Gossner, Johannes Evangelista - Schatzkästchen - September.

Gossner, Johannes Evangelista - Schatzkästchen - September.

1. September

Durch Ihn seyd ihr in Christo Jesu, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung; damit wer sich rühmet, sich des Herrn rühme. 1. Kor. 1,30.31.
Ihr seyd meine Freunde, wenn ihr thut, was ich euch gebiete. Joh. 15,14.

Seyd ihr in Christo Jesu, so ist Jesus Christus in euch, so gehört er euch, und ihr ihm. Wer ihn hat, der halte was er hat, damit seine Krone kein anderer nehme. Wer hat, dem wird gegeben, damit er die Fülle habe. Ist er uns von Gott zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung gemacht, so ist uns alle seine Weisheit und Gerechtigkeit, alle seine Kraft zu heiligen und zu erlösen geschenket. - So ist er nur für uns da mit allem, was er ist und kann, so ist er unser. O Wort voll Heil und Freude! Er ist unser. Könnten wir mehr haben, mehr empfangen? - Das ist ausgemacht; aber es liegt nun alles nur daran, daß wir dieses große Geschenk des Vaters nach seiner großen Würde und seinem unendlichen Werthe würdigen oder zu schätzen und zu gebrauchen wissen; sonst wird es uns wieder genommen. Es liegt nun nur daran, daß wir uns wirklich durch ihn weise und gerecht machen, heiligen und erlösen lassen. Er ist uns dazu gemacht, geschenkt, gegeben. Die Hand Gottes reicht ihn uns dazu dar. Wir müssen ihn aber von ihr nehmen, festhalten, ihn in uns sein Werk und Wesen, wozu er uns gemacht ist, treiben lassen. Wir müssen ihm unsre Thorheit, Sündhaftigkeit, Ungerechtigkeit, und alles, was uns fesselt und gefangen hält, zum Opfer bringen, und uns durch den Sohn frey machen, erlösen lassen, dann sind wir wahrhaft frey; dann ist er uns nicht nur nach dem Sinne Gottes dazu gemacht, sondern - auch in uns all das wirklich uns geworden.

2. September

Die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes thut, der bleibet ewig. 1. Joh. 2,17.
Denn alles Fleisch ist Gras, und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blumen. - Das Wort des Herrn aber bleibt ewig. 1. Petr. 1,24.25.

Die Lust der Welt reißt viele von Christo und seinem Worte weg; weil sie nicht glauben können, daß Christus denen, die ihn lieben, größere Freuden verschaffen kann, als die Welt ihnen darbietet; weil sie die Verbindung und Gemeinschaft mit ihm für die traurigste Sache der Welt, für Kopfhängerey ansehen, wo man keine frohe Stunde mehr haben kann. Wie betrügen sich die Blinden, die nicht wissen wollen, daß bey ihm Freude die Fülle und liebliches Wesen immer und ewiglich ist! Ps. 16,11. Sie haben gar keinen Begriff und Geschmack von der wahren Freude und reinen Lust des Herzens, sonst könnten sie die Lust und Freuden der Welt für keine Lust und Freuden halten, die so vergänglich, so wenig befriedigend sind, als die Freuden des Traumes, die beim Erwachen nicht mehr sind, wie die Seifenblasen, die beim Anfassen verschwinden. Wer nun die Freude Christi nicht kennt, dem ist es noch eher zu verzeihen, wenn er sie nicht sucht, als dem, der sie geschmeckt und erfahren hat, und doch wieder verläßt, hingerissen von der betrüglichen und vergänglichen Lust der Welt. Darum, ihr Lieben! geht der Welt aus dem Wege! Nähert euch nicht ihrem Lust-Kreise; laßt euch lieber verspotten und lästern, wie Petrus von den ersten Christen sagt. 1. Petr. 4,1-4. Was Gott will, was Christo gefällt, sey eure Lust und Freude; denn diese Lust und Freude kann euch nicht genommen werden. Was euch im Tode nicht freuen wird, was nicht über das Grab mit hinübergeht, das sey euch im Leben nicht suchenswerth; das verachtet. Die Freude am Herrn sey eure Stärke; denn die bleibt ewig.

3. September

Meine Augen sehen nach den Treuen im Lande, daß sie bey mir wohnen. Ps. 101,6.
Lasset uns halten an dem Bekenntniß der Hoffnung und nicht wanken, denn er ist treu, der sie verheißen hat. Hebr. 10,23.

Der treue Gott will treue Herzen. Wer abweicht, an dem hat er kein Wohlgefallen. Wer Gnade erlangt hat, muß sie bewahren, und in ihren Schranken laufen. Die Treulosen, die den Glauben nicht halten, und den Schatz, das Kleinod der Barmherzigkeit Gottes, das ihnen geschenkt war, aus Leichtsinn oder Liebe zur Welt, wieder wegwerfen und gering achten, werden schrecklicher gestraft werden, als wenn sie es nie gekannt hätten. Lasset uns aus heiliger Furcht vor uns selbst, die Gnade zu verlieren und treulos zu werden, wachen und beten, daß uns der Herr, der treue Gott, bewahre und befestige in seiner Gnade. Wer von sich selbst etwas erwartet und sich eine standhafte Treue bis ans Ende zutrauet, wird gewiß untreu werden. Wer aber, mißtrauisch auf sein schwankendes Herz, desto fester dem Herrn anhängt, und sich von ihm alle Tage ein treues Herz ausbittet, wird erhalten werden. Suche doch oft die Augen, die von oben herab auf die Treuen im Lande schauen; suche sie, du wirst es ihnen bald abfühlen, ob sie an dir den Treuen, den sie suchen, finden. Nur die Treuen sollen bey ihm wohnen. Und die Treulosen? Im Pfuhl. Off. 21,8.

4. September

Ihr seyd der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott selbst spricht. Ich will in ihnen wohnen und in ihnen wandeln; ihr Gott will ich seyn, und sie sollen mein Volk seyn. 2. Kor. 6,16. 3. B. Mos. 26,12.
Wo ist ein so herrlich Volk, zu dem Götter also nahe sich thun, als der Herr, unser Gott, so oft wir ihn anrufen? 5. B. Mos. 4,7.

Welch eine Gemeine, die ein Tempel des lebendigen Gottes ist! Ein lebendiger Gott muß einen lebendigen Tempel haben. Die todten Götzen wohnen in todten, steinernen Häusern. Welche Herablassung Gottes zu uns! Wie soll uns diese Liebe beschämen? wie sollen wir als Tempel Gottes Leib und Geist dem Herrn heiligen. 1. Kor. 6,20. Seele, wie kannst du je vergessen, wer in dir wohnet, wessen Haus und Tempel du bist? Dein Herz ist dem Herrn geheiliget durch das Blut Christi, mit dem du erkaufet bist; zerstöre, entweihe, schände diesen Gott geweihten Tempel nicht durch unwürdige Gedanken und Gesinnungen; vielmehr soll dich der Gedanke: Gott wohnet und wandelt in mir! zu unermüdeten Wachsamkeit erwecken, und darin beständig erhalten, daß du des Gottes würdig wandelst, denkest, redest und handelst, der sich so tief zu dir herabläßt, so nahe bey dir bleibt und dich so hoch erhebt und ehret, da er dein Herz zu seiner Wohnung, zu seinem Throne erwählet hat. Wir können das alles ja kaum glauben, denn es ist zu groß, zu viel, zu gnädig; aber Christus hat es selbst gesagt. Joh. 14,23. Und da der Herr es schon im alten Bunde so feierlich angekündiget und verheißen hat; da wirklich jede fromme Seele, die in ihr Herz einkehrt, und mit Glauben und Demuth den Herrn inwendig sucht, ihn findet und seinen Umgang genießt, so können wir nicht zweifeln; wir haben was wir glauben, und was uns der Wahrhaftige verheißen hat. Laßt uns nur sein Volk seyn, d.h. ihm von Herzen treu ergeben, mit Blut und Gut anhänglich seyn, so wird er nicht aufhören, unser Gott, unser Immanuel zu seyn.

5. September

Man soll nicht so sehr trauern über den Todten, denn er ist zur Ruhe gekommen. Sir. 22,11.
Gott ist nicht ein Gott der Todten, sondern der Lebendigen. - Ihm leben sie alle. Luk. 20,38.
Selig sind die Todten, die im Herrn sterben; denn sie ruhen von ihrer Arbeit, und ihre Werke folgen ihnen nach. Off. 14,13.

