Harms, Claus - Am siebenzehnten Sonntag nach Trinitatis - 1844.

Harms, Claus - Am siebenzehnten Sonntag nach Trinitatis - 1844.

Gesang 725.

O Gott, mein Vater, steh' mir bei,
Daß ich, weil ich hier walle.
Ein Schüler Jesu Christi sei,
Damit ich dir gefalle!
Laß mich durch ihn gerecht und rein
Und auch, wie er, demüthig sein!

Wer Christum und den Himmel sucht
Muß sich vom Stolz entfernen;
Er muß durch deines Geistes Zucht,
Auch Christi Demuth lernen.
Vom Himmel ist noch weit entfernt,
Wer sie nicht liebt, wer sie nicht lernt.

Ja, alles, was ich bin, bin ich
Durch deine freie Gnade.
Durch diese Gnade leite mich
Der Demuth stille Pfade!
Verleihe sie zum Schmucke mir;
Denn nur durch sie gefall' ich dir!

Du bist der Herr; ich bin dein Knecht.
Wie bald bin ich nicht Erde!
Gieb, daß ich allezeit gerecht
Vor dir erfunden werde;
Und zeig' im Glanze deines Lichts
Mir deine Hoheit und mein Nichts!

Dazu laßt mich noch zwei Gesangverse hinzufügen:

Herr, laß mich arm im Geiste werden,
Das Nichts soll meine Wohnung sein.
Bist du mein Alles hier auf Erden,
Dann ist schon hier der Himmel mein.
Das Ich verschwinde ganz und gar,
Sei du nur in mir offenbar.

Führ' mich (doch laß es mich nicht wissen)
Den Weg zu deiner Heiligkeit;
Ich leg' die Kron' zu deinen Füßen,
Behalte nur die Seligkeit,
Und gäbe auch wohl diese dir;
Doch die begehest du nicht von mir.

Ihr seht, liebe Christen, zunächst den frommen Dichter vor seinem Werke stehen und das Werk schon anfassen; aber wollet euch ansehen, als die sämmtlich auch davor stehen und es anfassen zugleich mit ihm, mit mir. Denn das ist eine richtige Vorstellung von einer Predigt und ihren Hörern, daß die Hörer durch die Predigt in eine Arbeit gesetzt werden und zwar in eine Arbeit an sich selbst. Sonst arbeiten wir an Andern, für Andre, für uns selbst; dagegen was hier gethan werden soll, ist eine Arbeit eines jeden Hörers an sich selbst, den Prediger selbst nicht davon ausgeschlossen. Thäter des Wortes sollen wir auf der Stelle sein, nämlich an uns selbst arbeiten in der Stunde. Da wird uns nun gewiesen jetzt das, dann jenes als unsre jedesmalige Arbeit, - wenn oftmals dasselbe, so geschieht's, weil wir immer noch nicht fertig damit sind, oder weil wir sogar noch gar nicht daran gegangen sind. Der jedesmalige Text, sei es ein freigewählter, sei es die Epistel, das Evangelium des Sonntags, nennt die Arbeit an uns, welche gethan werden will. So nennt auch das heutige Evangelium eine, und eben eine, die es ist für Jedermann, die es auch bleibet bis an unsers Lebens Ende, wenigstens in dem Sinne, daß das Werk, wenn es gethan worden, lebenslänglich von uns behütet werden muß. Die das Evangelium gelesen haben vor dem öffentlichen Vorlesen, sagen es sich vielleicht schon, welches Werk gemeint werde. Nennen wir es mit der evangelischen Benennung: die Selbsterniedrigung. Ja, die ist das gemeinte Werk und die soll unsre heutige Predigt werden.

