Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 44. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 44. Psalm.

Vers 1-15.

Wie der vorige, so ist auch dieser Psalm überschrieben, daß er von den Kindern Korah soll vorgesungen werden. Dabei können wir sehen, wie wahr es ist, was Gott spricht durch den Propheten Hesekiel: Ein Sohn soll nicht leiden um der Missethat des Vaters willen, und der Vater soll nicht leiden um der Missethat des Sohnes willen, sondern ein Jeder soll seine eigene Missethat tragen und um seiner eigenen Sünde willen sterben. Denket daran, was Korah für ein gottloser, scheußlicher Mensch war, der sich empörte gegen Gott, gegen Aaron und Mose, so daß Gott ein furchtbares Gericht über ihn kommen lassen mußte, daß die Erde sich aufthat, ihn zu verschlingen. Und von diesem gottlosen Korah stammen die Kinder Korah her, die zur Zeit Davids die hauptsächlichsten Tempelsänger und Diener Gottes in dem großen Dank-, Lob- und Singechor waren, den David einrichtete. Drei Söhne hatte Korah, deren keiner mit verschlungen wurde, weil sie nicht gewilligt hatten in des Vaters Sünde. So kam es, daß von diesem gottlosen Korah die treuen Nachkommen abstammten, die eine Zierde des Gottesdienstes wurden. Ja, es werden uns sogar zwei von den Nachkommen Korahs genannt, die zu hohen Ehren kamen und die höchsten Stellen im Reiche Gottes einnahmen; der eine war der durch Weisheit ausgezeichnete Heman, den David über den ganzen Gottesdienst setzte, und der andere der noch bekanntere Samuel, ein Richter, wie Israel ihn'nicht wieder gehabt hat und der an Frömmigkeit seines Gleichen suchte, so daß Hesekiel, wenn er die frömmsten Israeliten zusammenstellen will, Noah, David und Samuel nennt. Lasse sich daher niemand dadurch irre machen, wenn er einen gottlosen Vater oder eine gottlose Mutter haben sollte, als ob er darum nicht bei Gott in Gnaden sein könnte. Läßt er nur die Missethat seines Vaters, oder seiner Mutter, so ist er Gott eben so angenehm, als der, der den frömmsten Vater und die frömmste Mutter hat. Niemand wird um der Eltern Sünde gestraft, wenn er sich bekehrt, sondern ein Jeder muß um seiner eigenen Missethat willen leiden. In diesem Psalm sind besonders wichtig die drei ersten Verse. Sie zeigen an, wodurch Israel zu Davids Zeiten ein so ausgezeichnetes, von Gott begnadigtes und auserwähltes Volk geworden war. Denn David betet: Gott, wir haben es mit unsern Ohren gehört; unsere Väter haben es uns erzählt, was Du gethan hast zu ihren Zeiten vor Alters. Du hast mit Deiner Hand die Heiden vertrieben, aber sie hast Du eingesetzt. Du hast die Völker verderbet, aber sie hast Du ausgebreitet. Denn sie haben das Land nicht eingenommen durch ihr Schwert, und ihr Arm half ihnen nicht, sondern Deine Rechte, Dein Arm und das Licht Deines Angesichts; denn Du hattest Wohlgefallen an ihnen. Wodurch war also zu Davids Zeit Israel ein so ausgezeichnetes, auserwähltes und hochbegnadigtes Volk geworden? Dadurch: Gott, wir haben es gehört mit unsern Ohren, unsere Väter haben es uns erzählt, was Du gethan hast zu ihren Zeiten vor Alters. Seht, jeder israelitische Vater erzählte seinen Kindern die großen Gnaden und Thaten Gottes, die Er einst