Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 8. Psalm.

Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 8. Psalm.

Dieser Psalm enthält ein Gebet, welches der Messias betet zu Seinem himmlischen Vater, und in welchem die Rede ist von Christi Reich, von Seinem Leiden und von Seiner Herrlichkeit. Wenn gesagt wird, dieser Psalm enthalte ein Gebet des Messias zu Seinem himmlischen Vater, so sehen wir zwar aus der heiligen Schrift, daß Er vor Seiner Menschwerdung zu Seinem himmlischen Vater nicht gebetet hat. Er hat wohl vor Seiner Menschwerdung mit Seinem Vater geredet, und Sein Vater hat mit Ihm geredet, aber gebetet hat Er nicht zu Seinem Vater. Denn Gott kann nicht zu Gott beten, zu Gott wird gebetet, aber Gott betet nicht. Nachdem Gott Mensch geworden und die Menschheit mit der Gottheit vereinigt ist, hat der Messias zu Seinem himmlischen Vater gebetet. Davon finden wir in der heiligen Schrift viele Beispiele. Leset z. B. Matth. 11, 25, da heißt es: Ich preise Dich Vater und HErr Himmels und der Erde, daß Du solches den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen geoffenbart. Oder Joh. 11, 41-42 bei der Auferweckung Lazari: Vater, Ich danke Dir, daß Du Mich erhöret hast; doch Ich weiß, daß Du Mich allezeit erhörest. So ist das ganze 17. Kapitel im Evangelium Johannes ein Gebet des Messias zu Seinem himmlischen Vater; denn von der Zeit an, da Er Mensch geworden war, durfte Er nicht nur beten, sondern Er mußte beten. Der Mensch muß zu Gott beten, wenn er das nicht thut, so ist er kein Mensch mehr, sondern ein Teufel. So ist dieser Psalm ein Gebet des Mensch gewordenen Messias. - Er hebt an: HErr, unser Herrscher, wie herrlich ist Dein Name in allen Landen, da man Dir dankt im Himmel. Weil der Messias ein wahrer Mensch geworden ist, so sagt Er: HErr, unser Herrscher, und damit stellt Er sich in eine Reihe mit den Menschen, die Seine Brüder sind. Er sagt nicht: HErr, Mein Herrscher, sondern HErr, unser Herrscher, Er schließt Seine Brüder damit ein und stellt sich ihnen gleich. Wenn Er weiter sagt: Wie herrlich ist Dein Name in allen Landen, da man Dir dankt im Himmel, so soll damit nicht gesagt werden, daß alle Menschen in allen Landen Gott danken werden, sondern daß in allen Landen Menschen sind, die Gott danken. Es soll nicht heißen, alle Menschen in allen Landen bekehren sich, sondern in allen Landen bekehren sich etliche Menschen. Nicht in allen Landen wird Gott von Allen herrlich gemacht, sondern etliche in allen Landen machen Gott herrlich. Die Wenigen, deren Leib zwar noch auf Erden wandelt, deren Herz aber bei Gott im Himmel ist, die machen Gott herrlich. Das Wort bleibt immer wahr: Die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammniß abführt; und ihrer sind Viele, die darauf wandeln. Und die Pforte ist enge, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt; und Wenige sind ihrer, die ihn finden Matth. 7, 13-14. Aber solche, die sich bekehren, sind in allen Landen, die wahre Kirche soll auf der ganzen Erde ausgebreitet werden.

