Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 43. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 43. Psalm.

Dieser Psalm ist eine Fortsetzung des vorigen, darum er auch in manchen Psalmbüchern als Ein Psalm mit dem zweiundvierzigsten bezeichnet wird. Das sieht man daraus, daß er mit denselben Worten schließt, wie der 42. Psalm: Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir rc. Auch dieser Psalm ist also von David noch gesungen und gebetet, als er in der Wüste war, ferne von den Gottesdiensten des HErrn. Es heißt zu Anfang desselben: Richte mich, Gott, und führe meine Sache wider das unheilige Volk, und errette mich von den falschen und bösen Leuten. Wodurch war es geschehen, daß David in die Wüste gegangen war und dort nun, fern von den Gottesdiensten des HErrn, lebte? Hatte er es etwa selbst erwählt? Mit nichten, das hätte er nie erwählt zu wohnen an einem Orte, wo er nicht in die Kirche gehen konnte. Ihm galt ja das Brot der Seele tausendmal mehr als das Brot des Leibes. Das war also nicht seine Wahl, sondern er war dahin getrieben. Und von wem? Von seinen bittern Feinden, die ihm nach der Seele stellten. Darum betet er: Richte mich Gott, und führe meine Sache wider das unheilige Voll und errette mich von den falschen und bösen Leuten. Er war der Unschuldige, die gottlosen Leute, denen er nichts gethan hatte, waren die Schuldigen. Sie haßten ihn nicht um Uebelthat willen, sondern lediglich um seiner Frömmigkeit willen. Darum hatten sie ihn vertrieben aus Jerusalem, aus den Gottesdiensten des HErrn, hatten ihn gestoßen in die Wüste und verfolgten ihn dort noch Tag und Nacht, daß er sich seines Lebens nicht sicher war. Er hatte das leiden müssen, denn er wollte sich nicht rächen. Er wollte nicht streiten gegen seine Widersacher, wollte sich nicht setzen gegen seine Feinde, sondern hatte das Gericht Gott überlassen, darum sagt er: Richte Du mich, Gott, und führe Du meine Sache wider das unheilige Volk. Warum aber wehrt er sich nicht? War er doch ein Held, der schon Tausende der Philister erschlagen hatte, konnte er sich nicht gegen seine Feinde wehren? Hätte er sich nicht leicht im Volke großen Anhang verschaffen können? Gott hatte ihn doch schon Mm Könige salben lassen; wäre es ihm nicht leicht gewesen, gegen Saul aufzutreten und zu sagen: Du bist kein König mehr, ich bin es, mich hat Gott gesalbt, und das Volk Saul abzuwenden? Aber er hatte das Theil erwählt, in allen Sachen des HErrn Ihn allein walten zu lassen und nicht seine eigenen Wege zu Gottes Wege hinzu zu fügen. Seine Absicht war zu kämpfen, zu leiden, zu siegen, wie Gott es wollte, aber nicht ohne Gott. Als seine Feinde ihn von Haus und Hof jagen, flieht er und spricht: Der HErr will es so. Als sie ihn verfolgen, und sein Feind in seine Hand gegeben ist, rächt er sich nicht, sondern spricht: Der HErr hat's ihm geheißen; ich will meine Hand nicht legen an den Gesalbten des HErrn. Ihm bleibt nichts anders übrig, als: Richte Du mich, mein Gott. Falsche Leute nennt er sie, denn sie waren des Satans Kinder, und gingen alle mit Lügen und Trug um; böse waren sie, sonst hätten sie ihn, den frommen Knecht Gottes, nicht so hassen können. Aber obgleich sie falsch und böse waren, will er doch nicht seine Hand wider sie erheben, sondern spricht: Du, Gott, kennst mich und sie, nun führe Du meine Sache, Dir will ich alles übergeben. Das ist in allen Sachen von jeher der wahren Christen Weise gewesen: Nicht sich selbst wehren mit ihrem Arm, nicht Hülfe suchen bei den Menschen, sondern die Sache dem anheim stellen, der da recht richtet, und die Augen um Hülfe zu dem erheben, der auf den Bergen wohnt, von welchen uns Hülfe kommt. Als Jesus von den Feinden gefangen genommen wird, und die Jünger ganz außer sich darüber sind, auch das Schwert schon ziehen zur Selbsthülfe, spricht Er zu Petro: Stecke dein Schwert in die Scheide. Meinst du nicht, daß Ich Meinen Vater bitten könne um mehr denn zwölf Legionen Engel? Wie würde aber die Schrift erfüllt? Er ist still, Er braucht Seine Allmacht nicht, will auch nicht die zwölf Legionen Engel haben, sondern giebt sich in die Hände Seiner Feinde. Und das ist auch die Weise