Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 41. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 41. Psalm.

Dieser 41. Psalm führt eine doppelte Ueberschrift, die eine ist: Von Wohlthätigkeit und Untreue; die andere: Von dem Messias und Seinem Leiden, insonderheit von Judas, dem Verräther. Jene ist die neumodische, diese die altmodische; da wir nun nicht zu den Neumodischen gehören, so nehmen wir die altmodische Ueberschrift, und wollen jene einfach hei Seite schieben. Die altmodische Ueberschrift ist auch die rechte, denn der ganze Psalm gehört wie der vorige, zu den messianischen, und kann nur als solcher recht ausgelegt werden, wobei sich aber von selbst versteht, daß er, wenn er ein messianischer ist, nicht etwa in ein oder zwei Versen messianisch ist zu thun in den übrigen andere Dinge enthält, sondern daß er ganz messianisch ist, von Anfang bis zu Ende. Es werden sich ja dann immer auch wieder Züge finden, die auf jeden wahren Christen bezogen werden können, was auch überall der Fall ist. Alles, was Christum betrifft, wiederholt sich in irgend einem Maße bei den Christen, so daß Sein Thun unser Thun, Sein Leiden unser Leiden, Seine Ehre unsere Ehre wird. Heißt es doch: Gleichwie Christus ist auferstanden von den Todten, durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln Röm. 6,4. Sagt doch der Heiland selbst, gleich wie Er leiden müsse, so auch wir; wie Er Beelzebub gescholten sei, so müssen auch wir uns also nennen lassen. Wie er gesinnt war, so sollen auch wir gesinnt sein, wie Er gewandelt hat, so sollen auch wir wandeln Phil. 2,5. So spiegelt sich das ganze Leben des wahren Christen ab in dem Leben Jesu, jedoch mit dem Unterschied, daß das alles doch nur abgeleiteter maßen bei dem Christen der Fall ist. Ursprünglich ist's in Christo, abgeleitet in uns; von Ihm geht alles Leben aus. Es heißt in unserm Psalm: Wohl dem, der sich des Dürftigen annimmt, den wird der HErr erretten zur bösen Zeit. Damit ist das ganze Wesen des Heilandes bezeichnet, was Ihn durch und durch beseelt, die unaussprechliche, erbarmungsreiche Liebe, womit Er sich des Dürftigen annimmt, das ist Sein Lebenstrieb. Er sahe uns in unserm Blute liegen, da kam Er und half uns, verband unsere Wunden und , sprach: Du sollst leben Hes. 16,6. Er sahe die 5000 in der Wüste hungern und speiste sie mit Brot und Fisch, Joh. 6,1-13. Er sieht die Belasteten in ihrer Bedrückung, die gebeugten Hauptes einher gehen und spricht: Kommet her zu Mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, Ich will euch erquicken Matth. 11,28. Ob Einer dürftig ist am Leibe, er kann zu Jesu kommen; ob Einer dürftig ist am Geiste, er kann zu Jesu kommen. Wer in irgend welcher Noch, leiblich oder geistlich, einen Hülfsmann suchen will, der gehe nur zu Jesu. Er hilft den leiblich Dürftigen: Er macht die Kranken gesund, thut den Tauben die Ohren, den Blinden die Augen auf, macht Lahme gehend, Stumme redend, Aussätzige rein Matth. 11,5. Den geistlich Dürftigen vergiebt Er die Sünde, giebt ihnen Trost und Erquickung und befreit sie von ihrer geistlichen Noth. Weil Er nun der einzig wahre Heiland ist, so folgt daraus, daß die wahren Christen ganz Seinem Wandel nachfolgen. Es ist ein Erkennungszeichen der wahren Gläubigen, daß sie sich der Dürftigen annehmen, während die Weltkinder sich zurückziehen und sagen: Das thun wir nicht, denn mit den Dürftigen und Armen haben wir nur Last; was sollen wir uns um diese bekümmern. Aber das Herz der Gläubigen wird hingezogen zum Helfen, wo Noth ist. Darum giebt Gott den Gläubigen auch die Verheißung: Der HErr wird ihn bewahren, und beim Leben erhalten, und ihm lassen wohl gehen auf Erden, und nicht geben in Seiner Feinde Willen. Der HErr wird ihn erquicken auf seinem Siechbette; Du hilfst ihm von aller seiner Krankheit. Das kommt daher, der liebe Gott sieht, daß Er so wenig treue Armenväter und Haushalter auf Erden hat, und eben weil es so wenige sind, die ihre Güter zum Dienst der Armen verwenden, läßt Er auf diese Seine besondern Segensströme