Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 38. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 38. Psalm.

(Vers 1-11.)

Dieser Psalm ist einer von den sieben Bußpsalmen, in der Reihenfolge der dritte, und damit ist schon der Inhalt desselben ausgedrückt, er kann ja als Bußpsalm von nichts anderem, als von Buße handeln. David hebt an zu beten: HErr, strafe mich nicht in Deinem Zorn, und züchtige mich nicht in Deinem Grimm. Also Strafe ist verdient, Züchtigung muß sein, das ist ja eine Sache, die nur der Unbußfertige und Selbstgerechte nicht erkennt, der da sagt, wie jener reiche Jüngling im Evangelio: Ich habe keine Sünde, was fehlt mir noch? Matth. 19,26. Der Bekehrte und Bußfertige, der seine Sünden erkennt und fühlt, muß bekennen: Ich habe Strafe verdient, es muß Züchtigung kommen, ich weigere mich auch nicht, gestraft und gezüchtigt zu werden; aber um Eins bitte ich: HErr, strafe mich nicht in Deinem Zorn, züchtige mich nicht in Deinem Grimm. Also David will gern Strafe leiden, nur nicht Strafe im Zorn und Züchtigung im Grimm, denn das ist ja nichts anders, als die ewige Verdammniß. Zwar will er nicht leugnen, daß er die ewige Verdammniß verdient habe, aber obgleich er die Gerechtigkeit der ewigen Verdammniß anerkennt, möchte er doch nicht ewig verdammt werden, deßhalb bittet er: HErr, strafe mich nicht in Deinem Zorn, und züchtige mich nicht in Deinem Grimm. Wenn er weiter betet: Denn Deine Pfeile stecken in mir, und Deine Hand drücket mich, so tritt uns die Frage entgegen: Was sind das für Pfeile, die in ihm stecken? Merket wohl, daß es ein Verschiedenes ist: Satans Pfeile und Gottes Pfeile. Hier heißt es: Deine Pfeile stecken in mir, also Gottes Pfeile, und dann: Deine Hand drücket mich, also Gottes Hand. Gottes Pfeile aber sind andere als Satans Pfeile. Man hört in manchen Auslegungen dieses Psalms: Deine Pfeile, das seien Anfechtungen; aber Anfechtungen sind immer Satans Pfeile, nie Gottes Pfeile, denn von Gott steht geschrieben: Er ist nicht ein Versucher zum Bösen, Er versucht Niemand Jak. 1, 13. Aber was für Gottes Pfeile sind es denn? Es sind keine andere als die Worte des lebendigen Gottes, die ihm sein Sündenelend vorhalten, die ihm wie Pfeile in sein Herz geschossen werden und hier und da seine Sünden aufdecken, deren jedes ihn verdammt. Solche Gottesworte sagen wohl: Mit der Sünde hast du die Verdammniß verdient, und mit dieser und mit jener auch. So wird sein ganzes Leben ihm zur Sünde und damit zur Verdammniß. Das sind Gottes Pfeile und Gottes Hand, aber keine Anfechtungen und Pfeile des Satans. Die letzteren haben die Absicht, den Menschen von Christo abzuführen; Gottes Pfeile haben den Zweck, den Menschen zu Christo zu bringen. Darum ist der Unterschied zwischen Gottes und Satans Pfeilen so groß, wie der Unterschied zwischen Himmel und Hölle. Als Kain seinen Bruder Abel getödtet hatte, kam der Pfeil in sein Herz: Meine Sünde ist größer, denn daß sie mir könnte vergeben werden 1 Mose 4, 13. Das war Satans Pfeil, denn dieses Wort wollte ihn von Christo abtreiben, während Gottes Pfeile zu Christo hintreiben. Da heißt es z. B.: Wo die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die Gnade viel mächtiger geworden Röm. 5, 20, oder: Ich elender Mensch, wer will mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? aber es kommt hinterher der Schluß: Ich danke Gott durch Jesum Christum, meinen HErrn Röm. 7, 24-25; oder: Verflucht ist Jedermann, der nicht bleibet in alle dem, das geschrieben steht im Buche des Gesetzes, daß er es thue; aber hinterher heißt es: Christus hat uns erlöset von dem Fluche des Gesetzes, da Er ward ein Fluch für uns Gal. 3. 