So ruft uns die Schrift zu, in Hinsicht der Todten, und welchen bessern Trost könnte sie uns geben? Wir weinen wohl auch nicht eigentlich über die Todten, die im Herrn leben, sondern über uns, die wir noch im Sterbens-Leben zurückbleiben müssen. Denn es wäre thöricht, wenn du, der du noch des Tages Hitze und Last trägst, den beweintest, der schon Feierabend machen durfte, der schon ruht von seiner Arbeit und daheim ist bey dem Herrn; wo keine Hitze auf ihn fallen, keine Sonne ihn stechen wird; wo alle Thränen und aller Schweiß abgetrocknet ist und bleibt in Ewigkeit. Es ist falsch, wenn wir sie die Todten nennen; sie leben, und wir sind noch im Todesleibe. Sie leben ihrem Gott, und ihr Gott lebt nun ganz in ihnen; denn Gott ist ein Gott der Lebendigen, der die, welche er zu sich nimmt, lebendig erhalten kann und wird in Ewigkeit. Der Gedanke an die Heimgegangenen, beim Herrn Lebenden, müsse dich also nicht tödten, nicht niederschlagen, sondern beleben und aufrichten. Müsse dich nicht ins Grab zur verwesenden Hütte des Verblichnen beugen, sondern hinüber heben über Grab und Verwesung ins Land der Unsterblichkeit, in die Arme des Erlösers, in die Wohnungen des Vaters, wo sie ruhen, leben und herrlich sind, von wo sie herüberwinken zu uns, und uns einladen, auffordern, und ermuntern, auszuharren bis ans Ende, daß wir mit ihnen zusammenkommen und gleiche Herrlichkeit und Seligkeit genießen mögen.

6. September

Ich bin die Thüre, wenn jemand durch mich eingehet, so wird er selig werden. Er wird ein- und ausgehen und Weide finden. - Ich gebe meinen Schafen das ewige Leben, und sie werden nicht verloren gehen in Ewigkeit. Niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Joh. 10,9. u. 28.
Da aber die Taube nicht fand, wo ihr Fuß ruhen konnte, kam sie wieder zu ihm zum Kasten. - Da that Noah die Hand heraus, und nahm sie zu sich in den Kasten. 1. Mos. 8,9.

Wie sollte, wer als Schäflein die Stimme Christi hört, ihm als seinem Hirten folgt, und die Stimme eines Fremden, (Fleisch und Blut, Welt und Satan) nicht hört, wie sollte der den Tod fürchten, da ihm sein Hirt nicht nur die Thüre zum Leben gezeigt und aufgethan, sondern hier schon den Anfang des ewigen Lebens geschenket, und ihn versichert hat, daß er es ihm dort ohne Ende erhaltene und ihn ewig nicht umkommen, oder aus seiner Hand reißen lassen werde. Sieh', in seiner Hand bist du jetzt; in seiner Hand wird er dich ewig tragen, dich selbst nähren, weiden, und erquicken. Wer dieser Hand nicht traut, muß wohl recht mißtrauisch seyn. Was fürchtest du denn? Sie möchte dich fallen lassen, und dich dem Satan und der Hölle zur Beute geben? Die Hand, die für dich durchbohrt ist? die für dich in der Hölle und in des Todes Rachen war? Nein, liebe Seele! wenn du dich nicht selbst aus seiner Hand reißest, ihr nicht selbst davon läufst, sie läßt dich gewiß nicht. Sollte er dich, sein theuer erkauftes Schäflein, nicht mehr lieben, als Noah seine Taube? O gewiß, wenn du einst, wie jene Taube, kein Plätzchen mehr findest auf Erden, wo dein Fuß ruhen kann, und du fliegst des Himmels Arche zu: o dann, glaube fest, streckt dein guter Hirte seine Hand heraus und nimmt dich zu sich ein; seine Hand, in der du ja jetzt schon und immer liegst, die sich ja nie von dir zurückzieht. Strecke nur du jetzt recht oft deine Hände nach ihm aus, und lege dich alle Tage mit Leib und Seele zuversichtlich in seine Hände, so wird es am Ende gar keine Noth haben.

7. September

Die Wege des Herrn sind eitel Güte und Wahrheit. Ps. 25,10.
Wie groß ist deine Güte, die du verborgen hast denen, die dich fürchten. Gelobt sey der Herr, daß er hat eine wunderliche Güte mir bewiesen. Ps. 31,20.22.
Wer auf den Herrn hoffet, den wird die Güte umfangen. Ps. 32,10.

Wer die Güte des Herrn erfährt, der kann nicht genug Rühmens von ihr machen, wie David in allen seinen Psalmen. Schien es ihm wohl manchmal, sie habe ein Ende, daß er ausrief: Ist's denn ganz und gar aus mit seiner Güte? hat denn Gott vergessen, gnädig zu sein? Ps. 77,9.10. so dachte er an die Thaten des Herrn, an die vorigen Wunder, die er an ihm und seinem Volke bewiesen hat, und dann konnte er sich nicht mehr halten, gleich wieder die Güte des Herrn zu rühmen, und sich derselben zu freuen. Der Herr bleibt immer derselbe, immer die überschwengliche Güte, auch wenn er uns anders erscheint. Das vergiß nicht, Lieber! denn er wird dich, wenn du ihn und seine Güte gleich in ihrer ganzen Größe erfahren hättest, doch wieder in solche Umstände von innen und außen kommen lassen, daß es dir Mühe macht zu glauben, daß er noch gut sey, wenigstens wirst du stark versucht werden, zu zweifeln, ob er dir noch gut sey. Da mache es wie David, denke an die vorigen Wunder seiner Güte, die er an deinem Herzen, oder an andern, bewiesen hat. Oft aber wird er dir, wenn du ihn anders innig und brünstig, treu und beständig lieb hast, so gut erscheinen, daß du wieder Mühe hast zu glauben, ob er es denn wirklich sey, ob es nicht Täuschung oder Betrug sey; weil du nicht begreifen kannst, warum er gegen dich so gut und freundlich ist. Und je mehr du dich vor ihm beugst und dich seiner Güte unwürdig achtest, desto mehr wird er dich mit Gnade und Huld überschütten. Darum sey demüthig, wenn er freundlich und gnädig ist, und sey unverzagt und zuversichtlich, wenn er ungnädig und unfreundlich scheint.

8. September

Hoffnung macht nicht zu Schanden. - Ist ja Christus, da wir noch elend waren, zur bestimmten Zeit für uns Gottlose gestorben. Nun wird kaum jemand für einen Gerechten sterben; für einen Wohlthäter möchte vielleicht jemand sterben wollen. Röm. 5,5-7.
Christus litt für unsre Sünden, der Gerechte für die Ungerechten, damit er uns zu Gott führte. 1. Petr. 3,18.

Der Gekreuzigte muß dir immer wieder vor dein Auge treten. Dieses Bild der reizendsten Liebe Gottes muß in deiner Seele mit solchen lebhaften Farben abgemahlt seyn, daß es keine Menschenhand, keine Höllenmacht, keine Zeit und kein Tod mehr auslöschen kann. Darum gehe immer wieder und wieder nach Golgatha, schaue heute, wie gestern und ehegestern, und morgen und alle Tage auf den Gerechten, den die Liebe zu den Ungerechten tödtete;; auf den Heiligen, den Mitleiden zu den Sündern durchbohrte und tödtlich verwundete; laß ihn in dieser allerschönsten Gestalt - nicht vorübergehen vor deinem Auge, sondern stille stehen, fasse ihn bleibend in dein Auge und in dein Herz, daß du Seiner nicht mehr los werden könntest, wenn du auch wolltest. Dieser Standpunkt unter dem Kreuze ist es, von dem alle wahre Christen - nicht aus-, nicht weggehen, sondern, wo sie alle zusammentreffen und innig und ewig verbunden werden; wo sie wie dahin gegossen, wie angeheftet bleiben - wie mit Ihm angenagelt. Die Liebe heftet und hält stärker, fester an, als eiserne Nägel. Ach, wer Ihn, Ihn am Kreuze so leicht verlieren und vergessen kann, der beweine sein kaltes Herz, der halte sich für den Elendesten, und eile, eile zum Kreuze, bis er es in sein Herz gepflanzet hat, wie eine lebendige Pflanze, die mit ihm wächst und lebt, ohne je wieder zu verwelken oder zu sterben.

9. September

Denn ich hielt mich nicht dafür, daß ich etwas wüßte unter euch, als allein Jesum Christum, und zwar den Gekreuzigten. 1. Kor. 2,2.
Folget mir, lieben Brüder, und sehet auf die, die also wandeln, wie ihr uns zum Vorbilde habt; denn viele wandeln, wie ich euch oft gesagt habe, nun aber sage ich's euch mit Thränen, als Feinde des Kreuzes Christi. Phil. 3,17.18.