gethan. Da hörten sie es denn mit ihren Ohren aus dem Munde des Vaters oder der Mutter; sie sogen es gleichsam mit der Muttermilch ein. Was der Vater erzählte, das nahmen sie zu Herzen, das wurde das innerste Eigenthum ihrer Seele, sie glaubten es, wie ein Kind dem Vater glaubt; aus Glauben wurde es erzählt, im Glauben wurde es angenommen. Wenn ihre Zungen zu stammeln anfingen, lernten sie den Namen „Jehovah“ aussprechen. Wenn sie sprechen konnten, erzählten ihnen die Väter von der Herrlichkeit des HErrn. Was denn? Z. B. die Wunderdinge in Egypten, die Wunder beim Auszuge aus Egypten, in der Wüste, bei der Einnahme Kanaans; wie der HErr ihre Feinde vor sie hergetrieben und Alles so herrlich hinausgeführt habe. Das alles erzählten sie mit der lebendigsten Begeisterung, und zu allem wurde hinzugesetzt: Das hat Gott gethan, nicht wir mit unserm Schwert und Arm, nein, mit Gottes Schwert und Arm. Wie z. B. Jericho's Mauern fielen ohne Schwert durch Gottes Allmacht; wie das Heer des Sissera durch Hagel geschlagen wurde; wie auf Josua's Wort Sonne und Mond still standen, damit Israel sich an seinen Feinden rächen konnte. Das alles erzählten sie ihren Kindern und sagten: Sehet, Kinder, das ist unser Gott; Er ist gnädig und hat Wohlgefallen an uns. Das hat Er gethan, weil Er uns lieb hatte, nicht weil wir es verdient hätten. Mußte das nicht in die tiefste Tiefe des Herzens dringen bei den Kindern? Mußten sie da nicht Auge und Ohr sein, daß sie den Vätern gleichsam von den Lippen nahmen, was sie ihnen erzählten? Da kam die Mutter auch noch zu Hülfe und half mit einprägen, so daß sie gleichsam schon durch die Muttermilch gesäugt wurden mit den großen Thaten des HErrn. Dadurch ist Israel damals so groß geworden. Und damit vergleicht nun einmal das jetzige Christenvolk. Wo sind die Väter, die ihre Kinder auf die Kniee nehmen und ihnen erzählen von den großen Thaten Gottes? Wo sind sie, könnt ihr sie nennen? Säen, pflügen, Mist fahren, das können sie; aber die Kinder auf die Kniee nehmen und ihnen von Gott erzählen, welcher Vater thut das noch in der jetzigen Zeit? Die Zeiten sind vorüber in der Lüneburger Haide, wo der Hausvater Abends im Flett saß, und seine Kinder, Knechte und Mägde um ihn her, und er sie unterwies, indem er redete von den Thaten des HErrn. Jetzt sagen sie: Ich schicke meine Kinder zur Schule und bezahle das Schulgeld dafür; nun laß die Schulmeister dafür sorgen, daß sie das Wort Gottes lernen, ich kann mich nicht weiter darum bekümmern. Weißt du wohl, daß du ein Rabenvater bist, der du also denkst und sprichst? Das leibliche Leben haben sie von dir und um das geistliche, meinst du, brauchst du dich nicht zu bekümmern? Und wo ja noch in einem Hause etwas für die Kinder geschieht, da sind es höchstens noch die Mütter; die Väter mit ihrem väterlichen Ansehen nehmen sich der Kinder nicht an, die meinen genug zu thun, wenn sie ihnen das leibliche Brot geben. Prüfe sich daher ein jeglicher Vater, und thut Buße im Sack und in der Asche, macht wieder gut, was ihr versäumt habt. Ja, es ist ein großer Segen, daß wir Schulen haben, was würde aus den Kindern, wenn wir keine Schulen hätten? Aber keine Schule kann ersetzen die Unterweisung des Vaters