Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 35. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 35. Psalm.

(Vers 1-17).

Dieser Psalm Davids ist ein Gebet um Hülfe gegen die Gottlosigkeit und Grausamkeit seiner Feinde. Er betet: HErr, hadre mit meinen Haderern; streite wider meine Bestreiter. Ergreife den Schild und die Waffen, und mache Dich auf, mir zu helfen. Zucke den Spieß, und schütze mich wider meine Verfolger. Sprich zu meiner Seele: Ich bin deine Hülfe. Da sehet ihr, wie der Fromme gegen die Gottlosigkeit seiner Feinde kämpft und streitet. Der Fromme macht's nämlich nicht wie die Weltkinder, er nimmt nicht die Faust und schlägt seine Feinde auf's Maul, was bei den Weltkindern die sogenannten Prügellanten thun, er nimmt auch nicht den Knüppel und schlägt die Feinde auf den Kopf, das thun auch bloß die Prügellanten, nachdem sie sich voll und toll gesoffen haben, und zeigen sich damit als Teufelskinder, die den Erzmörder, den Teufel zum Vater haben, denn der ist der Erzmörder von Anfang. Der Fromme braucht weder die Faust noch den Knüppel gegen seine Feinde, sondern er beugt die Kniee, faltet die Hände und spricht mit David: Sage Du, HErr, in mein Ohr, sei getrost, Ich bin deine Hülfe, Ich will dich nicht im Stiche lassen. Das ist der himmelweite Unterschied zwischen den Frommen und den Gottlosen; Der Fromme betet und zeigt sich damit als Gottes Kind, der Gottlose rächt sich selbst und zeigt sich als Teufelskind, der Fromme befiehlt Gott die Rache und überläßt Ihm das Werk, der Gottlose hilft sich selbst und braucht Gott nicht; das ist also ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht. Aber ihr sehet auch, dem Frommen muß wohl geholfen werden, denn Gottes Faust und Gottes Knüppel ist schwerer, als der Menschen. Wenn ich in Both bin und sage zu Gott, Er solle mich in Schutz nehmen, so ergreift Er Seine gewaltige Waffe, Schwert, Schild und Spieß, und da der allmächtige Gott stärker ist, als die ohnmächtigen Menschen, so muß der Sieg gewiß auf meiner Seite sein. Die Wirkung und Kraft eines solchen Flehens, das keine eigene Hülfe sucht, sondern zu Gott läuft, zeigt sich in den folgenden Versen. Wenn nämlich der Christ betet: HErr, hadere mit meinen Haderern rc. so folgt jedesmal dieses: Es müssen sich schämen und gehöhnt werden, die nach meiner Seele stehen, es müssen zurückkehren und zu Schanden werden, die mir übel wollen. Sie müssen werden wie Spreu vor dem Winde, und der Engel des HErrn stoße sie weg. Ihr Weg müsse finster und schlüpfrig werden, und der Engel des HErrn verfolge sie. Die Feinde, die also vor Gott verklagt werden, und gegen die ich also meinen Gott zu Hülfe rufe, müssen zu Schanden und zu nichte gemacht werden, sie müssen gehöhnt werden, wie Spreu auf dem Felde gejagt, auf schlüpfrigen und finstern Wegen müssen sie fallen, denn der HErr, der Seiner Gläubigen Gebet erhört, sendet ihnen zu Hülfe Seinen Engel, der sie wegstößt und verfolgt. Wenn der Engel des HErrn anfängt zu verfolgen und wegzustoßen, was wollen denn die wüthendsten Löwen und Tiger gegen den allmächtigen Gott machen? Was ist das aber für ein köstlicher und herrlicher Trost! Wenn ich in Noth bin, wenn