13. Das sind Gottes Pfeile, und die haben den Zweck, das in seinen Sünden geängstete Herz zu Jesu zu treiben, daß es in Ihm Ruhe finde. Wenn mir nun Gott in Seinem Worte die ewige Verdammniß um meiner Sünde willen verkündigt, wenn Seine Pfeile in mir stecken und Seine Hand mich drückt, wenn es in allen Worten der Bibel bestätigt wird: Verdient hast du die ewige Verdammniß, was ist dann die Folge? Was David V. 4 sagt: Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe vor Deinem Drohen, und ist kein Friede in meinen Gebeinen vor meiner Sünde. Da ist Angst, aber keine Verzweiflung, wie bei Kam, Angst, welche sogar den Leib krank und schwach macht; nicht bloß Seelenangst, sondern Angst, die das Mark aus den Knochen zehrt, so daß nichts Gesundes an meinen Gebeinen ist, im eigentlichen Sinn. Es kann ja auch nicht anders sein, denn was hast du mit deinen Sünden verdient? Den Zorn Gottes hast du verdient, und weißt du nicht, daß der hinunterbrennt bis in die unterste Hölle? Was kann denn anders, als solche Angst deine Seele ergreifen, daß auch an deinem Leibe alles verdorrt, nichts Gesundes bleibt, die Knochen ihr Mark zu verlieren scheinen, und du nicht weißt, wohin du sollst. Daher man bei so vielen Menschen, die zur Buße erweckt werden, wirklich findet, daß sie von einem Arzt zum andern geschleppt werden, weil man meint, da der Leib mit krank ist, der Arzt müsse helfen, als käme die Krankheit der Seele von der Leibeskrankheit, daher müsse erst der Leib gesund werden. Und es ist doch gerade umgekehrt, erst muß die Seele gesund werden, eher wird der Leib nicht besser. Fragt man einen solchen Menschen: Was fehlt dir eigentlich? so kann er nicht anders antworten, als David: Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe vor Deinem Drohen, und ist kein Friede in meinen Gebeinen vor meiner Sünde. Alles ist krank, Alles matt; nirgends Gesundheit, nur Jammer und Elend. Darum beißt es auch weiter: Denn meine Sünden gehen über mein Haupt, wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden. Meine Wunden stinken und eitern vor meiner Thorheit. Ich gehe krumm und sehr gebückt, den ganzen Tag gehe ich traurig. Damit wird ein Dreifaches ausgesagt: Erstens, die Last der Sünde ist eine schreckliche Last. Denn wenn es hier heißt: Meine Sünden gehen über mein Haupt rc., so sieht man daraus den ungeheuren Druck, es ist eine Last, die über das Haupt geht und die man nicht tragen kann. Wenn du einen Menschen nur im Irdischen eine Last zu tragen geben willst, z. B. einen Sack mit Roggen, machst du den Sack so groß, daß er bis über seinen Kopf reicht? Wolltest du das thun, er würde sagen: Wer kann den tragen! So ist's mit unserer Sünde. Die Sündenlast ist eine unerträgliche, denn sie geht dem Menschen über das Haupt. Sie ist so groß, daß kein Mensch sie zählen kann, ihrer ist mehr, als Haare auf dem Haupte, als Sandes am Meer. Kannst du die Haare auf deinem Haupte zählen? kannst du den Sand am Meere zählen? Eben so wenig kannst du deine Sünden zählen. Ja kommt man recht zur Erkenntnis; der