Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 37. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 37. Psalm.

(Vers 1-13).

In diesem Psalm werden die Frommen mit den Gottlosen verglichen,' und es wird der Fromme darüber getröstet, daß er so oft wahrnehmen muß, wie es dem Gottlosen so wohl geht hier auf Erden, und er so viel leiden muß. Wer da nicht fest bleibt, und blos auf das Sichtbare sieht, der könnte leicht Schiffbruch leiden am Glauben, wie es auch heißt Psalm 73, 2: Ich hätte schier gestrauchelt, als ich sah, daß es den Gottlosen so wohl ging, und es heißt weiter: Nicht eher ward ich getröstet, als bis ich ins Heiligthum ging und merkte auf ihr Ende. Bei allen solchen Sachen muß die Vernunft gefangen genommen werden unter den Gehorsam Christi, und man muß nur sehen auf das Unsichtbare, nur so kann man feste und sichere Schritte thun. Sehe ich, daß der Gottlose herrscht und der Fromme unterdrückt wird, sehe ich den Uebelthäter in Ehren, den Frommen in Schanden, den Gottlosen auf dem Richterstuhl, den Frommen im Gefängniß, so will- das Herz sprechen: Wo ist denn da die Gerechtigkeit? wo ist der in Gerechtigkeit waltende Gott? Da sollte man entweder denken: Der Teufel regiert, oder: Gott regiert und bekümmert sich nicht mehr um Seine Kinder. Und das ist die Wahrnehmung zu allen Zeiten gewesen: Der gottlose Kain herrscht, der fromme Abel wird todt geschlagen; der gottlose Saul regiert, der fromme David muß fliehen; der gottlose hohe Rath herrscht, Christus wird ans Kreuz geschlagen; da müßte man ja straucheln, wenn man bloß auf das Sichtbare sähe. Darum müssen wir absehen von dem Sichtbaren, und hinsehen auf das Unsichtbare, und im Glauben sprechen: Es kommt einmal ein Zag, der wird's klar machen, wer m Wahrheit der Glückliche ist. David sagt in unserm Psalm: Erzürne Dich nicht über die Bösen, sei nicht neidisch über die Uebelthäter. Denn wie das Gras werden sie bald abgehauen, und wie das grüne Kraut werden sie verwelken. Erzürne dich nicht über die Bösen, d. h. werde nicht zornig darüber, daß es dem Bösen so wohl geht; sei nicht neidisch über die Uebelthäter, d. h. neide nicht, daß die Uebelthäter so gute, die Frommen so saure Tage haben, sondern siehe auf ihr Ende, denn wie das Gras werden sie bald abgehauen, und wie das grüne Kraut werden sie verwelken. Es ist also das Glück der Gottlosen nur ein Scheinglück, ihr Wohlergehen nur ein Wohlergehen für kurze Zeit, für wenige Stunden; aber wie Gras nur kurze Zeit auf der Wiese und wie Kraut nur kurze Zeit auf dem Felde steht, dann kommt man mit der Sense und schneidet es ab. So ist's auch mit dem Glück der Gottlosen. Darum laß sie laufen in ihrem Glück, wenn es auch 20-30 Jahre dauert, es kommt die Ewigkeit. Und wenn nun der Tod kommt und mäht sie in die ewige Verdammniß hinein, wie das grüne Gras und Kraut, was ist dann ihr Glück? Und wenn sie 20 Jahre, ja laß es noch mehr, laß es 60 Jahre sein, im Glück gesessen und Wohlergehen genossen haben, und sie müssen nun Millionen mal Millionen Jahre Qual und Schande leiden, ist das ein Glück? Ist ihr Glück nicht im Vergleich zu der schrecklichen langen Ewigkeit, die ihrer wartet, nur ein erbärmlicher, kurzer Scheingenuß? Nun wendet sich der Psalm weiter zu den Frommen und beschreibt das große Glück, welches sie haben, wenn sie die Sache mit Glaubensaugen ansehen: Hoffe aus den HErrn und thue Gutes; bleibe im Lande, und nähre dich redlich. Das ist das erste Stück von dem seligen Glück der Frommen: Er hoffet auf den HErrn, und was ihm nun geschehen mag, er sagt Ihm Alles im Gebet. Darum ist er allezeit getrost, er weiß, daß Jesus, sein Gott und Heiland, ihn eben so wenig vergessen und verlassen kann, wie eine Mutter ihr Kind, das sie unter ihrem Herzen getragen hat. Jesus steht mir bei in den schweren Tagen, hilft mir aus aller Noth und tröstet mich in der Trübsal. Weiter heißt es: Thue Gutes. Warum soll ich denn Gutes thun? Sprichst du vielleicht: Ich habe ja doch keinen Dank davon, hier auf Erden wird alles mir Undank belohnt. Armer Mensch! sollst du Gutes thun um Lohn, sollst du es darum thun, daß es dir bezahlt werde? Dann bist du ein jämmerlicher Lohndiener. Gutes sollst du thun, nicht um Lohn, sondern um der Süßigkeit willen, die dir das Wohlthun bereitet, weil es das Beste, Süßeste, Angenehmste ist auf Erden, Gutes zu thun um des Guten willen. Dahin muß es mit dem Frommen erst kommen, daß er Gutes thut um des Guten selbst willen. - Bleibe im Lande und nähre dich redlich. Dieser Spruch wird oft von den Menschenkindern falsch verstanden und deshalb auch falsch angewandt. Man will daraus die Regel herleiten, es solle einer aus seinem Vaterlande nicht auswandern, und man will damit den Stab brechen über die, die nach Amerika, Ungarn oder Rußland übersiedeln, um sich dort eine neue Heimath zu