Wer Jesum, den Gekreuzigten, so weiß, daß er alles andere Wissen darüber vergißt, und nichts mehr wissen will, als ihn, der weiß Jesum, wie Paulus ihn wußte; und der hat den Himmelsschlüssel zur Erkenntniß Gottes und zu allen Geheimnissen der Gottheit gefunden; denn die am Kreuze sich für uns opfernde Liebe Gottes schließt uns alles auf, was uns ohne sie ewig verborgen geblieben wäre. Dieses Wissen des Gekreuzigten ist aber kein gemeines, gewöhnliches Wissen, wie man gelesene oder gehörte Zeitungs-Artikel weiß und für wahr hält, wenn sie wahrscheinlich dargestellt sind. Dies Wissen muß ein lebendiges, Geist, Seele und Leib durchdringendes, den ganzen Menschen ergreifendes und heiligendes Wissen seyn. Denn Paulus sagt von einigen Philippern, die Jesum, den Gekreuzigten, gewiß auch wußten, sein Verdienst kannten, sich dessen rühmten, und darauf verließen - mit Thränen: sie wandeln als Feinde des Kreuzes Christi, ihr Ende ist - die Verdammniß: warum? weil bey allem Wissen des Gekreuzigten dennoch der Bauch ihr Gott war, und sie ihre Ehre in der Schande suchten. Darum muß der Glaube und die Erkenntniß des Gekreuzigten so auf dein Herz wirken, daß Er, der Gekreuzigte, dein Gott und Herr wird; daß du ihm, und nicht mehr deinem Bauche Gottesdienst erzeigest, nicht mehr der Welt und der Sünde oder deinem Fleisch, sondern dem lebendigen Gott dienest. Liebe erzeugt Liebe. Weißt du, daß Christus sich für dich opferte, so sollst du dich auch für ihn opfern. Hat er dich geliebet bis in den Tod des Kreuzes, und kennst, weißt, glaubst du diese Liebe, wie kann dein Herz ohne alle aufopfernde Liebe gegen ihn bleiben? Kannst du also sagen in der Wahrheit: Ich weiß nichts als Jesum, den Gekreuzigten? Wehe dir, wenn das nur deine Zunge spricht, und dein Wandel und Sinn dich als Feind des Kreuzes Christi darstellt!

10. September

Und wenn er es gefunden hat, legt er es auf seine Achseln mit Freuden. - So freuen sich die Engel Gottes über einen Sünder, der Buße thut. Luk. 15,5.10.
Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam. Der Freund des Bräutigams aber steht da, und hört ihn, und freut sich hoch über die Stimme des Bräutigams. Diese meine Freude ist nun erfüllet. Joh. 3,29.

Johannes sah die Schäflein zum Hirten, die Braut zum Bräutigam kommen, wie sollte er, als ein treuer Freund des Bräutigams sich nicht freuen? Jünger sammelten sich um Jesu her. Deß freut sich der Vorläufer und Hochzeitlader. Wenn die Geladenen zum Mahle eilen, seyen es Krüppel, Lahme, Blinde, von den Zäunen oder von den Landstraßen, wenn sie nur kommen, daß das Haus des Herrn voll werde; so freuen sich die treuen Knechte, und ist ihnen nur Leid um die, welche zurückbleiben und sich mit ihren Ochsen, Weibern und Gütern entschuldigen. Sollte es nun Lehrer nicht freuen, wenn die Zuhörer nach Jesu fragen, ihn suchen und ihn finden? Freuen sich doch die Engel! Was geht's diese an? Sie lieben Ihn: darum können sie nicht kalt und gleichgültig bleiben, wenn er seinen Lohn, den Lohn für seine Schmerzen kriegt, womit er sein Verlornes gesucht hat. Was geht's diese an? frägst du. Und du freuest dich doch nicht. So laß es doch dich angehen, und dir angelegen seyn, daß der Hirte seine Schafe bekommt. Rufe laut in alle Enden und Ecken der Welt hinein, daß die Braut die Stimme des Bräutigams hört, und zu ihm eilt. Alle Welt, alle Menschen-Seelen sind seine Braut, aber wie viele noch eine entlaufene, vagierende1), treulose! - Dennoch will er sie alle. Man soll sie ihm rufen. Ey, so schlafet doch nicht, bis der Bräutigam alles besitzt, was sein ist; damit nicht der Satan zum Raube behalte, was eures Bräutigams ist.

11. September

Verlaß dich auf den Herrn von ganzem Herzen, und verlaß dich nicht auf deinen Verstand. Gedenke an ihn in allen deinen Wegen, so wird er dich recht führen. Spr. 3,5.6.

Kann der Herr, der Heiland,, nicht eben so über viele Christen klagen, wie David über seine Nachbarn: Mein ist bei ihnen vergessen im Herzen, wie eines Todten, (Ps. 31,13.) der längst aus den Augen und aus dem Sinne ist. Ja, vielen ist er so wenig erinnerlich als einer, der vor 1800 Jahren gestorben ist, und den sie nie gekannt haben. Da heißt es denn auch: Im Tode gedenket man deiner nicht! (Ps. 6,6.) Wenn kein Leben aus Gott, sondern der Tod im Herzen ist, so gedenket das Herz nicht an seinen Erlöser; kann es auch nicht. Aber wo der Herr im Herzen lebt, da lebt auch sein Andenken; da denkt man nicht nur an ihn, da lebt man in ihm, da ist das Herz voll Freude über ihn; da schaut es sein holdes Angesicht, da spürt es seine Nähe, ist entzückt darüber, vergißt aller andern Dinge, und spricht zu ihm: Ich halte dich, ich will dich nicht lassen. (Hohel. 3,4.) Ist der Morgenstern aufgegangen im Herzen, so strahlt er immer so ins Auge, daß man seiner nicht mehr vergessen kann; denn er leuchtet Nacht und Tag, und geht niemals unter, wenn wir nicht selbst das Auge von ihm abwenden, oder uns Sand in das Auge werfen; wenn wir unser Gemüth von Dingen rein bewahren, die den Blick auf ihn verdunkeln und den Himmel der Seele trüben. Wer ernstlich reines Herzens und selig in ihm sein will, der weiß wohl auch, daß er ihn nicht einen Augenblick entbehren kann; der wagt keinen Schritt ohne ihn, weil er selbst gerade zu gehen und im Geleise zu bleiben so wenig vermag, als ein Kind, das jetzt erst geboren ist. Und wer kann leiden ohne ihn? Je mehr also Leiden auf uns zudringen, desto mehr sollen wir ihn festhalten und nicht lassen; denn jedes Kreuzchen zerdrückt uns und macht uns ganz unglückselig, wenn er nicht in uns ist und die Schwachen stärkt, die Sinkenden aufrichtet, die Verwundeten heilt, die Betrübten tröstet? O meine liebe Seele! halte ihn, und laß ihn nicht, denn ohne ihn ist all dein Glück dahin.

12. September

Die Reichen müssen darben und hungern; aber die den Herrn suchen, haben keinen Mangel an irgend einem Gute. - Der Herr ist nahe bei denen, die zerbrochenes Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagen Gemüth haben. Ps. 34,11.19.

Die geistlich Reichen, voll stolzer Einbildung von sich selbst, sind gewöhnlich sehr arm und dürftig an wahren Gütern des Heils, und darben im Geiste des Gemüthes, sind ohne die lebendige Erfahrung des Herrn, ohne seine Liebe, obwohl sie viel davon sprechen können, und Kopf und Mund immer voll haben. Die sich aber arm, elend, dürftig fühlen und deswegen nichts in ihnen selber, sondern Alles in dem Herrn, und nur den Herrn suchen, sich in ihrem Gemüthe versammeln und auf ihn und seine Gaben warten, die werden immer gesättiget, getröstet, erleuchtet und beseliget. Es kann ihnen nichts fehlen, weil sie ihn haben. Wie hat, wie bekommt man ihn? Ein zerbrochenes Herz, ein zerschlagenes Gemüth - hat ihn allemal, so oft es ihn will. Ein hochmüthiger Geist, ein aufgeblasenes Gemüth, ein sattes, zerstreutes, leichtsinniges Herz entfernt ihn von sich, oder sich von ihm immer mehr.. Willst du ihn? Hättest du ihn gern immer nahe? Nun so gehe den Weg, auf welchem er den Herzen begegnet; bereite ihm die Herberge, in welcher er gern einkehrt und bleibt. Die heißt - ein zerschlagenes Gemüth, ein zerbrochenes Herz. Aber wie kann ich immer so zerbrochen und zerschlagen sein? Wenn sein Herz nicht bricht, so oft er sich zu Gott nahet, der hat sich - seine innere Gestalt des Herzens im Spiegel der Wahrheit noch nie betrachtet. Es ist keine Kunst, sein Herz zerbrechen und sein Gemüth zerschlagen. Man darf sich nur in der wahren Gestalt selbst ansehen mit Augen, die das Lamm giebt, so bricht's von selbst. Und das zieht ihn an, mächtiger als alle Vorkehrungen, Zubereitungen, Dienstleistungen, Geistesübungen u.s.w. Wie! alle Welt weiß nun, kann es wissen, wo er, und wie er zu finden ist, und doch haben ihn so wenige, selbst fromm und erweckt genannte Herzen! Wenn man ihn weit suchen müßte, dürften wir uns allenfalls entschuldigen. - Aber im Herzen, so nahe, und in einem zerknirschten - nicht in einem reichlich begabten, oder geistreichen, sondern in einem zerschlagenen Gemüthe kann man ihn haben. Und doch! und doch! wie fern bist du den Herzen!

