Gossner, Johannes Evangelista - Schatzkästchen - Juni

Gossner, Johannes Evangelista - Schatzkästchen - Juni

1. Juni

Wer misset die Wasser mit einer Faust? wer fasset den Himmel mit der Spanne? - wer wieget die Berge? - Siehe, die Völker sind geachtet wie ein Tropfen, so im Eimer bleibet, wie ein Scherflein, so in der Waage bleibet. Siehe, die Inseln sind wie ein Stäublein. - Er sitzet über dem Kreis der Erde, und die darauf wohnen, sind wie Heuschrecken. Weißt du nicht, hast du nicht gehört, der Herr, der ewige Gott, wird nicht müde noch matt. Jes. 40,12-28

Die Größe des Herrn ist unbeschreiblich und unbegreiflich - so erhaben Jesaja davon spricht, so ist es doch nur ein Tröpflein aus dem Meere, nur ein klein Sandkörnlein von allen Welten. Wer sollte aber glauben, daß der, von dem der Prophet hier spricht, derselbe ist, den er im 53. Kapitel ganz anders beschreibt? Und doch ist er am Kreuze kein anderer, als der über dem Erdkreis sitzt, Himmel und Erde umfaßt. So viel Ehrfurcht uns diese Größe, Allmacht und Erhabenheit unsers Heilandes, gegen den wir alle nur Staub sind, einflößen muß, so sehr muß uns das, was er im Fleische für uns gethan hat, wie im 53. Kap. Jesaia nachzulesen ist, mit Vertrauen, Liebe, Dank und Freude erfüllen. Sieh, der große Gott, der die Meere mit seiner Faust mißt, die Himmel mit der Spanne umfaßt, streckt seine Hände dar, sie für uns durchbohren zu lassen: Der, vor dem alle Nationen der Erde nur wie ein Tröpflein am Eimer sind, giebt den letzten Tropfen seines Blutes für sie hin, um sie durch Blut und Tod an sich zu ziehen und zu gewinnen. Was sollen wir mehr bewundern, seine Macht oder seine Liebe?! Wohl beides mit gleicher Freude und Danksagung. Er ist alles, was er ist, für uns, und wird es ewig bleiben; denn seine Macht und Liebe wird nicht müde noch matt.

2. Juni

Wir fehlen alle gar mannigfaltiglich. Jak. 3,2.
Unsre Missethat stellest du vor dich, und unsre unbekannte Sünde ins Licht vor deinem Angesicht. Ps. 90,8.
Mache dich los von deinen Sünden durch Gerechtigkeit. Dan. 4,24.

Apostel reden von mannigfaltigen Fehlern, Propheten und Männer nach dem Herzen Gottes, sprechen von Missethaten und unerkannten Sünden. So fühlt denn alles, was im sterblichen Fleische lebt, Sünde und Missethat, und ist keiner rein unter der Sonne. Es ist daher wohl sträfliche und gefährliche Unwissenheit oder Unachtsamkeit, wenn ein Mensch sein Herz und seinen innern Sinn so wenig beobachtet, daß er sich fehlerfrey und rein dünkt. Wer wird einen Reinen finden unter den Unreinen? sagt Hiob 14,4. Ein solcher ist blindt und todt, und tappt im Finstern. Er rühmt sich zu seinem eignen Schaden mit eitlem Selbstbetrug seiner Gerechtigkeit. Wer aber Fehler sieht, und mit Gleichgültigkeit an sich duldet, sich getrost berufend auf diese Bibelsprüche, der kennt den Sinn der Apostel und Propheten nicht; die wohl zu ihrer Demüthigung, aber nicht zur Einschläferung, nicht zur falschen Sicherheit, nicht zum Troste der Faulen so redlich ihre Fehler bekannten. Wer redlich strebt, fehlerfrey zu werden, dem sey es ein Trost und eine Beruhigung, aber kein Kissen der Trägheit. Mache dich los, sagt ein anderer Prophet, und das sagen im Grunde alle, mache dich los, überwinde die Sünde durch die Gerechtigkeit, durch die Kraft, die dir in Jesu Christo dargereicht wird, umsonst und aus Gnaden; nicht so umsonst, daß du sie, wie der faule Knecht, im Schweißtuche vergrabest, sondern daß du damit wucherst.

3. Juni

Der Herr hat das Recht lieb, und verlässet seine Heiligen nicht, ewiglich werden sie bewahret. Ps. 37,28.
Der Herr ist treu, der wird euch stärken und bewahren vor dem Argen. 2. Thess. 3,3. Vergl. 1. Petr. 1,5.
Zeige mir, Herr, den Weg deiner Rechte, daß ich sie bewahre bis ans Ende. Unterweise mich, daß ich bewahre dein Gesetz, und halte es von Herzen. Ps. 119,33.34.

Das sey dein tägliches Gebet, daß du, aus Gottes Macht durch Glauben bewahret werdest zur Seligkeit, die dir bereitet ist. Wer kann sich selbst bewahren, wenn er nicht im Herrn und in der Macht seiner Stärke einhergeht, wenn er nicht durch Gebet und Flehen in steter Verbindung mit dem bleibt, der das gute Werk angefangen hat und auch vollenden muß! Doch sage nicht leichtsinnig, ich kann mich doch nicht bewahren, Gott muß es thun. Nein, Gott muß es nicht thun; Gott kann es wohl, und will es auch; aber er wird es nicht thun, wenn du, unbekümmert um dein Heil, nicht wachest und betest, daß du nicht in Versuchung fallest. Der Herr bewahret seine Heiligen, das ist, diejenigen, die der Heiligung nachjagen mit Ernst und Eifer. Er verläßt die nicht, die ihn nicht verlassen. Er sieht auf die, welche auf ihn sehen. Er hält die mit seiner Hand, die seine Hand ergreifen und halten. Die sind seine Heiligen, die werden ewiglich bewahret. Aber die sichern, trägen, unwachsamen, schläfrigen Heiligen, die, statt ihre Lampen zu schmücken, und sich um Oehl umzusehen, schlafen oder sich zerstreuen und ihre Sinne belustigen, die werden nicht bewahret, die werden draußen bleiben, wenn der Bräutigam in seine Kammer geht.

4. Juni

Ermahnet euch unter einander, und erbauet einer den andern, wie ihr denn auch thut. 1. Thess. 5,11
Solches rede, und ermahne, und strafe mit ganzem Ernst. Tit. 2,15
O daß mein Leben deine Rechte mit ganzem Ernst hielte! Ps. 119,5
Willst du Gott dienen, so laß es dir einen Ernst seyn. Sir. 18,23

Es ist nichts schändlicher und ärgerlicher, als ein lauer Christ, der keinen Ernst beweiset, und doch für einen Christen gehalten seyn will, doch viel vom Christenthum spricht, ohne das wahrhaft christliche Leben mit einem Finger zu berühren. Gott wird solche Menschen ausspeien; denn die Welt nimmt Anlaß, das ganze Christenthum zu lästern oder sich in ihrem bösen Wesen zu bestärken. Möchten doch solche Menschen lieber Christo und dem Namen Christ ganz entsagen, als sich Christ nennen lassen, und sich doch vom Leben und dem Ernste des wahren Christen lossagen. Wer aber weiß, daß in Christo ein rechtschaffenes Wesen ist, und wirklich sich mit allem Ernste als ein wahrer Christ in Wort und That beweiset, der nehme sich auch seiner Brüder mit Ernst an; er versäume nicht, seine Brüder zu ermahnen, zu warnen, zu strafen mit allem Ernst, um Christi willen, daß der Name Gottes und Christi nicht gelästert werde. Vergiß dich aber selber nicht, und laß vorzüglich dein Beispiel und deinen ernsten Wandel in Christo eine Ermahnung und Strafpredigt für andere seyn. Die Welt verliert nie den Ernst für ihre Sachen, die doch alle nur zu ihrem Verderben gereichen; und der Christ sollte in seinen ewigen Angelegenheiten und in Gottes heiliger Sache, wovon seine Seligkeit und Christi Ehre abhängt, lau, träge, gleichgültig und lässig seyn dürfen? Nein, wer dem Himmelreicht keine Gewalt anthut, wird es nicht an sich reißen; Welt, Fleisch und Satan werden es ihm zehnmal aus den Händen schlagen, wenn er es nur mit halbem Ernste anfasset, und nicht mit heldenmüthiger Treue ergreifet.