gründen. Wenn man solchen Leuten zuruft: Kennt ihr den Spruch nicht: Bleibe im Lande und nähre dich redlich! so sage ich: Das ist eine falsche Auslegung dieses Worts, denn die Erde ist überall des HErrn, und wo ich mit meinem Gott sein kann, da ist überall mein Vaterland. Dieses Wort hat besonders Bezug auf Israels Stellung im Alten Bunde. Israel war allein das Volk Gottes, bei ihm allein wurde der wahre Gott verehrt; es gab damals kein anderes Land, wo der rechte Gottesdienst war, als das israelitische. Blieb nun ein Israelit nicht im Lande, so wanderte er ins Heidenland. Da hatte er aber keinen Gottesdienst, keine Anbetung des HErrn in Gemeinschaft der Gläubigen, war also ein Gottloser. Deshalb sollte er im Lande bleiben, und wenn er auch nur ein Stück trocken Brot hätte, so sollte er doch bleiben um der schönen Gottesdienste willen. Und so weit gilt das Wort heute noch. Auswandern in ein Land, wo keine Gottesfurcht, kein Gottesdienst, kein reines Wort und Sakrament ist, das ist noch ein Greuel in Gottes Augen. Zu solchen Leuten, die das doch thun, sagt der HErr heute noch: Bleibe im Lande und nähre dich redlich. Und ob du im Irdischen die Hülle und Fülle hättest, ob das Land hundertfältig trüge, und könntest das Geld mit Besen zusammen fegen, hättest aber nicht das reine Wort und Sakrament, so bitte ich dich: Bleibe im Lande, ziehe nicht hin, wo du ein Heide wirst unter den Heiden, und ein Gottloser unter den Gottlosen. Das ist's, wonach ein Christ zuerst zu fragen hat, wenn er sich mit aller Mühe nur ein Stück trocken Brot erwerben kann und ihm der Vorschlag gemacht wird, oder es ihm ins Herz kommt, auszuwandern: Ist da auch Gottes Wort und Sakrament, wo ich hin will oder soll? Und ist das in dem Lande nicht, so bleibe um Gottes willen hier, auch wenn du nur trocken Brot hast und dich todt arbeiten mußt; bleibe in dem Sande, wo du Gottes Wort und Sakrament hast. Ist aber Gottes Wort und Sakrament an dem Ort, den du ausgesucht hast, dann sage ich: Gehe in Gottes Namen, dich hält das Wort nicht: Bleibe im Lande. Wer es da aushalten kann, wo die Kirche des HErrn nicht ist, der ist kein wahrer Christ, sondern dem Teufel verfallen. Wollte mir einer ein Rittergut schenken in einem katholischen Lande, oder einen großen Bauernhof an einem Ort, wo ungläubige Prediger sind, oder verhieße man mir in den Urwäldern Amerika's, wo ich keinen Gottesdienst besuchen kann, den größten irdischen Reichthum, ich würde sagen: Behalte dein Rittergut, deinen Bauernhof und Reichthum, und würde da bleiben, wo Gottes Wort im Schwange geht. Nun folgt einer der Kernsprüche der heiligen Schrift, einer der hellfunkelnden Diamanten in der Krone des HErrn: Habe deine Lust an dem HErrn, der wird dir geben, was dein Herz wünschet. In diesem Verse ist eine Bedingung: Habe deine Lust an dem HErrn, und eine Verheißung: Der wird dir geben, was dein Herz wünschet. Wer die Bedingung erfüllt, kann die Verheißung in Anspruch nehmen. Woran hast du denn deine Lust? O die Menschen haben ihre Lust an verschiedenen Dingen. Da hat einer seine Lust an Silber und Gold, wenn seine Augen die blanken Thaler oder Pistolen sehen, oder auch allerlei goldene und silberne Zierrathen, die er an Ohren, Hals und Finger hängen kann, dann funkeln sie. Ein anderer sieht darnach, wie er seinen Bauernhof heben kann, das schönste Vieh im Stalle, die schönsten Pferde vor dem Wagen zu haben, seinen Acker zu verbessern, eine hundert Thaler nach den andern auf Zinsen zu legen, das ist seine ganze Lust. Andere haben noch andere Lust, dabei man kein äußerlich ehrbarer Mensch sein kann. Die oben Genannten können doch noch äußerlich ehrbare Menschen sein; wer aber Gott und Sein Wort mit Füßen tritt, und das thut der, der seine Lust an der Sünde hat, der ist noch viel verwerflicher. Dahin gehört die Lust an schönen Moden und Modewaaren, an Putz und Staat; wer sich mit allerlei Flitter behängt, wer seinen Leib ausstaffirt als ein Schlittenpferd, Schulden über Schulden macht und also voller Hoffahrt, Eitelkeit und Betrügerei steckt, sollte der wohl seine Lust am HErrn haben können? Oder wer nun gar voll Fleischeslust, Augenlust, Tanzlust, Spiellust, Sauflust ist, wie könnte von dem gesagt werden, daß er seine Lust am HErrn habe? Habe ich meine Lust an dem HErrn, so weiß ich, daß die himmlischen Güter ewig sind, alles Irdische aber zeitlich; darum werfe ich weg das Irdische, Vergängliche und Teuflische und trachte allein nach den himmlischen Gütern. Ich liebe den HErrn Jesum von ganzem Herzen, wenn auch in großer Schwachheit, und das heißt auch zugleich die Himmelsgüter lieben. Für solchen Menschen giebt es keinen seligeren Tag, als den Sonntag, an dem er sich den ganzen Tag in seinem Gott erfreuen kann und im Hause Gottes Seine Stimme vernehmen. Für den giebt es keine heiligere