Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 36. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 36. Psalm.

In diesem Psalm wird zuerst von David die ganze Frechheit und Unverschämtheit der Gottlosen geschildert. Es heißt davon: Es ist von Grund meines Herzens von der Gottlosen Wesen gesprochen, daß keine Gottesfurcht bei ihnen ist. Wenn David sagt, daß keine Gottesfurcht bei den Gottlosen ist, so scheint das ein Wort zu sein, welches sich eigentlich von selbst versteht. Gottlose haben natürlich keine Gottesfurcht, denn wo soll die herkommen? Aber die Sache ist die: Selten ist ein Gottloser so gottlos, daß er mit seiner Gottlosigkeit frech hervortritt; die Leute, die sich mit derselben brüsten, sind doch immer noch recht selten. Aber das ist nun gerade das Scheußliche, wenn sich die Gottlosen noch die Flitter der Gottseligkeit umhängen und noch gottesfürchtig scheinen wollen. Deßhalb sagt David: Wenn die Gottlosen ihre Gottlosigkeit mit Gottesfurcht verdecken wollen, so sage ich von Grund meines Herzens, daß es nicht möglich ist, bei Solchen Gottseligkeit zu finden. Also die Heuchelei der Gottlosen straft er. Das ist's, worauf die Schrift immer wieder zurückkommt, und was nie genug bedacht wird: Zeige mir deinen Glauben mit deinen Werken, so will ich dir meinen Glauben mit meinen Werken zeigen Jakob. 2, 18. Aber so machen es die Leute: Bei aller Gottlosigkeit wollen sie doch nicht gottlos scheinen, und ihre Gottlosigkeit mit Feigenblättern bedecken, wie einst Adam und Eva im Paradiese. Da kommt nun der Apostel, zieht ihnen die Feigenblätter ab und stellt sie in ihrer Nacktheit dar. - Sie schmücken sich unter einander selbst, daß sie ihre böse Sache fördern, und Andere verunglimpfen. Sie wollen den Schein der Gottseligkeit haben, deshalb schmücken sie sich unter einander selbst mit den erborgten Flittern der Frömmigkeit, damit sie ihre böse Sache fördern, trotzdem, daß ihre Werke den Stempel der Gottlosigkeit tragen. Solche gottlose Leute kommen z. B. auch wohl zur Kirche, aber warum? Sie wollen ihre gottlosen Worte schmücken und sagen: Es wird immer von uns gesagt, wir seien so gottlose Menschen, aber so schlimm ist's doch nicht, wir gehen auch zur Kirche. Ebenso gehen sie auch zum heiligen Abendmahl und bekehren sich, wie sie sagen, auf anderthalb Tage, vom Sonnabend Mittag bis Sonntag Abend. Das ist aber eine solche Frömmigkeit, von der Luther sagen würde: Der Teufel mag sie holen; denn indem sie ihre böse Sache so schmücken, verunglimpfen sie die Frommen, die müssen Verrückte, Wahnfinnige, Hochmüthige, Stolze, Heuchler sein, während sie doch selbst das alles sind. Weil sie das nun thun, so sagt David mit Recht: Alle ihre Lehre ist schädlich und erlogen; sie lassen sich auch nicht weisen, daß sie Gutes thäten. Sondern sie trachten auf ihrem Lager nach Schaden, und stehen fest auf dem bösen Wege, und scheue- kein Arges. Sagt man ihnen: Bekehrt euch, so geben sie entweder die freche Antwort: Ich will mich nicht bekehren, die Sünde gefällt mir zu gut, oder sie sagen: Nach ein paar Jahren vielleicht, jetzt aber noch nicht. Ob sie nicht dann schon durch den Tod weggerafft oder eben so verstockt sind, daß sie sich gar nicht mehr bekehren können, daran denken sie nicht. Darum ist alle ihre Lehre erlogen, wenn sie z. B. sagen: Gott ist gnädig und barmherzig, Er kann uns nicht verdammen. Wo steht denn das geschrieben in der Bibel? Nirgends, es ist von ihnen erlogen. In der Bibel steht nur: Er ist gütig den Gottesfürchtigen, den Bußfertigen und Gläubigen, die sich bekehren; aber nirgends findet ihr, daß Er den Unbußfertigen gütig ist. Barmherzig