Luc. 14, 1-11. Und es begab sich, dich er kam in ein Haus eines Obersten der Pharisäer, auf einen Sabbath, das Brut zu essen; und sie hielten auf ihn. Und siehe, da war ein Mensch vor ihm, der war wassersüchtig. Und Jesus antwortete, und sagte zu den Schriftgelehrten und Pharisäern und sprach: Ist's auch recht, auf den Sabbath zu heilen? Sie aber schwiegen still. Und er griff ihn an und heilete ihn, und ließ ihn gehen. Und antwortete und sprach zu ihnen: Welcher ist unter euch, dem sein Ochse oder Esel in den Brunnen fällt, und er nicht alsobald ihn herausziehet am Sabbathtage? Und sie konnten ihm darauf nicht wieder Antwort geben. Er sagte aber ein Gleichnis zu den Gästen, da er merkte, wie sie erwählten obenan zu sitzen, und sprach zu ihnen: Wenn du von Jemand geladen wirst zur Hochzeit, so setze dich nicht obenan, daß nicht etwa ein Ehrlicherer, denn du, von ihm geladen sei; und so dann kommt, der dich und ihn geladen hat, spreche zu dir: „Weiche diesem!“ und du müssest dann mit Schaam untenan sitzen; sondern wenn du geladen wirst, so gehe hin und setze dich untenan, auf daß, wenn da kommt, der dich geladen hat, spreche zu dir: „Freund, rücke hinauf.“ Dann wirst du Ehre haben vor denen, die mit dir zu Tische sitzen. Denn wer sich selbst erhöhet, der soll erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedriget, der soll erhöhet werden.

Ob wir denn alles Andre, was im Evangelio steht, wollen stehen lassen und nur desselbigen Schluß betrachten? Ich will nicht sagen: Nehmen wir ein anderes Mal ein Anderes daraus, sondern nur fragen, ob denn nicht, mit Ausnahme des Anfangs, der ganze Vortrag Christi sich in das Schlußwort hineinstelle: Wer sich selbst erhöhet, der soll erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedriget, der soll erhöhet werden. Wir reden also von der Selbsterniedrigung, und zwar als von einem Werke,

  1. das seine Tiefen hat,
  2. und seine Schwierigkeiten,
  3. das jedoch gethan werden will,
  4. dabei wir aber mehrfältige Gotteshülfen finden.

Es ist von Christo selbst schon dafür gesorgt, daß wir bei seinem Vortrage am Gastmahl bei dem Obenansitzen und sich nach unten Setzen nicht stehen bleiben. Hat er auch immerhin eine Klugheitsregel geben wollen, und eine Rüge der Eitelkeit, der Hoffart sprechen wollen, - denn es ist ja dem Herrn doch freigestellt, nicht eben allezeit das Himmelreich zu verkünden oder von sich und seinem Werke zu predigen -: im Schluß ist Lehre des Himmelreichs, im Schluß ist Weisung auf ihn, der gesagt hat: Ohne mich könnet ihr nichts thun, Joh. 15. Denn was er hier im Schlusse thun lehret, das ist ein so Tiefes und ein so Schwieriges, das wir ohne Hülfe dabei weder darin fortfahren, noch daran gehen, ja, es nicht einmal verstehen können. Sprechen wir zuerst von den Tiefen, welche die Selbsterniederung hat.

1.

