Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 10. Psalm

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 10. Psalm

Der Psalm enthält ein Gebet wider die Feinde der Kirche, welche darum, weil sie als Feinde der Kirche erfunden werden, auch aller Christen Feinde sind, denn Kirchenfeind und Christenfeind ist einerlei. Aber weil die Kirche Gottes Kirche ist, so ist Kirchenfeind, Christenfeind und Gottesfeind auch gleichbedeutend. Ein Kirchenfeind ist auch eben so wohl Gottes Feind, wie er eines jeden wahren Christen Feind ist. Gegen diese Feinde ist das Gebet des 10. Psalms gerichtet; und in demselben werden 1. die Feinde der Kirche geschildert; 2. wird Gott darin um Hülfe angerufen; und endlich 3. schließt der Psalm mit triumphirendem Dank für die Erhörung des Gebets. - Also zuerst werden uns die Feinde der Kirche geschildert. Der Psalm hebt an: HErr, warum trittst Du so ferne, verbirgst Dich zur Zeit der Noth? Weil der Gottlose Uebermuth treibet, muß der Elende leiden. Sie hängen sich an einander, und erdenken böse Tücke. Es giebt Zeiten, wo es scheint, als ob Gott sich ganz verborgen habe, als ob keine Hülfe mehr von Ihm zu erwarten sei.

Er steht so fern, als ob Er nicht mehr dazu gehöre und den Gottlosen gelingt all' ihr gottloses Wesen, keiner demüthigt die Gottlosen, sie sind listig in ihrem Wesen, der eine Gottlose hilft dem andern, sie wollen ja Gottes Reich zerstören und den HErrn stürmen, und die Frommen müssen das leiden. Dabei sind sie so klug, daß sie einsehen und zu dem Entschluß kommen, wir müssen einen Bund unter einander machen und dadurch unsere Kräfte vereinigen. Denn wollen sie es versuchen, Gottes Reich zu stürzen, so ist das nur durch Lüge und Tücke möglich; und um das zu erreichen, ist ein enger, fester Bund nöthig. Natürlich ist der Teufel, der ein Vater der Lügen und auch ihr Vater ist, der. erste in diesem Bunde, und der hilft ihnen treulich mit Rath und That. Weil nun ihr Wesen fortgeht und wie es scheint gelingt, so heißt es weiter: Denn der Gottlose rühmt sich seines Muthwillens. Siehe, sagt er, mir gelingt Alles, so muß Gott wohl nichts sein, sonst würde Er den Frommen helfen. Dazukommt dann noch, daß der Gottlose kein Mittel scheut, sich den ungerechten Mammon zu sammeln; denn das Geld ist sein Gott, sein Dichten und Trachten geht nur dahin, Reichthum zu erwerben und der Teufel, sein Vater, steht ihm darin getreulich bei. Darum heißt es weiter im dritten Verse: Der Geizige segnet sich und lästert den HErrn. Er schlägt auf seine Geldtasche und sagt! das ist mein Gott! über euren Gott, ihr Frommen, lache ich, denn mein Gott, der Teufel, macht mich reich; aber was habt ihr Christen von eurem Gott? So kommt es denn, daß der Gottlose stolz und trotzig ist, daß er nach Niemand fragt, und in allen seinen Tücken Gott für nichts hält. Er spricht es geradezu aus, was ein anderer Psalm sagt: Die Thoren sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott Ps. 14, 1. Ja das ist in Wahrheit die Rede der Gott, losen: Nach Gott und Menschen frage ich nicht, meine Absicht ist, alle Menschen unter die Füße zu treten und Geld und Gut zu sammeln. Haben wir nun das Wesen des Gottlosen kennen gelernt, so zeigt uns der Psalm weiter, wie der Gottlose beharrt in seinem Wesen, indem er sagt: Er fährt fort mit seinem Thun immerdar; Deine Gerichte sind ferne von ihm; er handelt trotzig mit allen seinen Feinden. Er spricht in seinem Herzen: Ich werde nimmermehr darnieder liegen; es wird für und für keine Roth haben. Woher kommt diese stolze Rede, dieses Beharren in der Gottlosigkeit? Das kommt daher: Gott schweigt still zu seinem Thun, Er verbirgt Sein Antlitz und kümmert sich scheinbar um die Frommen nicht. Ja so sieht es aus, Gottes Wort und Gottes Kinder werden unter die Füße getreten. Besonders die frommen Prediger sind dann als Käuzlein auf den Dächern und als die Rohrdommel an verstörten Stätten. Gott läßt es zu, daß es scheint, als ob die Welt allenthalben den Sieg gewinnt, aber es ist doch in der That und Wahrheit nicht so. Da heißt es