ist Er denen, die Ihn fürchten, nicht den Spöttern. Ja, sagen diese Gottlosen, Er hat noch den Schacher am Kreuze zu Gnaden angenommen, seht ihr's nicht, daß wir Recht haben? Freilich hat Er noch den Schächer zur elften Stunde angenommen, aber merkt: Jener wußte nichts von Christo und lernte Ihn jetzt erst kennen, diesen Gottlosen ist Er aber Sonntag für Sonntag gepredigt; jener Schacher kam in Buße und Glauben zu Jesu, diese Gottlosen aber wollen nichts von Buße und Glauben wissen, ihr Grundsatz ist: Wir wollen uns nicht bekehren. Wenn Einer nichts vom Heiland weiß und er kommt noch in der elften Stunde zu Ihm, so wird er nicht hinausgestoßen; wem aber der Heiland hundert und aber hundert Mal vor die Augen gemalt ist, der darf sich nicht mit der Schächergnade trösten. Warum kommen die Gottlosen nicht zum Heiland? Sie wollen nicht. Warum wollen sie nicht? Ihr Hochmuth verhindert sie daran. Darum heißt es weiter im Psalm: Sie lassen sich auch nicht weisen, daß sie Gutes thäten, sie bleiben fest bei ihrem gottlosen Vornehmen; auf ihrem Lager trachten sie nach Schaden, sie wollen Böses thun und scheuen kein Arges, es habe Namen, welchen es wolle. Da seht ihr, wie die Gottlosen bei allem Vorsatz gottlos zu sein, doch die schändlichste Heuchelei brauchen, ihr gottloses Wesen schmücken, sich mit Flitter behängen, um Andere zu täuschen. Wohin führt ihr Weg? Ihr Weg führt geradesweges in die Hölle, wenn es auch vor Menschen nicht so aussieht. Gott läßt solches Wesen eine Zeit lang hingehn, denn Er hat große Geduld und Langmuth, Er will nicht, daß einer verloren gehe, sondern daß sich jedermann zur Buße kehre. Darum geht Er ihm nach, ermahnt und ruft ihn: Wohin willst du? Sieht Er aber, daß Alles vergeblich ist, daß Hopfen und Malz an ihnen verloren ist, so bleibt nichts anders übrig, als daß Er sagt: Nun empfanget den Lohn, den ihr verdient habt, und kann kein anderes Urtheil sprechen als: Bindet ihm Hände und Füße, und werfet ihn hinaus in die äußerste Finsterniß; da wird sein Heulen und Zähnklappen. Und das ist das Schreckliche, daß sie dann selbst vor ihrem Verführer, dem Teufel, bekennen müssen: Gott hat alles gethan, uns zu retten, aber wir haben es nicht anders gewollt. Die armen Gottlosen! Es ist doch schrecklich zu sehn, wie sie dem Satan in den Rachen springen, und dazu noch ihre böse Sache schmücken und Andere verunglimpfen. Und wie dumm sind doch diese armen Leute! Um ihre Dummheit so recht ans Licht zu stellen, schildert der folgende Theil dieses Psalms die reichen Himmelsgüter, die wir bei unserm Gott haben, und denen sie in ihrer Dummheit den Rücken kehren, um die jammer- vollen Weltgüter zu genießen. Es heißt V. 6: HErr, Deine Güte reicht so weit der Himmel ist, und Deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen. Ist der Himmel nicht unermeßlich? Noch unermeßlicher ist Gottes Güte. Gehen nicht die Wolken ins Unabsehbare? Noch unabsehbarer ist Gottes Wahrheit, und der kehren die Gottlosen den Rücken. Die Güte Gottes verschmähen sie, um der Fleischeslust zu dienen; die Barmherzigkeit und Herrlichkeit Gottes wollen sie nicht, sondern erwählen den Teufel und seine Schande. Die Seligkeit des Himmels verschmähen sie, die Verdammniß der Hölle erwählen sie. Weiter V. 7: Deine Gerechtigkeit stehet wie die Berge Gottes, und dein Recht wie große Tiefe. HErr, Du hilfst beiden, Menschen und Vieh. Gottes Gerechtigkeit ist wie ein Berg, und Sein Recht ist gewurzelt wie ein Berg in die tiefsten Tiefen der Erde, der durch nichts umgestoßen werden kann. Und diese wunderbare Gerechtigkeit verspottet der Gottlose, verhöhnt sie, will nichts davon wissen.