fließen, damit sie reich gesegnet von der Liebe und Gnade Gottes sich der Dürftigen annehmen können, wohlzuthun und zu geben haben. Die meisten Menschen haben keine Lust, sich des Dürftigen anzunehmen, es ist ihnen zu unbequem, zu beschwerlich; sie legen ihr Geld lieber auf Zinsen, suchen lieber selbst in Herrlichkeit und Freuden zu leben und in Purpur und köstlicher Leinwand einher zu gehn, als Andere zu kleiden. Darum läßt Gott auf solche treue Pfleger der Armen so ganz besondere Gnaden- und Segensströme fließen. Er erhält sie beim Leben, schützt sie auf dem Krankenbette, damit sie desto länger Armenväter sein können. Da war einst eine solche Armenmutter in der Gemeinde zu Joppe, die Tabea, die den Armen Röcke und Kleider machte. Als sie nun gestorben war, da weinten die Armen und Wittwen, denen sie Röcke gemacht hatte; da klagten die Kinder: Unsere Mutter ist todt, wo kriegen wir nun eine Mutter wieder? Gott fand aber keine solche Mutter in der ganzen Gemeinde, die ihr hinterlassenes Werk hätte fortführen können. Darum mußte Er Tabea durch Petrus wieder aufwecken, Er errettete sie nicht nur vom Siechbette, sondern weckte sie vom Tode auf, damit sie fortfahren könne, eine Mutter der Armen zu sein Ap. Gesch. 9, 36-43. Paßt dieses denn auch auf Jesum? hat Er nicht sterben müssen? kann von Ihm gesagt werden: Der HErr wird Ihn bewahren und beim Leben erhalten rc.? V. 3. Freilich ist das wahr, unser HErr Jesus hat gelitten, ist gestorben und begraben, aber das hatte mit Seinem Leiden und Sterben eine ganz besondere Bewandtniß, als mit uns, Er allein ist uns Stellvertreter und Bürge, Er leidet für unsere Sünde. Das konnte Er mit keinem Andern theilen; Er ist unser Erlöser, und hat aus Kindern des Todes Kinder des Lebens gemacht. Zu dieser Art steht Er einzig da; denn kein Frommer kann sagen: Ich leide und sterbe für eines Andern Missethat. Darum mußte Jesus sterben, weil Er sich unserer Dürftigkeit annahm. Das ist unsere größte Dürftigkeit, die Sündendürftigkeit; das ist unser größter Jammer, der Sündenjammer, und diese Sünde mußte Er tilgen. Die Sünde konnte aber nicht dadurch von uns genommen werden, daß Er uns ein Stück Brot gab, oder ein Kleid anzog zur Deckung unserer Blöße; sondern Sein Blut mußte für uns fließen, Er mußte für uns sterben. Während Gott den Gläubigen das Leben erhält, daß sie den Dürftigen helfen, mußte Er Christum das Leben nehmen, damit uns geholfen würde, daß wir nun rühmen können: Ich habe angezogen das hochzeitliche Kleid Christi! Dadurch ist nun mein Elend weggenommen. Nachdem Christus auferstanden und gen Himmel gefahren ist und zur Rechten Gottes sitzt, nimmt Er sich erst recht des Dürftigen an, und sendet neue Ströme des Lebens herab. Alles was wir haben, leiblich und geistlich, kommt ja von Jesu, denn wer giebt uns Vergebung der Sünden? wer giebt uns das tägliche Brot? Ist's nicht der Jesus, zu dem wir beten: Komm, HErr Jesu, sei unser Gast, und segne uns und was Du uns aus Gnaden bescheert hast? Dies, Sein Stellvertreten für unsere Sünden, zeigt der folgende Vers: Ich sprach: HErr, sei mir gnädig, heile Meine Seele, denn Ich habe an Dir gesündigt. Hat Jesus denn gesündigt? Sagt Er nicht selbst: Wer unter euch kann Mich einer Sünde zeihen? Joh. 8, 46, und hier heißt es: Ich habe an Dir gesündigt? Da flehest du, wie wörtlich es zu verstehen ist, daß Christus unser Bürge geworden ist, so buchstäblich, daß Er unsere Sünden auf sich genommen in dem Maße, daß, da wir gesündigt haben, Er sagt: Ich habe an Dir gesündigt, Meine Sünden haben Mich ergriffen. Aber Sein Gebet: HErr, sei Mir gnädig, ist erhört, denn obgleich Er sterben mußte, durfte Er doch nicht im Tode bleiben, sondern der Vater hat Ihn vom Tode errettet. Dieses Leiden Jesu für unsere Sünden ist aber ein furchtbares Leiden gewesen, darum kann auch der Psalm nicht müde werden es zu beschreiben in seinen einzelnen Zügen. Es heißt V. 6: Meine Feinde reden Arges wider Mich: Wann wird Er sterben und Sein Name vergehen? Sie haben also keinen sehnlicheren Wunsch, als