13. September

Ueber ein Kleines werdet ihr mich nicht sehen, und abermal über ein Kleines werdet ihr mich sehen. Wenn das Kind geboren ist, gedenkt (die Mutter) ihrer Wehen nicht mehr. Joh. 16,16-21.
Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Jes. 54,7.

Wie der Heiland seine Jünger führte, so führt er alle seine Lieben, die ihm von ganzem Herzen anhangen und sich unbedingt von ihm führen lassen; (denn die sich selbst führen, gehen ihre eignen Wege, und kennen den Weg des Herrn, den Weg des Friedens nicht.) Sie waren immer selig und wie im Himmel, wenn sie ihn sahen und in ihrer Mitte hatten. Aber Traurigkeit erfüllte ihr Herz, wenn sie ihn aus den Augen verloren. Desto mehr erhöhte sich ihre Freudigkeit, als sie ihn, nachdem sie ihn schon ganz todt und verloren glaubten, wiedersahen. So führt Jesus noch die frommen, innigen Seelen; er offenbart sich ihnen eine Weile in großer Freundlichkeit, und sie sind dabei wie im Himmel; er entzieht sich ihren innern Augen wieder, und sie sind wie in der Hölle, in der größten Trostlosigkeit. Er kommt wieder; ihr Himmel wird noch schöner und immer herrlicher, je öfter er sich wieder dem Herzen mittheilt und seine Nähe und Freundlichkeit offenbaret. Aber auch ihre Hölle, ihre Traurigkeit, ihr Schmerz wird immer größer, je öfter er sich verbirgt und sie nicht wissen, nicht glauben können, daß sie ihn wiederfinden, wiedersehen werden. Warum wollen sie das nicht wissen? hat er es doch selbst gesagt: Ueber ein Kleines werdet ihr mich wiedersehen und euch freuen? - Das glaubt und hofft die arme Seele wohl, aber nicht so lebendig und freudig, daß sie den Schmerz seiner scheinbaren Abwesenheit nicht fühlte. Und den muß sie auch fühlen, als Geburtsschmerzen der höhern Freuden, die ihr bereitet sind. Müssen doch jeder Geburt Schmerzen vorangehen und sie begleiten. Sollte die Seele, in der Christus, das beste, das einzig wahre ewige Leben, geboren werden und eine Gestalt gewinnen soll, nicht Wehen bei dieser seligsten und glücklichsten Geburt empfinden? Der Gekreuzigte kann nicht ohne Kreuz in dein Herz verpflanzet, der Mann der Schmerzen nicht ohne Schmerz dein werden.

14. September

Gott hat uns nicht gesetzt zum Zorn, (zur Verdammniß)) sondern die Seligkeit zu besitzen durch unsern Herrn Jesum Christum. 1. Thess. 5,9.
Wir müssen Gott danken allezeit, daß uns Gott erwählet hat zur Seligkeit durch Heiligung des Geistes, und den Glauben an die Wahrheit. 2. Thess. 2,12.

Seligkeit, Seligkeit hat uns Gott zugedacht von Ewigkeit. Wer kann dafür genug danken? Aber worin besteht diese Seligkeit? In keinem bloßen Wahn. Der Heiland erklärt es uns (Matth. 5,3-11.), worin die wahre Seligkeit bestehe. Man prüfe seine Seligkeit an diesem ächten, untrüglichen Prüfstein. Es ist auffallend, daß der Heiland die Seligkeit der Kinder Gottes auf Erden ganz in Widerspruch setzt mit der gepriesenen Glückseligkeit der Welt. Armuth, Hunger, Leidwesen, Verfolgung, ein reines Herz, sind Dinge, die die ganze Welt unglücklich machen; und die Kinder Gottes machen eben diese Dinge selig. Ein Reicher kann im Reiche Gottes nicht selig werden, wenn er nicht arm im Geiste wird, wenn er nicht sein ganzes Herz von allem zeitlichen und geistlichen Reichthume losreißt und arm und dürftig zu Jesu flieht, um seiner unerforschlichen Reichthümer der Gnade theilhaftig zu werden. Ein Satter, Glücklicher, Ueppiger kann nicht selig in Gott werden, wenn er nicht alle seine Wollüste verleugnet, und hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, die Gott durch Jesum Christum darreicht im Glauben. Ein lustiger, leichtsinniger Sünder kann nicht selig werden, wenn er nicht trauert und Leid trägt über sein lustiges Leben, und die Freude und den Frieden in Christo sucht. Ein Wüstling, dessen Gemüth von allerlei Lüsten erfüllt ist, kann nicht selig sein, wenn er nicht alle unreine Begierden, die er durch Fleisches-Lust, oder durch Rache, oder durch einen andern sinnlichen Genuß zu befriedigen sucht, aus seinem Herzen verbannt, und seine einzige Lust nur in Christo und der Gemeinschaft mit ihm sucht. Zu dieser Seligkeit sind wir berufen, die in der Armuth des Geistes, im Hunger nach Gerechtigkeit, und in einem Herzen, das der Welt, der Sünde gestorben ist, allein zu Hause ist, und nur durch das Anhangen an Christum im Glauben zu finden ist; der der Urheber unsrer wahren Seligkeit geworden ist; der arm ward, damit wir durch seine Armuth reich würden; der hungerte und durstete, um uns zu sättigen; der statt der himmlischen Freude, die ihm zu Gebote stand, das Kreuz erduldete, damit wir durch seinen Schmerz zu wahren Seligkeit gelangen möchten.

15. September

Wie hat doch der Herr die Leute so lieb! 5. Mos. 33,3
Wo ist ein solcher Gott, wie du bist? der die Sünde vergiebt, und erlässet die Missethat. - Er wird alle unsre Sünde in die Tiefe des Meeres werfen. Mich. 7,18.19.
Der niemand Unrecht gethan hat. - Aber der Herr wollte ihn so zerschlagen. - Durch sein Erkenntniß wird er, der Gerechte, viele gerecht machen; denn er trägt ihre Sünden. Jes. 53,9-11.

Das unbegreiflichste und anbetungswürdigste aller wunder ist die Liebe Gottes in Christo, auf die wir immer wieder zurückkommen, bei der wir immer stehen bleiben sollen; die uns alle Tage neu werden muß. Moses wunderte sich schon: Wie hat doch der Herr die Leute so lieb!! die es doch so gar nicht verdienen. Er kannte das hartnäckige Volk und sah, wie sehr Gott sie liebe. Wenn er nun aber vollends den Sohn Gottes am Kreuze in Blut und Wunden, zerschlagen und gemartert, ja als wie von Gott zerschlagen, erblickt hätte, wie würde ihm geworden sein? Es beleidigt die weichen, gebildeten Ohren unsrer Zeitgenossen, wenn die Schrift sagt: Der Herr hat seinen Sohn geschlagen und gemartert. Ich weiß ihnen aber nicht zu rathen; denn mich dünkt es schön, wenn gleich unerforschlich, daß Gott den Gerechten für die Ungerechten zerschlug -, nicht um des Schlagens und Plagens willen: sondern, daß er viele gerecht machte, daß er Samen habe, und die Fülle habe, daß er eine große Menge zur Beute erhalte, daß wir alle Sein würden. Darum hat Gott ein so großes Opfer gebracht, daß er den, der ihm der Liebste und Wohlgefälligste war, wie im Zorn behandelte, um die, welche ihn haßten und die seinen Zorn verdient hatten, zu gewinnen und von Gericht und Zorn zu befreien. Laßt uns dieses Wunder der Liebe nicht erforschen, denn dies können wir nicht, sondern genießen; das sollen und können wir mit Gottes Gnade.

16. September

Der Geist (Gottes) ist in den (demüthigen) Leuten. Hiob 32,8.
Betrübet nicht den heiligen Geist Gottes, womit ihr versiegelt seid auf den Tag der Erlösung. Eph. 4,30.
Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, wenn anders der Geist Gottes in euch wohnt. Röm. 8,9.

Geistloser ist kein Mensch, als der Stolze. Den Demüthigen nur giebt Gott seine Gnade und seinen Geist; den Stolzen widersteht er, denn sie haben des Satans Geist. Werdet voll heiligen Geistes! heißt also: werdet recht demüthig; beuget euch recht tief vor Gott in euren Herzen, so neigt er sich zu euch herab und erfüllt euch mit seinem Geiste. Das ist das Geheimniß aller Geheimnisse, das die Einfältigen wissen, das den Stolzen verborgen ist. Sie sind ohne Geist, also ohne wahres Licht, und lernen nie, obwohl sie immer lernen, was ihnen zum Frieden dient. Wer aber den heiligen Geist besitzt, der bewahre ihn auf dem Wege, auf dem er ihn erlangt hat. Noch tiefer beuge er sich unter Andere, je mehr ihn Gott durch diese große Gabe über Andere erhöht hat. Nichts betrübt und vertreibt den Geist so leicht von uns, als Selbsterhebung oder Selbstgenügsamkeit, wenn man nicht achtet auf seine Stimme, nicht gehorchet seiner Führung. Man kann vom Geiste leicht wieder ins Fleisch herabsinken, aus einem geistlichen ein fleischlicher Mensch werden, wenn man nicht mit Treue und Demuth im Geiste wandelt. Ihr Kinder Gottes, die ihr vom Geiste Gottes getrieben werdet, weil ihr ihn in euch habet, o bewahret dieses unvergleichbare Gut; die Welt kann euch nicht mehr schaden, als wenn ihr euch den Geist nehmen oder auslöschen lasset. Betet unablässig um den heiligen Geist; bleibet beständig in seiner Gemeinschaft, und lasset euch von ihm wie Kinder leiten, strafen, lehren, trösten und bewahren.