5. Juni

Hat denn Gott vergessen, gnädig zu seyn, und seine Barmherzigkeit vor Zorn verschlossen. Ps. 77,10.
Gottes Barmherzigkeit währet ewig. 2. Chron. 5,13.
Herr, deine Barmherzigkeit ist groß, und deine Güte währet ewiglich. Ps. 119,156. Ps. 118 und 136.

So überzeugt David war, daß die Barmherzigkeit Gottes keine Grenzen habe, seine Güte und Gnade ewig währe; so kam er doch oft in solche Gemüthszustände, daß es ihm schien, seine Barmherzigkeit habe denn doch jetzt ein Ende gegen ihn, und seine Gnade und Güte habe sich von ihm gewendet. Wenn dich, Lieber, der Herr in ähnlichen Wegen führt; wenn er sein Angesicht vor dir verbirgt oder dir unfreundlich und zürnend erscheint, so verzage nicht. Das haben die Vertrautesten Gottes erfahren müssen. Rede dann nur auch so, wie sie, mit ihm, und sage und klage ihm, was dein Herz fühlt. Mußt du heute zu ihm sagen: Ist es denn ganz und gar aus mit deiner Gnade! so wirst du morgen oder ein andermal seine Gnade nicht genug rühmen können. Der Herr wird dir ein neues Lied in deinen Mund geben. Am Ende wirst du allemal laut bekennen müssen: Seine Güte währet ewiglich. Hast du dieses einmal recht erkannt und erfahren, so glaube daran, und halte es im Glauben fest, auch dann, wenn du es nicht fühlst, wenn du das Gegentheil erfährst. Glaubst du doch, daß die Sonne hell und leuchtend ist und bleibt, auch wenn sie bey einer Finsterniß wie mit einem schwarzen Flor bedeckt ist. Der Herr ist immer derselbe, auch wenn er dir des Tages siebenmal anders erscheint. Halte du dich an sein Wort, nicht an die Erscheinungen deiner Sinne.

6. Juni

Der Herr aber richte eure Herzen zur Liebe Gottes und zur Geduld Christi. 2. Thess. 3,5.
In allen Dingen lasset uns beweisen als die Diener Gottes - in ungefärbter Liebe. 2. Kor. 6,4-6

Die schönste Richtung des Herzens ist, wenn es sich nach Pauli Wunsch zur Liebe Gottes und Geduld Christi richtet. Alle andere Richtung des Herzens ist verkehrt. Prüfe dich, wohin dein Herz gerichtet ist? wohin zielt es? was wünscht es am meisten und am heißesten? mit welchen Dingen beschäftigt es sich am liebsten und öftersten? Wer wohnt eigentlich in deinem Herzen? was geht gewöhnlich bey dir aus und ein? was betrübt, was erfreut dein Herz am meisten? Diese Fragen stelle öfters unter Gebet und Flehen an dein Herz, so wirst du die Richtung deines Herzens erkennen, ob es zur Liebe Gottes und Geduld Christi, oder zur Liebe der Welt, zur Eigenliebe, Geld- oder Ehrliebe, oder zur Lust des Fleisches geneigt und gerichtet sey. Findest du die falsche Richtung, die verkehrte Hinneigung deines Herzens zu Dingen außer Gott und Christus, so beweine dein Elend, und seufze und ringe, flehe ohne Unterlaß zu Gott und Christus, daß er deinem Herzen die gerade Richtung zu seiner Liebe, zu seinem Kreuze gebe. Die Geduld Christi ist sein Dulden, Leiden und Sterben für uns, ist sein Gehorsam bis zum Tode, der uns versöhnen und auch geduldig und gehorsam machen muß. Sey kein Schönfärber! Färbe deine Liebe nicht - d. i. heuchle nicht Liebe mit der Zunge, sondern erbitte dir ungefärbte, unverstellte, aufrichtige Liebe, die sich innerlich und äußerlich gleich brünstig und thätig beweist, und in gerader Richtung nur auf Gott und Christus zielt.

7. Juni

Wer da sagt, daß er in ihm bleibet, der soll auch wandeln, gleichwie er gewandelt hat. 1. Joh. 2,6.
Daran ist die Liebe völlig bey uns, auf daß wir eine Freudigkeit haben am Tage des Gerichts; denn gleichwie er ist, so sind auch wir in dieser Welt. 1. Joh. 4,17

Wer da sagt: Im Herrn habe ich Gerechtigkeit und Stärke; der lasse die Gerechtigkeit und Stärke Christi, die er glaubt, auch in seinem Wandel und Leben offenbar werden; damit sein Leben und seine Werke ihn nicht auf den Mund schlagen, mit welchem er Christum und seine Gerechtigkeit bekennt. Viele rühmen sich der Gerechtigkeit Christi, aber wenige haben und zeigen sie in der That. Paulus, Gal. 3,27. sagt: Alle auf Christum Getaufte haben Christum angezogen. So muß man ihn ja doch sehen. Hast du den Rock der Gerechtigkeit Christi angezogen, wo ist er? zeige ihn. Ist Christi Blut und Gerechtigkeit dein Schmuck und Ehrenkleid, so mußt du wohl schön, so schön, wie Christus anzusehen seyn; und jedermann muß es sehen und sagen können, der ist gekleidet und wandelt in dem Kleide der Gerechtigkeit Christi. Es ist kein Faden von dem schmutzigen Kleide der Welt, von dem befleckten Rocke des Fleisches, von Adams Feigenblättern mehr an ihm. O möchten wir nicht mit Worten spielen, die wir ohne Herz ergriffen haben, ohne Wahrheit und Zustimmung des Herzens nachsprechen! Möchten wir uns nicht blos in eine Einbildung und in einen Wahn und Maulglauben einkleiden; uns nicht zueignen und zurechnen, was wir doch nicht haben, und nicht durch die That beweisen können, was kein Auge an uns finden kann! Das wäre kein haltbares Kleid, sondern Spinnengewebe, in dem wir vor Gott nicht bestehen würden. Möchten wir wirklich Christum und seine Gerechtigkeit im Glauben ergreifen, Herz, Sinn und Wandel in sie einkleiden, und darin leben und sterben!

8. Juni

Saget den verzagten Herzen: Seyd getrost, fürchtet euch nicht! Sehet, euer Gott, der kommt zur Rache (sich an euren Seelenfeinden zu rächen); Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen (nicht verdammen). Jes. 35,4
Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, daß ihre Ritterschaft ein Ende hat, denn ihre Missethat ist vergeben. Jes. 40,1.2.