Sünde, so dünkt Einem jeder Athemzug eine Sünde zu sein; denn nichts ist gut, als was in der Liebe zum HErrn geschieht, und du kommst hier auf Erden doch nur so weit, daß du sagen kannst: Ich möchte dieses und jenes. gern aus Liebe zum HErrn thun. Wenn ich das nun bedenke, muß ich nicht von der Last meiner Sünden sagen : Sie geht über mein Haupt? Aber sie sind mir nicht allein zur Last, sondern auch zweitens zum Abscheu. Das^ drückt David aus in den Worten: Meine Wunden stinken, und eitern vor meiner Thorheit. Denke dir einen Menschen, der vom Haupt bis zu den Fußsohlen mit stinkenden Eiterbeulen bedeckt ist, kennst du einen ekelhafteren, widerwärtigeren Anblick? Siehe, das ist dein Anblick, so scheußlich siehst du aus vor Gott; und das kommt alles von deiner Thorheit, von deiner Sünde. Daher heißt es mit Recht im Gesange: Ich bin ein Scheusal ohne Dich, mein Heiland, wasche mich. Ich habe auch noch nie einen, Menschen gesehen, der sich aufrichtig bekehrt hätte, ehe ihm seine Sünde nicht zum Abscheu im eigentlichen Sinne geworden wäre. Ehe man nicht in seinen eigenen Augen ein Scheusal geworden ist, hat man auch keine Ursache sich zu bekehren. Ist das aber der Fall, dann folgt drittens das krumme und gebückte Gehen von selbst, wie auch David sagt: Ich gehe krumm und sehr gebückt, den ganzen Tag gehe ich traurig. So lange die Sünden in solchem Zustande noch nicht vergeben sind, kann auch von nichts anderm die Rede sein, als von Krumm- und Gebücktgehen und von Traurigkeit. Darum wird der wirklich in seinen Sünden zur Bekehrung gekommene Mensch auch nicht eher ruhig, als bis er sagen kann: Ich habe Vergebung der Sünden. Erst wenn die Sünde vergeben ist, wird die Traurigkeit in Freude verwandelt werden, und darum kann einer nicht eher ruhen, als bis er dieses Ziel erreicht hat, dann, aber nicht eher, ist diese Last von ihm genommen. Was nun David im Folgenden, V. 8-11 sagt, ist eine weitere Beschreibung der Sünde, Both und Angst seiner Seele, wodurch er zuletzt bewegt wird zu dem was die Hauptsache ist, nämlich sein Herz im Gebet auszuschütten und dem HErrn seine Sünden zu bekennen, damit die Last vom Herzen herunter komme. Denn wenn er sagt: Meine Lenden verdorren ganz, und ist nichts Gesundes an meinem Leibe. Es ist mit mir gar anders, und bin sehr zerstoßen, ich heule vor Unruhe meines Herzens, so treibt das alles dahin, daß er sagen kann: HErr, vor Dir ist alle meine Begierde, und mein Seufzen ist Dir nicht verborgen. Mein Herz bebet, meine Kraft hat mich verlassen, und das Licht meiner Augen ist nicht bei mir. Er heult so lange vor Unruhe seines Herzens, trägt so lange mit seiner Noth herum, bis er bekannt hat, dann kriegt das Herz Luft, dann wird die Last gründlich abgeschüttelt. Wenn der Mensch erst dahin kommt, Gott die ganze Last zu klagen, da wird das Herz zuerst gründlich leicht, und es ist, als ob des Betens und Bekennens kein Ende werden will, während früher die Worte zum Beten oft fehlten. Da sagt man denn: Ich weih nicht, wie es möglich war, daß ich früher dem HErrn nichts sagen konnte und immer gleich mit dem Beten fertig war oder nicht weiter konnte; ich wußte nicht, wie dieser oder jener so lange beten konnte. Das ist ja auch ganz natürlich, denn wenn das Herz, leer ist, kannst du nicht beten, aus einer leeren Kamins kann man nichts heraus holen; aber wenn das Herz sf voll