17. September

Ich habe den Herrn allezeit vor Augen; er ist zu meiner Rechten, darum werde ich wohl bleiben. Ps. 16,8.
Der Zweifler gleicht einer Meereswoge, die vom Winde hin und her getrieben wird. - Ein Zweifler ist unbeständig in allen seinen Wegen. Jac. 1,6.8.
Thut alles ohne Murren und ohne Zweifel. Phil. 2,14.

Des Glaubens Gift, Pestilenz und Tod sind Wankelmuth und Zweifel, die aus einem unbeständigen, schwankenden Gemüthe kommen, das gern zweifelt, nicht, weil es angefochten wird, sondern weil es die Wahrheit nicht liebt, und die Zweifel selbst erkünstelt. Wenn Zweifel nur Anfechtungen sind und auch öfter kommen, sind sie nicht anders zu achten, als Mücken, die man wegschlägt. Wenn aber das Herz selbst sie aussucht und freiwillig hegt, dann ist es um den Glauben geschehen. Ein solcher Mensch hat der ernsten Buße und Aenderung seines Sinnes nöthig, muß von vorne anfangen und um ein neues Herz bitten. Sind Zweifel Versuchungen des Satans, der einen mit hundert Bedenklichkeiten verzagt machen will, indem er das Auge in die Zukunft führt, dem verzagten Herzen nur seine Schwäche, nur die Gefahren, nicht die Kraft und Gnade Gottes zeigt: so wird weiter nichts erfordert, als daß du dein Ohr vom Lügenredner abwendest und zu Gottes Wort hinkehrest, welches dir Muth und Trost einspricht, und den Schwachen Kraft, und Stärke genug den Unvermögenden verheißt. Vertrauen auf den, der mächtig ist in den Schwachen, ist der Schild, womit man alle Anfechtungen zur Kleinmuth und Verzagtheit überwinden kann. Ein Blick auf Christum am Kreuze, der nun einmal für uns gelitten, uns zu sich gezogen und bisher viele Gnaden erzeigt hat; ein Glaubensblick auf den treuen Hirten, der die Lämmer trägt, das Schwache stärkt, das Verwundete verbindet, schafft Muth und Freudigkeit, und alle Zweifel müssen weichen. Der in dir anfing, wird auch vollenden das gute Werk der Erlösung und Heiligung. Er hat vorausgesehen, wer und wie schwach du bist, und hat doch angefangen. Deine Schwachheit ist es nicht, die ihn hindert, dich selig zu machen; dein Wille und dein Unglaube allein können ihn hindern, wenn du nicht ernstlich willst, ihm nicht unbedingt vertraust, nicht auf Gnade und Ungnade dich ihm hingiebst, nicht ohne Vorbehalt sein sein willst.

18. September

Herzlich lieb habe ich dich, Herr, meine Stärke. Ps. 18,2.
Wer nicht lieb hat, der kennet Gott nicht; denn Gott ist die Liebe - und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm. 1. Joh. 4,8.16.
Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele rc. Matth. 22,37.

Willst doch du nicht nur mit der Zunge, nicht nur mit Worten, sondern nur mit der That und von Herzen geliebt werden von deinem Bruder, von deinen Kindern und Freunden! Und Gott sollte mit deiner Lippen- oder Zungen-Liebe, die keine Liebe, sondern nur eine klingende Schelle ist, vorlieb nehmen? Nein, wer die herzliche Barmherzigkeit Gottes, die Liebe und Gnade Christi kennt, die sich ganz für uns geopfert hat, mit Leib und Seele, mit allen Kräften, der besinnt sich keinen Augenblick, sein ganzes Herz, Leib, Seele und alle Kräfte der Liebe Gottes und Jesu Christi so vollkommen hinzugeben, daß er nichts für sich übrig behält; daß er ganz seines Gottes und Heilandes ist, ihm lebt und stirbt, seiner selbst vergißt, sein Ich ganz aus dem Auge und Andenken verliert, und voll Geistes, voll seines Heilandes ist, ihm lebt und stirbt, seiner selbst vergißt, sein Ich ganz aus dem Auge und Andenken verliert, und voll Gottes, voll seines Heilandes wird, ihm, nur ihm athmet, geht und steht, wacht und schläft, arbeitet und ruht… Es ist auch nicht der Lohn, nicht die Süßigkeit und Lieblichkeit, die die Liebe schon mit sich führt, oder künftig verheißt; es ist nichts Anderes, weder Furcht noch Hoffnung, weder Strafe noch Lohn, weder Schaden, noch Gewinn - was die Liebe treibt und belebt - es ist nur Liebe, reine Liebe, was die Liebe lieben macht. Es ist die innere Schönheit, Herrlichkeit, Güte, Unvergleichbarkeit und Liebenswürdigkeit Gottes und Jesu Christi, was die Seele zur Liebe erweckt, in der Liebe erhält und immer mehr erhöht, je mehr sie ihn kennen lernt, je mehr sie ihn lieben lernt. Denn ihr Auge ist immer auf ihn gerichtet, sie ist immer in Gott, und Gott in ihr; sie wohnt immer in Christo, und Christus immer in ihr - sie schauen einander immer an - und werden dadurch immer in Liebe gegen einander entzündet. - Die Liebe wächst; so wie das Anschauen, die Erkenntniß des Geliebten, der Blick auf die Liebenswürdigkeit des Geliebten zunimmt. Darum sagt Johannes so wahr: Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht, denn Gott ist die Liebe - die Liebenswürdigkeit - wer ihn kennt, muß ihn lieben; ein Blick auf Gott, auf Christum ist hinreißend zur Liebe; die Seele kann nicht mehr anders, sie muß ihn lieben; er ist zu schön, zu lieblich; sie wüßte nicht, wie sie es machen müßte, um ihn nicht zu lieben.

19. September

Denn aus Gnaden seid ihr selig geworden, durch den Glauben, und dasselbige nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus den Werken, auf daß sich nicht jemand rühme. Eph. 2,8.9.

Es ist nichts Leichteres als selig werden, und doch können die wenigsten Menschen dazu kommen. Wenn ein verschuldeter Mensch im Thurm frägt: Wie kann ich Schuld- und Banden-frei werden? und man sagt ihm: „Der Mann, dem du schuldig bist, ist der beste Mann, klage ihm deine Noth, beuge dich vor ihm, gieb ihm gute Worte, bitte ihn, so schenkt er dir alle deine Schulden, setzt dich in Freiheit und beschenkt dich obendrein mit großen Reichthümern;“ so wird er glauben und das, was er zu thun hat, nicht nur gern thun, sondern sagen: Ist's nur das? das ist ja so viel als nichts, das kann ich ja leicht thun. Und ist es geschehen, und er frei und reich gemacht, so wird ihm ja der unsinnige Gedanke nicht einfallen: Ich habe mir meine Freiheit verdient, sondern er wird ewig bekennen: Ach, mein gnädiger Herr hat mir aus lauter Gnaden und umsonst Alles vergeben und mich noch reichlich dazu beschenkt! Wie kann ich ihm genug danken? So denken, so handeln die Menschen im Zeitlichen. Aber im Geistlichen, mit ihren Sündenschulden und mit Christus wissen sie gar nicht umzugehen. Das leichteste Ding von der Welt wird und ist ihnen das schwerste, wenn sie es thun sollen, und haben sie es gethan, so machen sie das größte Werk und Verdienst daraus, als hätten sie die Seligkeit verdient. Nun sagt Paulus in den obigen Worten freilich nicht, daß man nichts zu thun habe um selig zu werden, sondern nur, man soll, wenn man selig geworden ist, es nicht seinen Werken und seinem Thun zuschreiben, sich nicht rühmen, als hätte man es mit seinen Werken verdient. Thun, wirken mußt du allerdings Alles, was du mit der zuvorkommenden Gnade kannst: Weinen, beten, seufzen, flehen, harren, ringen und was dich der gute Geist, der dich zur Buße und zum Glauben leitet, lehrt; aber wenn du es gethan hast, es so wenig achten und rühmen, als wenn du nichts gethan hättest, und dir die Seligkeit nicht um dieser Werke willen, sondern lauter umsonst und aus Gnaden geschenkt sei; denn was du gethan hast, ist auch seine Gnade und sein Werk in dir. So ist ja Alles sein, und dir bleibt - Nichts als Gnade.