Das ist das Evangelium für arme, blöde, weinende, traurige, über die Sünde Leidtragende, und mit Verzagtheit und Verzweiflung ringende Seelen; aber nicht für lustige, leichtsinnige Sünder, oder für schlafende, sichere, laue und träge Christen, die sich gern alle Trostworte der Schrift aussuchen und sich zueignen, was sie gar nicht angeht, um nur ruhig fortschlafen, sicher bleiben und sich mit falschem Trost beruhigen zu können. Denen aber, welchen es Ernst ist, die mit der Sünde und Schuld ringen, in ihrem Gewissen zerschlagen sind, und sich nicht trösten lassen können, denen kann man diese Trostsprüche nicht oft genug wiederholen, um ihnen Muth einzusprechen. Ja, liebe, gebeugte, zermalmte Seele! Muth, Vertrauen zum unendlich freundlichen Erbarmer ziemt dir! denn das hilft dir, das rettet dich; das gefällt dem Herrn. Aber deine Verzagtheit und Muthlosigkeit dienet ihm weder zur Ehre noch zur Freude; und dir bringt sie den gewissen Tod an Leib und Seele. Wag' es einmal, wirf dich dem, der dich in obigen Sprüchen so freundlich einladen, so göttlich mild trösten läßt; wirf dich deinem Erbarmer in die Arme, die er durch diese Worte dir öffnet und nach dir ausstreckt. Stürze dich nicht durch Mißmuth, Verzagtheit und Verzweiflung dem Feinde und Mörder deiner Seele in die Klauen, der dich mit allen deinen mißmuthigen Gedanken nur verderben und zu sich in den Abgrund ziehen will; stürze dich lieber ins Meer der Erbarmungen Gottes, der Liebe und Gnade Christi, welches tief, groß, breit und hoch genug ist, um dich noch aufzunehmen, dich zu waschen, zu reinigen und zu beseligen.

9. Juni

Er wird mich erhalten bey meiner Kraft und wird mir Frieden schaffen; Frieden wird er mir dennoch schaffen. Jes. 27,5.
Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn. 1. Mos. 15,1
Er ist ein Schild allen, die auf ihn trauen. Ps. 18,31.

Das gläubige Dennoch war der Schild aller Propheten und Apostel, aller gläubigen Dulder und Streiter des Herrn, womit sie alle Pfeile der Versuchung, die uns verzagt und müde machen wollen, zerbrochen und abgewiesen haben. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, dennoch bleib ich stets an dir, sagt David. Israel hat dennoch Gott zum Trost. Ps. 73,1.23.26. So ruft auch Jesaias: Frieden wird er mir dennoch schaffen, wenn auch allenthalben Krieg in und außer mir und um mich her wäre. Er wird mich dennoch erhalten wenn ich auch alle Augenblicke zu versinken scheine; wenn ich nur das Vertrauen auf ihn nicht wegwerfe. Und wie ruft er uns selbst durch alle Propheten zu: daß wir uns bey allen furchtbaren Stürmen und schrecklichen Gefahren des Lebens dennoch nicht fürchten, nicht verzagen sollen; daß er uns helfen, stärken, erhalten, erlösen wolle durch die starke Hand seiner Gerechtigkeit. Jes. 41,10. O diese Hand läßt dich nicht. Halte, halte nur du dich daran; ihr ist kein Abgrund zu tief, sie kann dich heraufholen; ihr ist kein Berg zu groß, sie kann ihn weg oder dich drüber hin heben. Und nach allen Plagen des Lebens will er, er selbst, dein Lohn seyn, so wie er jetzt mit seinem mächtigen Arm selbst dein Schild ist.

10. Juni

Gott ist treu, durch welchen ihr berufen seyd zur Gemeinschaft unsers Herrn Jesu Christi. 1. Kor. 1,9
Vertraue Gott, so wird er dir aushelfen. Sir. 2,6.
Bey dem Herrn ist Gnade und viel Erlösung. Ps. 130,7.

Man kann sich, wenn man in Anfechtung ist, die Fülle der Gnaden, die uns in Christo aufgethan ist, nicht groß genug denken; sie ist doch größer, als sie ein Sterblicher glauben oder sich vorstellen kann. Wer kann das Meer ergründen? wer die Höhe des Himmels messen und ersteigen? Und doch ist das Meer kein Tröpflein gegen Gottes Gnadenfülle in Christo. Seine Güte und Huld ist unendlich höher und größer als der Himmel. Aber in der Stunde der Anfechtung, oder im heißen Kampfe mit Welt und Sünde sieht und erkennt man das nicht; da scheint uns die Gnade so fern, daß uns der Berg Gottes kaum wie ein Sandkörnlein vorkommt, und das Meer seiner Gnadenfülle kaum ein Tröpfchen zu seyn dünkt; oder, wenn man auch an seine Treue und Güte glaubt, so kann man sie doch nicht auf sich anwenden, andern wohl, aber sich nicht zueignen. Doch der Geist kommt auch da unsrer Schwachheit zu Hülfe und zeigt uns, wenn wir bitten, suchen und anklopfen, gewiß die offne Gnadenthür. Ist das Herz redlich, so wird es dieselbe auch wohl finden, aus der Angst gerissen und getröstet werden. Aber es sind oft heimliche Tücke im Herzen verborgen, geheime Bande, von denen das Herz nicht los werden will, und so bleibt man gefangen. Wer aufrichtig und von ganzem Herzen, ohne Vorbehalt sich auf Gnade und Ungnade ergiebt; wer ganz des Heilandes seyn will, der findet sogleich Gnade, weil er sie ernstlich will. Wer aber die Bande mit einer Hand noch hält, so gern er mit der andern sie zerreißen möchte, dessen Wille und Herz ist getheilt, der bleibt doch eigentlich gern in seinen Banden, und die Gnade kann ihn nicht frey machen gegen seinen Willen. Gieb dich ganz hin, so giebt sich Christus und seine Gnade dir auch ganz hin, mit all seiner Fülle.

11. Juni

Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. 2. Kor. 4,8.
Verzage nicht, wenn du von ihm gestraft wirst. Hebr. 12,5.
Da meine Seele bey mir verzagte, dachte ich an den Herrn. Jon. 2,8.

Die Apostel und Propheten wissen auch von Bangigkeiten und Versuchung zum Verzagtwerden zu sagen. Du glaubst, das wäre nicht möglich, daß solche Männer, die von Gottes Geist so unmittelbar regiert wurden, auch solche Erfahrungen machen mußten; du meinst, es soll dir nun nicht mehr bange werden, nachdem du angefangen hast, den Herrn zu lieben; er werde dich nun auf den Händen tragen. Das thut er auch mitten in der Angst und Bangigkeit. Wo würdest du sonst bleiben? Bange wird dem Christen oft, und muß ihm bange werden, aber zum völligen Verzagen soll es nicht kommen. Ist es aber schon nahe daran, so denke an den Herrn, wie Jonas, dem sehr enge und bange war im Abgrunde, im Bauche des Fisches; aber er dachte an den Herrn, der im Abgrunde nicht weniger mächtig ist zu retten, als auf dem festen Lande; der im Bauche des Ungeheuers eben so leicht helfen kann, als in der stillen Kammer. Hätte dich also die Trübsal und Noth des Leidens schon verschlungen und umgeben von allen Seiten, wie den Jonas der Fisch, und wärest du von Unglück und Jammer bedeckt wie er von den Meereswellen, so denke nur an den Herrn, dem auch bange war, Luc. 12,50. und der den Bangen, Verzagten zuruft, daß sie sich nicht fürchten, sondern getrost seyn sollen. Jes. 35,4.

12. Juni

Wohl dem, der sich des Dürftigen annimmt. Ps. 41,2.
Wohl dem, der sich des Elenden erbarmt. Sprüch. 14,21.
Wohlthun ist ein gesegneter Garten. Sir. 40,17.
Wohlzuthun und mitzutheilen vergesset nicht, denn solche Opfer gefallen Gott wohl. Hebr. 13,16.

