehen alle die je gelebt haben vor Jesu Thron, die Frommen sind aus dem Paradiese gekommen und die Gottlosen aus der Hölle, beider Leiber stehen auf aus den Gräbern und werden mit ihren Seelen vereinigt; dann werden die Gottlosen zur Linken Jesu und die Frommen zur Rechten Jesu gestellt und dann herrschen die letzteren über die ersteren. Schon das zeigt die bevorzugte, herrschende Stellung der Frommen an, daß sie zu Jesu Rechten gestellt werden, und das zeigt die verachtete, unterdrückte Stellung der Gottlosen an, daß sie zu Jesu Linken gestellt werden. Dann sollen die Frommen die Gottlosen richten, denn also heißt es Matth. 19,28: Ihr werdet sitzen auf zwölf Stühlen und richten die zwölf Geschlechter Israels; und 1. Corinth. 6,2: Wisset ihr nicht, daß die Heiligen die Welt richten werden? und Offenb. Joh. 3,21: Wer überwindet, dem will Ich geben mit Mir auf Meinem Stuhl zu sitzen; wie Ich überwunden habe, und bin gesessen mit Meinem Vater auf Seinem Stuhl. Und sind die Gottlosen erst in dem Feuerpfuhl, so müssen sie ewig darin bleiben, dann gibt es keine Rettung mehr. Wie könnten sie auch errettet weiden, da sie Jesum freiwillig verlassen und den Teufel freiwillig erwählt haben. Meine Seele aber bleibt bei Dir, o Jesu, denn ich habe mich bekehrt und Du hast mich angenommen, als Dein Kind. Wenn man das den Leuten sagt, sollte man nicht glauben, sie müßten sich alle bekehren? Ihr wißt alle, daß dieses wirklich so ist, was ich euch gesagt habe, und doch bekehrt ihr euch nicht. Und warum bekehrt ihr euch nicht? Der Psalm sagt: Dies ihr Thun ist eitel Thorheit; noch loben es ihre Nachkommen mit ihrem Munde. Ihr sehet das recht gut ein, daß das Irdische vergeht und daß das Himmlische besteht, für so dumm halte ich euch nicht, daß ihr das nicht einsehen solltet, und doch bekehrt ihr euch nicht, doch dient ihr der Welt. Wenn der Sonntag vorbei ist, so denkt ihr doch morgen wieder den ganzen Tag an das Irdische, an die Ernte, an euer Vermögen, und den HErrn vergeßt ihr. Was, sollen wir denn das Irdische ganz liegen lassen? O bewahre, wir sollen eben so treu im Irdischen, als im Geistlichen sein; aber wir dürfen das Herz nicht an das Irdische hängen, wir dürfen nicht in dem Irdischen ruhen. Der Psalm fährt fort: Laß dich's nicht irren, ob Einer reich wird, ob die Herrlichkeit seines Hauses groß wird. Denn er wird nichts in seinem Sterben mitnehmen und seine Herrlichkeit wird ihm nicht nachfahren. Hier wollen die Leute gute Tage haben und von dem Irdischen nichts missen, denn daran hat ihre Seele Wohlgefallen; aber den Himmel und die Seligkeit vergessen sie. So müssen wir den Schluß machen: Kurz, wenn ein Mensch in der Würde ist, und hat keinen Verstand, so fährt er davon wie ein Vieh. Die Menschen haben auf Erden die traurige Beurtheilungsweise: Sehen sie einen reichen Mann, so sagen sie: Welch ein glücklicher Mensch, und sehen sie einen armen Mann, so sagen sie: Weich ein unglücklicher Mensch. Daher kommt das namenlose Elend, das auf Erden ist; denn da Reiche und Arme diese Beurtheilungsweise gemein haben, so ist davon die Folge: Die Reichen verachten die Armen und die Armen beneiden die Reichen. Und das Kat darin seinen Grund, damit ich es noch einmal sage: Das irdische Gut gilt für ein Glück und der Mangel desselben für ein Unglück. Hält der Arme den Reichthum für ein Glück, so muß er sich höchst unglücklich fühlen; hält der Reiche die Armuth für ein Unglück, so muß er sich höchst glücklich schätzen. Und was haben die Menschen von dem Reichthum? Nichts können sie davon im Sterben mitnehmen; und da sie auf Erden nur von Reichthum gesprochen haben, so haben sie die Sprache des Himmels nicht gelernt. Solche Menschen mit dem irdischen Sinn, sind mit nichts anderem zu vergleichen, als mit einem Stück Vieh. Der irdisch gesinnte Reiche hält keinen Morgengottesdienst, entweder weil er keine Zeit, oder weil er keine Lust hat, oder weil ihm beides fehlt. Den ganzen Tag rührt er die Bibel nicht an, bei Tisch betet er nicht; ihm ist es nur darum zu thun, den Bauch zu füllen. Des Abends geht er ohne Gebet und Andacht zu Bette, Sagt mir, was hat der Mensch für einen Vorzug vor dem Vieh? Der Ochse steht auch auf ohne Gebet und Andacht, er frißt auch ohne Gebet und Danksagung und des Abends legt er sich hin zum Schlafen ohne Gebet. Solch ein Ochsenleben führt der Irdischgesinnte. Zwischen ihm und einem Ochsen ist gar kein wesentlicher Unterschied; stirbt er, so stirbt er wie ein Ochse, und seine Seele kommt in die Hölle, wo der Tod sie ewiglich naget. Amen.

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