Stunden, als bei der Bibel zu sitzen, dem bereitet es die größte Wonne und Freude, wenn er im Gebet vor Gott sein Herz ausschütten kann. Wer so seine Lust am HErrn hat, dem folgt die Verheißung: Der HErr wird dir geben, was dein Herz wünschet. Diese Verheißung ist so groß, daß sie zuerst gar kein Mensch glauben kann, sie ist so groß, daß ich kraft derselben mit meiner Hand in die Himmelsschätze hinein greifen und aus der Gnadenfülle meines Gottes heraus nehmen kann, was ich will, Alles, ohne Ausnahme, was mein Herz wünscht. Alles, was mein Herz wünscht? Ja freilich, aber nur unter der Bedingung, daß ich meine Lust am HErrn habe; denn dann kann mein Herz auch nur solche Dinge wünschen, woran der HErr Seine Lust hat, aber auch Alles kriegen, den ganzen Himmel, den HErrn selbst, da ist das Allergrößte und das Allerkleinste nicht ausgeschlossen. Dem HErrn ist das Größte nicht zu groß', und das Kleinste nicht zu klein, Er giebt den Frommen Alles, was ihr Herz begehrt. Ich wollte diesen herrlichen Spruch nicht aus der Bibel missen, um keinen Preis in der ganzen Welt. Nun folgt noch einer, beinah eben so schön wie dieser V. 5: Befiehl dem HErrn deine Wege und hoffe auf Ihn, Er wird es wohl machen. Und dieser Spruch ist es, aus dem der schöne Gesang: Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, gemacht ist, der aber eben so erbärmlich gesungen wurde. Wenn ich alle meine Wege dem HErrn befehle, so heißt das nichts anders, als: Alles, was ich vorhabe und beginne, fange ich mit Gebet im Namen meines Gottes und Heilandes an. Will ich etwas thun, ich befehle es dem HErrn im Gebet; will ich ausgehen, kehre ich ins Haus zurück, fange ich meine Arbeit an oder beschließe sie, so thue ich es mit Gebet. Ich stehe mit Jesu auf, gehe mit Jesu zu Bett und trete mit Jesu meine Reise an. Und wenn ich so Weg und Steg und Arbeit mit Gebet anfange, da befehle ich alle meine Wege dem HErrn. Bei Allem, was ich vornehme, überlege ich, ob meine Woge auch dem HErrn gefallen. Ich möchte ja keinen Weg gehen, der dem HErrn mißfiele, darum prüfe ich all mein Thun nach Gottes Wort. Weiß ich, daß mein Weg Gottes Weg ist, dann kann ich auch getrost auf den HErrn hoffen und bin deß gewiß, Er wird's wohl machen. Nicht meine Geschicklichkeit, nicht ich, sondern allein des HErrn Hand wird meine Arbeit so hinaus führen, daß sie gelingt, denn ich habe ja die Sache aus meiner Hand heraus in Seine Hand gegeben, und darum bin ich froh und zufrieden. Wenn ich z. B. sehe auf meinen fadenscheinigen Rock, so sehe ich wohl ein, daß es gut wäre, wenn ich mir einen neuen kaufte, denn der ist wärmer, als der fadenscheinige alte. Nun überlege ich aber erst, ob ich mir, ohne Schulden zu machen, einen neuen kaufen kann; finde ich nun, daß ich kein Geld habe, so heißt es wohl: O du kannst ja einen auf Borg nehmen; aber sollte ich wohl mit Gebet einen Rock auf Borg nehmen können? Schulden machen ohne Noth darf ich nicht, denn der liebe Gott sagt in Seinem Worte: Seid Niemand nichts schuldig, denn daß ihr euch unter einander liebet Röm. 13, 8. Ich kann es nicht, flicke lieber meinen alten Rock und warte so lange, bis ich Geld habe, dann kaufe ich mir einen neuen, und der hält mal so lange. Aber die meisten Leute kaufen nur immer so auf den Puff los, gleichviel ob sie bezahlen können oder nicht. In allen Dingen muß ich prüfen, ob meine Wege mit Gottes Wort übereinstimmen, dann nur können sie Gott gefallen, dann nur kann ich zu jeder Zeit um Seinen Segen bitten, und Er kann ihn mir niemals versagen. Bin ich ein Bauer und gehe auf meinen Acker, so weiß ich gewiß, das ist mein Berufsweg, und darin gehe ich Gottes Weg: gehe ich aber aus, um zu bummeln und zu spazieren, so sind das nicht Gottes Wege, die kann ich nicht mit Gebet gehen. Nun zeigt der Psalm, was für einen gnädigen Gott wir haben, der unsere Gerechtigkeit stets an's Licht und unser Recht an den hellen Mittag bringen wird; deßhalb brauchen wir uns auch nicht zu erzürnen über die Gottlosen, sondern sollen stille sein. Ob auch die ganze Welt der Gottlosen gegen dich wäre, dein Gott wird dir beistehn, daß alle Klatschereien, Lügen und Verfolgungen aufhören müssen, und alle Welt erkennen, daß du Gottes Knecht bist. Das Folgende bedarf keiner weiteren Erklärung, es bewegt sich immer in dem Gegensatz: Die Frommen brauchen sich nicht zu fürchten - die Gottlosen werden ausgerottet V. 7-13. Man braucht sich vor den Gottlosen nicht zu fürchten, wenn sie auch dräuen und mit den Zähnen knirschen, denn es ist dem Gottlosen nur eine kleine Zeit gesetzt, so ist er nicht mehr da; die Frommen werden endlich den Sieg gewinnen über alle ihre Feinde und das Land ererben, wie ja auch der HErr Jesus in der Bergpredigt sagt: Selig sind die Sanftmüthigen, denn sie werden das Erdreich besitzen Matth. 5,5. Amen.

(14-29.)