Wie wohl hat uns der Herr gethan? wie viel hat er an uns gewendet? Blut und Leben gab er, nicht nur all das Seinige, Sich Selbst gab und giebt er ewig uns hin. Nun verlangt er zwar nichts von uns für sich, aber unsern armen elenden Brüdern, die er seine Brüder, seine Elenden nennt, sollen wir geben, was wir ihm gerne geben möchten und geben sollten, wenn er es bedürfte. Was würdest du thun, wenn du beim Anblick des schreienden Elendes deinen Heiland in dem Armen erblicktest? wenn er dir seine Wunden zeigte, die er für dich empfangen, wenn er zu dir spräche: Sieh, das hab' ich für dich gethan, da ich dich in deinem Blute liegen sah! Was thust du nun für mich? - Sage mir, was würdest du thun, wenn du den Heiland leibhaft im Armen sähest, hörtest? - Das thue nun; denn sein Wort muß dir so viel seyn als seine Person. Wer wohlthut den Leibenden, pflanzet sich einen Garten, dessen Früchte ihn zur Zeit der Noth und in der Ewigkeit noch erquicken werden. Jede Wohlthat ist ein Saamenkorn für die Ewigkeit ausgestreut, das unfehlbar Früchte bringen wird. Pflanze täglich nur ein oder zwey Bäumchen in diesen Garten - so hast du nach einem Jahre schon 365 Bäume - zuletzt wird es ein Wald. Doch sieh ihn nicht an, um dir darin wohlzugefallen, sondern laß deine Linke nicht wissen, was die Rechte gepflanzet hat.

13. Juni

Wohl dem, dem die Uebertretungen vergeben sind, dem der Herr die Missethat nicht zurechnet. Ps. 32,1.
Wohl dem Volk deß der Herr ein Gott ist. Ps. 44,15.
Wohl dem, der auf ihn trauet, der seine Hoffnung setzt auf den Herrn. Ps. 34,9. 40,5.
Wohl denen, die ohne Wandel (unsträflich) leben, die seine Zeugnisse halten. Ps. 119,1.2.

Wohl seyn, froh seyn, wollen und suchen alle Menschen, nur gewöhnlich da nicht, wo es zu finden ist. Ehe ein Mensch Vergebung der Sünden, von Gott in Christo, durch seinen Geist bezeuget und verpfändet, erhalten hat, kann ihm nirgend wahrhaft wohl, er kann nicht selig seyn. Vergebung, Gnade erlangen, ist die Thüre, der Anfang des wahren Wohlseyns. Geht er in der Gnade fort, läßt er sich von seinem Erbarmer auch heilen von allen Gebrechen, auch stärken in aller Schwachheit, erleuchten in dunklen Wegen, reinigen, heiligen durch seinen Geist - gewöhnt er sich an Ihn, lernt in ihm bleiben, in ihm wandeln ohne Wandel, untadelich; so zeigt ihm der gute freundliche Heiland seine Gnadenschätze, seine Heilsgüter, und macht ihn trunken von den reichen Gütern seines Hauses; läßt ihn täglich mehr schmecken seine Freundlichkeit, schenkt ihm die göttliche Natur, den reinen heiligen Sinn, macht ihn seinem Ebenbilde gleichförmig an Gerechtigkeit, Seligkeit und Herrlichkeit. Und nun hat die Seele das wahre Wohlseyn, die Freude und Seligkeit gefunden, die ihr nicht wird genommen werden. Sie ruht in Jesu Armen. Wer will sie daraus reißen? wer ihr die Freude nehmen? Wenn sie nicht selbst will, darf sie niemand aufwecken, niemand stören. Hohel. 2,7.

14. Juni

Da es Gott wohlgefallen, daß er seinen Sohn in mir offenbarte - alsobald fuhr ich zu, und besprach mich nicht mit Fleisch und Blut. Gal. 1,16.
Der Geist der Wahrheit wird mich verklären. Joh. 16,14.
Wir alle aber schauen die Klarheit des Herrn mit aufgedecktem Angesicht. 2. Kor. 3,18

Christum kann man nicht durch Buchstaben und menschlichen Unterricht wahrhaft kennen lernen, nicht mit der Vernunft erforschen; man kann ihn auf keine andere Weise ergreifen, als wenn ihn uns der Vater offenbaret, und der Geist verklärt, wenn er uns sein Bild, wie er am Kreuze sich für uns hingab und starb, selbst vor die Augen des Herzens mahlt, und uns im Lichte Gottes klar macht, was das für uns zu bedeuten habe. Da schauen wir die Klarheit und die Liebe Gottes in ihrem schönsten Glanze mit aufgedecktem Angesicht, weil uns der heilige Geist die Decke weggehoben, die auf unserm natürlichen Verstande liegt, und unser Herz für seine Eindrücke und Strahlen geöffnet hat. Wem aber Christus also offenbar wird, der geht, wie Paulus, nicht mehr mit Fleisch und Blut zu Rath, frägt die Eigenliebe nicht, wie es ihr gefalle, sondern er fährt ungefragt zu, und ergiebt sich mit allem, was er ist und hat, an den hin, der sich ihm geschenket hat, und ist und bleibt ewig sein. Ach, wo Christus, das Heil der Welt, eingekehrt hat, da kann keine Frage mehr seyn: darf ich, soll ich nun Welt und Sünde und mich selber fahren lassen? Was wird die Welt dazu sagen? Was dieser oder jener denken? Nein, da hat man kein anderes Verlangen, keinen Wunsch und keine Frage mehr, als: Wie kann ich ihm gefallen? Wie kann ich ihn ununterbrochen genießen, unablässig bey ihm seyn? Wie kann ich mir alle Tage, ja so oft wie möglich, die Freude machen, ihn so zu haben, wie er sich mir in seiner Liebe und Freundlichkeit offenbaret?

15. Juni

Ich freue mich des Herrn. Ps. 104,34.
Ich will den Herrn loben allezeit, sein Lob soll immerdar in meinem Munde seyn. Ps. 34,2.
Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes gethan hat; der dir alle deine Sünde vergiebt, und heilet alle deine Gebrechen rc. Ps. 103,2.3.

O wohl dir, wenn du aus des Herzens Fülle in Wahrheit sagen kannst: Ich freue mich des Herrn! Selig bist du, wenn dein Herz Ursache hat, sich wirklich des Herrn zu freuen; wenn nicht nur Lob und Freude im Munde, sondern Gnade und Erbarmen des Herrn in deinem Herzen ist, und der Mund nur davon überfließt, wovon das Herz voll ist! Hast du die Vergebung der Sünden von ihm erhalten, und dafür Brief und Siegel in deinem Herzen, die nicht veraltet, nicht ausgelöscht und unlesbar gemacht sind durch neue Sünden und Untreuen, sondern vielmehr alle Tage durch neue Gnaden-Beweise des Herrn erneuert und wieder aufgefrischt werden, so daß es dir täglich bezeugt wird vom heiligen Geiste, daß er dir alle Sünden vergeben hat; und nicht nur dieses, sondern, daß er auch alle deine Gebrechen heilt, daß sein Blut dich reinigt von aller Untugend; wer soll dir dann die Freude wehren? wer nicht in dein Lob einstimmen? Nie sollst du diese Gnade vergessen, alle Tage dich wieder neu daran erinnern. Allein viele wollen zwar Vergebung der Sünden von ihm nehmen, aber von dem Gebrechen wollen sie sich nicht heilen lassen; deswegen kann ihre Freude nicht vollkommen seyn; Gott gebe, daß sie nicht falsch und heuchlerisch ist! Vergeben und heilen, beides will dein Heiland. Das sagt schon sein Name: Heiland. So heißt er, weil er heilet und gesund macht. Wer sich nicht auch heilen läßt von Gebrechen, nachdem ihm die Sünden vergeben sind; der ist in Gefahr, der Reinigung seiner vorigen Sünden zu vergessen und ganz blind zu werden. 2. Petr. 1,9.