ich Hülfe und Schutz bedarf, dann bete ich zu meinem Gott, der sendet Seine heiligen Engel, die sich um mich her lagern, daß mich Keiner antasten kann, sie behüten meinen Fuß auf allen meinen Wegen, daß weder der böse Feind, noch die gottlosen Menschen, noch die wilden Thiere an mich kommen können. Darum, obgleich der Gläubige wehrlos erscheint, weil er Fäuste und Knüppel nicht gebraucht, weiß er doch auf's allergewisseste: Und ob sich ein Heer wider mich legt, ob ich auf Löwen, Ottern und Drachen treten müßte, so kann mir doch nichts schaden. Der Engel des HErrn lagert sich um ihn her, ihm ein Freund, den Gottlosen ein Feind, und der schützt und bewahrt ihn. Der Gottlosen Arm wird gehalten, daß er dem Frommen nichts thun kann, darum kommt keine Furcht und Besorgnis in sein Herz hinein. Aber wenn der Fromme der Hülfe Gottes und der heiligen Engel gewiß sein will und davon fest überzeugt, daß sein Gebet erhört wird, so muß eine Bedingung dabei erfüllt sein, nämlich die: die Feinde müssen dem Frommen feind sein ohne seine Schuld, sie müssen ihn hassen ohne Ursache. Habe ich ihren Haß verschuldet durch meine Sünde, dann kann ich das Beten nur lassen, denn der HErr muß zu mir sagen: Was du dir eingebrockt hast durch deine Schuld, kannst du nun auch ausessen und die Folge deiner Sünde tragen. Ist es aber ohne Ursache, daß sie mich hassen, so kann ich getrost beten: Sie haben mir ohne Ursache gestellt ihre Netze, mich zu verderben, und haben ohne Ursache meiner Seele Gruben zugerichtet. Er müsse unversehens überfallen werden, und sein Netz, das er gestellt hat, müsse ihn fangen, und müsse darinnen überfallen werden. Habe ich keine Veranlassung gegeben, so mögen sie Netze stellen, so viel sie wollen, ich werde erfahren, daß sie in die Netze fallen. Habe ich aber Veranlassung gegeben, so muß ich auch die Strafe tragen. Stelle dir z. B. vor, du hast gegen irgend einen Menschen geklatscht oder Lügen aufgebracht, und nun kriegst du was von ihm auf dein Lügen- und Klatschmaul, so sage nur nicht zum lieben Gott, Er möge dich trösten und jene strafen. Das kann dir nichts helfen, denn du hast's verdient, daß dir das Maul etwas unsanft gestopft wird. Aber wenn z. B. einer sich bekehrt, der früher auf den Tanzboden gegangen ist und nun kommen seine alten Freunde und wollen ihn. wieder mitnehmen, er will aber nicht, sondern sagt zu ihnen: Bisher habe ich leider dem Teufel und der Welt gedient, doch das soll nun vorbei sein, und seine alten Freunde werden ihm darum feind, so kann er zum HErrn beten: Sie verfolgen mich ohne Ursache, darum stoße sie weg durch Deinen heiligen Engel; und er wird erhört. Bor allen Andern aber haben sich dieses zu merken die Verachtetsten von allen, die treuen gläubigen Prediger, die besonders der Verfolgung ausgesetzt sind und die beständig den Lohn haben, daß sie von den Leuten, deren Sünden sie strafen, auf's bitterste gehaßt werden. Während nun die Gottlosen zu Schanden werden und mit ihrer List, Tücke und Bosheit nicht fortkommen, weil sie selbst in die Netze laufen, die sie Andern gestellt haben, heißt es bei den Frommen: Aber meine Seele müsse sich freuen des HErrn, und fröhlich sein auf Seine Hülfe.