Wir haben schon im ersten Theil dieses Psalms gesehen. wie die Frommen und Gottlosen gegen einander gestellt werden, und wie sowohl das Leben der Frommen und Gottlosen beschrieben wird, wie auch der Haß und die Feindschaft der Gottlosen gegen die Frommen, aber auch der wunderbare Segen und Schutz des HErrn über die Frommen, also daß keiner derselben sich vor den Gottlosen zu fürchten braucht. Nun heißt es: Die Gottlosen ziehen das Schwert aus, und spannen ihren Bogen, daß sie fällen den Elenden und Armen, und schlachten die Frommen. Aber ihr Schwert wird in ihr Herz gehen, und ihr Bogen wird zerbrechen. Ja, derselbe Sinn, den Satan gegen Gott hat, findet sich bei den Gottlosen gegen die Frommen. Haß und Mordgedanken sind in ihnen, stände es in ihrer Macht und hätten sie freie Hand, die Frommen wären längst ausgestorben und ausgerottet. Sehen wir nicht Kiesen Haß und diese Mordgedanken allenthalben bei den Gottlosen? Wie haßte Kam den Abel! Warum? Bloß weil er fromm war. Wie haßte Saul den David! Warum? Weil er fromm war. Wie haßte Ismael den Isaak, Esau den Jakob! heißt es nicht von Esau: Vater und Mutter sollen Leid tragen, denn ich werde meinen Bruder tödten? 1 Mose 27, 41. Warum der Haß gegen Isaak und Jakob? Ismael und Esau waren gottlos, Isaak und Jakob aber fromm. Sehen wir das nicht aus der Leidensgeschichte Christi, bei allen Propheten und Aposteln? Sind sie nicht gesteinigt, geschlagen, gegeißelt, in die Klüfte und Wüsten getrieben, getödtet und sind alle ein Scheusal vor den Leuten gewesen? Ebräer 11, 36-38. Und der einzige Grund davon war: Sie waren fromm, darum sind sie von den Gottlosen gehaßt. Das liegt in der Natur der Sache und wird nie anders sein auf Erden, so lange es Fromme und Gottlose giebt. Aber wenn nun die Frommen von den Gottlosen so greulich angefeindet werden, sollte ihnen nicht angst und bange werden? Wenn der Gottlose sein Schwert und seinen Bogen zieht, sollte der Fromme sich da nicht fürchten? Hat nichts zu sagen, denn: Ihr Schwert wird in ihr Herz gehen, und ihr Bogen wird zerbrechen. Zog nicht Saul sein Schwert gegen David? zuckte er nicht seinen Spieß nach ihm? 1 Sam. 18, 8-11. Und was geschah? Das Schwert ist in sein eigen Herz gegangen 1 Sam. 31, 4, und David ist verschont geblieben. Ja, wenn der Gottlose sein Schwert auch auszieht gegen den Frommen, so ist es damit noch nicht an den Frommen. Es ist noch ein weiter Weg bis in's Herz des Frommen, Gott steht dazwischen, erfaßt die Hand des Gottlosen und läßt es nicht zu. Und wenn es Gott wirklich zuließe und der Gottlose tödtete den Frommen, hätte er ihn dann besiegt? Gewiß nicht, denn der Fromme fürchtet sich nicht vor denen, die den Leib tödten, aber die Seele nicht mögen tödten. Und wird er getödtet, so stirbt er selig, seine Seele geht zu Gott in Sein himmlisches Freudenreich, der Gottlose aber, der ihn tödtet, wird verdammt. Wer hat nun gesiegt? Indeß, wie gesagt, das kann nur geschehen, wenn Gott es zuläßt, und das ist Seligkeit, um Christi willen zu sterben; aber wenn Gott es nicht zuläßt, so laß die Gottlosen zehn Schwerter ziehen und zehn Bogen spannen, sie werden mit all' ihrer List und Macht zu Schanden. Weiter heißt es: Das Wenige, was ein Gerechter hat, ist besser denn das große Gut vieler Gottlosen. Ich finde sehr häufig, daß die Frommen wenig haben, und ich finde sehr häufig, daß die Gottlosen große Güter haben. Das mache mich nicht irre, als hätte es nun der Gottlose besser, sondern ich stimme ganz dem bei, was David sagt: Das Wenige, was ein Gerechter hat, ist besser, denn das große Gut vieler Gottlosen, Warum? O meine Lieben, an dem Wenigen, was der Fromme hat, klebt kein Fluch; aber an dem Vielen, was der Gottlose hat, klebt Fluch über Fluch, darum ist das Wenige des Frommen besser, als das Viele der Gottlosen. Sieh z. B. den reichen Mann im Evangelio Luc. 16, 19 und ff. Er hatte der Güter so viele, kleidete sich alle Tage in Purpur und köstlicher Leinwand, aß und trank das Schönste und Beste, zu arbeiten brauchte er nicht, er konnte den ganzen Tag mit seinen Freunden fröhlich sein. Sollte man nicht denken, der hätte das Paradies schon auf Erden? Aber es ist nicht einmal so viel Barmherzigkeit und Liebe in ihm, daß er dem armen Lazarus Nahrung, Kleidung und Obdach giebt. Er hätte ja ein Purpurkleid weniger anschaffen können und dafür Lazarum versorgen; aber das that er nicht. Daher ist all' sein Gut verflucht, denn es klebt der Fluch der Unbarmherzigkeit daran und darum wird es ein Strick zu seinem ewigen Verderben, so klebt an dem Gute des Einen der Fluch der Unbarmherzigkeit, an dem' des Andern der Fluch des Geizes, oder der Ungerechtigkeit, oder der Verschwendung, oder des Betruges, oder des Diebstahls, und solches Gut sollte ich wünschen? Da muß ich ja Gott bitten, daß Er mir mit solchem verfluchten Gut vom Leibe bleibe mein Leben lang; ich mag nur bitten mit Salomo: Armuth und Reichthum gieb mir nicht, sondern laß mich mein bescheiden Theil Speise dahin nehmen. Den Reichen hat sein Gut nicht erretten mögen von der Hölle; das Wenige aber, das der Fromme hat, hat den