an seine Kinder, die Unterweisung der Mutter an ihre Kinder. Auch der beste Schullehrer kann das nicht ersetzen, daß Vater und Mutter die Kinder nicht auf ihren Schooß nehmen und ihnen erzählen; sie haben es nicht mit der Muttermilch eingesogen, sie sind schon sechs Jahr alt geworden, ehe sie etwas von Gott gehört haben. Daher der weit verbreitete Abfall von Gott in jetziger Zeit. Die Klage ist so allgemein über die Ruchlosigkeit der Jugend, die jetzt aufwächst, und eö ist wahr, sie wird immer ruchloser. Diese Ruchlosigkeit hat ihren Grund darin, daß Vater und Mutter ihren Kindern nicht mehr erzählen aus Gottes Wort; und wo es noch geschieht, geschieht es doch nicht in ausreichendem Maße. Sechs, sieben Jahre werden die Kinder alt, ohne von Jesu zu hören; in der Schule hören sie oft zum ersten Male den süßen Namen Jesus. Da möchte ich sagen: Die beste Zeit ist vorüber, wo das Wort Gottes mit tausend Fäden ins Herz der Kinder gezogen werden kann. Diese Zeit hat der Teufel dann weislich benutzt, und man will sich noch wundern darüber, daß die Kinder, so wie sie aus der Zucht der Schule sind, Buben und Rangen werden. Wer das erfahren hat, - und unter Hunderten ist kaum Einer zu finden, der das sagen kann - was das für ein Segen ist, einen frommen Pater und eine fromme Mutter gehabt zu haben, die mit ihm gebetet und geistliche, liebliche Lieder gesungen haben, wer den Segen weiß, den er davon für sein ganzes Leben gehabt hat, der wird leicht erkennen, wie hoch begnadigt das Volk Israel war. Um diesen Segen habt ihr Väter und Mütter, die ihr es nicht so macht, wie die Israeliten, so schändlich eure Kinder betrogen; könnt ihr das je vor Gott verantworten, ihr gottlosen Rabenväter und Rabenmütter? Wie schon gesagt, an Geschichten war bei den Kindern Israel kein Mangel, denn die Bibel ist ja so reich an wunderbaren Erzählungen von der Schöpfung, vom Paradiese, von dem Sündenfall, von der Sündfluth, von den Patriarchen Noah, Abraham, Isaak, Jakob rc. Das alles war eine Reihe von Thaten und Wundern Gottes, daran sie genug zu erzählen hatten. Und da kamen noch hinzu die Thaten der Richter, der Könige, der Propheten und so sort und sort. Hatten sie dann alles erzählt und fingen wieder von vorne an, so war alles wieder neu, und Gott ließ sich an ihnen nimmer unbezeugt. Und nun sehet, wie hiedurch die Demuth in Israel in damaliger Zeit gepflegt wurde; es gab damals kein demüthigeres Volk, während es jetzt kein hochmütigeres Volk giebt, als gerade die Juden. Mußten sie nicht bei jenen großen Thaten demüthig werden? Wer hatte die alle gethan? Nicht ihr Arm, nicht ihr Schwert, nicht ihre Macht, sondern Gottes Arm, Gottes Schwert, Gottes Macht. Der HErr hatte vor ihnen das Meer ausgetrocknet, ihnen Brot und Wasser gegeben in der Wüste, hatte sie geleitet in der Wolken- und Feuersäule, Er stieß die Mauern Jericho's um; wie David auch sagt: Denn sie haben das Land nicht eingenommen durch ihr Schwert, sondern Gottes Arm hat es gethan. Und siehe, nun solgt der Segen, denn der David, der das gehört hatte von seinen Vätern, mit seinen Ohren, der gleichsam damit groß gefüttert war, der spricht: Gott, Du bist derselbe, mein König, der Du Jakob Hülfe verheißest. Durch