16. Juni

Und es fiel eine Stimme aus den Wolken, die sprach: Dieser ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören. Und indem solche Stimme geschah, finden sie Jesum allein. Luk, 9,35.36.

Auf diese Stimme, die aus den Wolken fiel, sollte billig alle Welt horchen. Aber die Menschen können ihren Kopf und ihre Ohren hart in die Höhe halten, geblendet und betäubt von den Stimmen, die sie von unten hören. Die Welt liegt ihnen zu sehr in den Ohren, als daß sie Gottes Stimme Gehör geben könnten. Gott hat hiemit Jesum, als seinen liebsten Sohn, und als den glaubwürdigsten, hörenswürdigsten Prediger erklärt, feierlich, öffentlich vor den Jüngern auf Thabor, so wie dort am Jordan, Matth. 3,17. und Joh. 12,28. vor allem Volke. Aber der liebe Gott muß, wie alle seine Boten, selbst klagen: Wer glaubt unserer Predigt? Gott hat hier vom Himmel herab gepredigt, und seinem Sohne ein wunderbares Zeugniß gegeben, hat ihn der Welt angeboten, ihn als Prediger und Lehrer installirt und confirmirt; und sieh! die Welt hat seiner gespottet, hat ihn am Ende als Gotteslästerer gekreuziget; den, den Gott selbst als seinen Sohn erklärt hat? Ja, sie will ihn auch bis auf den heutigen Tag nicht hören. Aber wer soll denn der Welt predigen; wenn sie diesen Prediger nicht hört, der eine so hohe, erhabene Kanzel hat, der aus den Wolken prediget, der so lieblich und freundlich prediget? Willst denn du nicht, lieber Leser! des Vaters Predigt vom Sohne glauben? Willst du nicht dem Worte und Zuge des Vaters folgen und zum Sohne gehen? wie geschrieben steht Joh. 6,44: Wer es vom Vater hört und lernet, der kommt zu mir. Willst du nicht den über alles lieben, den der Vater über alles liebt? Willst du ihn nicht annehmen, da der Vater aus den Wolken ihn dir anbeut und schenket? - Als die Jünger die himmlische Predigt hörten, fanden sie niemand mehr als Jesum allein. Moses war weg, Elias war weg; damit sie gewiß wissen sollten, der Vater predigt vom Sohne, nicht von Moses und Elia, den Sohn sollten sie hören - allein; den Sohn sollten sie predigen, nicht den Moses. Wer da Zuhörer seyn will, kann alle Tage die Predigt des Vaters hören; denn der Vater zeugt immer vom Sohne und zieht immer zum Sohne; wenn wir nur hören und folgen wollten!

17. Juni

Gedenke, Herr, an David und an alle seine Leiden. Ps. 132,1.
Zähle meine Flucht, fasse meine Thränen in dein Gefäß. Ohne Zweifel, du zählest sie. Ps. 56,9.
Du speisest sie mit Thränenbrod, und tränkest sie mit großen Maaß voll Thränen. Du setzest uns unsern Nachbarn zum Zank, und unsre Feinde spotten unsrer. Herr Zebaoth, tröste uns; laß leuchten dein Antlitz, so genesen wir. Ps. 80,6.7.

Der Herr hat, wie wir aus diesen Klagen sehen, seine Auserwählten allezeit in schwere Leiden und Prüfungen kommen lassen, daß man ihrer spottete, und sie sich in Thränen badeten. Das muß keine Seele irre machen, sondern vielmehr bestärken und trösten. Klage dem Herrn deine Noth, wie David, da er von den Philistern ergriffen ward, den Herrn bat, daß er seine Flucht zählen, das ist, auf alle seine Leiden sehen und genaue Aufsicht darüber haben möge; daß er seine Thränen aufbehalte, daß er sie nicht umsonst geweint seyn, und vor seinem Angesicht nicht verloren gehen lasse; damit auf die Thränensaat eine Freudenerndte folgen möchte durch die Barmherzigkeit des Herrn. So beteten diese alten Glaubenshelden, weil sie fest überzeugt waren, daß Gott alle Thränen zähle, und keine umsonst geweint sey; daß der Herr eine genaue Aufmerksamkeit auf unsre Leiden habe. Und dies ist ein großer Trost, wenn man im Leiden aufblickt zu dem Allsehenden, wenn man gläubig sagen kann: Herr, du siehst mich! Kein Mensch kann den Leidenden recht verstehen, das kann nur der Herr. Der versteht deine Blicke die du zu ihm erhebest. Darum vertraue nicht auf Menschen und suche nicht Menschentrost - suche das Antlitz des Herrn; das allein hilft, tröstet und stärket, versüßet und vergütet alle Leiden.

18. Juni

Niemand jammerte dein - ich aber ging vor dir vorüber, und sahe dich in deinem Blute liegen und sprach zu dir: Du sollst leben. Ezech. 16,5.6.
Die Elenden werden wieder Freude haben an dem Herrn, und die armen unter den Menschen werden fröhlich seyn in dem Heiligen Israels. Jes. 29,19.

Wenn unsern Jammerstand niemand bejammert, wenn die arme Seele nirgend Trost und Ruhe findet, so geht der Herr bey ihr vorüber, nicht wie der Priester und Levit, sondern wie der Samaritan; und da er tiefer als dieser in die Wunden deiner Seele hineinsieht, die Gefahr, in der du schwebst, viel besser kennt, so naht er sich dir mit herzlicherm Erbarmen. Sieht er dich nun in deinem Blute, das ist, in deinen Sünden, und in den blutigen Thränen über deine Vergehungen, seufzen und schmachten, so bricht ihm sein Herz; er eilt dir zu helfen, er spricht zu dir: Du sollst leben und nicht sterben! Ich will, sey rein! Und was er spricht, das geschieht, was er gebeut, das steht da. Deine Ohren, die bisher taub waren, werden hören, deine Augen, die bis jetzt blind waren, werden sehen, wie freundlich er vor deinem Herzen steht, wie lieblich er Friede spricht in dein Herz. Dein Herz, das bisher verschlossen war allem Troste, wird aufgethan seyn, und sein allbelebender Trost wird eingehen und dir neues Leben und neue Freude in solcher Fülle mittheilen, daß du sagen wirst: Es ist zu viel, Herr, es ist zu viel; ich bin allzu gering der Barmherzigkeit, die du an mir thust. Da wird die arme Seele Freude haben an dem Herrn, der die Sünder nicht verschmäht, die zu ihm schreien; da wird dein Herz fröhlich seyn in dem Heiligen in Israel, der dir alle deine Sünde vergiebt und heilet alle deine Gebrechen.

19. Juni

Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der wird dich versorgen, und wird den Gerechten nicht ewiglich in Unruhe lassen. Ps. 55,23.
Denn er wird des Armen nicht so ganz vergessen, und die Hoffnung des Elenden wird nicht verloren seyn. Ps. 8,19.