Segen des HErrn und fördert ihn auf dem Wege zum Leben, anstatt ihn zu hindern. Der HErr kennt die Wege der Gerechten, Er weiß Alles, daher weiß Er auch, daß sie den Weg Gottes gehen und gern selig werden wollen, und das läßt Er ihnen gelingen. Er hilft ihnen stets, läßt ihnen Seinen Schutz angedeihen und ist ihr Schild und sehr großer Lohn. Sie werden nicht zu Schanden in der bösen Zeit; Er errettet ihre Seele in der Theurung. Aber die Gottlosen werden umkommen, und die Feinde des HErrn, wenn sie gleich sind wie eine köstliche Aue, werden sie doch vergehen, wie der Rauch vergeht. So siehst du also, daß dem Frommen auch hier schon auf Erden das Loos gefallen ist auf's Liebliche; er hat wenig Gut, das ist so köstlich, nun hat er keine Sorgen, denn viel Gut macht Sorgen. Sein Gott behütet ihn und mehrt den Feinden, und ob die Gottlosen wie eine köstliche Aue stehen, sie werden abgehauen. Kommt er mit seinem wenigen Gut in die böse Zeit, in die Theurung, so ist er doch getrost, denn er greift betend in den reichen Schatz seines Gottes. Er bittet seinen Vater um Brot, und der giebt ihm keinen Stein statt Brot. Wenn ich aber solch' einen Vater habe, so lebe ich sorgenlos. Weil der Fromme beten kann, wird er erhalten in der Theurung mit seinem wenigen Gut, während der Gottlose mit seinem Vielen zu Schanden wird. Das ist denn sein zweiter Schatz, daß ihn sein Gott erhält, wenn er nur betet und arbeitet. Ein solcher tauscht nicht mit einem Reichen, der oft viel Sorge und Noth hat; beides nimmt ihm sein himmlischer Vater gänzlich ab. Weiter: Der Gottlose borget und bezahlt nicht; der Gerechte aber ist barmherzig und milde. Denn Seine Gesegneten erben das Land, aber Seine Verfluchten werden ausgerottet. Sagt mir einmal, leben wir jetzt in einer frommen oder in einer gottlosen Zeit? Sind die meisten Leute in unserer Gemeinde fromm oder gottlos? Wir sind keine Herzenskündiger und können kein Urtheil sprechen über den Einzelnen; aber hier spricht die Schrift ein furchtbares Wort, wie es wenige von euch erwarten: Der Gottlose borgt und bezahlt nicht. Was sind das für Leute, die borgen und nicht bezahlen? Sind das Leichtsinnige? Nein, Gottlose, sagt die heil. Schrift. Nicht Leichtsinn, Vergeßlichkeit, Unüberlegtheit, sondern nichts wie Gottlosigkeit ist es; denn wenn ich borge und kann nicht bezahlen, so betrüge ich absichtlich meinen Bruder und führe ihn hinter's Licht. Was meint ihr wohl, sind das in der Gemeinde die Wenigsten oder die Meisten? Fragt die Handwerksleute, die klagen: Wir können kein Geld kriegen, die Leute borgen aber bezahlen nicht. Fragt die Bäcker, Müller, Kaufleute, überall heißt es: Die Leute holen, aber bezahlen nicht. Die Leute borgen, lassen arbeiten, aber das Bezahlen fällt ihnen gar nicht ein. Fragt die Leute, die etwas mehr Vermögen haben, sie antworten euch: Da kommen wohl Zehn an einem Tage und bitten: Kannst du mir nicht 10, 20, 100 Thaler leihen? Ja, heißt es, wenn ich sie nur wieder kriege? Ja wohl, in 14 Tagen sollst du alles zurück haben. Die 14 Tage vergehen, aber das Geld kriegst du nicht; geborgt haben sie, wie du dein Geld wieder kriegen willst, da magst du selbst zusehn, das Wiederbringen fällt Keinem ein. Du kriegst vielleicht noch verwegene und grobe Worte zu hören, wenn du dein Darlehn wieder forderst. So ruht beinah auf allen Leuten der Bann: Borgen und nicht bezahlen; und dieses hat noch dazu eine Legion Sünden aller Art im Gefolge. Da wird gelogen und sich entschuldigt, vielleicht gar ein Meineid geschworen und der Nächste um sein Geld und Gut betrogen, oder es wird sich auf die Verjährung berufen. Sobald einmal die Rechtlichkeit von Einem weg ist, daß er nicht mehr bezahlt, was er dem Nächsten schuldig ist, so ist damit bei dem einer Masse von Sünden Thür und Thor geöffnet. Ein solcher Mensch verwickelt sich in einem Netz von Lügen und Bosheit, daß es ihm geht wie eine Fliege im Spinnengewebe, sie will heraus und wickelt sich immer tiefer darein; so kommen die Menschen immer tiefer in das Lügen- und Sündengewebe. Der Gottlose borgt und bezahlt nicht, das haben die wohl tausend Mal erfahren, die aus Liebe den Menschen helfen wollen. Wer das nun erfahren hat, für den wird das Folgende schwer, was von den Gerechten gesagt wird: Der Gerechte ist barmherzig und milde. Schon mancher Mensch ist hartherzig geworden durch die vielen traurigen Erfahrungen, die er bei dem Borgen der Gottlosen gemacht hat, so daß er nun keinem Menschen mehr helfen will, sondern denkt, sie machen es alle so, sie sind alle Spitzbuben. Indessen der wahre Gerechte bleibt doch barmherzig und milde. Freilich nimmt er sich vor dem Leihen in Acht; aber er ist doch barmherzig und milde im Geben, er giebt wohl gar über Vermögen. Woher kommt es denn, daß die Gottlosen borgen und nicht bezahlen, die Gerechten aber barmherzig und milde sind? Das hat seinen natürlichen Grund: Denn Seine Gesegneten ererben das Land, aber Seine Verfluchten werden ausgerottet. Auf den Gottlosen ruht der Fluch; woher sollen sie denn das Geld kriegen, so lange sie unter dem Fluche sind? Aber Seine Gerechten