Wir lassen uns von der Sprache führen. Es heißt nicht: Wer selber sich erhöhet oder erniedriget, wer selber etwas thut, sondern es heißt: Wer sich selbst erniedrigt d. h. wer sich nimmt, sein Selbst nimmt und damit vornimmt, was geschehen soll. Das Selbst also wird hier gefordert, das soll herbei-, soll heraufgebracht werden. Herbei, das deutet auf eine Weite, wie auf ein Zerstreutsein. Wo haben wir uns selbst? - Wie ist's vertheilt, verzettelt! Wir lassen den Ausdruck „herbei“ wieder fahren, - heraufgebracht soll unser Selbst werden; das deutet auf eine Tiefe, auf ein Untensein und Verborgen-, Be- und Verdecktsein. Ist's nicht also mit unserm Selbst, daß es unten, daß es bedeckt und verdeckt, daß es tief lieget? Ich meine, bei Manchem so tief, daß er es selber noch niemals mit Augen gesehn hat. Was er so nennt und dafür hält, das ist sein Leib und sein Leibliches, wie der Apostel von Menschen spricht, welche leben, als wenn sie nur einen Leib und keine Seele hätten, - das sind solche, bei denen die Seele wie verleiblicht ist, Fleisch geworden ist. Denn sie sind Fleisch, heißt es von dem ganzen Menschengeschlecht vor der Sündfluth. Ist der natürliche Mensch das eine Selbst, wie soll er heißen, der Andre? Der ursprüngliche, von Gott so erschaffene Mensch, oder wie ihn der Apostel Petrus nennt, der verborgne Mensch des Herzens, mit stillem und sanftem Wesen, köstlich vor Gott, 1. Petr. 3. Dieser will erkannt und unterschieden sein von dem Andern. Wie, und dieser soll erniedrigt werden? Soll der nicht im Gegentheil erhöhet, heraufgebracht, hervorgezogen und gehoben werden? Allerdings, aber der nimmer hervorgehoben wird, wenn er nicht erkannt wird in seinem wirtlichen Vorhandensein, Nochvorhandensein; denn ein anderes Selbst, fälschlich gehalten für das rechte Selbst, ist nach oben gekommen, ist vorgetreten, hat Herrschaft gewonnen und fordert Dienste und Befriedigungen. Wissen wir davon? wir Alle? und daß es so in uns aussieht, oder in Tagen, die Gottlob hinter uns sind, so in uns ausgesehen hat? Dieses Selbst nun, das falsche, sprechen wir vielleicht verständlicher so: das eitle Herz, das verderbte und sich gut dünkende, das befleckte und sich für rein haltende Herz, das herrische Ich - soll erniedrigt werden. Wo geschiehet das? Es wird nicht ergriffen auf dem Blachfelde des täglichen Lebens; es läßt sich nicht fassen bei dessen Aeußerlichkeiten: Essen, Trinken, Kleidung, sinnlicher Lust in ihren tausendfachen Arten. Wenn dem Baume alle Aeste und Zweige abgehauen werden, so geht er aus; aber das Selbst geht noch nicht aus, wenn ihm auch gar keine Befriedigungen geboten werden, wenn alle seine Begehrungen unerhört bleiben und unbefolgt. Es sitzt dann doch auf einem hohen Stuhle und redet, wenn auch von keinem Menschen angehört, bei sich selbst von großem Unrecht, das ihm angethan würde, und von unverdienten Leiden, die es träfen, und selbst zwischen Leben und Tod stehend kann es von einer Gerechtigkeit sprechen, die ihm hier versagt Worten, in der andern Welt ihm aber unfehlbar zu Theil werden müsse. So gelebt, so gestorben. Nein, wenn eine Erniedrigung geschehn soll, so muß sie anderswo vorgenommen werden, nicht auf der Oberfläche, nicht in Aeußerlichkeiten, sondern tiefer, im Grunde, da das eine Selbst und das andre Selbst sich finden, wo das falsche Selbst seine Stätte hat und sein Stuhl auf dem wahren Selbst stehet, ein Stuhl gleich einem Teppiche dies bedeckend und verbergend, - wenn's möglich wäre, es erdrückend und erstickend. Schaue, wer dies Wort höret, nur in sich hinein, hinab, so hoffe ich, wird er finden, es sei auch bei ihm also, noch so, oder so gewesen. Der wird auch wohl begreifen, daß die Selbsterniedrigung ein Werk sei in der Tiefe.

2.

Wahrgenommen werde das zwiefältige Selbst in uns, und auch unterschieden das eine von dem andern, das falsche, das sich zum wahren gemacht hat, wie das wahre, das wahre, das unterdrückt und bedeckt worden ist von dem falschen.