Alle meine Gebeine müssen sagen: HErr, wer ist Deines Gleichen? Der Du den Elenden errettest von dem, der ihm zu stark ist, und den Elenden und Armen von seinen Räubern. In seinem Munde ist nichts als die fröhliche Zuversicht, daß ihm kein Leid begegnen, kein Feind ihn tödten, kein Haar von seinem Haupte fallen soll, so lange er beten kann und bei dem HErrn bleibt; er kann immer sagen: Freuen will ich mich des HErrn, und fröhlich sein auf Seine Hülfe. Daß die Gottlosen aber dem Frommen ohne Ursache feind sind, wird aufs glänzendste durch das Folgende bewiesen. Da heißt es, daß sie ihm so ohne alle Ursache nachstellen, daß sie falsche Zungen stellen, die ihm zeihen: weß er sich gar nicht bewußt ist; sie vergelten ihm Arges um Gutes, daher sieht man, daß ihr Haß geradezu teuflisch ist. Also was sie gegen die Frommen höhnen und lästern, ist geradezu aus der Luft gegriffen, und durch falsche Zungen von Ort zu Ort gebracht, und das alles in schwärzester Undankbarkeit und teuflischem Haß gegen die Frömmigkeit. Sie thun mir Böses um Gutes. Davon führt nun David ein Beispiel an, indem er sagt: Ich aber, wenn sie krank waren, zog einen Sack an, that mir wehe mit Fasten, und betete von Herzen stets; ich hielt mich, als wäre es mein Freund und Bruder; ich ging traurig wie Einer, der Leide trägt über seine Mutter. Während ich also brüderlich mich ihrer Noth annehme, heißt es von ihnen: Sie aber freuen sich über meinen Schaden, und rotten sich; es rotten sich die Hinkenden wider mich, ohne meine Schuld; sie reißen und hören nicht auf. Mit denen, die da heucheln und spotten um des Bauches willen, beißen sie ihre Zähne zusammen über mich. Denn solche Gottlose finden ja immer Anhang unter dem Pöbel, der ihnen zufällt mit Haufen wie Wasser, sie finden immer Leute, die den Frommen mit hassen, man braucht nur in die Luft hinein zu rufen, ein paar Thaler daran zu wenden und ein paar Flaschen Branntwein zum Besten zu geben, so sind sie zu allen Schändlichkeiten bereit. Ging es nicht ebenso mit dem Apostel Paulus? Predigte er das Evangelium und hatte irgendwo eine christliche Gemeinde gegründet, so brauchte nur ein Haufen gottloser Juden zu kommen, die den Pöbel aufhetzten, dann schrieen alle: Hinweg mit diesem! und er mußte fliehen. Und wie ging es dem HErrn Jesu? Was hat Er den Leuten für Liebe erwiesen, - und doch fiel der Pöbel Seinen Feinden mit Haufen, wie Wasser zu und tödtete Ihn. Fragt nun aber der Fromme: Warum seid ihr meine Feinde? was habe ich euch zu Leide gethan? habe ich euch nicht versorgt, nicht gewacht für euch, nicht getrauert um euch, wie um einen Bruder? so ist die Antwort: Ja, das ist Alles recht gut, darum hassen wir dich nicht, aber daß du ein Frommer bist, das können wir nicht leiden, darum hassen wir dich. So geht es namentlich einem treuen Prediger, der der größte Wohlthäter einer Gemeinde ist, der ihr Wort und Sakrament austheilt, ihre Kranke besucht, mit ihnen und für sie die Kniee beugt, in aller Noth ihnen zu Hülfe kommt; was ist der Lohn dafür? Derselbige wie bei David. So lange die Leute krank sind, lassen sie es sich gefallen; so wie sie besser geworden sind heißt es: Der scheußliche Mensch, daß er fromm ist, ich wollte er käme mir nie wieder über die Schwelle. Darum kommt Haß, Grimm und Verfolgung; darum aber auch der getroste Sinn: Ich gehe zu meinem Gott; und wenn es auch heißen muß: HErr, wie lange willst Du zusehen? Errette doch meine Seele aus ihrem Getümmel, und meine Einsame von den jungen Löwen; so weiß ich doch, daß Er meine Seele erretten wird aus ihrem Getümmel, und meine Einsame von den jungen Löwen. Amen.

(Vers 18-28).