Dich wollen wir unsere Feinde zerstoßen; in Deinem Namen wollen wir untertreten, die sich wider uns setzen. Darum , verlasse ich mich auf Dich, denn auch mir hilft mein Schwert und Bogen nicht, das habe ich, sagt er, von meinen Vätern gelernt. Ihr König und Gott ist auch mein König und Gott, und der Israels Schwert und Hülfe gewesen ist, der ist auch meine Hülfe und mein Schild. Das habe ich gründlich gelernt: Mein Schwert und Bogen hilft mir nicht, sondern Du hilfst uns von unsern Feinden, und machst zu Schanden, die uns hassen. Darum ist David auch solch ein Kriegsheld gewesen; er hat alle seine Feinde niedergelegt und ist nie geschlagen worden, wer auch seine Feinde waren, ob Philister, oder Syrer, oder sonst wer, ob ihrer mehr als 1000 oder 10,000 waren, der Sieg ist immer auf seiner Seite geblieben. Seht nun aber zugleich die edle Gesinnung Davids im Folgenden: Warum verstößest Du uns denn nun, und lassest uns zu Schanden werden, und ziehest nicht aus unter unserm Heer? Du lassest uns fliehen vor unsern Feinden, daß uns berauben, die uns hassen. Du lassest uns auffressen wie Schafe, und zerstreust uns unter die Heiden. Du verkaufst Dein Volk umsonst, und nimmst nichts darum. Du machst uns zur Schmach unsern Nachbarn, zum Spott und Hohn denen, die um uns her sind. Du machst uns zum Beispiel unter den Heiden, und daß die Völker das Haupt über uns schütteln. Da kommt eine Klage nach der andern, und es sind lauter merkwürdige Klagen. Wenn ihr aber die Geschichte von Davids Königthum nachleset, so findet ihr keine Zeit, worauf dieses passen könnte. Denn da ist er nie besiegt, da ist er nie zertreten worden von seinen Feinden, sondern er hat vielmehr gesiegt und sie zertreten. Daher fragt man erstaunt: Wie kannst du denn so klagen über Verlassenheit, daß Gott nicht auszieht mit deinem Heer? Die. Antwort ist diese: Es kann dieser Psalm zu keiner andern Zeit gesungen worden sein, als David mit seinen Kriegsleuten in der Wüste war und Saul von den Philistern geschlagen und so zu sagen gefressen wurde mit seinem Volke. Diese Niederlage nun sieht David, weil er mit Leib und Seele ein Israelit war, an, als ihm selbst geschehen, darum sagt er: „Uns, unser“. Er hätte ja eben so gut sagen können: Warum ziehst Du nicht aus mit Sauls Heer? Nein, mit unserm Heer, sagt er. Freud' und Leid des Volkes Gottes ist seine Freude und sein Leid! hat er es nicht selbst verdient und erfahren, so sieht er es doch an, als wäre es ihm widerfahren. Und das sagt derselbe Mann, der so furchtbar von diesem Saul verfolgt wurde, den Israel verließ und Keiner rührte sich für ihn, als Saul ihn verfolgte. Aber doch bleibt Israels König sein geliebter König und Israel sein geliebtes Volk. Das heißt Liebe üben gegen Haß, Treue gegen Untreue und zeigt, was für ein Knecht Gottes David gewesen ist. Es war eben des Volkes Gottes Ehre seine Ehre, des Volkes Gottes Schande seine Schande. Wenn ihr das alles bedenkt, o prüfet euch noch einmal, ihr Väter und Mütter, so gedenkt der alten Zeit. Kehrt die' wieder, dann werden auch wieder andere Menschen werden, und der HErr wird bekehren die Herzen der Väter zu den Kindern, und die Herzen der Kinder zu den Vätern. Amen.

Vers 16-27.