sind die Gesegneten, die ererben das Land, darum giebt ihnen Gott, daß sie barmherzig und milde sein können, deßhalb haben sie stets Geld, obgleich sie so viel betrogen sind. Dieser Segen kommt auf eine so einfache, liebliche Weise, David sagt: Von dem HErrn wird solches Mannes Gang gefördert, und hat Lust an seinem Wege. Er ist des HErrn Geliebter, darum fördert Er seinen Weg und läßt's ihm gelingen. Man pflegt wohl von diesem oder jenem zu sagen: Es ist ein wunderbarer Segen bei ihm, alles was er angreift wird gut, er hat eine gesegnete Hand, was er pflügt, säet, wird gut, was er pflanzt, geht an, was er begießt, geräth; während bei Andern gar kein Segen ist, sondern eine verfluchte Hand. Sonderbar! Es können zwei Menschen Bäume pflanzen, des einen Bäume gehen an, des andern nicht; dem einen geht die Arbeit von der Hand, dem andern nicht. Woher kommt das? Von dem HErrn ist sein Gang gefördert; er betet und arbeitet, darum fehlt ihm auch der Segen nicht. Der HErr hat Lust an seinem Wege. Wenn er auch fällt - und wer fällt nicht? - der HErr läßt ihn nicht liegen. Fällt er, so wird er nicht weggeworfen, denn der HErr erhält ihn bei der Hand. Die Schrift sagt: Fällt der Gerechte des Tages sieben Mal. so verzagt er nicht, sondern steht in der Kraft Gottes wieder auf von seinem Fall. Der HErr richtet sie auf, es sind Seine Frommen und Gesegneten. Sind sie gefallen, so sind sie nicht mit Willen gefallen, darum kommt gleich der HErr mit dem treusten Vater- und Mutterherzen, faßt sie bei der Hand und richtet sie auf. Darum sagt David Vers 25: Ich bin jung gewesen und alt geworden, und habe noch nie gesehen den Gerechten verlassen, oder seinen Samen nach Brot gehen. David war ein siebenzigjähriger Greis geworden, aber nie hatte er erlebt, daß ein Frommer verlassen gewesen wäre, daß eines Frommen Lohn oder Tochter um Brot hätte betteln müssen vor anderer Leute Thüren, sondern sie sind immer ausgekommen, denn ihnen ist der Segen des Vaters und der Mutter nachgefolgt. Dagegen haben manche Leute das Geld mit Scheffeln gemessen und doch mußten ihre Kinder vor den Thüren anderer Leute betteln. Das macht aber, die Eltern sind keine Gerechte und die Kinder sind es auch nicht. So ist der Gerechte auf Erden nie verlassen und seine Kinder eben so wenig; das kommt daher: Er ist allezeit barmherzig und leibet gerne, und sein Same wird gesegnet sein. Er ist barmherzig, darum soll er Barmherzigkeit erlangen, denn: Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen Matth. 5, 7. Aber er leihet auch gerne. Obgleich er gelernt bat, sich vor dem Leihen gewaltig in Acht zu nehmen, kann er dock das Leihen nicht lassen, und leiht gern denen, von denen er die Ueberzeugung hat, daß sie ehrliche, gottesfürchtige Menschen sind, die wieder bezahlen, was sie geliehen haben. Aber solchen, an deren Aufrichtigkeit er zweifelt, die nicht gottesfürchtig sind, leihet er nichts, denn er sieht, daß sie ihn betrügen wollen. So ist bei den Frommen beides der Fall: Er leihet nicht, hält sich mit dem Leihen von den Gottlosen fern, und leihet gerne, wenn er Einem helfen kann, der aufrichtig ist und gern fort will. Aber man muß sich gewaltig in Acht nehmen, davon ein Beispiel. Bor einiger Zeit kommt ein Mensch des Mittwochs und Sonntags in die Versammlung, den ich sonst darin nicht gesehen hatte. Ich freute mich darüber und dachte: Früher hat er Gottes Wort nicht lieb gehabt, nun kommt er am Ende doch noch. So ging es eine Zeitlang fort, da auf einmal in einer einsamen Stunde kommt er in meine Stube und sagt: Ich möchte gern zehn Thaler haben, können Sie mir die wohl leihen? Da hatte ich die Erklärung von dem Besuchen der Versammlung, jetzt kam der Fuchs zum Loche heraus. Hatte er nun erst die zehn Thaler, dann sagte er: „Adjüs Versammlung“ und ließe sich nie wieder sehen. Schon V. 18 hatte es von den Frommen geheißen: Ihr Gut wird ewiglich bleiben; so heißt es nun auch V. 26: Laß vom Bösen, und thue Gutes, und bleibe immerdar. Denn der HErr hat das Recht lieb und verläßt Seine Heiligen nicht, ewiglich werden sie bewahret; aber der Gottlosen Same wird ausgerottet. Die Gerechten erben das Land und bleiben ewiglich darinnen. Da meinen manche Leute, hier hätte doch die Bibel den Mund zu voll genommen, aber es ist buchstäblich wahr, was hier steht: Meine geistlichen Güter, Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit bleiben mir ewiglich, ich nehme sie mit, auch über das Grab hinüber. Aber noch mehr: Alles, was diese Erde trägt an Gold, Silber rc., und was hier nur ein geliehenes Gut ist, das wird auf der neuen Erde mein ewiges Eigenthum. Ich wohne dorr in der Stadt, die goldene Gassen hat, deren Gründe von Edelstein und deren Thore von Perlen sind. Was sind alle Güter der Welt gegen diese Herrlichkeit? Nur Scheingüter. Ich wohne einst auf der neuen Erde, die ganz und gar ein Garten Gottes ist, und die mir gehört; die ganze neue Erde ist mein. Hier muß ich aus dem schönen Hofe und Gute heraus, dort erbe ich das Land, welches das Eigenthum der Frommen ist, darin jeder Fromme ewiglich bleibt. Amen.

(Vers 30-40.)