Wir können alles leicht wegwerfen und fallen lassen, nur das, was wir wegwerfen und auf den Herrn werfen sollen, dieses Werfen verstehen wir nicht oder sehr schlecht. Der Heiland steht, gemäß diesem und andern Sprüchen seines Mundes, vor uns, sieht uns in unserm Jammer, in unsrer Angst, Furcht und Bangigkeit, es bricht ihm sein Herz, er ruft uns zu: „Mein Kind, gieb nur her, was dich jammert, wirf auf mich die Last, die dich niederdrückt, ich sehe, du kannst sie nicht tragen.“ Und wir wollen nicht, wir können uns nicht trennen von der verhaßten Last: wir geben ihm nicht, was wir doch nicht tragen können; wir halten fest, was er uns gütig abnehmen will. Sind wir nicht verkehrt und eigensinnig zu unserm eignen Schaden? Wer aber die Kunst gelernet hat, alles auf den Herrn zu werfen, wer weiß, wie nahe er uns steht, wie gerne er alles annimmt, was wir auf ihn legen, der bleibt ohne Furcht und Angst; er hält sich an seine Zusage, an den Trost der Schrift, die nicht lügen kann. Der Herr kann unmöglich eines armen Leidenden, der auf ihn hofft, vergessen oder ihn verlassen. Nein, nicht vergessen, nicht verlassen, prüfen will er nur deine Hoffnung, dein Vertrauen, deine Gelassenheit. Wie könntest du denn deine Hoffnung und Zuversicht beweisen, wenn keine Leiden über dich kämen? Wie könnte deine Geduld geübt werden, ohne Uebung, ohne Stoff zur Uebung, ohne Trübsal? Also wirf, wirf all deinen Kummer auf den, der seine Hand, seinen Schooß offen hält, um ihn dir abzunehmen. Hoffe auf ihn, er wirds wohl machen. Dein Kummer ist ein Dornbette, das du dir selbst bereitest; wirf dich dem Herrn in seine Arme, so liegst du auf Rosen und Flaum.

20. Juni

Der Herr wird dein ewiges Licht, und dein Gott wird deine Zierde seyn. Deine Sonne wird nicht mehr untergehen, noch der Mond den Schein verlieren; denn der Herr wird dein ewiges Licht seyn, und die Tage deines Leidens werden ein Ende haben. Und dein Volk sollen lauter Gerechte seyn. Jes. 60, 19-21

Hier ist ein ewiger Wechsel der Dinge. Bald haben wir Freude, bald Leid. Jetzt wandeln wir im hellsten Mittagslichte, in lauterm Frieden, in der seligsten Nähe des Herrn; dann wird wieder alles dunkel vor unserm Auge, und schwarze Nacht decket uns die Nähe des Herrn zu, die Sünde stürmet auf uns los, die Feinde drohen uns zu verschlingen. Wie müde Wanderer im finstern, fremden und gefährlichen Lande, wo lauter Räuber und Mörder wohnen, pilgern wir und sehnen uns nach dem Vaterlande, wo lauter Gerechte wohnen, wo Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen, Ps. 85,11.; wo die Sonne nicht mehr untergeht, wo der Herr unser ewiges Licht ist. Doch könnten wir auch hier schon eine bleibendere Ruhe und einen ungestörteren Frieden genießen, wenn wir nur auf Ihn sähen, der als die ewige Sonne in unsrer Seele leuchtet, auch im Finstern unser Licht ist, Mich. 7,8. Nur die Unbeständigkeit des Herzens, der schwache Glaube erzeugt diesen Wechsel in uns, daß wir nicht unwandelbar in unserm unwandelbaren, ewig treuen und unveränderlichen Heiland stehen bleiben. Wer in ihm bleibt, der hat den unveränderlichen Trost, der ihn nie verzagen läßt; Der Herr wird unser ewiges Licht seyn.

21. Juni

Es ist gut, dem Herrn vertrauen, und sich nicht verlassen auf Menschen. Ps. 118.8.9.
Bey Gott ist mein Heil, meine Ehre, der Fels meiner Stärke, meine Zuversicht ist auf Gott. Ps. 62,8.

Die ganze Schrift vom ersten bis letzten Worte ermahnt und fordert uns auf zum Vertrauen auf den Vertrauenswürdigsten und warnet uns vor dem Vertrauen auf Menschen, auf Geschöpft; ja, sie verflucht den, der auf Menschen vertraut, der Fleisch zu seinem Arm macht. Sie verspricht allen Segen und alles Heil dem, der auf den Herrn vertrauet. Jer. 17,5.7. Der ist wie ein Baum an Wasserbächen, wie ein Fels im Meere. Deß ungeachtet vertrauet man so gern auf Menschen, sieht sich immer nach menschlichen Stützen um, und vergißt den Herrn und seinen Arm, als wenn er nicht wäre, als wenn er uns nichts verheißen hätte. So schwer wird es dem Menschen, sich an das ewigfeste, unvergängliche, das er nicht sieht, zu halten; lieber hält er sich an einen Strohhalm, den er sieht; lieber stützt er sich auf ein Moosrohr, das er mit der Hand fassen kann, das aber bald, ehe er sich recht darauf stützt, bricht und ihm durch die Hand geht. Wer nun gelernt hat, auf den Herrn zu vertrauen, der auch im Meere Wege und in tiefen Wassern Bahn machen kann, der steht mitten in Ungewittern wie ein Fels im Meere, angefochten, verfolgt, aber doch unbeweglich, unerschütterlich, fest auf dem Grunde seiner Zuversicht, der nicht wanket. Wer nicht auf die Gefahr, nicht auf die schwankenden Wellen und Wogen der Trübsal, sondern auf den Steuermann sieht, der noch niemals Schiffbruch gelitten, dessen Schiff noch nie untergegangen ist, der sitzt ruhig und steht fest in seinem Gott, als wenn nichts wäre, als wenn nur er und Gott, - als wenn kein Unglück und keine Gefahr wären.

22. Juni

Einer trage des andern Last. Gal. 6,2.
Wir aber, die wir stark sind, sollen die Gebrechlichkeit der Schwachen tragen. Röm. 15,1.
Seyd aber unter einander freundlich, herzlich, und vergebet einander, so wie euch Gott vergeben hat in Christo. Eph. 4,32.

Welche Lasten haben wir unserm Heilande aufgelegt - „fürwahr, er trug unsere Krankheit - Gott warf all unsre Sünden auf ihn -“ und wie sanft, wie stille ging das Lamm unter unsrer Last, ohne seinen Mund aufzuthun. Er sagt wohl: Du hast mir Arbeit gemacht mit deinen Sünden, du hast mir Mühe gemacht mit deinen Missethaten - aber nicht, um sich zu beklagen oder zu beschweren, oder uns Vorwürfe zu machen - denn er setzt gleich bey: - Ich, ich tilge deine Uebertretung um meinetwillen, und gedenke deiner Sünden nicht. Jes. 43, 24.25. Er will uns also nur zeigen, wie auch wir die Arbeit, Mühe und Last, die uns andere mit ihren Gebrechen auflegen, stillschweigend tragen und ihrer gar nicht gedenken, alle Beleidigungen vergessen und vergeben sollen. Oder wollten wir Vergebung von ihm nehmen, und unsern Brüdern ihre Sünden behalten? Würde er uns nicht machen, wie dem Knecht im Evangelio? Matth. 18,33.34. Wem die Last, die ihm andere auflegen, zu schwer wird, der sehe auf den Rücken des Lammes Gottes, und frage: Wer hat dir diese schwere Bürde aufgelegt? Wer hat dich so geschlagen? verwundet? getödtet? und warum schweigst du so stille und leidest so geduldig? - Die Antwort wird sich dann von selbst geben.

23. Juni

Wenn ich betrübt bin, so denke ich an Gott. Ps. 77,4.
Der Herr verstößet nicht ewiglich, sondern er betrübet wohl, und erbarmet sich wieder nach seiner großen Güte. Klagl. 3,31.32.
Herr, aus der Tiefe rufe ich zu dir. Ps. 130,1.