An dem ersten Theil dieses Psalms hat David den HErrn sehnlich gebeten, Er solle ihn erlösen von der Grausamkeit seiner Feinde, er hat zu Gott gesagt, daß diese Feinde lediglich aus Gottlosigkeit und Haß gegen seine Frömmigkeit ihn verfolgen, und deshalb Ihn gebeten, ihn zu erlösen, weil seine Sache ja Gottes Sache sei. 'Aber er hört noch nicht auf, sondern er fährt fort im Beten, und aus den folgenden Worten unsers Psalms wollen wir lernen, was ein rechtes Gebet sei. Bisher hat David nichts gethan als Beten und Flehen, - und nun heißt es auf einmal: Ich will Dir danken in der großen Gemeinde, und unter viel Volks will ich Dich rühmen. Was zeigt sich in diesen Worten? Da zeigt sich nichts anders, als die felsenfeste Gewißheit, daß sein Gebet erhört sei, darum sagt er: Nun will ich Gott danken und Ihn rühmen, natürlich um keiner andern Ursache willen, als weil Er Gebet erhört. Aber David ist ja noch im Beten, hat er denn die Hülfe schon? Nein, seine Lippen sind ja noch warm vom Bitten, die Hülfe ist noch nicht zu sehen. Aber für David ist sie doch da, obgleich sie in der That noch nicht erschienen ist. Er weiß gewiß, daß sie kommt, er sieht sie wie vor Augen, deshalb bricht er schon im Voraus in Loben und Danken aus. Das ist das rechte Kennzeichen und die rechte Probe des wahren Gebets, daß ein Mensch im Beten der Erhörung seines Gebets so gewiß ist, daß, während er betet, obgleich er mit seinen Augen noch nichts sieht, er doch die Gebetserhörung so fest in seinen Händen hat, als sähe er sie. Das ist es, was Johannes sagt: Der rechte Beter hat die Bitte schon, um die er gebeten hat, er hat sie, obgleich er sie noch gar nicht sieht. Alles andere Gebet ist nur Lippengeplapper, und hat noch nie vor Gott Geltung gehabt. Betest du also im Glauben, so betest du wirklich; betest du nicht im Glauben, so plapperst du, und das können die Heiden auch. Wenn ihr nun diesen Maßstab an das Gebet legt, wie viel, oder besser wie wenig wird dann wohl recht gebetet auf Erden! Wahres Beten ist, wie Luther sagt, das allerheilsamste Ding, was es giebt. Er hat Recht. Aber das meiste Beten der Christen ist entweder bloßes Lippengeplapper, oder höchstens ein Probiren, ob Gott wohl erhört. Wenn die Leute gebetet haben, dann legen sie sich auf die Lauer hinter den Busch und sehen zu, ob sie was kriegen oder nicht. Die felsenfeste Gewißheit, daß Gott das Gebet erhört, hat fast Keiner mehr. Daher ist denn auch Alles in Kirche und Häusern in so jämmerlichem Zustande, man sieht es allenthalben, daß die rechten Beter fehlen. Frag dich auf dein Gewissen, wenn du betest, kannst du denn fröhlich dein Haupt erheben und sagen: Es wird geschehen? Darum sagt Vater Luther: Du mußt beim Beten das Amen recht stark machen, sonst hilft es nichts; und im Katechismus: Was heißt Amen? Daß ich soll gewiß sein, solche Bitten sind dem Vater im Himmel angenehm und erhört. Denn Er selbst hat uns geboten, also zu beten und verheißen, daß Er uns will erhören. Amen, Amen, d. h.: Ja, ja, es soll also geschehen, wie ich gebeten habe. So sagt der rechte Beter, und ist seiner Erhörung gewiß, daß eher Berge weichen und Hügel hinfallen können, als daß Gott ihn unerhört ließe. Wer so betet, der kann den Himmel aufschließen und die Hölle zuschließen, der ist ein Beter im Geist und in der Wahrheit; alles andere Beten ist entweder Heuchelei, oder Lippengeplapper. Warum ist nun David so gewiß, daß er erlöset werde von seiner Feinde Grausamkeit? Eben aus dem Grunde, weil er weiß, daß sein Gebet zur Ehre Gottes gereicht, darum muß es erhört werden. Gott darf Seine Ehre nicht mit Füßen treten