David hat in diesem Psalm von dem inwendigen Wesen des Frommen und von seiner großen Glückseligkeit so viel gesprochen, daß wir auch begierig werden müssen, die Ursache kennen zu lernen, aus welcher das große Glück der Frommen herrührt. Es war ja gesagt von ihm, daß er seine Lust habe an dem HErrn, und der ihm gebe, was sein Herz wünsche V. 4; daß er dem HErrn seine Wege befehle und auf Ihn hoffe, und der HErr es wohl mache V. 5; daß solches Mannes Gang von dem HErrn gefördert werde, und der HErr Lust habe an seinem Wege V. 23. Ja, David hatte gesagt, daß er jung gewesen und alt geworden sei, aber noch nie habe er den Gerechten verlassen gesehen, oder seinen Samen nach Brot gehen V. 25. Woher kommt denn nun dieses unaussprechliche Glück und diese unbeschreibliche Seligkeit der Frommen? Die Ursache wird angegeben in den Worten: Der Mund des Gerechten redet die Weisheit, und seine Zunge lehret das Recht. Das Gesetz seines Gottes ist in seinem Herzen, seine Tritte gleiten nicht. Also das ganze Glück des Frommen kommt daher, daß das Wort Gottes in seinem Herzen, in seinem Wandel und auf seiner Zunge ist, daß also Gottes Wort von ihm getrieben und geübt wird. Daß er es liebet, davon sagt David: Das Gesetz seines Gottes ist in seinem Herzen; daß er es übet: Seine Tritte gleiten nicht; daß es von ihm getrieben wird: Sein Mund redet die Weisheit, seine Zunge lehret das Recht. Ja, wenn du den auffallenden Unterschied zwischen Frommen und Gottlosen, zwischen Gerechten und Ungerechten erforschen willst, so wirst du die einzige Ursache finden in der Stellung beider zu Gottes Wort: Der Fromme liebt es, der Gottlose haßt und verachtet es. Daher kommt es, daß aus dem Treiben des Wortes Gottes der Segen über die Frommen' sich ergießt, und aus der Verachtung des Wortes Gottes der Fluch über die Gottlosen ausgegossen wird. Der Fromme liebt Gottes Wort, er hat es in seinem Herzen und beschäftigt sich Tag und Nacht damit. Ja auch dann, wenn er sich seiner selbst nicht bewußt ist, sieht man, daß das Wort Gottes in seinem Herzen wohnt. Wie manchen Frommen habe ich gesehen, der schwer krank war, das Bewußtsein hatte ihn verlassen, er raste, wie die Leute sagen, aber selbst seine Rasereien waren heilig, er beschäftigte sich in denselben mit Gottes Wort. Dagegen wie viele Gottlose habe ich gesehen, die rasten auch, aber der Satan, die Fleischeslüste, die Wollüste rasten in ihnen. Der Fromme liebt Gottes Wort, er kann es darum auch nicht entbehren und muß es beständig treiben. Bei den Frommen giebt es nicht einen Tag, -n welchem sie nicht in der Bibel lesen. Er kann Essen und Trinken vergessen, aber Gottes Wort kann er nicht entbehren, er muß es hören, die Wege zur Kirche sind ihm die liebsten, und ob sie meilenweit wären. Siehst du nun Gleichgültigkeit im Bibellesen und Hören des göttlichen Worts, so weißt du, das sind die Gottlosen, obgleich sie keinen Menschen todtgeschlagen, nie was gestohlen haben. Sein Mund redet die Weisheit; weß sein Herz voll ist, davon gehen auch seine Lippen über; und so wahr er Gottes Wort lieb hat, so wahr muß er es auch bezeugen, er müßte sonst stumm sein. Er muß es bezeugen zunächst gegen die, die es lieb haben, wie er; dann aber auch, gegen die, die es nicht lieb haben, aus dem Grunde, weil, er ihre Seelen lieb hat. Das ist die Quelle der Glückseligkeit der Frommen, darum gleiten seine Tritte nichts Gottes Wort ist ja seines Fußes Leuchte und ein Licht: auf seinen Wegen Ps. 119, 105. Merkwürdig aber, daß gerade das, was des Frommen Glück ist, den wüthenden Haß der Gottlosen erregt; es sticht und prickelt sie in ihrem Herzen, daß sie ihren Haß gegen ihn auf alle mögliche Weise bezeugen: Der Gottlose lauert auf den Gerechten, und gedenkt ihn zu tödten; aber der HErr lässt ihn nicht in seinen Händen, und verdammt ihn nicht, wenn er verurtheilt wird. Es könnte ja der Gottlose den Frommen nur gehen lassen, da es ihm doch nicht schadet, daß der Fromme Lust hat an Gottes Wort, daß er gern, zur Kirche geht, daß sein Mund überfließt von Gottes Wort; warum ist er denn so wüthend auf ihn? Ja, es ist ein eigen Ding um das Gewissen in der Brust; das Gewissen sagt dem Gottlosen: So wie der Fromme müßtest du auch sein', der Weg, den er geht, ist der rechte, der den du gehst, ist der verkehrte, was er sagt: „Bekehre dich“ das ist wahr. Weil er aber den rechten Weg nicht gehen will, sondern aus Hoffart, Fleischeslust und hochmütigem Wesen auf dem falschen Wege bleibt, so ärgert er sich; darum ist ihm nichts so zuwider, als das beständige Zeugniß aus dem Worte und Wandel des Frommen So müßtest du auch sein. Jedesmal, wenn er einen Frommen sieht, ist es ein Stich in sein Herz, darum wäre es ihm am liebsten, wenn alle Frommen aufgehängt würden, damit sein Gewissen Ruhe hat und er sich nicht mehr braucht strafen zu lassen. Der zweite Grund aber, warum er den Frommen so haßt, ist dieselbe höllische Schadenfreude, die der Teufel hat, der ja auch keine größere Freude kennt, als dem HErrn Jesu und den Frommen Eins zu versetzen, so haben sie keine größere Freude, als den Gotteskindern zu schaden und sie zu betrüben. Es ist in den Teufelskindern ein Mordgeist, der immer schreit: Kreuzige, kreuzige! Da sollte doch wohl dem Frommen angst und bange werden, wenn er so ein ganzes Heer gegen sich hat? Wenn die Gottlosen mit Recht und Wahrheit nichts machen können, so brauchen sie List, denn sie machen Anschläge, wie sie den Frommen tödten. Was soll der Fromme gegen diese List und gegen diesen Mord anfangen? David sagt: Harre auf den HErrn, und halte Seine Wege, so wird Er dich erhöhen, daß du das Land erbest; du wirst es sehen, daß die Gottlosen ausgerottet werden. Ich will dir einen Rath geben: Siehe nicht dem Satan mit seinen reißenden Zähnen in's Maul, auch nicht den Satanskindern, die auch ihr Maul aufthun, es möchte dir sonst bange werden, wie einst dem Petrus, als er auf die brausende Welle sah Matth. 