ist, dann ist so viel darin von Both, Seufzen und Fitten, daß es gär kein Ende nehmen will. Merkwürdig, Früher gar keine Noth, gar kein Stoff zum Beten, - jetzt gar kein Aufhören, daß man Stunden und Tage vor Gott liegen möchte; die Betzeit will fast zu lang werden und man muß sich von andern Leuten wieder an die Arbeit bringen lassen. Seht, das ist das Bekennen der Sünde. Darum heißt es auch: So wir unsere Sünden bekennen, so ist Gott treu und gerecht, daß Er uns die Sünde vergiebt, und reinigt uns von aller Missethat 1. Joh. 1,9; oder: Da ich es wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein täglich Heulen. Da Mach ich: Ich will dem HErrn meine Uebertretung bekennen; da vergabst Du mir die Missethat meiner Sünde Ps. 32, 3-5. Darum laßt es euch nicht verdrießen, wenn Gott euch in die Buße nimmt, sondern wisset, daß noch nie ein Mensch anders zum Glauben gekommen ist, als durch die Buße. Erst Buße, dann der Glaube an den, der die Sünder gerecht macht, das ist der von Gott bestimmte Weg. Es geht nicht: Erst Glauben und dann Buße, sondern nothwendig erst Buße d. h. rechte herzliche Traurigkeit über die Sünde, dann kann folgen der wahre Glaube an Jesum, der das traurige Herz fröhlich macht, daß es sich seines Heilandes getrösten kann. Amen.

(Vers 12-23.)

In der ersten Hälfte dieses Psalms waren geschildert die innerlichen Zustände des Herzens eines Menschen, der von ganzer Seele zu Gott bekehrt ist. Es war darin gezeigt sein Schmerz, seine Noth, seine Angst, sein Abscheu wider die Sünde, und wir hatten daraus gesehen, wie es so wenig bußfertige Menschen giebt, weil von diesem Schmerz, von dieser Betrübniß, Angst und Last so wenige etwas wissen. Die Leute wissen es wohl aus der Heilsordnung, daß die Buße dieses alles in sich faßt, aber sie haben es nicht erfahren, darum sind sie nicht bußfertig. In dieser zweiten Hälfte schildert nun der Psalm die äußeren Zustände eines Bußfertigen und zeigt, wie es einem solchen ergeht, wie die Menschen gegen ihn stehen. David sagt: Meine Lieben und Freunde stehen gegen mir, und scheuen meine Plage, und meine Nächsten treten ferne. Und die mir nach der Seele stehen, stellen mir, und die mir übel wollen, reden, wie sie Schaden thun wollen, und gehen mit eitel Listen um. Das sind die äußerlichen Zustände, in welche ein wahrhaft Bußfertiger kommt. Meine Lieben und Freunde stehen gegen mir, d. h. mir gegenüber, und meine Nächsten treten ferne. Man sollte es nicht für möglich halten, und doch ist es so. Warum stehen die Freunde und Verwandten des Bußfertigen ihm gegenüber? warum treten seine Nächsten ferne? Weil sie ihn für einen Verpesteten halten, dessen Nähe man meiden muß, wenn man nicht auch vergiftet werden will. Diejenigen aber gar, die mir feind sind, stellen mir, d. h. bereiten Nachstellungen, sinnen nur, wie sie mir schaden wollen und gehen mit eitel Listen um, denn sie gönnen mir nur Böses in ihrem Herzen. Hört man das zuerst, daß, wenn einer sich bekehrt, seine Freunde sich ihm gegen- über stellen und seine Nächsten ferne treten, so glaubt man es nicht und denkt, das ist übertrieben; wie ist es möglich, daß sie sich um des Guten willen feindlich stellen können? Aber so unglaublich es auch scheint, es ist doch buchstäbliche Wahrheit: Die Nächsten, die Liebsten, Eltern und Geschwister werden Feinde, so wie einer sich aufrichtig bekehrt. Sie