der rechten Christen, daß sie können still sein in jeder Noth, dadurch sie zu solchen werden, die sich selbst bezwingen und ihre Sache dem Gott übergeben, der da recht richtet. Es sind jetzt etwas über 100 Jahre her, da hatten sich in Salzburg im Oesterreichischen mehr denn 30.000 Menschen zu dem HErrn bekehrt und waren zum lutherischen Bekenntniß übergetreten. Sie dienten dem HErrn aufrichtig mit Beten, Lesen und Singen, und weil sie keine Kirche hatten, in die katholische aber nicht gehen konnten wegen des darin herrschenden Götzendienstes, hielten sie ihre Gottesdienste in den Häusern. Von Monat zu Monat traten immer mehr zu dem lutherischen Glauben über, daß es schien, als wollten sich alle bekehren. Da kam ein neuer Erzbischof auf den Stuhl, und als nun die Nachricht von dem Uebertritt Vieler zur lutherischen Kirche vor dessen Ohren kam, schwur er: Ich will lieber über gar kein Land, als über Ketzer herrschen. Er wollte sie ausrotten aus dem Lande, und sollten auch Dornen und Disteln auf den Aeckern wachsen. Und was er nicht bei Gott, sondern bei dem Teufel geschworen hatte, das hielt er auch. Er quälte die Lutheraner auf das Fürchterlichste; sie wurden als Rebellen beim Kaiser verklagt. Der schickte 6000 Mann Soldaten in's Land, welche bei den Lutheranern einquartiert wurden; die mußten ihnen Alles aufessen und sie plagen auf alle mögliche Weise. Da hatten sie bald kein Brot mehr für sich und ihre Kinder, und sollten doch noch für die Soldaten was anschaffen. Diese übten die roheste Gewalt an ihnen, rissen sie des Nachts aus den Betten und warfen sie ins Gefängniß; es wurde ihnen Haus und Hof verkauft, oder wenn sie aus Noth ihr Haus, Vieh oder Land verkaufen mußten, wollte es niemand. Es traten Mißhandlungen aller Art ein. In der Nähe von Salzburg war ein Felsenkeller, der viele Fuß tief war, dahinein wurden sie geworfen, wo sie Wochenlang weder Sonne noch Mond sahen. Nun gingen die Salzburger in öder, stiller Nacht in die Gebirge, um da ihre Gottesdienste zu halten, da sie es in ihren Häusern, nicht konnten, und nahmen nach Art der Gebirgsleute ihre Büchsen mit gegen die wilden Thiere. Als sie da ihren Gottesdienst in einer Nacht gehalten hatten mit Singen und Beten, traten einige alte, ehrwürdige Männer hervor und sagten: Kinder, wir wollen den Bund mit einander machen, daß wir treu bleiben wollen bei unserm. Bekenntniß und nicht von unserm Glauben lassen; und als Zeichen dieses Bundes nahm ein jeder ein bisschen Salz in den Mund, deßhalb hieß er der Salzbund. Als sie nun nach Schließung dieses Bundes wieder sangen und beteten, kam mit einem Male das kaiserliche Fuß- und Pferdevolk; Verräther oder Spione waren da gewesen und hatten diese Stelle ausgekundschaftet. Sie nahmen ihre Büchsen, um sich zu wehren gegen die Feinde, die sie im Hause plagten und nun auch in der Wüste ihnen keine Ruhe lassen wollten. Da traten aber die drei alten, ehrwürdigen Männer mit weißen Bärten hervor und sprachen: Brüder, die ihr den Salzbund geschlossen habt, in allen geistlichen Dingen kommt Gott das Richten zu, wir aber müssen stille sein und Ihn walten lassen. Das wirkte; sie legten ihre Büchsen weg, ließen sich fesseln und nach Salzburg abführen. Zuletzt wanderten mitten im Winter gegen 30,000 Mann von diesen aus in andere Länder Deutschlands. Und das müssen wir uns zumal in dieser Zeit oft vorhalten, namentlich die Prediger, die sich zum Theil schon so ansehen müssen, als hätten sie den Strick schon um den Hals, er braucht nur noch zugezogen zu werden. Doch laßt uns nur stille sein, nicht selbst uns helfen wollen, Gott allein muß helfen, und wir sprechen: Richte Du, so wird Er es schon zu Ende bringen. Nachdem David so gebetet hat, fährt er fort: Denn Du bist der Gott meiner Stärke; warum verstößest Du mich? Warum lassest Du mich so traurig gehen, wenn mich mein Feind dränget? David will nicht seine eigene Stärke sein - Du bist meine Stärke; David will sich nicht selbst helfen mit seinem Arm, ob er gleich ein Heldenarm ist, nein, sagt er, Du bist meine Stärke. Aber wenn Du mein Gott bist, warum verstößest Du mich? Warum lässest Du mich so traurig gehen, wenn mich mein Feind dränget?