Wir haben in der letzten Vorlesung gehabt, wie David sich beklagt vor Gott, daß die Feinde mächtig geworden sind in Israel, daß sie sogar das Heer Israels geschlagen haben und der HErr, der doch immer Seines Volkes Gott gewesen ist, sei nicht ausgezogen mit ihrem Heer, und so hätten die Feinde ein Triumphgeschrei erheben können, daß es ihnen gelungen sei, das Heer Israels zu schlagen. Was nun für Schmach auf das Volk Gottes ruhte, die lag auch auf David, denn des Volkes Gottes Ehre und Schande ist Davids Ehre und Schande. So soll ja überall ein frommer Mensch zur Kirche stehen, wie David hier steht zu seinem Volk, denn was ist die Kirche anders, als das Volk Gottes? Darum ist der Kirche Ehre seine Ehre, der Kirche Schande seine Schande. Weil nun das Volk Gottes so von den Heiden geschmäht und gehöhnt wird und mit Triumphgeschrei der Sieg über Gottes Volk ausgerufen wird, so empfindet David diese Schmach als seine Schmach und sagt: Täglich ist meine Schmach vor mir, und mein Antlitz ist voller Schande, daß ich die Schänder und Lästerer hören, und die Feinde und Rächgierigen sehen muß. Er nennt der Kirche Schmach seine Schmach, ihre Schande seines Angesichts Schande, und das bloß wegen des Triumphgeschreies, das die Feinde und Lästerer erheben, die sich empören gegen das Reich des lebendigen Gottes; daß er hören muß die Schänder und Lästerer, daß er sehen muß die Feinde, die da höhnisch vom Volke Gottes sagen: Siehe, es liegt darnieder, wir haben es überwunden. Die Leute, die so der Kirche Ehre als ihre Ehre, der Kirche Schmach und Schande als ihre Schmach und Schande ansehen, das sind nun aber auch die rechten Beter und Kämpfer der Kirche. Denn so darf es nicht bleiben, Gottes Kirche darf nicht im Staube bleiben und untertreten werden. Darum fangen sie an zu beten zu Gott, um Ihn durch Gebet auf andere Wege zu bringen. Das Merkwürdigste ist aber das Folgende, so merkwürdig, daß man es mit großen Buchstaben anschreiben sollte: Dies Alles ist über uns gekommen, und haben doch Deiner nicht vergessen, noch untreulich in Deinem Bunde gehandelt; unser Herz ist nicht abgefallen, noch unser Gang gewichen von Deinem Wege, daß Du uns so zerschlägest unter den Drachen, und bedeckst uns mit Finstermh. Wenn solche Niederlagen und Gerichte über Gottes Volk kommen, nachdem es abgefallen ist, so sieht das ein Jeder an, als ganz in der Ordnung. Das ist nicht zu verwundern, wenn z. B. jetzt bei dem allgemeinen Abfall Gottes Gerichte über die Kirche kommen. Aber damals, als diese Züchtigungen über das Volk Gottes kamen, konnte David sagen: Unser Herz ist nicht von Dir gewichen; wie ist das zu erklären? Ja, er setzt hinzu: Wenn wir des Namens unsers Gottes vergessen hätten, und unsere Hände aufgehoben zum fremden Gott, wenn wir abgefallen wären, dann müßtest Du uns wohl schlagen. Aber so ist es nicht, und doch züchtigest Du uns. Unser Herz ist ja vor Dir, und Du kennst unsers Herzens Grund; Du weißt ja, wie es um uns steht, denn wir werden um Deinet willen täglich erwürget, und sind geachtet wie Schlachtschafe. Das, will er sagen, ist doch kein Zeichen davon, daß wir abgefallen sind, sondern ein Zeichen der Treue; wären wir abgefallen, dann brauchten wir das nicht zu leiden. Darum sehet, daß man nicht alle Trübsale, die über die Kirche und jeden einzelnen kommen, immer als Strafe anzusehen hat, wie wir hier ein deutliches Beispiel haben; denn David kann sagen: Unser Herz ist nicht von Dir gewichen, und doch beugst Du uns in den Staub. Ist's denn aber nicht zur Strafe, - und das kann ja nicht sein, denn über die, so Gott treu sind, kann Gott keine Strafe kommen lassen, Er wäre sonst kein gerechter Gott, - wozu denn nun dieses Gericht? wozu der scheinbare Sieg der Feinde und das Triumphgeschrei der Lästerer? Ein jeder Mensch, der seinen Heiland Jesum Christum wahrhaft im Glauben ergriffen hat, muß ein Zwiefaches leiden: Das Eine, was er leiden muß, ist Züchtigung um seiner Sünde willen, die ihm noch täglich anklebt, und darum bedarf er diese Strafe, damit