Aber es soll nicht also bleiben. Das falsche Selbst soll erniedrigt werden. Das hat jedoch seine Schwierigkeiten; die größte ist die große Macht, die das zu erniedrigende Selbst hat, und die täuschende Vorstellung, als wäre es schon erniedrigt, und ist es noch keineswegs. Welche Macht dem natürlichen Selbst innewohne, ist allen denen bekannt, die sich jemals mit ihm, ich meine, wider dasselbige zu schaffen gemacht haben. Es hat, nenn' ich das zuvörderst, seinen Eigensinn und seine Hartnäckigkeit, in welcher es keinen Vorstellungen Gehör giebt. In Kleinigkeiten oftmals. Ob diese Speise oder jene, das Kleid oder das, die Ehre oder die, sind doch wirklich an sich gleichgültige Sachen; doch aber soll's darin zugehen, wie das Selbst es will und findet sich nicht allein durch jede Versagung, sondern selbst durch eine Veränderung darin, die nicht gefordert worden, verletzt und gekränkt. Das Selbst hat eine große Macht; denn ihm stehet ja der ganze Menschenleib zu Gebote mit jeder Ader und jedem Nerv. Wir wissen ja, daß ihm alles gehorcht. Ist es nicht wahr, daß mehr als Ein Laster nicht nur geduldet, nein, die Beharrung in demselben gefordert wird, damit die Gesundheit nicht leide? Ja, das Selbst hat eine große Macht; denn es hat die ganze Welt zu seiner Bundesgenossin, die leblose ganz und einen großen Theil der lebendigen und vernünftigen. Als ein Herr steht ja einmal der Mensch da in der Schöpfung, zum Herrschen in derselben ist er geschaffen. So tritt der Mensch auf; schon dem Knaben gehorcht das tausendmal stärkre Pferd. Wo aber der eine Mensch mit dem andern in Streit geräth, läßt sich Frieden stiften: Du dies, ich das; - wir wollen uns vertragen, um zu genießen. - Weiter geredet von der großen Macht, die das Selbst hat: es scheinet im Recht zu sein; denn die um uns her sind Alle nicht anders; sie räuchern alle ihrem Garn, sprechen deshalb ihre Billigung aus über den Einzelnen, wenn er's thut, und wer es besser macht, dem wird Lob gespendet. Wie sollte, da die Sachen so stehen, sonderlich viel wider das Selbst auszurichten sein, daß es erniedrigt werde!

Indeß, ihr Lieben, wir sind doch einmal Alle, der Eine so, der Andre so, in den Kampf wider dieses Selbst hineingeführt. Ist doch ein Gottesgebot vorhanden, das wider dasselbe gekehrt ist. - Es sei dahingestellt, ob ein solches Gebot ursprünglich in uns liege oder ob es hineingelegt werden müsse; ich halte dafür, das letztre sei der Fall. - Es ist ein Gottesgebot, welches Gehorsam fordert und Selbstverleugnung. Es heißt Pred. Sal. 11: Thue, was deinen Augen gelüstet und deinem Herzen gefällt; aber wisse, daß dich Gott um dies alles wird vor Gericht führen. Kraft eines solchen Worts beugt sich manchmal das Selbst zum Gehorsam und beweist Gehorsam. Aber was wird erfahren? Es stellt sich nur so. Der That wird Einhalt gethan, dagegen die Lust bleibet, obschon sie eben sowohl wie die That Sünde ist. Oder gesetzt, auch die Lust wird glücklich bekämpft: es mag sein, aber dann kommt das Selbst wieder durch eine andre Thür herein, hat sich umgekleidet und weiß sich auf seine Veränderung, die Besserung und Tugend heißt, etwas, brüstet sich mit Gerechtigkeit, breitet aus seine gewonnene Heiligkeit, nennt sich erniedrigt und hat sich nur noch mehr als je selbst erhöht, täuscht nicht Andre nur, nein, auch sich selbst mit seinem neuen bessern Selbst, und ist doch das alte, schlechte noch. Das nenn' ich Schwierigkeiten, die das Werk der Selbsterniedrigung hat.

3.