denn in dem Munde der Gottlosen: wo ist der lebendige Gott, wir sehen Ihn nicht? wo sind Seine Gerichte? thäten wir etwas Böses, so müßte Er uns strafen; entweder wir thun nichts Böses, oder es giebt keinen Gott. Und dabei werden diese Leute denn immer gottloser und muthwilliger. Warum leidet Gott das? warum schweigt Er still? warum verbirgt Er Sein Antlitz und zeigt sich nicht als den lebendigen Gott? Das thut Gott aus einem doppelten Grunde, nach Seinem wohlbedachten Rath und Willen. Erstlich der Fromme muß reif werden für das Himmelreich, und darum läutert ihn Gott im Ofen der Trübsal. Habt ihr schon je gesehen, daß Kirschen, Aepfel, Birnen, Trauben u. s. w. im Winter reif werden? Nein, sondern in der brennenden Hitze des Sommers. So werden auch die Frommen durch die Hitze der Trübsal gereinigt und geläutert zum ewigen Leben. Sodann ist dies aber auch nothwendig, damit die Gottlosen immer verstockter, dickfelliger und graulicher werden, auf daß das Maaß ihrer Sünden voll werde und Gottes Gerichte über sie herein brechen können. Sie meinen wohl, Gott bekümmere sich nicht um sie, aber sie irren und täuschen sich. Ist das Maaß ihrer Sünden voll, dann bricht das Gericht des HErrn herein. Nachdem der Psalm uns das gezeigt hat, daß die Sicherheit und Straflosigkeit den Gottlosen immer tiefer in die Sünde hinein bringt, so daß kein Aufhalten mehr ist, so fährt er nun fort: Sein Mund ist voll Fluchens, Falsches und Trugs; seine Zunge richtet Mühe und Arbeit an. Er sitzt und lauert in den Höfen, er erwürgt die Unschuldigen heimlich, seine Augen halten auf die Armen. Er lauert im Verborgenen, wie ein Löwe in der Höhle, er lauert, daß er den Elenden erhasche, und erhaschet ihn, wenn er ihn in sein Netz ziehet. Er zerschlägt und drücket nieder, und stößt zu Boden den Armen mit Gewalt. Weil der Gottlose den Frommen vertilgen will, darum lauert er auf ihn wie ein Löwe, daß er ihn tödte. So war es damals, so ist es jetzt noch. Hat Gott nicht auch in unserer Zeit Sein Antlitz verborgen? Ja, wie es scheint. Da können gefeiert werden die scheußlichsten Götzenfeste, wie z. B. in unserm Lande und auch in ganz Deutschland das Fest des 18. Oktobers (1863), verbunden mit der greulichsten Sabbathschändung und andern Sünden, und das noch dazu unter dem Vorwande der Vaterlandsliebe. Was sagt Gott dazu? straft Er die Leute nicht? Er schweigt still, es ist heute noch gerade so, als vor drei Wochen. Seht, sagen die Weltkinder, das was ihr Götzenfeste nennt, sind entweder Gott wohlgefällige Feste, oder Gott lebt nicht mehr, Er ist gestorben, sonst würde Er uns strafen. Geh mal umher in Deutschland und siehe zu, wie viel Menschen noch beten können; ob du wohl viele finden wirst? ich glaube es nicht. Das Beten ist ein Gegenstand des Lachens und Spottens geworden, der wahren Beter giebt es wenige. Aber die Flucher kannst du in unserm deutschen Vaterlande haufenweise finden, darfst nur eine kleine Reise machen und du wirst sie finden auf den Eisenbahnen, im Postwagen, in den Städten und Dörfern, kurz allenthalben; allenthalben fluchen die Leute, das Beten ist beinah ganz verlernt. Dazu wird gehöhnt und gespottet über Gottes Wort, und das geschieht sogar da, wo man zusammen gekommen ist, um sich über das Wohl und Wehe der Kirche zu berathen: auf der Vorsynode. Paßt denn Christus und Belial zusammen? kann bei einer solchen Berathung etwas Gutes heraus kommen, wenn z. B. die Leute auf der Vorsynode sich den Ausdruck „Schafe Christi“ verbitten? wenn Christus ihr guter Hirte nicht mehr sein soll? Warum wollen sie nicht so genannt sein? Merkt es euch, weil das noch ein Ausdruck ist aus dem alten Buche, das man Bibel nennt. Sitzen denn die Gottlosen wirklich in den Höhlen und lauern auf die Frommen? Ach, meine Lieben, ich kann die Mordhöhlen gar nicht alle aufzählen, die von den Weltkindern zugerichtet sind, die Menschen ins Verderben zu stürzen. Es giebt eine Stadt, die heißt Wiesbaden, da sind neulich fünfzehn Menschen aus einem Hause heraus gelaufen und als sie unter dem freien Himmel waren, haben