20. September

Ich sage euch, meinen Freunden: Fürchtet euch vor denen nicht, die den Leib tödten rc. Luc. 12,4.
Er schämet sich nicht, sie seine Brüder zu nennen. Hebr. 2,11.
Denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleische, von seinem Gebeine. Eph. 5,30.
Und nun spricht der, der dich geschaffen hat: - Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöset; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein. So du durchs Wasser gehest, will ich bei dir sein - so du durchs Feuer gehest, sollst du nicht brennen. Jes. 43,1.2.

Was kann der Liebe gleichen? Er nennt uns Freunde, Brüder; er sagt zu Jedem: Du bist mein! Er will in Feuer und Wasser bei uns stehen. Wir sind seines Leibes Glieder, von seinem Fleisch, von seinem Gebein! Seele, wiederhole es dir siebenmal, und siebenzig siebenmal, und freue dich jedesmal inniger und herzlicher, und schöpfe daraus, was du nur kannst. Welcher Bruder nimmt sich seiner Brüder nicht brüderlich an? Welcher Mensch sieht nicht auf seine Glieder, auf sein eigen Fleisch und Bein vor allem Andern? Was sollen wir fürchten, da wir einen solchen erhabnen Freund und Bruder haben, ein solches Haupt? Wo ist dein Vertrauen? dein Glaube?? deine Liebe zu diesem großen und doch herablassenden Bruder? Stehst du in so engen, brüderlichen, freundschaftlichem Bunde des Herzens mit ihm? Ist er dir wirklich, was er dir sein will und kann? Läßt du es ihn sein? An ihm fehlt es gewiß nicht. Erfährst du ihn nicht also; o so erbarme dich deiner und verscherze nicht einen Augenblick länger dieses unaussprechlich große Glück; versäume nicht diese unschätzbare, einzige Gnade, Gott in der Höhe zu deinem Freund und Bruder zu haben, seine brüderliche, freundschaftliche Liebe zu genießen! Unter allen deinen Lieben sei er dir der Liebste, unter allen deinen Freunden er der Erste, Höchste und Beste. Er will sich dir ja geben, so nimm ihn doch!

21. September

Die Eltern brachten das Kind Jesum in den Tempel. - Gingen alle Jahre nach Jerusalem. Luk. 2,27.41
Dann brachten sie Kinder zu ihm, daß er sie berühren möchte. Er sprach: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn Solcher ist das Himmelreich. Marc. 10,13.14.

Das schöne Beispiel der Eltern Jesu, die Jesum als Kind in den Tempel brachten und als Knaben mit nach Jerusalem auf das Fest nahmen; das Beispiel jener frommen Mütter, die ihre Kinder zu Jesu brachten, daß er ihnen die Hände auflegte und sie segnete, ist ein rechtes Hand- und Hausbuch für Eltern zur Erziehung der Kinder. Sie könnten daraus Alles lernen, wie sie es anfangen sollen, um ihre Kinder gut und selig zu machen. Führet sie zu Jesu, bringet sie in den Tempel der Wahrheit und Liebe; opfert sie Gott, leget sie mit Gebet und Flehen dem Heiland ans Herz, denn er drückt sie wirklich gern an sein Herz. Man konnte ihm keine größere Freude machen, als wenn ihm fromme Eltern ihre Kinder brachten, sie zu segnen. Wie dort, so jetzt. Er ist derselbe. Das Nichtsehen macht in dieser Sache nichts. Der Kinderfreund ist, lebt und segnet ungesehen eben so, wie dort, wo man ihn sah. Seine Freude ist gleich groß, wenn du, liebe Mutter, lieber Vater, ihm dein Kind im Gebete zuführst, es ihm ans Herz legst und glaubest: Nun segnet er's, nun legt er ihm seine durchbohrten Hände auf, nun drückt er es an seine himmelvolle Brust; nun strömt Segen und Friede, Geist und Leben aus seiner Fülle in die kleine Kinderseele. Siehe, so geschieht dir, wie du glaubst; deine Kinder werden gesegnet sein und bleiben, wenn du es nicht an Ermahnungen, an Handleitung und Belehrung zum Guten fehlen läßt. Der Heiland hat den Kindern das Himmelreich beschieden und geradezu verheißen: Solcher ist das Himmelreich. Das sollen Eltern bedenken, daß sie an ihren Kindern Bürger des Himmelreichs vor sich haben, über welche sie wachen sollen, wie Engel Gottes, daß sie dieselben nicht dem Himmel rauben und der Hölle überliefern. Die unfreundlichen Jünger wiesen unfreundlich die Mütter mit ihren Kindern ab und wollten sie nicht zu Jesu lassen. Ein Bild unsers Zeitalters, das die Kinder nicht zu Gott, nicht zu Christus lassen will; sie verstehen's nicht, heißt es; es ist zu früh. Nein, sagt Jesus; die sollen zu mir kommen, wehret ihnen nicht - ich und die Kinder, wir gehören ganz besonders zusammen - ich bin vom Himmel gekommen, und ihrer ist das Himmelreich; sie sind meine liebsten Reichsgenossen. Selig sind die Eltern, die das fassen und darin leben.

22. September

Freuet euch und frohlocket; denn groß ist euer Lohn in dem Himmel. Matth. 5,12.
Der Gottlosen Hoffnung ist wie ein Staub, vom Winde verweht. - Aber die Gerechten werden ewiglich leben, und der Herr ist ihr Lohn. Weish. 5,15.16.

So tröstet uns der Heiland in seinem Worte über die Leiden und Verfolgungen dieser Zeit. Wahrlich, ein großer Lohn, wenn kein anderer wäre, als ihn zu sehen, wie er ist, und ewig zu sein! Die Züchtigung, so lange sie hier währet, dünkt zwar nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein; aber in der Folge bringt sie denen, die durch sie geübt werden, eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit. (Hebr. 12,11.) Und man schauet dann, was man hier nicht allemal freudig glauben kann, daß dieser Zeit Leiden nicht werth sind der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar wird, wenn wir ihn haben werden von Angesicht zu Angesicht. - Ein Blick auf ihn, wie er ist, muß schon unsre ganze Natur verändern, und uns himmlisch und ewig verklären. Was wird es sein, wenn wir ihn ewig haben und schauen. O ihr Augen der Menschen, warum sehet ihr so neugierig umher auf dieser Erde, wo ihr doch nicht findet den, der eure Seele ewig erfreuen kann? Warum schauet ihr nicht im Glauben hinaus auf ihn, dessen Blick euch ewig befriedigen und beseligen wird? Wie viel Ursache haben wir also bei unserm Berufe zum himmlischen Erbe uns zu freuen auf das Hinüberkommen? Wie viel Ursache zu frohlocken; denn der Lohn ist unbeschreiblich groß, größer als der Himmel selbst. Wir freuen uns hier so sehr, wenn wir lang vermißte Freunde auf einmal wiedersehen, oder einen Mann kennen lernen, dessen Bekanntschaft wir lange gern gemacht hätten. Was wird es sein, wenn wir ihn sehen, kennen lernen von Angesicht, ihn, vor dem die Engel auf ihren Angesichtern liegen? Und was werden wir bei ihm und in ihm finden? Alle Lieben, alle Kennenswürdigen, über deren Gemeinschaft und Umgang die Cherubim sich freuen? Wie ferne werden alle Feinde, alle Anfechtungen und Betrübnisse sein? Vor ihm ist Freude die Fülle, und liebliches Wesen zu seiner Rechten ewiglich. (Ps. 16,11.)

23. September

Henoch, weil er ein göttliches Leben führte, nahm ihn Gott hinweg, und ward nicht mehr gesehen. 1. Mos. 5,24.
Auch Noah war ein frommer Mann, und ohne Wandel (ohne Tadel) und führte ein göttliches Leben. 1. Mos. 6,9.
Moses hielt sich an den Unsichtbaren, als sähe er ihn. Hebr. 11,27.

Ein göttliches Leben führen, heißt, in Gott, mit Gott leben, vor seinen Augen wandeln, in seiner Kraft und Gnade, in der Geistes-Gemeinschaft mit ihm stehen; seiner Einflüsse, seiner Nähe, seines Friedens theilhaftig sein und das Herz darin leben lassen. So lebten diese Patriarchen. Sie waren Tempel des lebendigen Gottes. Der Herr war ihrem Herzen Alles; die Liebe Gottes war ausgegossen in ihren Herzen durch seinen Geist; Gott in ihnen und sie in Gott, durch das Band der Liebe so innig mit ihm verbunden, daß sie nichts auf Erden davon trennen konnte. Das ist der lebendige Glaube, der sich an Gott, dem Unsichtbaren, so fest, so stark hält, als wenn er ihn leibhaft sähe, als stände er da vor uns. Der zukünftige Christus war ihnen schon so nahe im Glauben, als wäre er schon da. Sollte uns der dagewesene, und bis ans Ende, alle Tage unsichtbar gegenwärtige Christus nicht auch so lebhaft nahe sein im Glauben, als schauten wir ihn leibhaftig? Ja, die geistige Gegenwart des Herrn muß uns unendlich näher sein, als seine leibliche Gegenwart. In uns ist er uns viel mehr nahe, als wenn er äußerlich vor uns da stände. Wer im Glauben an den Unsichtbaren nicht seliger ist, als wenn er den Sichtbaren sehen könnte, deß Glaube ist noch nicht, wie ihn der Herr haben wollte. (Joh. 20,29).