stehen ihm gegenüber, treten ferne von ihm, sehen solchen Menschen für einen Verpesteten an, der sie vergiften könne, und so weit wie möglich gehen sie von ihm weg. Es hatte ein Bauer einen Sohn, der war unter den Wilden der Wildeste. Der Bauer war noch ein rechtschaffner Mann von altem Schrot und Korn, ein rechtschaffner Ehrenmann, ganz nach alter Weise, die man lieb haben konnte. Er war ehrlich, treuherzig und ganz den Sitten der Väter gemäß, aber bekehrt war er nicht, denn er meinte, daß er das nicht nöthig hätte. Er hatte sich den Gedanken in den Kopf gesetzt, daß die Bekehrung nur für die bösen, gottlosen Buben nöthig sei, die in den Zuchthäusern säßen, er als rechtschaffner Mann brauche das nicht. Die Wildheit seines Sohnes, der gewöhnlich der Erste und Letzte auf der Gasse, im Tanzsaal, am Kartentisch und in allen greulichen Sünden und Lastern war, lag ihm sehr am Herzen und er wollte ihn gern auf den Weg der Rechtschaffenheit haben; aber es ging nicht, keine Nacht war der Bube zu Hause, Schande über Schande hatte der Vater von ihm. Als nun Alles nicht half, rief er: Ach, wenn mein Sohn sich doch bekehrte! Er wies ihn sogar nach einem Orte, von dem er wußte, daß die Leute sich dort durch die Predigt des göttlichen Worts bekehrten. Der Sohn wollte anfangs nicht, aber nach langem Widerstreben ging er doch zuletzt dorthin und wurde auch wirklich bekehrt. Der Vater schlug vor Freuden in die Hände, da der Sohn als Bekehrter zurückkam und sprach: Nun kann ich doch meine alten Tage in Frieden zubringen. Aber wie lange dauerte die Freude? Acht Tage. Denn als der Sohn seine Bekehrung durch einen stillen Wandel bewies, sprach der Vater: Ich wollte doch lieber, du wärst noch der alte wilde Bursche, als daß du dich bekehrt hast und nun verrückt geworden bist. Die äußere Bekehrung hatte der Vater sehr gern gesehen, aber daß er sich innerlich von ganzem Herzen bekehrte und ganz den Sinn auf das Himmlische richtete, das war dem Vater unerträglich. Vater und Mutter traten nun gegen ihn auf, um ihn vom Glauben abzubringen, aber der Sohn blieb seinem Heiland treu. Ebenso ging es einem Mädchen. Kurz vor den Fasten, wo die sogenannte Fastenschande getrieben wurde mit Tanzen, Huren rc., baten und drängten die Eltern das Mädchen, sie sollte doch an den Vergnügungen Theil nehmen. Da sie aber nicht wollte, haben sie sie gezwungen und auf den Tanzboden geschleppt. Das half aber alles nichts, sie war zwar auf dem Tanzboden, aber zum Tanzen brachte sie Keiner. Ihre eigenen Verwandten hielten sie für verrückt und wahnsinnig, denn der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes 1 Cor. 2, 14. Wir haben es hier in Hermannsburg auch erlebt vor 14, 15 Jahren, daß, wenn Kinder sich bekehrten, die Eltern sie fortjagten, der Vater sie mit der Peitsche schlug, und es ist daher ganz wahr, was unser Psalm sagt. Die Feinde aber, wer sind die? Das sind solche, die vorher mit dir den Weg der Welt gelaufen sind. Nun bist du von ihnen abgetreten, willst nicht mehr mit ihnen gehn, das ist für sie eine tödtliche Beleidigung, damit verdammst du sie. Du sagst ihnen auch, ihr Treiben sei ein verkehrtes, sie müßten sich bekehren, sonst würden sie verdammt. Darum empört sich ihr Stolz gegen dich, sie wollen dich nun zu Falle bringen. Ihr ganzes Denken und Trachten geht darauf hinaus, wie sie dir Schanden thun