14, 30. Darum sollst du den Blick abwenden von den Menschen und auf den HErrn richten und warten, thust du das, so ist in einem Augenblick alle Bangigkeit vorbei. Steht Er zu deiner Rechten und faßt du Ihn an Seine Hand, was will dir denn die Welt? können alle Teufel etwas gegen deinen Gott? Das ist die Kunst des Glaubens: Harre auf den HErrn. Den Frommen steht der lebendige Gott zur Seite, darum sind sie getrost wie ein junger Löwe; sie halten Seine Wege, wenn auch der Teufel darüber brüllt und tobt. Die Frommen gehn den Weg, den der HErr ihnen zeigt, was Er ihnen sagt, das thun sie, ob die Feinde auch wüthen und verfolgen. Da soll es denn dem Teufel nicht gelingen, die Frommen auszurotten, im Gegentheil, sie sollen das Land ererben, die Gottlosen aber ausgerottet werden, der Sieg muß immer den Kindern Gottes zu Theil werden. Wohl geht es durch Kampf, oft durch Blut- und Todeskampf, aber doch wird ihnen der Sieg: Der HErr wird sie erlösen, daß sie das Land ererben. Das Wort Land hat hier eine zweifache Bedeutung. Diese Erde war von Anfang den Frommen zur Wohnung bestimmt, aber durch die Schuld des Teufels ist sie eine Wohnung der Gottlosen geworden. Dabei bleibt es aber fest, daß die Gottlosen gar kein Recht haben, hier auf Erden zu wohnen, sie sind nur Eindringlinge, das Recht bleibt den Frommen. Deßhalb muß es doch wahr bleiben, daß, wie dem Abraham Kanaan gehörte, und trotzdem, daß allenthalben die Kanaaniter wohnten, es doch sein Same besitzen sollte; so gehört die Erde den Frommen, wenn auch die Gottlosen darauf wohnen. Deßhalb soll es ihnen auch nicht gelingen, die Frommen auszurotten. Es kann wohl kommen, daß sie Etlichen den Kopf abreißen, auch wohl hundert und mehr tödten, aber aus hundert Märtyrern werden zehntausend Christen, denn das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche; der Uebrigbleibenden sind immer mehr, als der Getödteten. Die rechtmäßigen Erben der Erde bleiben, und Gott wird ihnen auch ihr täglich Brot geben. Die andere Bedeutung ist die: Diese Erde wird in Feuer vergehen um der Sünde willen, aber aus dieser geht die neue Erde hervor, und die wird die ewige Wohnung der Frommen sein; im buchstäblichen Sinn werden die Frommen, und zwar sie allein, die neue Erde besitzen. Dann ist kein Gottloser mehr da, sondern nur Fromme; und die, durch Gottes allmächtige Hand verwandelte und verklärte Erde, ist unsere Erde, sie ist verklärt, wie auch unser Leib verklärt ist, und darauf werden wir wohnen, denn der Same der Gerechten kann nicht ausgerottet werden, aber die Gottlosen müssen vergehen. Dabei laßt euch den Schein nicht täuschen. David sagt: Ich habe gesehen einen Gottlosen, der war trotzig, und breitete sich aus, und grünete wie ein Lorbeerbaum. Da man vorüberging, siehe, da war er dahin! ich fragte nach ihm, da ward er nirgend gefunden. Hier wird uns das Ende der Gottlosen beschrieben. Eine Zeit lang können sie trotzen, sich ausbreiten, grünen wie ein Lorbeerbaum, man meint Wunder, was dahinter steckt. Aber wie ist's so ganz anders mit dem Ende! Man fragt nach einiger Zeit vergeblich nach ihnen, sie sind ausgerottet von ihrer Stätte, von dieser Erde, und auf die neue kommen sie nicht, denn sie sind auf ewig ausgerottet, ihre Stätte wird nicht mehr gefunden. Und das ist das größte Glück mit auf der neuen Erde, daß kein Gottloser und kein Teufel darauf sein wird. - Nun sagt David einen köstlichen Spruch: Bleibe fromm, und halte dich recht; denn solchem wird es zuletzt wohl gehen. Das ist ein kurzer, für alle Frommen wunderschöner Spruch, den ihr nie vergessen und allezeit darnach wandeln möget. Er ist kurz und leicht zu behalten; aber behalte ihn nicht bloß im Kopfe, sondern laß ihn auch sein eine Leuchte deiner Füße, und ein Licht auf deinen Wegen. Bleibe fromm gegen Gott, halte dich recht gegen den Nächsten. Thust du also, dann gilt dir das Wort: Solchen wird es zuletzt wohl gehen. Fromm sein gegen Gott heißt, Gott, meinen Vater, von ganzem Herzen lieben. Daraus folgt, ich muß auch die Menschen, meine Brüder und Schwestern, von ganzem Herzen lieben, denn sie sind Gottes Kinder wie ich, und wer den liebt, der ihn geboren hat, der muß auch die lieben, die von Ihm geboren sind l Joh. 5, l. Solchen wird es zuletzt wohl gehen. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß sie hier auf Erden viel gute Tage haben werden. Zwar das Land sollen sie besitzen, und die Gottlosen können ihnen nichts thun, können sie nicht einmal tödten, sondern höchstens nur auf ein paar Jahre zum Schlaf bringen; zuletzt aber wird's ihnen doch wohl gehen mit Christo auf der neuen Erde. Aber wie wird's den Gottlosen gehen? Sie sind trotzig und grünen wie ein Lorbeerbaum. Nun wir wollen warten auf das Ende; bei den Frommen ist das Ende gut, bei den Gottlosen ist es schrecklich. Die Uebertreter aber werden vertilget mit einander; die Gottlosen werden zuletzt ausgerottet. Denn wenn sie hinein geworfen sind in den Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt, so ist das eben so gut, als ewig vertilgt und ausgerottet zu sein, ja für die Gottlosen ist es noch viel schrecklicher; sie kommen ewig nicht heraus, die Thür bleibt hinter ihnen zugeschlossen. Für die Frommen sind sie gar nicht mehr da, es ist, als ob sie gar nicht da gewesen sind, sie haben nun ihr Höllenreich. Dagegen: Der HErr hilft den Gerechten, der ist ihre Stärke in der Noth. Und der HErr wird ihnen beistehn, und wird sie erretten; Er wird sie von den Gottlosen erretten, und ihnen helfen, denn sie trauen auf Ihn. Warum? Sie vertrauen auf Ihn, und ihr Vertrauen kann nicht zu Schanden werden. Sie trauen auf Ihn, Gott kann sich selbst nicht leugnen, also muß Er ihr Erretter sein. Er wäre ja ein schlechter Gott, wenn Er die, die Ihm vertrauen, zu Schanden werden ließe; Er würde sich selbst verleugnen, wenn Er das thäte. Darum müssen die Frommen den Sieg gewinnen. Amen.

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