24. September

Ich habe dich je und je geliebet, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. (Jer. 31,3.)
Laß deine Güte und Treue allewege mich behüten. (Ps. 40,12.)
Ich aber will in dein Haus gehen auf deine große Güte. (Ps. 5,8.)

Das soll eine Antwort, wenn das Herz voll Verwunderung frägt, wie kann der Herr ein so schlechtes, sündiges, unwürdiges Wesen so lieb haben? Aus lauter Güte, ohne dein Verdienst, sagt der Herr; ich habe dich von Ewigkeit her schon geliebt, wo ich dich in deinen Sünden sah. Es stand ihm ja vor seinem Auge, ehe wir waren, wie böse und undankbar wir sein würden; und dennoch bezeugt er uns selbst, daß er uns in diesem elenden, hassenswürdigen Zustande geliebet und aus Liebe und Güte zu sich gezogen habe. Was ist doch das für eine Güte? Wie kann sie das Schlechte, das Böse lieben? Ach, sie liebt nicht das Böse, das in uns ist, sondern das Gute, das sie in uns hervorbringen und wirken will. Sie liebt, das Böse gut zu machen. Fühlst du dich also recht schlecht und unwürdig seiner Güte, so stoße deswegen seine gute Hand nicht zurück - sondern glaube und halte für gewiß: diese gute Hand ist über dir, um dich gut, rein und heilig zu machen, wie du nach ihrer Absicht sein sollst. Wehre ihr also nicht durch unverständige Demuth, sondern, wenn du das Gute liebst, so laß dich von der guten Gnadenhand Gottes gut machen, vollbereiten, kräftigen und gründen. Willst du böse bleiben? Das wirst du bleiben und in Ewigkeit nicht anders werden, wenn du seine Güte nicht ergreifest und nicht in dir wirken läßt. Bitte lieber mit David, der sich auch unwürdig und als großer Sünder fühlte; bete mit ihm, wie oben (Ps. 40,12.), und entschließe dich eben deiner Schwachheit wegen, wie er: Ich aber will in dein Haus gehen, deine Nähe, dein Antlitz suchen, auf deine große Güte vertrauend. In sein Herz gehen, heißet, in sein Haus gehen, denn im Herzen wohnet er, wie in seinem Hause, und wer da im Geiste und in der Wahrheit betet und bei ihm verweilet, der erfähret seine Güte und Treue. Da läßt er sein Antlitz über uns leuchten.

25. September

Wer ist unter euch, der den Herrn fürchtet, der seines Knechts (Jesu) Stimme gehorchet? (wer ist) der im Finstern wandelt, und scheinet ihm nicht? der hoffe auf den Namen des Herrn, und verlasse sich auf seinen Gott. Jes. 50,10.
Du Elende, über die alle Wetter gehen! und du Trostlose! siehe, ich will deine Steine wie einen Schmuck legen - und großen Frieden deinen Kindern. Jes. 54,11.

So tröstet der Herr selbst seine betrübten, verfolgten, verachteten und gedrückten gläubigen Seelen auf Erden. Ein Trost, der vom Himmel - aus dem Munde des Heilandes kommt durch seinen Geist; und sein Wort kommt nicht leer. Denn unser Gott macht nicht leere Worte und spottet unser nicht in unserm Elende. Was er verspricht, das hält er gewiß. Sitzest du also im Finstern, und scheint dir das Licht der Freude und des Trostes nicht, du hast aber den Herrn lieb und gehorchest seiner Stimme, und sind dir alle seine Worte theuer und heilig: o so weißt du nun aus seinem Munde selbst, daß es dir von ihm erlaubt, ja befohlen ist, auf ihn zu hoffen, dich auf ihn zu verlassen. So wahr er lebt und dieses geredet hat, so gewiß wird dir das Licht des Trostes und der Hülfe wieder aufgehen. Suche nur ihn, ihn, nicht den Trost, so findest du beides, ihn und den Trost. Denn wer ihn hat, was bedarf der noch? Sieh doch, wie er dich aus Mitleid nennt: Du Elende, über die alle Wetter gehen! Er weiß zu gut, wie es seiner Kirche, seiner Gemeinde der Gläubigen, seinen lieben Schäflein geht. Ach, sie sind es ja freilich, über die alle Wetter der Verfolgung gehen. Allein er weiß es, und sieht und verspricht dagegen auch große Dinge, die nicht auszusprechen sind - einen großen Frieden ihren Kindern - allen Kindern Gottes. Ja die Wetter der Trübsal bringen einen Frieden, den die nicht kennen, über die nie ein Wetter gekommen ist.

26. September

Wirket euer Heil mit Furcht und Zittern - damit ihr ohne Tadel und lauter seid, als unsträfliche Kinder Gottes mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlechte, unter welchem ihr leuchtet als Himmels-Lichter in der Welt, indem ihr festhaltet am Worte des Lebens, mir zum Ruhm am Tage Christi, daß ich nicht vergeblich gelaufen, noch vergeblich gearbeitet habe. Phil. 2,12-16.

Wie könnte es einem Lehrer, einem Vater oder einer Mutter gleichgültig sein, ob die, an denen man arbeitet, gedeihen oder nicht? Welche Freude für jeden Gärtner, wenn seine Pflanzen wachsen, seine Bäume Früchte bringen! Welche Freude für den Landbauer, wenn sein Acker, den er mit Mühe gepflüget, im Schweiße besäet hat, reichliche Erndte giebt. Doch freuet man sich mit Zittern und bittet die, an denen man arbeitet, wie Paulus die Philipper bat: Fürchtet euch vor euch selbst, zittert vor eurer Schwachheit und Geneigtheit zum Schlafe, zur Sicherheit, zur Trägheit und laßt euch diese heilsame Furcht (denn knechtische Furcht sei fern von euch!), dieses von der Gnade erweckte Zittern nicht verzagt machen, sondern vielmehr treiben, desto mehr auf den Herrn zu vertrauen, der Wollen und Vollbringen in euch wirken kann und will; daß ihr wirklich Lichter in der finstern Welt seid, daß ihr durch euren frommen Wandel euch so auszeichnet und unterscheidet von den Ungeschlachten, wie sich die Sonne von der Nacht unterscheidet. So sollt ihr da stehn, wo ihr stehet, in eurem Hause, in eurer Familie, oder in der Umgebung, in dem Kreise, in dem ihr lebet, wie ein Licht auf dem Leuchter; so solltet ihr euer Licht leuchten lassen, daß es den finstern, blinden Ungläubigen in die Augen falle, daß sie fragen: wo kommt dies Licht her? Dann weiset ihr auf den, der euer Licht ist und der alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Haltet fest am Worte des Lebens, so werdet ihr leben und leuchten. Wo Leben ist, wo lebendiges Wort ist, wo das Wort lebt im Herzen, da ist Licht, da bricht es heraus und leuchtet. Wo aber nur das todte Wort in Kopf gefaßt ist und auf der Lippe schwebt, da ist kein Licht und keine Wärme des Lebens, sondern Tod und Finsterniß; da ist keine Erbauung, kein Wachsthum, kein Wirken des Heils. Und solche sollten billig anfangen mit Furcht und Zittern, vor ihrem todten Wesen, ihr Heil zu suchen und zu wirken.

27. September

Erkennet doch, daß der Herr seine Heiligen wunderlich führt. Ps. 4,4.
Ich bin der Herr, und keiner mehr, der ich das Licht mache, und schaffe die Finsterniß; der ich Frieden gebe, und schaffe das Uebel. Ich bin der Herr, der solches alles thut. Jes. 45,7.

Wunderlich, ja wunderlich, sehr wunderlich, führt der Herr die Seinen, aber doch seliglich, doch herrlich; es ist doch kein Weg wie des Herrn Wege. So viel sie Dornen haben, die blutige Füße machen und oft durch die Fußsohlen fahren, daß man schreien möchte und oft auch schreit, so haben sie doch etwas Anziehendes, das man um aller Welt Glück und Gut und Lust nicht hingiebt. Die Welt läßt er ihre lustige Wege gehen; die Seinen wirft er bald ins Wasser, bald ins Feuer; führt und hebt sie bald über alle Berge hin, dann wirft er sie wieder in Abgründe, aus denen keine Errettung möglich scheinet. Jetzt umgiebt er sie mit Ehre und Herrlichkeit, wie Jesum auf Tabor, dann bedeckt er sie wieder mit Schande und Spott, daß kein Hund sie ansieht; und der schlechteste, verruchteste Missethäter ehrlicher zu sein scheint, als so ein Schooßkind Gottes. Ihr Herz ist oft so voll von ihm, daß sie glauben, der ganze Himmel habe sich in sie herabgelassen; dann aber wieder so verlassen und trübe, als wenn die Hölle bei ihnen eingekehrt hätte. Oft glauben sie in der Sonne zu stehen, dann wieder in egyptischer Finsterniß zu wandeln. Jetzt haben sie die Allmacht in ihren Händen, und ein andermal sind sie gebunden und gelähmt, daß sie keinen Strohhalm heben, sich selbst kaum tragen können. Und warum So? Die Antwort steht oben Jes. 45,7. Ihm sei Dank! Wenn nur er führt, um das Wie? kümmere dich nicht, sondern nur um das Wer? Bete mit David: Um deines Namens willen wollest Du mich leiten und führen! (Ps. 31,4.) Gehe es hin, wohin es wolle, wenn nur seine Hand führt.