Ob wir denn nicht besser abstehn von diesem schwierigen Werke und lassen uns so gehen, wie wir einmal sind! Zähmen, zügeln uns, soweit es das äußerliche Leben, die Gesundheit, der Wohlstand, die Sitte will und was sonst Mäßigung fordert, und lassen es dabei bewenden? Nein, Christen, aus andern Gründen auch nicht, hier ist Einer angegeben, den brauchen wir; das Selbst soll erniedrigt werden, thut es das nicht, erhöht es sich und hält sich in der Höhe, so wird es erniedrigt werden. Das thut ein Anderer dann, welcher seine Hand darüber hat und läßt sie einmal auf das unerniedrigte Selbst fallen. Das thut er. Darum, ihr Lieben, müssen wir daran und dürfen es nicht verschieben. Wie trifft euch diese Rede? Seid ihr schon in dieser Arbeit oder noch davor? Ich habe euch nicht aufhalten wollen mit der Rede von dem gemeinen Stolz, wie er sich findet, der auf Geburt, Gestalt, Geistesgaben, Stand, Rang, Reichthum und auf dergleichen stehet- Sehet zu, welches Maaßes ihr davon frei seid. Ich habe euch tiefer blicken lassen, als in und auf das; in das Innere hinein, wo sich das zwiefältige Selbst findet: das, welches erhöhet werden soll, neben dem andern Selbst, das erniedrigt werden soll. Wer soll's thun? Jesus sagt, wir sollen es thun. Denn da ist nichts im Wege, das Wort zu wenden so: Wer selber sich erniedriget. Damit ist uns denn die Arbeit oder der Kampf, wie wir es nennen wollen, zugewiesen, uns, Jedem von uns. Wem's nicht genug ist an der Einen Vorschrift, der höre andre; es ist kein Mangel daran. Ich nenne die Vorschrift Christi: Aergert dich dein rechtes Auge, deine rechte Hand, wirf's von dir, haue sie ab. Was mit dem Auge, der Hand gemeint sei? Deine liebste Neigung: die ist das Auge, die der Fuß, des sich der Christ berauben muß. Ich setze die Vorschriften des Apostels hinzu, Gal. 5: Kreuziget euer Fleisch sammt den Lüsten und Begierden; Col. 3: Tödtet eure Glieder, die auf Erden sind; und darnach die Anweisung, Phil. 2: Schaffet, daß ihr selig werdet. Was hier selig werden heißt, das heißt in unserm Evangelium erhöhet werden. Wir werden nimmer erhöht, es sei denn, daß wir selber uns erniedrigen. Das will gethan sein, unsre Seligkeit in der andern Welt stehet darauf. Haben wir Versucht dazu gemacht? Können wir Proben vorlegen? Sind wir in einiger Weite fortgeschritten? Ich sage: Haben wir daran gearbeitet? Denn was Natur und Zeit allein thun, das hält nur der Eigendünkel für gethan und für gut und groß; und das ist nicht gemeint. Da sind unter diesem Worte Einige, die schon die Hälfte ihrer Tage erreicht haben, und sehr Viele, die darüber sind: hofft ihr noch fertig zu werden vor der Nacht mit diesem Werke, das gethan werden will? Erwägt selbst diese Frage weiter bei euch. Dann sollt auch ihr Jüngeren sie an euch kommen lassen. Zu euch will ich sprechen: Noch so jung und doch schon ein so hoch erhöhetes Selbst? Gar Viele von euch mögen wohl der Erhöhung mehr als der Erniedrigung beflissen sein. Christen, die wir so heißen, sprecht, ob wir denken können, daß wir einen andern Weg finden, als den Christus gegangen ist? Erinnern wir uns des Wortes über ihn: Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam; darum hat ihn Gott erhöhet. Ja, wir müssen seinen Weg gehen und uns ebenfalls erniedrigen, wir uns; oder Gott erhöhet uns nicht, sondern erniedrigt uns also, daß wir ewig nicht wieder in die Höhe kommen.

4.