er in täglicher Reue und Buße bleibe und nicht einen Tag heraus falle, denn der alte Adam muß in täglicher Reue und Buße ersäuft werden, und täglich heraus kommen der neue Mensch, der in Gerechtigkeit und Heiligkeit vor Gott ewiglich lebe. Es ist jeder Tag meines Lebens verloren, an dem ich nicht in Buße und Glauben vor Gott stehe. Aber außerdem, muß noch eine andere Züchtigung auf mich kommen: Ich muß erprobt und versucht werden im Christenglauben, und darum läßt Gott den Satan gegen mich los, damit in dessen Versuchung mein Glaube die Probe bestehe. Wenn mein Glaube die Probe nicht besteht, kann er nicht gekrönt werden, und Gott kann mir die Seligkeit nicht geben. Ich soll die Seligkeit haben als ein ewiges, unverlierbares Eigenthum, und das kann sie nicht sein, wenn mein Glaube die Probe nicht bestanden hat; darum muß jeder Mensch durch Anfechtung hindurch gehen. So ist's von Anfang an gewesen. Als Adam und Eva im Paradiese waren, da waren sie gut und selig; aber vollendet waren sie noch nicht, sie sollten dahin kommen, daß sie die Seligkeit als ewiges und unverlierbares Eigenthum erhielten. Darum ließ Gott zu, daß der Teufel in'S Paradies kam und sie versuchte. Hätten sie die Anfechtung bestanden, so wäre ihr Gutsein und ihre Seligkeit unverlierbar geworden und niemand hätte sie antasten können; als sie aber die Probe nicht bestanden, da veloren sie beides. Wir bekommen nun auch durch die, heilige Taufe Gottes Ebenbild wieder, wir erhalten darin Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit, daß wir wieder geworden sind wie Adam und Eva, natürlich von der Erbsünde abgesehen, die jene nicht hatten, die aber auch noch nach der Taufe in unserm Herzen ist. Aber wir haben das noch nicht als ewiges, unverlierbares Eigenthum, dazu müssen wir erst die Probe bestebn, müssen erst versucht werden, wie Adam und Eva. Es hat schon Mancher gesagt: Warum läßt Gott den Teufel noch immer so herum laufen auf Erden, daß er die Menschen verführt? Die Antwort ist: Das geschieht darum, weil ohne bestandene Prüfung kein Mensch selig werden könnte; aller Leute Glaube muß erst die Probe bestehn, und nur Erprobte und Bewährte können eingehen in die ewige Seligkeit. Das war nun über Israel gekommen. Obgleich sie nicht abgefallen und untreu geworden waren, mußte doch der Satan sie anfechten und sie mußten in Niederlage und Schmach gerathen, damit ihr Glaube die Probe bestand. Und sie sind bestanden, denn am Schlüsse dieses Psalms sehen wir, wie ihr Glaube die Probe bestand. Denn statt sich irre machen und zurückschrecken zu lassen, greift David Gott so gewaltig ins Herz, daß er Hn mit seinem Gebet gleichsam zwingt. Wie gewaltig fleht er! Alle Anfechtung hat ihn nicht einen Augenblick von Gott weg gebracht. Er betet: Erwecke Dich, HErr, warum schläfst Du? Wache auf, und verstoße uns nicht so gar. Siehe, sagt er zum lieben Gott, willst Du jetzt ein Schläfer sein, wenn Deine Gläubigen leiden? Willst Du Dich hinlegen und ausruhen, wenn Deine Gläubigen kämpfen? Da siehst du, daß er durch alles Vorige keinen Schiffbruch gelitten hat am Glauben, nicht irre geworden ist an seinem Gott. Es ist ja nicht recht, sagt er, daß Du Dein Antlitz verbirgst und vergissest unsers Elends und Dranges, das mußt Du ja nicht thun. Kannst Du Deine Freude daran haben, daß unsere Seele gebeugt ist zur Erde, daß unser Bauch am Erdboden klebt? So weit war es mit David gekommen: Nicht mehr knieend, sondern hingestreckt auf der Erde, den Bauch an der Erde klebend, fleht er, wie es von Jesu heißt, daß Er in Gelh, semane nicht bloß geknieet habe, sondern auf Sein Angesicht gefallen sei. Und nun macht er den Schluß: Mache Dich auf, hilf uns, und erlose uns, um Deiner Güte willen. Gott muß helfen, David hat Ihn mit Seinen eigenen Waffen geschlagen; sein Glaube hat die Anfechtung bestanden. So laßt David nur immer weiter gehen, dann wird er bald die Seligkeit unverlierbar besitzen, nachdem sein Glaube so die Probe bestanden hat. Amen.

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