können, sie gehn mit eitel Listen um, damit sie dich, wo möglich, in ihr Netz bringen, und wenden Alles an, dich von der verfluchten Frömmigkeit abzubringen, legen dir Netze und Fallstricke, um dich zu fangen. Vorher tanztest du mit ihnen, gingest zu Krug, strolchtest auf der Straße herum, besoffst dich mit ihnen; jetzt thust du es nicht mehr, sondern sagst ihnen, daß das Sünde ist, deßhalb ihr Haß, ihr Sinnen, wie sie dir schaden können, ihr Umgehen mit eitel Listen. Könnten sie dich zurück bringen, die Hölle würde ihren Triumph feiern. Und was kannst du dagegen thun? Da giebt es nur ein einziges Mittel, aber ich sage dir zuvor, es ist ungeheuer schwer, es heißt: Schweigen, das ist das Einzige, was hilft. Es hört dich ja doch Keiner und nimmt deine Verantwortung an. Darum heißt es so recht aus der innersten Wahrheit heraus: Ich aber muß sein wie ein Tauber, und nicht hören, und wie ein Stummer, der seinen Mund nicht aufthut. Und muß sein wie Einer, der nicht höret, und der keine Widerrede in seinem Munde hat. Schweig still, all' deine Gegenreden werden doch nicht angenommen, was du auch sagst, Zorn, Hohn, Spott, giftige Reden kommen dir entgegen, du kannst dir nicht anders helfen, als daß du geduldig hinnimmst was sie sagen, und keine Widerrede hast. Vertheidige dich nicht, es hilft nichts, sie verstehens nicht. Du kannst es ihnen nicht verständlich machen, warum du dich bekehrt hast, die geistlichen Dinge sind ihnen unverständlich. Darum heißt es auch im Propheten: Wenn ihr stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein Jes. 30, 15. Das weiß jeder aus Erfahrung, der es durchgemacht hat: Still seinen Weg weiter gehn und sich nicht davon abbringen lassen, das hilft allein. Anstatt vor Menschen dich zu vertheidigen, thue nur deinen Mund vor Gott auf. Darum, heißt es weiter: Aber ich harre, HErr, auf Dich, Du, HErr, mein Gott, wirst erhören. Denn ich denke, daß sie ja sich nicht über mich freuen. Wenn mein Fuß wankte, würden sie sich hoch rühmen wider mich. Wirf dein Anliegen auf den HErrn, Ihm sage Alles. Klage Ihm dein ganzes Herz und dann sei stille, Er wird erhören. Harre nur auf Seine Hülfe, Er läßt die Seinen nicht zu Schanden werden. Aber wenn Er dich erhört, so wird Er dir sagen: Du mußt das leiden, es geht nicht anders mit dir, du kannst nicht anders in den Himmel eingehen. Darum, weil du denn leiden mußt, mußt du dein Leiden willig auf dich nehmen und dich nicht etwa fürchten, als ob es zu schwer sei. Darum heißt es weiter: Denn ich bin zu Leiden gemacht, und mein Schmerz ist immer vor mir. Denn ich zeige meine Missethat an, und sorge für meine Sünde. Das ist aber ein neuer Spieß in das Herz meiner Feinde, das können sie nicht ausstehen, denn nichts will der Mensch so ungern sein, als ein verlorner und verdammter Sünder. Das zeige ich nun an, ja ich sorge auch für meine Sünde, z. B. wenn ich einen Menschen beleidigt habe, da bekenne ich es ihm und suche es wieder gut zu machen. So muß ich erstlich meine Sünden vor Gott bekennen, dann dem Nächsten, und wieder gut zu machen suchen, was ich an ihm verbrochen habe. Dann werden die Feinde wie wahnsinnig, und können nicht begreifen, wie man sich so wegwerfen kann, sie sagen wohl: Was willst du deine Schande an den Tag bringen? es weiß ja niemand. Du hast vielleicht vor Jahren einmal ein paar Pfennige gestohlen, du gehst nun