Sag's zu dem Gottlosen: Der HErr ist gerecht, Er wird dein gottloses Thun bestrafen; er wird dir antworten: Ein Jahr habe ich schon mein gottloses Wesen getrieben, mir ist noch nichts geschehn, zwei, drei, vier, zehn Jahre habe ich es getrieben und - mir ist noch nichts passirt, Gott thut mir nichts, die Gerechtigkeit thut mir auch nichts; der Einzige bist du Sonntags mit deinem Schelten und Strafen. Nun so höre denn, aller Tage Abend ist noch nicht gekommen, du sollst es erfahren, daß Gottes Gerechtigkeit in der Tiefe wurzelt, daß sie nicht saumet. Deine Stunde wird kommen, ehe du's merkst und Gott wird mit dir zusammenrechnen. Dann wirst du erfahren: Die hier lachen, werden dort weinen, die hier weinen, werden dort lachen. Seine Güte hilft beiden, Menschen und Vieh, aber dir nicht, sie hilft denen nicht, die sich verstocken. Ferner V. 8: Wie theuer ist Deine Güte, Gott, daß Menschenkinder unter dem Schatten Deiner Flügel trauen. Wie lieblich wird hier die Sicherheit und der tiefe Friede der Frommen geschildert. Sie ruhen unter dem Schatten der Flügel Gottes. Wie ein Vogel seine Flügel über seine Jungen breitet und eine Henne ihre Flügel über ihre Küchlein, so breitet Gott Seine Flügel über die Seinen, und sie ruhen unter Gottes Schutz. Deßhalb sagt der HErr Jesus: Jerusalem, Jerusalem, wie oft habe Ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt Matth. 23, 37. Vor kurzer Zeit (1864) waren ein paar Mörder vom Kalkberge bei Lüneburg entsprungen. Da waren die Leute bange vor den Mördern, die im Lande umherstreiften, ja sie waren so bange, daß sie des Abends nicht einschlafen mochten, weil sie fürchteten, daß die Mörder bei ihnen einbrechen und sie tödten könnten. Warum fürchteten sich denn die Leute so sehr? Das kommt daher, weil sie keine Gottesfurcht haben. Die Gottesfürchtigen, die Frommen ruhen sicher unter Gottes Flügeln. Einen frommen Mann kann gar keine Furcht antasten, und Während der Gottlose flieht, da ihn Niemand jagt, ist der Fromme getrost wie ein Löwe. Der Gottlose ist ja nicht unter den Flügeln Gottes, er ist höchstens unter den Flügeln des Teufels und dessen Kameraden, aber auf die ist kein Verlaß; dieselben Leute, mit denen du Weltkind heute gut Freund bist, können dir morgen den Hals umdrehen. Eine weitere Herrlichkeit wird uns gesagt V. 9: Sie werden trunken von den reichen Gütern Deines Hauses, und Du tränkest sie mir Wollust, als mit einem Strome. Das sind die Ströme der Wollust, die dem Frommen fließen aus der Kirche, wenn er Gottes Wort hört, aus dem Sakrament, wenn er zum Altar kommt, aus dem Gebet, wenn er sein Herz ausschüttet vor dem HErrn, der Gebet erhört, wenn er sich erquickt an dem gemeinsamen Beten, Lesen und Singen. Von dem allen wissen die Gottlosen nichts, sie halten das alles für Schwärmerei und Uebertreibung. Sagt man ihnen etwas davon, so sperren sie das Maul auf und meinen: Wir sind noch nie trunken gewesen von den reichen Gütern der Kirche, noch nie mit Wollust getränkt im heiligen Abendmahl und Gebet, haben überhaupt noch nichts geschmeckt von der Barmherzigkeit Gottes. Ja, das glaube ich, ihr Kirchengehen, Abendmahlgehen und Beten ist auch nur Heuchelei, sie können nur trunken werden von Branntwein und Grog, aber nicht von geistlichen Gütern. O diese armen Leute! Sie wissen nichts vom heiligen Geist, sondern kennen nur den Branntweinsgeist, sie erfahren nicht die Himmelsfreuden, sondern nur die Welt- und Teufelsfreuden; und dabei merken sie nicht, daß ihre Wege in den Abgrund führen. Endlich V. 11: Denn bei Dir ist die lebendige Quelle, und in Deinem Lichte sehen wir das Licht. Ja, willst du Freude haben, geh' zu Christo, sonst findest du sie nicht. Bei Ihm ist Leben und Heil, außer Ihm nirgends. Denn bei Ihm ist Wort und Sakrament: Er steht in der Kirche und predigt, tauft, theilt das Abendmahl aus und giebt so die himmlischen Güter, daß wir in Seinem Lichte sehen das Licht. Und suchen wir bei Ihm, so sagt Er: Nun laß dir an Meiner Gnade genügen, du hast das beste Theil erwählt, das ewige Licht soll dir einst aufgehen in dem himmlischen Jerusalem. Zuletzt stellt der Psalm noch beide, Fromme und Gottlose zusammen: Breite Deine Güte über die, die Dich kennen, und Deine Gerechtigkeit über die Frommen. Laß mich nicht von den Stolzen untertreten werden, und die Hand der Gottlosen stürze mich nicht. Sondern laß sie, die Uebelthäter, daselbst fallen, daß sie verstoßen werden und nicht bleiben mögen. Er zeigt, daß die Gottlosen vergehen müssen, die Frommen aber ewiglich bleiben, denn sie sollen den Sieg behalten und nicht von den Gottlosen überwältigt werden; der HErr will sie behüten, ihnen Herrlichkeit und Sieg verleihen. Schon hier auf Erden sollen sie nicht besiegt werden, noch viel weniger sollen sie zu Schanden werden an jenem Tage, da sollen die Gottlosen zum Schemel ihrer Füße gelegt werden und die Frommen sollen den Fuß auf ihren Nacken setzen. Darum fürchte Dich nicht, glaube nur und traue auf den HErrn, deinen Gott. Er hat dir hier schon die herrlichsten Güter gegeben, und nun noch dazu die Herrlichkeit dereinst, wo du nach dem Worte des HErrn über die ganze Welt richten sollst mit deinem Gott, wenn du treu gewesen bist bis ans Ende. Amen.

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