lassen, sagt Er doch: Ich will Meine Ehre keinem Andern geben, noch Meinen Ruhm den Götzen Jes. 42, 8- und weil Seine Ehre im Spiel ist, darf Er David nicht unerhört lassen. - Laß sich nicht über mich freuen, die mir unbillig feind sind, noch mit den Augen spotten, die mich ohne Ursache hassen. Denn sie trachten Schaden zu thun, und suchen falsche Sachen wider die Stillen im Lande, und sperren ihr Maul weit auf wider mich, und sprechen: Da, da, das sehen wir gerne! Sollte denn das den Leuten gelingen? Sollten sie die Ehre Gottes mit Füßen treten? Das geht nicht an, Gott darf es nicht dulden, daß sie das gegen mich thun, der ich Gottes Knecht bin. Darum will ich schon im Voraus rühmen, daß sie sich nicht über mich freuen werden. Die Feinde Davids sind nach diesen Worten die gottlosen Feinde des Reiches Gottes, die in David den Knecht Gottes und in seiner Sache die Sache der Frömmigkeit hassen. Sie hassen David ja nicht, weil er sie beleidigt hätte, sondern weil er Gottes Knecht ist; es ist der Haß Kains gegen Abel, ihre Worte und Werke sind böse und Davids Worte und Werke gerecht. Darum hassen sie ihn ohne Ursache und sind ihm unbillig feind. Und solchen Leuten sollte es gelingen, sich über David zu freuen und gegen ihn spöttisch die Augen zu erheben? Diese Leute, die nur einen Stillen im Lande zu sehen brauchen, so gehen sie über vor Wuth und das Höhnen und Spotten geht los, - die sollten den Sieg über David davon tragen? Das kann Gott nicht leiden. Darum weiß David im Voraus, daß der HErr ihm hilft und es seinen Feinden nicht gelingen läßt. Merkt zugleich, was hier gesagt wird von den Frommen, daß sie die Stillen im Lande sind, gegen welche die Feinde alles Böse vorbringen. Wollt ihr fromm sein, so prüft euch auch, ob ihr zu den Stillen im Lande gehört. Es ist nichts unpassender für die Frommen, als das laute Wesen, das Breitmachen, als ob ihnen die ganze Straße gehöre. Man kann ja die Weltkinder schon von ferne kennen an ihrem lauten Prahlen. Das kommt von ihrem Hochmuth, es ist, als ob sie alle Leute herausfordern wollen: Kommt her und seht uns einmal an, was sind wir für Herren! Die Frommen dagegen ziehen nicht gern die Blicke Anderer auf sich, sie suchen viel lieber die Einsamkeit. Sie schämen sich ihres Heilandes nicht, sie bekennen Ihn, machen aber kein Aufsehen dabei. Leute, die Aufsehen zu machen suchen, haben noch nie zu den wahren Christen gehört. Freilich, Kopfhänger sind die wahren Christen auch noch nie gewesen, ausgenommen, wenn sie in der Buße stecken, und weinerliches Wesen haben sie auch nicht. Zwar wenn ihre Sünden sie drücken, dann gehen sie in die dunkelste Kammer, weinen sich aus und bitten um Vergebung; aber solch weinerliches, kopfhängerisches Wesen, das immer vergehen will, haben sie nicht, denn das ist kein wahrhaft christliches, das ist ein krankhaftes Wesen. Aber eben so wenig haben sie das laute Weltwesen der Ungläubigen. Der Christ ist der Allerfröhlichste, weil ihm ja seine Sünden vergeben sind, aber bei allem fröhlichen Glauben und himmlischen Frieden liebt er doch das stille, verborgene Leben, das aus der herzlichen Demuth kommt. Nun braucht zwar, wie schon gesagt, ein gottloser Bube solche Leute nur zu sehen, so schüttet er sofort seinen Grimm gegen sie aus; aber dem Gottlosen kann Gott den Sieg nicht geben. Was wird Gott nun thun? David sagt: HErr, Du stehest es, schweige nicht; HErr, sei nicht ferne von mir. Erwecke Dich, und wache auf zu meinem Recht, und zu meiner Sache, mein Gott und HErr. HErr, mein Gott, richte mich nach Deiner Gerechtigkeit, daß sie sich über mich nicht freuen. HErr, sagt