Das bezieht sich darauf, daß er nicht in die Kirche kommen kann, denn das Andere kümmert ihn nicht; aber daß er nicht zum Gottesdienst kommen kann, das will ihm das Herz abpressen, darin besteht seine Traurigkeit. Jetzt muß er umher irren als einer, der keinen Gott, keinen Stecken und Stab hat. Das Süßeste, was es giebt, das Brot des Lebens, das Schönste, was es giebt, die Gottesdienste, muß er entbehren, während seine Feinde gloriren und jubeln: Wo ist nun der HErr, dein Gott? Nachdem David so sein Herz und seinen tiefen Schmerz ausgeschüttet und sich durch nichts hat bewegen lassen, Wege der Selbsthülfe zu gehen, ergreift er die rechte Waffe der Kinder Gottes und wendet sich betend zu dem HErrn: Sende Dein Licht und Deine Wahrheit, daß sie mich' leiten, und bringen zu Deinem heiligen Berge und zu Deiner Wohnung, daß ich hineingehe zum Altar 'Gottes, zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist, und Dir, Gott, auf der Harfe danke, mein Gott. Merket doch, was David betet. Er ist der Schwiegersohn des Königs Saul gewesen, hat in einem schönen Palast gewohnt; bittet er nun etwa: Lieber Gott, bring mich doch wieder in meine prächtige Wohnung zurück? Er hat als einer der Vornehmsten im Lande das vortrefflichste Essen und Trinken gehabt und den besten Hausrath; bittet er etwa: Gieb mir anstatt des Thränenbrots die schönen Speisen wieder? Er ist der Kriegsoberste über das Heer Sauls gewesen; bittet er etwa: Stelle mich wieder an die Spitze meiner Krieger? Von dem allen findet ihr kein Wort in seinem Gebete. Ob er Schwiegersohn des Königs ist, oder nicht, ob er in einem Palast, oder in einer Hütte wohnt, ob er schöne Speisen hat, oder trocken Brot, das ist ihm einerlei. Um was bittet er denn? Hört: HErr, HErr, das Eine gieb mir, daß ich in die Kirche gehen kann, daß ich die Gottesdienste mit feiern kann. Sende Dein Licht und Deine Wahrheit, daß es offenbar werde, daß dieser David nicht ist ein Widersacher des Königs Saul, sondern sein treuer Diener; daß aber Saul ein Feind Gottes und darum ein Verfolger des Knechtes Gottes ist; damit es klar werde, daß die Schuld dieser Verfolgung nicht an David, sondern an Saul liegt; daß nicht David der Verfolger, sondern der Verfolgte, der Unschuldige ist. Und das wird offenbar werden, wenn ich wieder gehen darf zu Deinem Hause und Berge. Da will ich denn hintreten zu Deinem Altar und Dich mit der Harfe preisen, o Gott, den ich nenne meinen Gott. Er will nicht nach dem Königsthron oder anderer Herrlichkeit zurück, er will wieder nach dem Ort zurück, wo die Stiftshütte steht, Gott zu danken, zu singen und zu dienen mit Seinem Volk. Mag nun dieser Psalm gesungen sein zu Sauls oder zu Absaloms Zeit, Eins will David nur: Dem HErrn dienen mit Psalter und Harfe. Das ist das Einzige, was noth ist und was eines jeden Frommen Seele bewegt. Ein Solcher kennt nur das eine Unglück auf Erden: Die Altäre und Gottesdienste des HErrn entbehren müssen, das ist sein Kummer und Herzeleid, das kann er nicht ertragen. Wie sind die wahrhaft Frommen doch so ganz anders als die Weltkinder; die letzteren entbehren gerade die Gottesdienste des HErrn am