Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 23. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 23. Psalm.

Dieser Psalm handelt von Christo, dem guten, treuen Hirten. Er ist von jeher der Lieblingspsalm aller wahren Christen gewesen, die Jesu Schäflein geworden; denn es giebt nichts Herrlicheres, als diesen guten Hirten seinen Heiland nennen zu können. Diese liebliche Bezeichnung, daß Jesus der gute Hirte sei, geht durch die ganze Bibel Alten und Neuen Testaments. Hier im Psalm heißt es: Der HErr ist mein Hirte; und im Evangelium Johannes: Ich bin ein guter Hirte u.s.w. Im Propheten Hesekiel wird der Messias beinah in allen Kapiteln als der gute Hirte bezeichnet, eben so im Propheten Jeremias, nicht minder im Jesaias und Sacharja. Es heißt z. B. Hesek. 34,1-12: Denn so spricht der HErr HErr: Siehe, Ich will Mich Meiner Heerde selbst annehmen und sie suchen. Wie ein Hirte seine Schafe suchet, wenn sie von seiner Heerde verirret sind, also will Ich Meine Schafe suchen; und will sie erretten von allen Orten, dahin sie zerstreuet waren, zu der Zeit, da es trübe und finster war. Dann straft der HErr die bösen Hirten, die die Schafe scheeren, aber nicht weiden; und den bösen Hirten stellt er sich gegenüber als der gute Hirte, der Sein Leben giebt für die Schafe, um sie aus dem Rachen des höllischen Wolfes zu erretten. Und noch im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung Johannes, kommt das Wort vor: Das Lamm wird die Gläubigen weiden, und sie führen zu den frischen Wasserbrunnen. Von dem guten Hirten handelt nun dieser Psalm. Es heißt da zuerst: Der HErr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln. Daß Er hier mein Hirte genannt wird, bezeichnet den Gläubigen, oder hier David, als Schäflein aus der Heerde Christi; der wahre Christ kann sagen: Der HErr gehört mir, ich gehöre dem HErrn. Daß Er mich weidet zur Seligkeit, darauf kommt es an, dann wird mir nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue, und führet mich zum frischen Wasser. Die grüne Aue, auf welcher Er Seine Schäflein weidet, ist das theure Wort Gottes; gleich wie ein irdisches Schaf auf grüner Weide sich satt ißt, so ißt ein geistliches Schaf, ein Christ, sich satt am Worte des lebendigen Gottes, das ist seine grüne Weide. Von dieser Weide kann es deßhalb gar nicht wegfinden. Kann denn ein Schaf die tägliche Weide entbehren? kann es ohne dieselbe bestehen? Seht die Hirten eurer Schafe an, führen sie sie nicht täglich hinaus, und wenn sie gar nicht können, streuen sie ihnen dann nichts im Stalle vor? Ebenso das Schäflein Christi, der wahre Christ. Den findet ihr täglich lesen in Gottes Wort, ihr findet ihn Gottes Wort hören, wo er nur kann; das ist die gute Weide, worauf ihn der gute Hirte führt. Das kann der Christ nicht einen Tag entbehren, du könntest ihm die Schätze der ganzen Welt anbieten, er thäte es nicht, ein Tag ohne Gottes Wort wäre ja verloren in seinem Leben. Nur die dringendste Noth oder Liebespflicht kann ihn abhalten, zur Kirche zu kommen, ohne das müßte er sich als ein Scheusal vorkommen, das den HErrn verachtet mit Seiner Gnade. Die meisten Leute wissen es selbst nicht, welche Scheusale sie sind, wenn sie nicht zur Kirche kommen und wie sie sich zugleich selbst betrügen. Wie müssen sie einst stehen und sich selbst verklagen, wenn sie verloren gehn: Ich habs verschuldet, da ich dem HErrn von der Weide weggelaufen bin. Aber so wenig das Schaf der Weide entbehren kann, eben so wenig des frischen Wassers. So ists auch im Christenthum. Wie ich essen muß von der Weide des Wortes Gottes, so muß ich trinken die Ströme des frischen Wassers, des heiligen Geistes. Daher kommt es, daß ich täglich bete um den heiligen Geist, und daher wieder kommt es, daß ich treu die Bibel lese und die Predigt höre, denn durch diese Gnadenmittel wird der heilige Geist mitgetheilt. - Er erquicket meine Seele; Er führet mich auf rechter Straße, um Seines Namens willen. Die einzig wahre Erquickung der Seele, die es giebt, ist Vergebung der Sünden, ohne dieselbe bin ich der unglücklichste Mensch, ich könnte ja nicht vor Gott treten, sondern müßte mich vielmehr vor Ihm fürchten. Und wie köstlich ist die Erquickung! Kannst du eine Seite in der Bibel lesen, eine Predigt hören, ohne den Trost zu vernehmen: Mein Sohn, dir sind deine Sünden vergeben? Und willst du den Trost recht persönlich haben, so komm zur Beichte und Absolution, denn da wird dir persönlich auf das Bekenntniß deiner Sünden die Vergebung der Sünden mitgetheilt. Er führet mich auf rechter Straße, um Seines Namens willen. Das ist der Weg zum Himmel, der zwar schmal ist, aber gewiß zur Seligkeit führt, den Wenige finden, aber sicher darauf zur Seligkeit gehen. Um Seines Namens willen führt Er mich aus dieser Straße, denn daß Jesus mein Hirte ist, ist Seine Gnade, nicht mein Verdienst. Um Seines Namens willen, denn Er hats auch versprochen, und Er ist treu und wahrhaftig, daß Er Sein Wort hält. Ohne das wäre gar kein Grund vorhanden, warum Er uns verlorne und verdammte Menschen selig machen wollte; aber Sein Name leidet es nicht, daß Er ein Lügner, daß Er untreu genannt werde. Also um dieser treuen Wahrhaftigkeit willen, die an Seinen Jesusnamen geknüpft ist, führt Er mich auf rechter Straße. Die rechte Straße ist: Thut Buße und glaubt an das Evangelium. Wer Buße thut, sich bekehrt und an den HErrn Jesum glaubt, dem sollen die Sünden vergeben werden, der wird also zum Leben eingehen. - Und ob ich schon wanderte im finstern Thale, fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir; Dein Stecken und Stab tröstet mich. Was ich an Christo, meinem Heiland habe, das kann die Probe bestehn; und wohl mir, daß es das kann, denn es muß die Probe leiden, wie das Gold das Feuer. Was ist mit dem finstern Thal gemeint? Es giebt zwar viele finstere Thäler, aber das rechte finstere Thal ist das Thal des Todes. Da mußt du hindurch; es giebt keinen Ausweg, es hilft dir auch nichts, daß du die Gedanken an den Tod wegtreibst in Saus und Braus, du mußt sterben. Und es hilft dir nichts, daß du den Ort fliehst, wo dich der Tod erwischen könnte, er findet dich doch. Und wird er dich recht bereitet finden bei deiner jämmerlichen Todesfurcht? Du armer Mensch, der du dich vor dem Tode fürchtest, du mußt ja doch hin und erfahren, daß gegen den Tod kein Kraut gewachsen ist. Aber wer sprechen kann: Und ob ich schon wanderte im finstern Thale, fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir, Dem Stecken und Stab tröstet mich, der verlernt das Weglaufen vor dem Tode, denn er weiß: Der HErr ist mit mir, was sollte ich mich fürchten? Will Er, daß ich noch nicht sterben soll, so kann mir kein Haar vom Haupte fallen; will Er, daß ich sterben soll, desto besser ist es. Mein Stecken und Stab, worauf ich mich stütze, ist Gottes Wort, und das lehrt mich sprechen: Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn; wo Vergebung der Sünden ist, da ist Leben und Seligkeit. Und ich sollte mich fürchten vor dem Tode? Das sind glückliche Leute, die so ihren süßen, festen Trost im Leben und im Sterben haben. Was ists aber, was den Christen so freudig, stark und getrost macht? Hört: Du bereitest vor mir einen Tisch gegen meine Feinde. Du salbest mein Haupt mit Oel, und schenkest mir voll ein. Da sehet ihr zwei feste Burgen, die der Christ hat, in die er flieht und gerettet ist. Die erste ist das heilige Abendmahl. Der Tisch gegen meine Feinde ist der Abendmahlstisch; da kann ich sprechen: Trotz meinen Feinden, kommt her, wenn ihr wollt. Ich habe Jesu Fleisch gegessen, Sein Blut hab' ich getrunken hier; nun kann Er meiner nicht vergessen, ich bleib in Ihm und Er in mir. Und ist Er bei uns eingekehrt, wer kann gegen diesen Held im Streit bestehn? Ist Er nicht der allmächtige Gott? So ist mir durch die Versiegelung in Jesu Christo die Seligkeit zweifellos, und Gottlob, diese Burg ist mir immer offen, der Abendmahlstisch ist immer bereit und gedeckt. Die zweite Burg ist die heilige Taufe. Davon heißt es im Psalm:

Du salbest mein Haupt mit Oel, und schenkest mir voll ein. In und mit dem Taufwasser wird uns der heilige Geist mitgetheilt, so daß der Christ jubeln kann: Du bist das heilige Oel, damit gesalbet ist mein Leib und meine Seele dem HErrn Jesu Christ. Darum heißt ein Christ auch ein Gesalbter des heiligen Geistes. In dieses theure Sakrament der Wiedergeburt fliehe ich täglich als in eine feste Burg, denn ich fange den Tageslauf an und beschließe ihn, indem ich mich in die Taufgnade einwickle, die ein Anrecht giebt auf das ewige Leben, denn sind wir Kinder, so sind wir auch Erben. Ich muß wohl in den Himmel kommen, der mein Erbtheil ist, so wahr ich ein Kind Gottes bin. Darum: Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Lebenlang, und ich werde bleiben im Hause des HErrn immerdar. Einem solchen Menschen muß es wohl gehen. Wer solchen treuen Hirten, solche grüne Weide, solche frische Wasser, solche feste Burgen, die heilige Taufe und das heilige Abendmahl hat, da kann es nicht anders sein, der Himmel steht ihm offen. Mein Lebenlang, so lange ich hier bin, habe ich Ihn zum guten Hirten; sterbe ich, so kommen die Engel Gottes und tragen mich in Abrahams Schooß, wie einst Lazarus. So kann mich nichts aus Seiner Hand reißen, denn ich bin und bleibe Sein Kind und Erbe in Ewigkeit. Amen.

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