Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 11. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 11. Psalm.

In diesem Psalm wird uns geschildert der Kampf und Sieg des Frommen über seine Feinde. Der Fromme ist allenthalben von Feinden umgeben, darum ist der Kampf mit denselben unvermeidlich. Weil nun der Feinde sehr viele sind und weil sie sehr mächtig sind, so könnte es scheinen, als ob David unterliegen müsse; aber der Psalm zeigt, wie der Sieg ihm doch werden muß, wenn der Kampf auch schwer ist. - HErr, sagt er, ich traue auf Dich. Wie sagen sie denn zu meiner Seele, sie soll fliegen wie ein Vogel auf ihre Berge? In diesen Worten wird uns gleich angezeigt, wie es mit dem Frommen bestellt ist: er trauet auf Gott. Davon wollen die Gottlosen ihn abbringen, darum sagen sie: Deine Seele soll fliegen wie ein Vogel auf unsere Berge. Weil der Fromme auf Gott trauet, deshalb sind die Gottlosen ihm so spinnefeind, denn die trauen nicht auf Gott, sondern haben Gemeinschaft mit dem Teufel. Traue ich auf Gott, so habe ich keine Gemeinschaft mit dem Teufel und kann auch keine Gemeinschaft mit den Kindern des Teufels haben. Wenn David sagt: wie sagt ihr denn zu meiner Seele,- sie soll fliegen wie ein Vogel auf eure Berge, so braucht er dasselbe Wort, wie einst, da er flohe vor Saul: ich bin wie ein Rebhuhn auf dem Berge und wie ein gejagtes Vöglein an verstörten Stätten. Die Gottlosen lassen dem Frommen keine Ruhe, weil sie ihn gern verderben möchten. Sie machen es wie der Jäger, der ausgeht Wild zu jagen, wenn der einen Vogel findet, so verfolgt er ihn von Zweig zu Zweig und ruht nicht eher, bis er ihn erlegt. So machen es die Gottlosen mit dem Frommen, sie verfolgen ihn von Ort, zu Ort, sie stellen ihm Netze und schießen ihre Pfeile nach ihm. Und dabei haben sie besonders die Absicht: sie wollen den Frommen auf ihre Berge haben; sie wollen ihm das Christenthum leid machen, wollen ihn durch die Verfolgung so mürbe machen, daß er zu ihnen fliehe. Sie sagen, auf dem Berge Gottes hast du keine Ruhe, komm zu uns auf unsere Berge, da wirst du Ruhe finden. Darum rasten sie nicht eher, als bis er endlich dahin fliehet, wo er meint Ruhe zu haben. So suchen sie durch ihre Ränke zu erreichen, den Frommen abwendig zu machen von Gott, auf daß sie dann den Triumph feiern können: dieser traute auf Gott, und siehe, wir haben ihn zu uns herüber gebracht; ja, sie wollen damit einen Triumph über Gott feiern. Man kann das, was hier der Psalm so kräftig und wahr sagt, an allen Frommen, die aufrichtig dem HErrn dienen, sehn. Wir haben vor kurzem das Reformationsfest gefeiert, und da ist uns vor die Augen gestellt der treue Knecht Gottes, Luther, durch den Gott sie herbei geführt hat. Er war aus der katholischen Kirche ausgetreten, und hielt sich zu dem Berge Gottes. O wie haben da die Katholiken an ihm herum gearbeitet, um ihn wieder auf ihre Berge zu bringen: sie haben ihm einen Bischofshut, ja den Erzbischofshut angeboten, aber es hat nichts geholfen; sie haben ihn mit Gift, Feuer und Schwert verfolgt, sie haben ihn in Bann und Acht gethan, sie haben ihn einen Hurer, Ehebrecher und Mörder gescholten, aber alles war vergeblich; sie haben zu ihm gesagt: Komm auf unsere Berge, dann soll alles gut sein, aber er ist auf dem Berge Gottes geblieben und hat sich weder an ihr Locken, noch an ihr Wüthen gekehrt. Er war ein solcher Mann, der sprechen konnte: HErr, ich traue auf Dich, und darum ist er nicht zu Schanden geworden. Merket euch das, meine Lieben, wenn euch die Gottlosen freundlich sind, oder wenn sie sich grimmig gegen euch stellen, ihre Absicht ist nur: ihr