sie das Pistol genommen und sich todt geschossen. Warum? Weil sie alles Geld verspielt hatten. Solche Spielhöllen wie in Wiesbaden, giebt es Gottlob nicht viel; aber in kleinerem Maßstabe sind sie allenthalben, in Städten und Dörfern und auch leider bei uns zu finden. Dann kommen die Saufhöllen, daraus sich auch schon mancher den Tod geholt hat. Schießen sich auch die Säufer nicht todt, so saufen sie sich doch todt. Eine andere Hölle ist die, worin die Wucherer sind. Da kommt z. B. ein Armer und bittet um Darlehn. Ja, mein Lieber, wie viel wünschest du? 100 Thaler? Die sollst du haben, hier sind sie, komm zähle das Geld nach, sind es auch 100 Thaler? Ja. Dann heißt es weiter: aber ich kriege 6 Thaler Zinsen und 2 Thaler für meine Bemühungen und endlich noch 2 Thaler zur Sicherheit. So muß nun der arme Mann mit seinen 90 Thalern fort und nächstes Jahr geht dasselbe Spiel wieder los. Aber hat denn der Wucherer kein Erbarmen? Nein, seine Brust ist ein Geldklumpen und sein Herz ist so hart wie ein Thaler geworden, deshalb saugt er die Menschen aus wie ein Blutegel das Blut. Ob dann der arme Mann in Verzweiflung hingeht und sich das Leben nimmt, das ist ihm einerlei. Wollte ich euch alle diese Mordhöllen aufzählen, ich würde heute nicht damit fertig werden. Da sind die Diebshöllen, die Tanzhöllen, die Hurenhöllen, die Klatschhöllen u. s. w. Dazu kommen noch die Demokratenhöllen, in welchen gepredigt wird: Es giebt keinen Gott, keinen Heiland, keinen Himmel, keine Hölle, alle Fürsten und Obrigkeiten müssen weggejagt werden, damit die Demokraten freie Hand kriegen. Ja zuerst muß die Kirche weg, dann die Könige und Fürsten, dann die Obrigkeiten, wenn dieselben nicht schon vorher weggelaufen sind, dann werden die Köpfe der Reichen fliegen, als ob es Seifenblasen wären und dann geht das goldene Zeitalter an. Und was wird das Ende sein? Die Menschen werden über einander herfallen, wie die wilden Bestien und werden sich zerfleischen. Das ist die Schilderung der Gottlosen, so finden wir es in ganz Europa. Es ist, als ob ganz Europa auf einem Pulverfaß sitzt, das bald in die Luft gesprengt wird. In solcher Noth giebt es nun kein anderes Mittel, um Hülfe zu erlangen, als das Beten. Die Menschen können nicht helfen, wollen auch nicht helfen, denn die meisten gehören zu den Gottlosen, und die nicht dazu gehören, die hinken auf beiden Seiten, dienen heute Gott und morgen dem Teufel. Was müssen da die Frommen thun? Beten! beten! und das thun sie auch, denn es heißt im Psalm: Stehe auf, HErr Gott, erhebe Deine Hand'; vergiß der Elenden nicht. Hat der HErr bis dahin geschwiegen, so muß man ihn nun aufschreien. Man hält Ihm im Gebet Seine Ehre vor und sagt: hilfst Du nicht, so sagen alle Gottlosen: der HErr frägt nichts darnach. Und der HErr ist der einzige Helfer, Er allein kann und muß helfen. Dafür führt der Psalm V. 14 drei unwiderlegliche Gründe an: 1. Du stehest ja, denn Du schauest das Elend und den Jammer; 2. es stehet in Deinen Händen; 3. die Armen befehlen es Dir, Du bist der Waisen Helfer. - Er will sagen: Siehe, ich weiß gewiß, daß Gott uns hilft, und ob es auch so scheint, als sähe Er unser Elend nicht, als wollte Er nicht helfen, so sieht er es doch und darum kann ich beten: HErr, allsehender Gott, kannst Du das noch länger leiden? Aber es steht Alles in Seinen Händen, Er kommt und hilft, denn Er kann das Schreien der Elenden nicht unerhört lassen, denn sie greifen Ihm in das Herz mit ihren Gebeten. Nachdem der Fromme sein Gebet zum HErrn gethan hat und sich deß getröstet, daß der HErr helfen wird und muß, so ist er bei seinem Beten so getrost und fröhlich geworden, daß Er sprechen kann: Der HErr ist König immer und ewiglich, die Heiden müssen aus Seinem Lande umkommen. Das Verlangen der Elenden hörst Du, HErr; ihr Herz ist gewiß, daß Dein Ohr darauf merket, daß Du Recht schaffest dem Waisen und Armen, daß der Mensch nicht mehr trotze auf Erden. Ja der Gottlose soll erkennen, daß er an Gott seinen Meister hat. Amen.

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