Wer in die Höhe will, muß zuvor in die Tiefe, wer in den Himmel will, muß zuvor durch eine Hölle. Ohne schwere Betrübniß wird in dieser Welt wohl keiner durchkommen. Mußte nicht Paulus, mußten nicht alle Auserwählte des alten und neuen Bundes durch viel Trübsal ins Reich Gottes eingehen? Mußte nicht Christus in alle Tiefen und Abgründe des menschlichen Leidens hinein, mußte nicht seine Seele betrübt werden bis zum Tode! Ist dies wohl vorzüglich zur Versöhnung für unsre Sünden geschehen, weil Gott all unsre Missethat auf ihn warf; so ist es doch nicht weniger auch zu unserm Troste geschehen, und destomehr zum Troste, jemehr wir glauben, daß er durch seine Betrübniß die ewige Betrübniß von uns abgewendet hat, und daß wir uns jetzt in aller Traurigkeit zu ihm mit Zuversicht wenden können und dürfen. Wenn du also betrübt bist und mit David in der Tiefe liegst, so geselle dich zu deinem Heiland am Oelberg; er kann dich trösten, er weiß, was es um ein betrübtes Herz ist. Er betrübt dich aber, daß du auch weißt, was er für dich gelitten, und wie sehr er dich geliebet hat. Er wird dich nicht sterben lassen in deiner Betrübniß, er erbarmet sich wieder. Such du nur ihn, so findest du das Ende deiner Traurigkeit.

24. Juni

Gott, deine Gerechtigkeit ist hoch, der du große Dinge thust. Gott, wer ist dir gleich? Ps. 71,19.
Der sich selber für uns dahingegeben hat für unsre Sünden rc. Gal. 1,4.
Herr, mein Gott, groß sind deine Wunder und deine Gedanken, die du an uns beweisest; dir ist nichts gleich; ich will sie verkündigen und davon sagen, obwohl sie nicht zu zählen sind. Ps. 40,6.

Alle Werke Gottes sind hoch, groß und unbegreiflich; aber sein größtes Werk und Wunder, das er an uns Menschenkindern that, ist und bleibt ewig, daß der Schöpfer aller Dinge selbst so geringe, und ein Bürge, das Lösegeld für seine verschuldeten Geschöpfe geworden ist. Die Welten alle erschaffen, kostete ihn nichts, kaum ein Wort: Es werde! so stand es da; aber die verdorbenen Geschöpfe wieder gut und neu zu schaffen, kostete ihn die tiefste Erniedrigung in den Staub, in das sündliche Fleisch, die größte Schmach, den bittersten Schmerz, den schmählichsten Tod. Darum kann eine Seele, die die Liebe ihres Heilandes am Kreuze, die ihn in seiner Schmach und Todesnoth betrachtet, nicht oft genug vor Verwunderung ausrufen: Herr, wer ist wie du? wer ist dir gleich? Groß sind die Wunder und Gedanken, die du an uns beweisest! Man kann sie nicht zählen, und kann doch nicht davon schweigen; man kann sie nicht würdig genug preisen, und doch - wer sollte was anders preisen, als diese Großthaten Gottes, vor denen alles Großgenannte zu nichts wird, und alles für herrlich gehaltene wie ein Traum verschwindet.

25. Juni

Nehme und esset, das ist mein Leib, der für euch dahin gegeben wird; thut das zu meinem Andenken. - Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blute; thut dieß, so oft ihr trinket, zu meinem Andenken. So oft ihr also dieses Brod esset und diesen Kelch trinket, sollt ihr den Tod des Herrn verkündigen. 1. Kor. 11,24-26

Es war dem Heiland so sehr daran gelegen, sich uns unvergeßlich zu machen, sich so in unser Herz und unsern Sinn einzuschreiben, daß wir ihn nicht mehr aus dem Andenken und nicht aus dem Herzen verlieren sollten. Dazu gab er, was wohl vor und nach ihm keiner zum Andenken geben wird, sein Fleisch und Blut, seinen Leib und Leben - sich selbst. Wer giebt sich selbst seinem Freunde zur Erinnerung, zum Beweis der Liebe? Darum sollen wir auch nicht blos an ihn denken, und sein Abendmahl soll uns nicht nur ein Gedächtnißmahl, nicht blos eine feierliche Erinnerung seines Todes - obwohl auch dieses - seyn, sondern mehr noch, Nahrungsmittel, innige Gemeinschaft, Verbindung und Erneuerung des Lebens und Todes, und der Auferstehung Jesu in uns. Wer sichs lebhaft denken, zuversichtlich glauben kann: Diesen Leib, für dich dahin gegeben; dieses Blut, für dich vergossen, ist dir zugleich Pfand des Lebens Jesu in dir, Pfand deines ewigen Lebens bey und mit ihm in seinem Reiche; ist die Speise, Nahrung, Weg-Zehrung auf der Pilgerreise durchs Erdenleben; dieses Mahl ist dir lebendiger, anschaubarer Beweis deiner Versöhnung mit Gott, der Vergebung der Sünden, der Gemeinschaft mit Christus und dem Vater, der Verbrüderung aller auserwählten Glieder des Leibes Jesu - denn da wir Viele Ein Brod essen, sind wir Alle Ein Leib - dieses Manna, das wahrhaftig aus dem Himmel kommt, giebt und erhält dir das ewige Leben; dieses Brod des Lebens bewahrt dich vor dem ewigen Tode, und wird auch deinen Leib einst wieder erwecken. - Dieses alles und noch mehr, denn auszusprechen ist es nicht, was alles in diesem Sakramente liegt, dieses alles recht lebendig gedacht und geglaubt, und gegessen und genossen, und in Saft und Kraft verwandelt - wie reich, wie selig, wie stark macht es deine Seele!

26. Juni

Mein Fleisch ist die rechte Speise, mein Blut ist der rechte Trank. Wer mein Fleisch ißt, und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich in ihm - der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am jüngsten Tage auferwecken. Joh. 6,55-57.

Es ist also das Abendmahl eine wesentliche Theilnahme, ein wahrer Genuß der Früchte des Todes Jesu, oder Jesu Christi selbst. Wer im lebendigen Glauben ißt, ißt Jesum, und wer Jesum ißt, hat das Leben Jesu, Jesum in ihm lebend, und lebt durch und in ihm. So sagte er selbst (Vers 58). Es essen wohl so viele im Abendmahle, aber ohne durch Jesum genährt und gestärkt zu werden; weil sie nicht im lebendigen Glauben essen. Was lebt, das hungert nach Speise und muß essen, oder sterben. So auch der lebendige Glaube; Jesus ist seine Speise, nach der hungert, durch deren Genuß lebt und besteht er, ohne den stirbt er. Wo kein Hunger nach Jesu ist, ist kein Glaube, kein Leben des Glaubens, also auch kein wahres Essen; sondern da ist nur Wort, Wahn und Gedanke, nur äußerliches, körperliches Essen, das die Seele nicht speiset und nähret. Ein Todter verstehts nicht und kann nicht essen. Wer lebt und hungert, den darf man das Essen nicht lehren. Der todte Glaube aber fragt staunend und spottend: was soll das seyn, Christum essen? Das ist es, was Jesus (Joh. 6,58) sagt, und Paulus Eph. 5, 14. u. 3,17. Wache auf, der du schläfst, stehe auf von den Todten, so wird dich Christus erleuchten, und dir zeigen, was es heiße, Christum durch den Glauben essen, und im Herzen wohnend haben. Du wirst hungrig werden nach ihm, und der Hunger wird dich essen lehren. Das Abendmahl ward daher immer ein Sakrament der Lebendigen genannt, weil es als geistige Speise ein geistiges Leben voraussetzt, welches diese Speise nähren und erhalten soll; denn wo kein Leben ist, bedarf es keiner Speise. Die Todten können nicht essen. Die Taufe soll die Todten wecken, das Abendmahl die Erweckten und Lebendigen nähren, erhalten und stärken. Gewiß, da hat man ihn, so nahe man ihn auf Erden haben kann.