sollt von Gott abfallen, und damit wollen sie Gott überwinden. Der Psalm schildert nun weiter, wie es die Gottlosen machen V. 2: Denn siehe, die Gottlosen spannen den Bogen, und legen ihre Pfeile auf die Sehnen, damit heimlich zu schießen die Frommen. Das thun sie auf leibliche und geistliche Weise. Das ist schon oft genug geschehn und geschieht noch oft genug, daß die Frommen von den Gottlosen leiblich getödtet werden. Haben sie doch Luther den Giftbecher gereicht und das Schwert nach ihm gezückt, und ihre Absicht, Luther zu tödten, würden sie auch erreicht haben, wenn Gott es ihnen nicht gewehrt hätte. Sind doch über 50.000 Lutheraner während der Reformationszeit in Deutschland von Katholiken getödtet worden. Aber auch geistlich ist dieser Vers anzuwenden; und da sind die Pfeile, die sie abschießen, worauf besonders das Wort geht: die sie heimlich abschießen, Verläumdung und böse Gerüchte. Davon geht ihr Mund über, weil ihr Herz, vom Teufel getrieben, davon voll ist, ihre Absicht ist, den Frommen zu schießen und ihm tödtliche Wunden beizubringen. Wie ist es unserm HErrn Jesu ergangen? Leset einmal nach in den Evangelien, das eine Mal schießen die Pharisäer den Pfeil ab: Er ist ein Fresser und Weinsäufer, der Zöllner und Sünder Gefell, das andere Mal sagen sie: Er hat den Teufel, dann nennen sie Ihn einen Gotteslästerer, noch ein ander Mal sagen sie, Er sei ein Rebell und Empörer. Ebenso machen sie es mit allen Frommen, denn der Knecht ist nicht größer als sein Herr und der Jünger nicht größer als sein Meister. Die Lästerungen fliegen als giftige Pfeile auf die Kinder Gottes. Was sollen sie dagegen anfangen? Der Psalm sagt: Denn sie reißen den Grund um, was sollte der Gerechte ausrichten? Sieht man auf das, was die Gottlosen vorhaben, so sollte man meinen, der Fromme könne nichts ausrichten, denn ihm wird durch die Verfolgung und Verleumdung jener der Grund unter den Füßen weggerissen. Wenn das geschieht, was soll dann der Fromme machen? Er scheint verloren zu sein, die Gottlosen scheinen gewonnen zu haben, ja es kommt ihm der Gedanke: Gieb dich nur zu, du kannst doch nichts dagegen machen, fliehe nur zu den Bergen der Gottlosen.

Und es ist in der That so, der Fromme kann nichts dagegen machen. Es geht dem Frommen bei dem Pilgerlauf durch diese Welt, wie einem Reisenden beim Durchzug durch ein fremdes Dorf. Wenn da gottlose Buben ihn mit Dreck bewerfen, was soll er dagegen machen? Wenn der Fromme auf der Reise in die himmlische Heimath verhöhnt, verspottet und verfolgt wird, wie soll er sich wehren? Der Psalm giebt einen Rath, und damit ist Alles überwunden: Höre, du Frommer, du sollst dich auch nicht wehren und nicht vertheidigen, der HErr ist in Seinem heiligen Tempel, des HErrn Stuhl ist im Himmel, Seine Augen sehen darauf, Seine Augenlieder prüfen die Menschenkinder; das ist der Trost. Laß es dir nicht einfallen, daß du dich schützen und wehren willst, denn du hast's ja eben gehört, daß der Gottlose heimlich seine Pfeile nach dir schießt. Aber das sollst du thun, auf den HErrn harren, der in Seinem heiligen Tempel sitzt, dessen Stuhl im Himmel ist und dessen Augenlieder sowohl auf die Kinder Gottes, als auf die Kinder des Teufels merken. Wo wohnt dein Gott? Im Himmel, in Seinem heiligen Tempel; denn Er ist der Allgegenwärtige und Allwissende. Von da aus sieht Er deine Frömmigkeit und die Gottlosigkeit deiner Feinde, und Sein Arm ist ein allmächtiger, Heiligkeit und Gerechtigkeit ist Seines Hauses Zierde. Nun brauchst du nicht zu fürchten, daß du unterliegest, es muß dir gelingen, denn der führt deine Sache, der nicht allein dir helfen, sondern