Solche, die mit dem Messias Gott danken, werden in allen Landen sein, und in der triumphirenden Kirche soll an ihnen vollendet werden, was in der streitenden begonnen ist. Der Messias fährt fort in Seinem Gebet: Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast Du eine Macht zugerichtet, um Deiner Feinde willen, daß Du vertilgest den Feind und den Rachgierigen. Da wird ganz besonders Rücksicht genommen auf die Gnade, daß das Reich Gottes, welches in allen Landen sich ausbreiten soll, nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Kinder, ja auch die Säuglinge in sich aufnehmen soll. Der Feind, der Rachgierige, ist der Teufel; er hat die Menschen durch die Sünde zu Unterthanen seines finstern Reichs gemacht. Denn von Natur sind alle Menschen im Reiche des Teufels, weil sie alle in Sünden empfangen und geboren sind, ihr aller Herr ist der Teufel. Und nun zeigt der HErr Seine wunderbare Gnade, indem Er sagt: Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast Du eine Macht zugerichtet. Damit weist Er hin auf die heilige Taufe, durch welche die Säuglinge und unmündige Kinder weggenommen werden aus dem Reich des Teufels und hinein gepflanzt werden in das Reich Gottes, so daß es kein größeres Bollwerk gegen das Reich des Teufels giebt, als die heilige Taufe. Sie dient dazu, dem Satan seinen Raub und dem Rachgierigen seine Beute zu nehmen. Mag auch das Sakrament der heiligen Taufe vor Menschen Augen unbedeutend erscheinen, es ist doch eine große Macht, denn dadurch werden die Menschen, die Kinder, die von Natur Knechte und Mägde des Teufels sind, ihm entrissen und zu seligen Gotteskindern gemacht. Darum freuen sich alle, die Jesum lieb haben und danken Gott über jede Taufe eines Säuglings, eines unmündigen Kindes. Darum lassen auch treue christliche Eltern ihre Kinder gleich in dem ersten Gottesdienst nach der Geburt taufen, auf daß dem Satan, so bald als möglich, sein Raub entrissen werde. Darum jauchzen die Gevattern, daß sie im Namen des Kindes dem Teufel, und allem seinem Wesen und allen seinen Werken entsagen können, und nun Satans Reich mit Macht gedampft und Jesu Reich mit Macht gebaut wird. Das ist der Grund, warum die Weltkinder immer gegen die heilige Taufe gewüthet haben und es noch jetzt thun. In unserer Zeit wüthen sie besonders gegen die Teufelsentsagung bei der Taufe. Das kommt daher, weil sie denken, wenn die Teufelsentsagung nur erst weg ist, dann können wir die Taufe bald ganz mit Füßen treten. Meine Lieben, laßt euch die Teufelsentsagung nicht rauben in der gegenwärtigen bösen Zeit, wo so viele darüber aus sind, die heilige Taufe zu zerstückeln. Die lutherische Kirche ist immer eine bekennende Kirche gewesen, und dieses ihr Bekenntniß spricht sie bei der Taufe durch die Teufelsentsagung und durch das Glaubensbekenntniß aus. Seht, es giebt nur zwei Reiche in der Welt: das Reich Christi und das Reich des Teufels, und in einem dieser beiden Reiche ist jeder Mensch. Entweder du bist im Reiche Christi, oder du bist im Reiche des Teufels, ein drittes Reich giebt es nicht. Um aber aus dem Reiche des Teufels in das Reich Christi zu gelangen, muß man nothwendig zuvor dem alten Herrn, dem Teufel entsagen. Es heißt weiter: Denn Ich werde sehen die Himmel, Deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die Du bereitest. In diesen Worten sehet ihr schon die Hindeutung auf das Leiden des Messias, daß es eine Zeit geben wird, in der Er Sonne, Mond und Sterne, ja den Himmel nicht sehen wird. Aber ob auch die Zeit kommt, Er ist doch der gewissen Zuversicht, daß es nicht so bleibt, denn Er kann sagen: Ich werde Sonne, Mond und Sterne und den Himmel wieder sehen. Es kommt nämlich eine Zeit für den Messias, in welcher Er todt sein wird, dann kann Er den Himmel und die Himmelskörper nicht sehen. Doch geht Er gern und willig in den Tod, denn Er weiß, daß es nicht so bleiben wird, daß eine Zeit kommt, wo Er diese herrlichen Schöpfungswerke wieder sehen soll. Das letztere ist geschehen durch die Auferstehung. Was der HErr hier andeutet, das wird im Folgenden mit klaren Worten weiter ausgeführt: Du wirst Ihn lassen eine kleine Zeit von Gott verlassen sein; aber mit Ehre und Schmuck wirst Du Ihn krönen. Du wirst Ihn zum HErrn machen über Deiner Hände Werk; Alles hast Du unter Seine Füße gethan. In diesen Worten seht ihr klar ausgedrückt, was im Vorigen nur angedeutet war, das ist die Erniedrigung des HErrn und Seine