28. September

Ziehet an den Herrn Jesum Christum. Röm. 13,14.
Ich sterbe täglich - ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus lebt in mir. 1. Cor. 15,21. Gal. 2,20. Phil. 3.

Wenn uns kein neues Kleid dargereicht würde, müßten wir in unserm alten Kleide der Sünde und der Sterblichkeit bleiben und verderben. Aber es ist da; es ist uns von Gott geschenket, wird uns angeboten durchs Evangelium, wird uns dargereicht und angezogen, wenn wir nur unsere Hände darnach ausstrecken, wenn wir nur das Alte gern ausziehen und fahren lassen. Wer aber seinen alten Menschen sammt seinen Lüsten und Begierden so lieb hat, daß er sich nicht von ihm trennen kann, dem kann der neue Mensch, Christus, nicht zu Theil werden. Paulus sagt: (Gal. 3,27.) So viele euer getauft sind, die haben Christum angezogen; und doch sagt er Röm. 13,14. zu schon Getauften: Ziehet Jesum Christum an? Muß man denn anziehen, was man schon angezogen hat? Allerdings; weil man gar oft wieder auszieht, was man im ersten Eifer angezogen hat, weil man ihn noch nie so fest angezogen hat, daß man beständig in ihm bleibt. Wer in ihm bleibt, hat nicht nöthig, ihn immer wieder anzuziehen; er darf ihn nur halten, und Herz und Sinne in seinem Frieden bewahren. So sagt er auch: Ich bin mit Christo gekreuzigt:: (Gal. 2,19.) und sagt doch wieder: ich sterbe täglich. Es ist daher mit dem Anziehen des Neuen und mit dem Ausziehen des Alten, oder mit dem Leben in Christo und Sterben des alten Menschen eine Sache, mit der selbst die Apostel nicht so schnell fertig geworden; um so weniger dürfen wir uns für vollkommen halten, sondern das tägliche Sterben und das tägliche Hineinleben in Jesum uns immer empfohlen sein lassen. Würden wir das schmutzige Kleid des alten Menschen im hellen Licht sehen und erkennen, wie übel es uns steht, wie es uns vor Gott entstellt: wir würden hassen den befleckten Rock des Fleisches, wir würden eilen, seiner lieber heut als erst morgen los zu werden. Hätten wir einen recht klaren Begriff von der Schönheit und Herrlichkeit des Neuen Menschen, wäre uns Christus recht offenbaret; glaubten wir, daß er uns geschenkt ist zum Anziehen, zum Bleiben und Leben in ihm: wir würden nicht so lange außer und ohne ihn bleiben, wir würden ihn ergreifen und in ihn hineineilen, wie der Nackte in das Kleid, wenn er sich seiner Blöße schämt.

29. September

Wenn ihr betet, so machet nicht viele Worte wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhöret, wenn sie viele Worte machen. Matth. 6,7.
Ich bin müde von Seufzen, ich schwemme mein Bette die ganze Nacht rc. Ps. 6,7.
Meine Thränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: wo ist nun dein Gott? Wenn ich deß inne werde, so schütte ich mein Herz heraus bei mir selbst. Ps. 42,4.5.

Viele Menschen meinen, das Gebet bestehe blos im Wortemachen; dem lieben Gott etwas vorpredigen, mit beredter Zunge zu Gott sprechen, das heiße beten, je mehr, je besser. Christus sagt: Worte thun's nicht; viele Worte machen beim Gebet ist heidnisch, nicht christlich. Man soll aber doch länger, ja man soll unablässig, aller Orten beten. Was und wie soll man ihm denn thun? Wenn man nicht Worte, wenigstens nicht viele brauchen darf? Frage den David, der antwortet dir im Namen aller wahren Beter in obiger Stelle. (Ps. 6,7. und 42,4.) Anderswo sagt er gar: Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Ps. 62,1. und Jesaias (30,15.) macht es zur Bedingniß, um Hülfe und Kraft zu erlangen, müsse man stille sein und hoffen, nicht Wortkriege mit Gott führen. Christus selbst, in seinem heißesten Gebete, in der tiefsten Angst wie wenige Worte machte er? dieselben Worte wiederholte er dreimal. Der Irrthum liegt bei den Leuten darin, daß sie glauben, das Gebet sei eine Sache der Zunge, nicht des Herzens. Die Zunge muß freilich im Dienste des Herzens stehen, wenn man ihrer bedarf; aber das Herz muß beten, ringen, harren, hoffen, glauben und seufzen. Manchmal müssen Thränen mehr sagen als Worte. So waren gewiß auch der Blutschweiß und die Thränen des Heilandes ein größeres Geschrei in den Ohren des Vaters, als seine wenigen und kurzen Worte. Moses schrie auch zu Gott, da er den Mund nicht aufthat (2. Mos. 14,15.) In den Psalmen hört man den David oft schreien, und ich glaube, daß wohl immer ein solches innerliches Schreien zu verstehen ist. Doch will ich dir nicht wehren, wenn du auch manchmal laut schreien willst und mußt. Es hat Alles seine Zeit. Daraus kann man denn auch schließen, was von Gebetbüchern und dem Beten aus denselben zu halten sei. Doch möchte ich gute Gebetbücher nicht unbedingt verwerfen, noch verwehren. Ein guter Beter kann auch damit recht umgehen. Sonst aber sind sie wie die Rechnungsbücher, wo man Alles ohne Mühe gleich finden kann, ohne selbst die Rechnung zu machen oder zu verstehen, und die man in meinem Vaterlande Faullenzer heißt.

30. September

Vor allem hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, welcher ist Heuchelei. Luc. 12,1.
So leget nun ab alle Bosheit, und Betrug, und Heuchelei rc. 1. Petr. 2,1.
Siehe zu, daß deine Gottesfurcht nicht Heuchelei sei, und diene Gott nicht mit falschem Herzen. Sir. 1,34.

Die Heuchler sprechen: Wir haben Lügen zu unsrer Zuflucht, und Heuchelei zu unserm Schirm gemacht. (Jes. 28,15.) Aber welch ein schlechter Schirm, welch eine elende Zuflucht. Denn der Herr merket ihre Heuchelei. (Marc. 12,15.) Leset die acht Wehe, die der Heiland (Matth. 23) über die Heuchler ausgesprochen hat, und sehet da, daß Gott kein Laster so sehr verabscheuet und verflucht als dieses schändlichste aller Laser, das bald auf grobe, bald auf feine Art getrieben wird. Man will fromm scheinen, wenn man gleich selbst erkennt, daß man es nicht ist, und wenn man mit einem sündhaften Leben auch andern genug beweist, daß man es nicht sein könne; dennoch will man vor Andern scheinen, als wenn einem Religion auch am Herzen läge. Das ist die grobe Heuchelei. Eine künstlichere und feinere ist's, wenn man sich wirklich die schmeichelhafte Einbildung gemacht hat, man sei fromm, und auch von Andern dafür gehalten wird. Heimlich aber lebt man in Sünden, die man, um sich selbst nicht zu kränken, für keine Sünden hält, sondern nur unter die Schwachheiten zählt, oder durch ein falsches Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit und Christi Verdienst Alles zudeckt, leicht darüber weggeht, sich beruhigt und sicher macht. - Eine andere Art ist die Heuchelei der falschen Eiferer, die von Leidenschaften getrieben, Andere verfolgen, in der Meinung, Gott einen Dienst zu thun und für Gott zu eifern, da doch nur natürliche Hitze und blinde Wuth, seine Leidenschaften zu befriedigen, die eigentliche Triebfeder ist. Die ärgsten Heuchler sind die Kinder des Teufels, die falschen Apostel, die vom Vater der Heuchelei geboren, sich in Engel des Lichts verstellen, um nur recht viele Kinder der Hölle zu machen. (2. Cor. 11,14.) Hüte dich vor der feinen, wie vor der groben Heuchelei; denn der Herr prüft Nieren und Herzen, und Aufrichtigkeit ist vor ihm angenehm. (Ps. 7,10.)

1)
beschäftigungslos umherziehen; sich unstet, unruhig bewegen
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