auch deine Feinde verderben kann. Dieser HErr, der deine Sache führt, hat den Ruhm, daß Er den Gerechten prüft, und daß Seine Seele den Gottlosen und die gerne freveln, hasset. So laß also das deine Sorge sein, daß deine Sache gerecht ist; und ist das vor Gott, dem Herzenskündiger, kund geworden, dann merke dir: der HErr hasset den Gottlosen. Da hast du das einfache Urtheil: der HErr prüfet dich, und erkennt Er deine Sache als gerecht, dann hilft Er dir; Er prüfet auch die Sache des Gottlosen, und findet Er, daß sie ungerecht ist, so straft Er ihn. Uebergieb deine Sache nur getrost dem HErrn, der dem Gerechten hilft um seiner Gerechtigkeit willen, und der den Gottlosen straft um seiner Ungerechtigkeit willen. Siehe nur darauf, daß du ein rechtschaffner Frommer und ein wahres Kind Gottes bist, dann sei zufrieden, Gott wird dir helfen. Aber nun sollst du auch erfahren, wie es dem Gottlosen, deinem Verfolger gehn wird, du sollst das Urtheil hören, das über ihn bestellt ist: Der HErr wird regnen lassen über die Gottlosen Blitz, Feuer und Schwefels und wird ihnen ein Wetter zum Lohn geben. Hier wird uns das Ende der Gottlosen geschildert, daß sie oft schon hier auf Erden trifft, wie z. B. die gottlosen Leute in Sodom und Gomorra, oder die Rotte Korah; aber ganz, sicher nach dem Tode. Wie gesagt, Gott thut das oft schon auf Erden; sollte es aber auch nicht hier geschehen, so kommt doch eine Zeit, die sie an den Ort bringt, wo alle Wetter des Zorns über sie ausgeschüttet werden. Wo die Gottlosen hinkommen, da sind Blitze, Feuer, Schwefel, und Alles, was sie quälen kann. Darum sei nur zufrieden, was sie dir auch thun, alles das ist nichts gegen das Gericht, welches sie treffen wird. Feuer, Blitz und Schwefel, können sie über dich nicht bringen, Gottes Wetter können sie über dich nicht kommen lassen; aber das alles wird sie treffen, nachdem das Maaß ihrer Sünden voll ist. Darum, merke dir zum Schluß: Der HErr ist gerecht und hat Gerechtigkeit lieb; darum, daß ihre Angesichter schauen auf das da recht ist. Der Spruch ist schwer zu verstehen, nicht in seiner ersten Hälfte, sondern in der zweiten. Der HErr ist gerecht, das kann ein Kind verstehen, darum bestraft Er das Böse und belohnt das Gute; Er hat Gerechtigkeit lieb, darum schützt Er den Frommen und vertilgt den Gottlosen. Führst du als Christ einen gerechten Wandel, so hat dich der HErr lieb; führst du als ein Weltkind einen gottlosen Wandel, wie das nicht anders sein kann, so haßt dich der HErr. Nun heißt es weiter: darum, daß ihre Angesichter schauen auf das da recht ist. Wenn man das auf die Menschen bezieht, so giebt es gar keinen Sinn. Gott ist gerecht und hat Gerechtigkeit lieb, aber nicht darum, weil die Menschen sehen auf das, was recht ist. Es hat diese Stelle nur dann einen Sinn, wenn sie auf Gott bezogen wird; und diese Bedeutung hat sie auch. Laßt mich euch erinnern an das, was 1. Mos. 1 geschrieben steht: Laßt uns Menschen machen, die Unserm Bilde gleich sind. Wer ist mit dem „Uns“ gemeint? Der dreieinige Gott, der sich als Vater, Sohn und heiliger Geist geoffenbart hat. Darum heißt es nicht: Laßt Mich Menschen machen, sondern laßt Uns Menschen machen. Darum heißt es auch hier: daß Ihre Angesichter sehen auf das was recht ist. Das sind die Angesichter des dreieinigen Gottes. Der dreieinige Gott hat Gerechtigkeit lieb; und sieht Er, daß das auch bei dir der Fall ist, so schützt Er dich, und was willst du mehr? Nun sei ganz getrost und still, Er wird dich erlösen von allem Uebel und dir aushelfen zu seinem himmlischen Reiche. Amen.

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