den: Jesus soll sterben. Wunderbar, daß sich die Menschen so in Feindschaft gegen Christum verhärten können, daß sie nichts sehnlicher wünschen, als Seinen Tod. Wann wird Er sterben und Sein Name vergehen? sprechen sie. Sie können Seinen Tod nicht erwarten, so widerwärtig ist Er ihnen, daß sie Ihn nicht sehen mögen; Christi Name ist ihnen so verhaßt, daß es ihnen am liebsten wäre, wenn Sein Name aus der Welt getilgt würde. Während die Gläubigen Jesu Namen nicht nennen können, ohne, daß ich so sage, vor Freude zu weinen, können die Gottlosen Ihn nicht nennen, ohne vor Wuth mit den Zähnen zu knirschen. Sie lassen es aber auch nicht beim bloßen Wünschen, sondern thun auch was sie können, Ihn zu vertilgen und sich vom Halse zu schaffen. Darum heißt es weiter in der Weissagung V. 7: Sie kommen, daß sie schauen, und meinen es doch nicht von Herzen, sondern suchen etwas, daß sie lästern mögen, gehen hin, und tragen es aus. Kaum war Jesus aufgetreten, predigend oder Wunder thuend, gleich sehen wir da die Laurer von den Pharisäern, Sadduzäern und Herodes Dienern. Was wollen diese Spione? Sie suchten etwas zu erjagen aus Jesu Mund, sie meinten es nicht von Herzen, einen Fall wollten sie Jesum bereiten und eine Anklage gegen Ihn finden; als sie die nicht finden konnten, beschlossen sie Seinen Tod. Darum heißt es weiter im Psalm: Alle, die Mich hassen, raunen mit einander wider Mich, und denken Böses über Mich. Sie haben ein Bubenstück über Mich beschlossen: Wenn Er liegt, soll Er nicht wieder aufstehen. Auch Mein Freund, dem Ich Mich vertraute, der Mein Brot aß, tritt Mich unter die Füße. Sehet an die Leidensgeschichte. Da kommen die Pharisäer, Sadduzäer und Schriftgelehrten und raunen wider Ihn, d. h. sie hielten einen Rath, wie sie Ihn umbrächten. Er soll sterben, sagt Kaiphas. Ja, sie beschlossen ein Bubenstück: Wenn Er liegt, soll Er nicht wieder aufstehen. Und als sie das beschlossen hatten, kam Sein Freund, der Sein Brot aß, dem Er sich vertraute, und trat Ihn unter die Füße, er giebt sich her zu dem Bubenstück und verräth seinen HErrn und Meister, der scheußliche Judas. Aber soll das den Buben unvergolten bleiben? Unmöglich; darum sagt der Psalm: Du aber, HErr, sei Mir gnädig und hilf Mir auf, so will Ich sie bezahlen. Dabei merke Ich, daß Du Gefallen an Mir hast, daß Mein Feind über Mich nicht jauchzen wird. Mich aber erhältst Du, um Meiner Frömmigkeit willen, und stellst Mich vor Dein Angesicht ewiglich. Und sie haben ihre Bezahlung gekriegt. Willst du die Bezahlung wissen, die Judas gekriegt hat, so siehe den Baum an, an dem er sich aufgehängt hat, das ist seine Bezahlung Matth. 27, 5. Willst du wissen, was für eine Bezahlung Jerusalem und das jüdische Volk bekommen haben? Sie riefen: Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder! Matth. 27, 25. und dieses ist buchstäblich in Erfüllung gegangen. Seht doch wie in der Belagerung und Zerstörung Jerusalems ihr Blut über ihr Haupt gekommen ist, und wie es noch über sie kommt, da sie zerstreut sind in alle Lande. Aber so gewiß, wie sie ihre Bezahlung bekommen haben, so gewiß ist unser lieber Heiland in die ewige Seligkeit und Herrlichkeit eingegangen, Sein Vater hat Ihn errettet. Er steht vor Ihm ewiglich, um Seiner Frömmigkeit willen. Und nachdem Er Alles vollbracht hat, steht Er da, von Gott versetzt in den Himmel, als der vollkommene Knecht des vollkommenen HErrn, als der ewige. Sohn des ewigen Vaters; nun kann Er sagen: Siehe, Ich habe Dein Werk, das Du Mir aufgetragen hast, vollkommen ausgerichtet, Ich will nun ewig bei Dir bleiben. Und der Vater spricht: Ja, Mein Sohn, das hast Du gethan, nun setze Dich zu Meiner Rechten, bis Ich lege Deine Feinde zum Schemel Deiner Füße Ps. 110, I, Du sollst richten und herrschen ewiglich. Da sitzt Er nun, und von dannen warten wir Seiner Wiederkunft in Herrlichkeit. So kann denn der Psalm schließen mit den Worten: Gelobet sei der HErr, der Gott Israels, von nun an bis in Ewigkeit. Amen. Amen.

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