27. Juni

Sein Name wird ewiglich bleiben; so lange die Sonne währet, wird sein Name auf die Nachkommen reichen, und werden durch denselben gesegnet seyn; alle Nationen werden ihn preisen. Ps. 72,17.
Und es soll geschehen, wer den Namen des Herrn anruft, der soll selig werden. Apg. 2,21. Joel 3,5.

Welche Freude für uns, daß Er nicht nur Jesus, Heiland, hieß für die Apostel und ersten Christen, nicht nur für Ein Volk oder Eine Nation; nicht nur für ein Jahrhundert, sondern für alle Jahrhunderte, für alle Zeiten und Ewigkeiten, für alle Menschen, ewig, ewig Jesus, Heiland heißt und bleibt. Wenn wir auch nicht blieben, sein Name bleibt. Darum wollen wir auch bleiben im Glauben an seinen Namen. Er hat uns errettet, wird uns erretten, weil wir an seinen Namen glauben. Er wird alle ewig erretten, die ihn anrufen und ihre Kniee vor ihm beugen. Darum verzage nicht, hoffe, hoffe für dich und für alle Menschen. Sein Name bleibt ewig, das heißt: Sein Name wird und muß siegen auf Erden und im Himmel durch alle Ewigkeiten. Lebt dein Herz in der Kraft und in dem Heile seines Namens, so wirst du wünschen und hoffen können, wirst zuversichtlich beten können, daß er, der Heilbringende, ja allen bekannt, von allen geglaubt, und allen zur Rettung und Beseligung werde, für die er gestorben ist. Liebst du seinen Namen, und weißt du, was er dir ist; strömt er dir Friede und Gnade zu, so oft du seiner gedenkest, so wirst du dieses Heil auch allen deinen Brüdern, aller Welt gönnen, und dich mit innigem Flehen sehnen nach dem Tage Jesu Christi, wo er herrlich erscheinen wird in allen seinen Heiligen, wo er angebetet wird von allen Zungen.

28. Juni

Lasset uns laufen durch Geduld in dem Kampfe, der uns verordnet ist. Ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden über dem Kämpfen wider die Sünde. Hebr. 12,1.4.
Verflucht sey, wer des Herrn Werk lässig treibt. Jer. 48,10.

So sprach der Herr durch Jeremia, da er zum Kampf gegen die Moabiter aufforderte; verflucht sey, der sein Schwert aufhält, daß er nicht Blut vergieße - Moab muß zerstöret und ihre festen Städte erstiegen werden - spricht der König, welcher heißt der Herr Zebaoth. Ist dem Herrn an der Zerstörung der Moabiter so viel gelegen, und fordert er dagegen so sehr zum Kampfe auf; wird ihm nicht noch viel mehr angelegen seyn, daß die Moabiter in dir, das ist alles, was dir die Ruhe und den Frieden der Seele streitig macht, alles, was nicht dem Herrn anhängt, was Fleisch und Weltsinn heißt, zerstöret, und das Reich des Herrn in dir aufgerichtet werde. War jeder verflucht vom Herrn, der nicht blutig kämpfte, sondern lässig war gegen Moab: wirst du Segen ererben, wenn du lässig bist im Kampfe gegen Welt und Sünde, gegen Fleisch und Blut, das alle Augenblicke deine Grenzen beunruhig, vielleicht gar dein Land, dein Inneres eingenommen hat und dich beherrschet. Dagegen mußt du das Schwert des Herrn, und den Schild des Glaubens ergreifen und kämpfen ohne müde zu werden, bis Ruhe im Lande, bis Moab zerstört und die Festungen des Satans erstiegen und geschleifet sind. Lässigkeit, Trägheit bringt Fluch; ernster Kampf, unermüdeter Lauf im Kampfe bringt Segen, Heil und Frieden. Höre den Paulus, wie er die Hebräer schilt, daß sie schon den Muth sinken ließen, schon müde werden und die Waffen niederlegen wollten, da sie doch noch nicht bis aufs Blut gekämpfet, noch keinen rechten Ernst bewiesen hätten. So lange ein Moabiter, ein Feind deines innern Friedens, in deinem Herzen lebt, darfst du die Waffen nicht niederlegen. Lässigkeit ist der Weg zur Hölle; ernster Kampf der Weg zum ewigen Frieden.

29. Juni

Dulden wir, so werden wir mit herrschen. 2. Tim. 2,12.
Die Liebe duldet alles. 1. Kor. 13,7.
Der Gerechte muß viel leiden, aber der Herr hilft ihm aus dem allen. Ps. 34,20.
Freuet euch, daß ihr mit Christo leidet. 1. Petr. 4,13.
Nehmet euch zum Exempel das Leiden und die Geduld der Propheten. Jak. 5,10.

Der Christ ist zum Leiden auf dieser Welt bestimmt, 1. Thess. 3,3. wie ihm dort im andern Leben ewige Freude und Wonne bestimmt ist. Lasset euch also die Feuerprobe nicht befremden, als widerführe euch etwas Seltsames; freuet euch vielmehr, des Kreuzes Christi und der Gemeinschaft seiner Leiden theilhaftig zu werden, damit ihr auch zur Zeit der Offenbarung und Verherrlichung eures gekreuzigten Meisters Freude und Wonne haben möget. 1. Petr. 4,12.13. Wer hier aus dem Leidenskelch trinkt, wird dort auch von dem Freudenweine trinken. Wer sich die Freude und Herrlichkeit, die den frommen, gläubigen Duldern dort bereitet ist, recht lebhaft denken und sie immer im Auge haben könnte, dem würden Zentnerlasten des gegenwärtigen Leidens kaum wie ein Sandkörnchen erscheinen gegen die himmelhohen Berge der Freuden Gottes. Er würde in das Lied des Apostels 2. Kor. 4,17.18. einstimmen, und sich sogar der Trübsal rühmen, weil Trübsal Geduld bringet, Geduld Erfahrung, Erfahrung Hoffnung und Hoffnung nicht zu Schanden werden läßt. Röm. 5,3.4.

30. Juni

Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, denn durch mich. Joh. 14,6.

Viele Wege, aber nur ein wahrer Weg - viele Worte, und wenig Wahrheit; viel Schein, und wenig Wesen und Leben unter den Menschen, weil Christus so wenigen alles in allem ist. Man will nicht ganz und allein in Christo stehen, aus Furcht, man müsse in ihm wandeln - den Weg, der er selbst ist, und den er gegangen. Man lernt die Worte, ohne die Wahrheit zu ergreifen. Man redet von der Wahrheit, aber wandelt nicht in der Wahrheit. Man will Christum zum Troste auf der Zunge haben, aber nicht als sein Leben und Wesen im Herzen. Fern, daß dies Christenthum sey. So kommt man nicht zum Vater, so geht man nicht ins Leben ein, weil man den wahren Weg, die Wahrheit und das Leben nicht hat, sondern blos auf der Zunge, und in der Einbildung hat. Eine eingebildete Reise, ein unbetretener Weg führt uns nicht zum Ziele. Ist Christus dein Weg, so wandle ihn, sonst kommst du auch mit ihm nicht weiter. Ist Christus deine Wahrheit, so laß sie dich frey machen von der Sünde Joh. 8,32.36.; denn das kann sie, das will sie, das muß sie, sonst wirst du nicht frey und kommst nicht zum Vater. Ist Christus dein Leben, wo lebt er denn? in dir? und du durch ihn? wo nicht, so bist du lebend todt, und wirst den Vater nicht sehen. So ergreife denn das ewige Leben und wandle den Weg der Wahrheit, auf daß du durch den Sohn zum Vater kommest.

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