er, Du siehst das ja, und weil Du es siehst, darum darfst Du es nicht dulden, schweige nicht, sondern wache auf, und das mußt Du eilend thun, hilf mir schnell. Es ist ja beinahe, so kühn spricht er, als ob Du schliefest, darum wache auf zu meinem Recht und zu meiner Sache. Sieh wie fröhlich kann David trotzen vor Gott. Er kann hintreten vor Gott und sagen: Ich darf mich auf mein Recht und meine Sache berufen, weil ich gerechte Sache habe, darum hilf Du mir. Gerechte Sache aber hat er, weil sie Gottes Sache ist; darum kann er sich sogar berufen auf den gerechten Gott, als den obersten Richter, der kein unrechtes Urtheil auf Erden dulden kann. So kommt Alles darauf an, daß der fromme Mensch seinen Wandel vor dem HErrn führt, daß er sich bei Gott auf die Gerechtigkeit seiner Sache berufen kann. Seht daraus, daß Keiner vor Gott erhörlich beten mag, der kein reines Gewissen hat. Wo das Gewissen zagt und klappert, da ist's nicht rein, da ist auch kein erhörliches Gebet möglich. Denn wer kein reines Gewissen hat, der hat Gott zum Feinde, und ein Feind kann meine Sache nicht führen. Aber ich meinte, wir hätten alle kein reines Gewissen, wir wären Sünder? Ja Sünder sind wir allzumal und haben kein reines Gewissen ohne Vergebung der Sünden, das Gewissen wird nicht eher gut, als bis die Sünde weggenommen ist. Aber in der Sache, die du mit den Gottlosen hast, mußt du überhaupt reine Sache haben! hast du die nicht, so laß das Beten nur sein, deiner ungerechten Sache hilft Gott nicht. Wenn du dumme Streiche gemacht hast, und wirst nun von den Gottlosen gezüchtigt, so hat Gott um deiner dummen Streiche willen die Gottlosen gegen dich geschickt, daß sie dir den Puckel tüchtig durchbläuen sollen. David konnte nicht zu Gott sagen: Vor Dir bin ich rein; aber er konnte sich getrost auf seine Sache berufen, die er mit den Feinden hatte, er war deß gewiß, daß Gott ihm Recht geben und ihn erlösen mußte. Er konnte z. B. gegen Saul zu Gott sagen: Hilf mir, denn dem war er ein treuer Unterthan und Schwiegersohn gewesen. - Das soll ihnen nicht gelingen, daß sie sich freuen über mich. Laß sie nicht sagen in ihrem Herzen: Da, da! das wollen wir. Laß sie nicht sagen: Wir haben ihn verschlungen. Sondern so soll es sein: Sie müssen sich schämen und zu Schanden werden, Alle, die sich meines Uebels freuen; sie müssen mit Schanden und Scham gekleidet werden, die sich wider mich rühmen.

Rühmen und freuen müssen sich, die mir gönnen, daß ich Recht behalte und immer sagen: Der HErr müsse hoch gelobt sein, der Seinem Knechte wohl will. Und meine Zunge soll reden von Deiner Gerechtigkeit, und Dich täglich preisen. Vor Gott beuge dich alle Tage, als der demüthigste Mensch, beuge dein Antlitz in den Staub und bitte um Vergebung der Sünden, vor Ihm ist kein Lebendiger gerecht. Aber vor den Menschenkindern mußt du diesen köstlichen Trotz haben: Ich habe euch kein Leid gethan, gegen euch ist kein Unrecht in meinen Händen, eure Feindschaft gegen mich ist ohne Ursache, es ist Feindschaft gegen Gott. Hast du vor Gott deine Sünde bekannt und um Vergebung gebeten, bist du rein gewaschen im Blute Christi, so kannst du auch vor Gott fröhlich dein Angesicht erheben; aber zu den Menschen sollst du sagen können: Gegen euch beißt mich mein Gewissen nicht. Sollte es aber, was ja möglich ist, einmal kommen, daß du gegen deinen Bruder sündigst, so gehe zuerst zu ihm, sag' ihm, ich habe gesündigt, vergieb es mir; denn es ist unmöglich, daß du erhörlich beten kannst, so lange der Bann unvergebener Sünde auf dir ruht. Amen.

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