allerliebsten. Ja, ihr glaubt es vielleicht nicht, es giebt Leute, viele Leute, die seit ihrer Konfirmation nicht mehr zur Kirche gehen, auch in unserer Gemeinde giebt es solche, die nicht zur Kirche kommen. Es giebt Leute, die nie zum Abendmahl kommen, sie kehren dem HErrn den Rücken und sagen: Wir wollen nicht. Sind derer in unsrer großen Gemeinde auch nur einzelne, vielleicht zwei oder drei, so kann man sie in den Städten zu Tausenden zählen. Zu Tausenden lesen sie nicht in der Bibel, gehen sie nicht zur Kirche und zum Abendmahl, ja sie lachen und höhnen wohl gar, wenn's zur Kirche läutet. Es giebt eine Stadt in Deutschland, - und die ist noch nicht die schlechteste - die sich jetzt so vergrößert hat, daß darin gegen 600.000 Menschen wohnen. Wißt ihr wohl, wie viele von diesen sonntäglich zur Kirche gehen? Man hat 20.000 zusammengerechnet, 580.000 gehen also gar nicht zur Kirche und leben ohne Gottes Wort in der Welt. Heißt das nicht ein massenhafter Abfall? Und so sieht es in der ganzen Welt aus! Dieses schreitet aber auch auf dem Lande immer mehr vorwärts; auch da finden sich einzelne Leute, die Kirchen- und Abendmahlsverächter sind, die am Kirchengehen ihren Hohn und Spott haben, und, um die jungen Leute vom Altar und aus der Kinderlehre zurück zu bringen, höhnisch fragen: Weißt du auch deinen Gesang schon? Es giebt auch viele, die zwar zur Kirche gehen, die aber schlafen, plaudern und nicht zuhören; von denen allen kann nicht gesagt werden, daß sie ihre Lust haben an Gottes Wort. Das ist das einzige Zeichen wahrer Gottseligkeit: Um keinen Preis die Gottesdienste des HErrn entbehren können,-ohne dringende Noth keinen Gottesdienst versäumen. Wer noch am Sonntage auskutschieren kann, wer noch hingehen kann, die weltlichen Gesellschaften zu besuchen und Weltlust zu treiben, statt in die Kirche zu gehen, und wer in der Kirche schläft, plaudert oder nicht zuhört, der rühme sich nur nicht seines Kirchengehens. Aber wollen denn nicht alle in den Himmel? Ja, hinein wollen wohl alle. Aber ist da nicht alle Tage Sonntag? Wird da nicht alle Tage gebetet, gesungen und gedankt? Was will denn ein Solcher in dem Himmel, der hier schon keinen Sinn für himmlische Dinge hat und nichts davon wissen will? Ihr sehet deutlich, daß in den Himmel nur solche kommen können, die einen geistlichen Sinn haben. Als nun David auf alle Selbsthülfe verzichtend, sein Herz vor Gott ausgeschüttet hat, ist er ganz zufrieden und stille und spricht.- Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde Ihm noch danken, daß Er meines Angesichts Hülfe und mein Gott ist. Er will sagen: Du hast ja doch eigentlich gar keine Ursache zur Unruhe und zur Traurigkeit; harre auf Gott, und du wirst Ihm noch danken. Du mußt bloß noch ein bisschen warten, Gott führt deine Sache und hilft dir auch zum Siege. Aber warten mußt du noch etwas, sei nur ganz stille. Nun wird und bleibt er auch ganz stille, und Gott ist auch gekommen, hat ihn wieder in die Kirche geführt, daß er seine Harfe nehmen konnte, den HErrn zu loben und zu preisen, und ist fröhlich gewesen in seinem Gott. Amen.

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