Tretet nun vor, ihr Alle, die sich nicht genügen in der Selbsterniedrigung - ich bin mitten unter euch - und kommt ebenfalls, die ihr noch die erste Hand an dieses Werk legen sollt. Fassen wir Muth; denn wir haben Hülfe. O, das sind ja die Vorstellungen, welche im alten Testamente sich schon finden, im neuen aber nicht sowohl nebeneinander als ineinander und verschlungen, ja verschmolzen sind. Wir sollen's thun und Gott thut es; wir sollen Alles thun, und Gott thut Alles; er fordert Alles von uns und läßt uns gar nichts übrig. Ein Widerspruch, ja, aber der sich auflöst, sowie der erste Schritt in's Christenthum gethan wird. Außerhalb desselben bleibt's ein Widerspruch. Die wir denn als Christen in der Arbeit der Selbsterniedrigung stehen: die Arbeit ist Gottes, er hat uns berufen, ist Gottes, er hat uns daran und darein gestellt, ist Gottes; denn es ist so sehr seine Ehre als unser Heil; er wird es darum auch an sich d. h. an seinem Beistande, an seiner Hülfe nicht fehlen lassen. Christus sagt: Wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöhet werden. Wer erhöhet denn? Gott, der ja auch Christum erhöhet hat. Aber Christus hat sich auch selbst erniedriget. Damit kann ich nicht zu Stande kommen, nicht fertig werden; ach, darin nicht einmal wie ich wollte fortschreiten. Sei getrost, du andres, besseres Selbst in mir, du zur Erkenntniß und zum Wollen gebrachtes: das in dir geweckte, gewirkte Wollen ist ein gegebenes Pfand, daß dir auch bis zum Vollbringen geholfen werden soll. Ich soll ja erhöhet werden, soll nicht selbst mich erhöhen. Ach, wenn mich Gott erhöhen will, so muß er mich auch erniedrigen, will sagen: mich klein machen, mich schwach machen, mich arm machen. Wie er ja auch thut. Ihr werdet ja auch zu reden haben von solchen Zeugnissen Gottes, wie er euch in der Selbsterniedrigung beisteht. Ist's nicht zuweilen, als fasse er uns zu stark an, daß wir es nicht vertragen können? Das Herz entfällt uns und wir müssen auch für den Kopf fürchten, daß wir den dabei verlieren. Es hat keine Noth. Wird der Ofen zu heiß, schickt er einen Engel, der die Lohe vom Feuer herausstößt oder doch die Hitze bis zum Aushalten dämpft, bis eine bedeutendere Förderung geschehen ist und wir erfreut sagen mit Dank: Das hat geholfen; jetzt ist in Tagen mehr als vorhin in Jahren geschehn. Ihr Lieben, kennt ihr dergleichen auch in eurer Mehr„ zahl? Solches Kennen ist Christenthum. Hab' ich heute selten „Christus“ gesagt, Christenthum ist die ganze Predigt gewesen von Anfang an bis - zu diesem ihrem Schluß. Ihren Schluß aber laß ich die Ermahnung sein: Ihr, denen ich fremde Dinge gepredigt habe und wollet das Christenthum anders kennen, ihr täuscht euch. Denn wenn das Christenthum etwas ist, so ist es dieses; euer anderes ist keins, darf vielleicht nicht einmal eine Religion heißen. Den Schluß laß ich den Trost sein: Ihr um euren Seelenzustand Bekümmerte, diese Bekümmerniß ist ein gutes Zeichen: Gott ist in seinem Gnadenwerke an euch begriffen; er erniedrigt euch, auf daß er euch erhöhen könne zu seiner Zeit. Und de n letzten Schluß eine Lehre: Was nicht erarbeitet wird, das wollen wir in den freien Zwischenzeiten erbeten, erflehen; und wenn die Mühle ficht, so soll das Gebet ihr Wasser geben; wenn die Maschine nicht vorwärts geht, soll das Gebet ihr Wasser und Feuer geben; wie es auch thut. Amen.

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