hin und willst es wieder gut machen, sagst: Da und da habe ich das gethan. Oder da sind böse Buben, die in ihrer Besoffenheit ein paar Latten z. B. von dem Pfarrzaun abreißen, und damit ihren Heldenmuth und ihre Riesenkraft zu beweisen, wenn die hernach sich bekehren und ihre Sünde einsehen, dann kommen sie und sagen: Als ich noch ein Weltkind, ein Saufbruder war, da habe ich das und das gethan, nun vergieb es mir. Oder wie es bei den sogenannten kleinen Leuten so oft vorkommt, daß sie ganze Haufen Haide, Plaggen und Holz zusammen gestohlen haben, indem sie sich damit entschuldigen: Der liebe Gott hat dieses auch für uns wachsen lassen. Wenn die in die Buße kommen, und sie meinen es ehrlich, so müssen sie hingehen, ihren Diebstahl bekennen, um Vergebung bitten und sich zur Wiedererstattung des Schadens erbieten, wie uns das Zachäus lehrt, da er sagt: So ich Jemand betrogen habe, das gebe ich vierfältig wieder Luc. 19, 8. So muß es überhaupt ein Jeder machen, der sich an seinen Mitmenschen versündigt hat. Das können die Weltkinder nicht ertragen, denn sie werden dadurch auf's fürchterlichste verdammt. Darum sind den Gottlosen Solche, die dieses thun, ein Dorn im Auge. Weiter: Aber meine Feinde leben und sind mächtig, die mich unbillig hassen, sind groß. Und die mir Arges thun um Gutes, setzen sich wider mich, darum, daß ich ob dem Guten halte. Das Schlimmste ist noch, daß der Mensch, der sich bekehrt, ob dem Guten hält. Das können die Feinde nicht ertragen, das bricht ihnen den Hals, sie können es ihm nicht vergeben, damit macht er alle Leute zu Feinden. Da ist z. B. einer zusammen mit drei, vier Knechten oder Mägden, und da er sich bekehrt hat, sagt er nicht nur: Ich mache das Böse nicht mehr mit, sondern bittet auch: Laßt das Böse. Ich habe es vorher mitgemacht, aber ich habe meine Herrschaft um Vergebung gebeten, und sie hat's mir auch vergeben. Wenn ihr's laßt, kommt kein Wort über meine Lippen, laßt ihr's aber nicht, so muß ich es der Herrschaft anzeigen. Was, heißt es da, ein Verräther willst du sein? willst uns anzeigen? Weil sie nun nicht hören, so kann er nicht anders, was er Böses an ihnen sieht, wodurch sie der Herrschaft schaden, das zeigt er an, z. B. wenn die Knechte dem HErrn Hafer und Heu stehlen, ob es auch für ihres Herrn Vieh ist, so ist es doch Diebstahl; oder wenn die Mägde Eier, Butter und Fleisch stehlen, er zeigt es an, und daß er ob dem Guten hält, das ist ein Stein des Anstoßes für sie, dafür hassen sie ihn tödtlich, heißen ihn einen Verräther und Judas und sagen: Von einem Verräther frißt kein Rabe, auch dann nicht, wenn er am Galgen hängt. Ist er denn wirklich ein Verräther? Nein, er hat sie ja so treu gebeten, das Böse zu lassen, aber sie haben nicht gewollt. Ihr sehet daraus, wie es einem solchen Menschen geht; darum kann er auch keine andere Zuversicht haben, als: Verlaß mich nicht, HErr, mein Gott, sei nicht ferne von mir. Eile mir beizustehen, HErr, meine Hülfe. Aus dem Ganzen seht ihr: Viele wahrhaft Bekehrte und Bußfertige giebt es nicht. Denn aus dem zu schließen, was wir über die inneren und äußeren Zustände solcher gehabt haben, muß es sehr wenige geben, weil die Erfordernisse der wahren Buhe fehlen. Denn wenn die da wären, so würden auch jene innerlichen und äußerlichen Zustände da sein. Amen.

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