nachfolgende Erhöhung. Du wirst Ihn lassen eine kleine Zeit von Gott verlassen sein, damit ist die Erniedrigung des HErrn gemeint. Und nun schauet hin nach Gethsemane, wie Jesus da als ein Wurm im Staube liegt, in der Stunde war Er von Gott verlassen. Gott richtet Ihn, Seinen eingebornen liebsten Sohn, mit dem Gericht, das uns treffen sollte. Schauet hin nach Golgatha, wie der Sohn Gottes am Kreuze hängend ausruft: Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen! Da war Er von Gott verlassen. Und als Er um unserer Sünde willen gestorben, begraben und in die Hölle gefahren war, da war die Zeit gekommen, daß Er den Himmel und die Himmelskörper, Sonne, Mond und Sterne nicht sehen konnte. Aber das dauerte nur eine kleine Zeit. Darnach hat Ihn Gott mit Preis und Ehre gekrönt. Wodurch? Durch Seine siegreiche Auferstehung. Am dritten Tage ist Er auferstanden von den Todten, hat dann Sonne, Mond und Sterne und den Himmel wieder gesehen, ist dann vierzig Tage später gen Himmel gefahren und hat sich gesetzt auf den Thron der Ehren, zur Rechten Seines Vaters. So hat Ihn Gott mit Preis und Ehre gekrönt, Ihn den Gestorbenen und Auferstandenen, der gen Himmel gefahren ist und der sich über aller Himmel Himmel gesetzt hat. Da ist erfüllt, was der Vater zu dem Sohne in einem andern Psalm sagt: Setze Dich zu Meiner Rechten, bis Ich Deine Feinde zum Schemel Deiner Füße lege Ps. 110, 1. Nun da Er auf dem Throne Seines Vaters sitzt, ist das weitere Wort des Psalms erfüllt: Du wirst Ihn zum HErrn machen über Deiner Hände Werk. Alles hast Du unter Seine Füße gethan. Seit der Zeit, daß Christus gen Himmel gefahren ist, hat Er eingenommen das ewige Reich des Vaters. Er hat nicht nur die Herrschaft über die Kirche, sondern über die ganze Welt; und diese Herrschaft gebührt Ihm, weil Er die ganze Welt aus der Gefangenschaft des Teufels erlöset hat. Darum hat Ihn Gott erhöhet, und hat Ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, daß in dem Namen Jesu Christi sich beugen sollen aller Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen, daß Er der HErr sei, zur Ehre Gottes des Vaters Phil. 2, 9-11. Wornach ist dem Heiland die Herrschaft über die Kirche und über die Welt gegeben? Antwort: nach Seiner Menschheit, nach Seiner Gottheit hat Er sie ja von Ewigkeit her gehabt. Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch, das ist der einzige Heiland, vor dem alle Menschen ihre Kniee beugen sollen. Der Gottmensch Jesus Christus soll angebetet werden, und zwar nach Seiner Gottheit und nach Seiner Menschheit. Nach Seiner Gottheit hat Er ewige Anbetung gehabt, aber diese Anbetung wird auch auf Seine Menschheit übertragen, und das ist für Sein Christenvolk eine ganz unaussprechliche Gnade und Seligkeit. Denn wie soll ich armer Sünder Gott anbeten, wenn Er mir nicht so nahe kommt, daß ich Ihn sehen, hören und berühren kann? Wie kann ich Gott anbeten, wenn Er mir nicht als eine Person, mit der ich verkehren kann, nahe kommt? Und das ist die Seligkeit eines Christen: Er betet Gott an - und doch ist Gottes Herz eines Menschen Herz, Gottes Angesicht eines Menschen Angesicht. Dadurch kommt man in ein sehr nahes Verhältniß zu Gott, wie sonst nirgends, so daß der Mensch zu Ihm sagen kann: mein Gott und mein Bruder! Daß diese Herrschaft nicht bloß über die Kirche, sondern auch über die ganze Welt und über die ganze Natur sich erstreckt, das sagt der Messias zum Schlusse des Psalms: Schafe und Ochsen allzumal, dazu auch die wilden Thiere, die Vögel unter dem Himmel, und die Fische im Meer und was im Meere gehet. HErr, unser Herrscher, wie herrlich ist Dein Name in allen Landen! Also Jesus herrscht nun über Alles, über die Engel im Himmel und über die Menschen auf Erden, über die Thiere auf dem Lande, in dem Wasser und in der Luft, über die wilden und zahmen Thiere. Aber Seine Erlösten, Seine Brüder und Kinder sind wir Menschen; und haben wir einen solchen Heiland, Bruder und König, was fehlt uns dann noch? Wahrlich, wir brauchen nicht zu verzagen, denn mit Ihm gehört uns Alles. Denn unser Heiland, Bruder und König herrscht über Alles, Ihm gehört Alles, und Er kann es uns schon geben, wenn es für uns rathsam ist. Kein Mensch ist reicher, als der in Jesum seinen Heiland hat. Der kann sagen: Alles was im Himmel und auf Erden ist, das ist mein, und ich kann darüber verfügen, weil es meinem Heilande gehört. Amen.

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